Kategorie: Newsletter


  • Von Wahlmaschinen und Wahl-O-Maten

    das Wählen hat auf den ersten Blick wenig mit Technik zu tun, dabei gibt es durchaus interessante Alternativen zum gewohnten Setting aus Wahlkabine, Kugelschreiber, Stimmzettel und Wahlurne. Wenn im Vatikan ein neuer Papst gewählt wird, Schreiben die Kardinäle einen Namen auf einen Zettel. Den werfen sie in eine Urne und zugleich eine Kugel in eine Schale, die anzeigt, dass alle genau einmal eine Stimme abgegeben haben. Die Stimmzettel werden vorgelesen und anschließend mit einer Nadeln auf einen Faden gespießt. Vor aller Augen am Faden hängend können sie nicht so einfach manipuliert werden. Gibt es kein klares Ergebnis, werden die Wählenden so lange eingeschlossen, bis schließlich ein Wahlgang einen klaren Sieger hervorbringt. Das Einschließen des Wahlvolkes bis zu einem brauchbaren Ergebnis hätte sicherlich auch Vorteile bei der Wahl zum deutschen Bundestag, deren Ausgang Politikerïnnen vor fast unlösbare Probleme der Koalitionsbildung stellen kann, aber natürlich ist so ein barocker Vorgang nicht praktikabel.

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  • Luca

    Viele glauben, eine Veranstaltung oder ein Ort sei sicher, wenn eins sich mit Luca eincheckt. Das ist ein Trugschluss. Die Verwendung von Luca hat keinerlei Einfluss darauf, ob Infektionen passieren oder nicht. Auch mit Luca senken nur die AHAL-Regeln die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung. Auch mit Luca ist eine Aerosolwolke in einem Innenraum eine Aerosolwolke in einem Innenraum. Auch mit Luca bleibt ein Impfdurchbruch ein Impfdurchbruch.

    Es ist nicht plötzlich sicher, eine Kneipe zu öffnen oder eine Feier durchzuführen, weil die Luca-App benutzt wird. Es kann vertretbar sein, eine Kneipe zu öffnen oder eine Feier durchzuführen, weil die Fallzahlen gerade niedrig sind und ein stringentes Hygiene-Konzept vorliegt und dieses sogar von den Anwesenden eingehalten wird.

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  • Digitale Ethik und Clubhouse

    Im Darknet wird eine Datenbank versteigert, die 3,8 Milliarden Telefonnummern enthalten soll und von Clubhouse-Servern stammt. Darunter dürften auch viele dienstliche und private Telefonnummern von Prominenten sein, die häufig auf Clubhouse vertreten sind. Wer als prominente Person, Politikerïn, Aktivistïn usw. Grund zur Sorge hat, Opfer von Doxing, Übergriffen Rechtsradikaler oder anderer Hassgruppen zu werden, sollte sich schonmal eine andere Telefonnummer zulegen.

    Das gilt auch für Leute, die selbst Clubhouse gar nicht benutzen. Es genügt, wenn Freunde oder Bekannte es tun, denn Clubhouse kopiert das gesamte Adressbuch des Telefons mit sämtlichen Kontakten auf die eigenen Server. Das passiert nicht nur einmal nach dem ersten Start der App. Clubhouse schaut anschließend auch regelmäßig nach, ob neue Einträge hinzugekommen sind, und lädt auch diese hoch. So erklärt sich, warum eine App, die von einigen zehn Millionen Menschen installiert wurde, 3,8 Milliarden Kontaktdaten erntet.

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  • Durch uns die Sintflut

    Einige Jahre meiner Kindheit habe ich buchstäblich hinterm Deich verbracht. Nicht direkt der Nordseedeich, sondern der Emsdeich, aber doch an der Küste, eine Autostunde von der See entfernt. Hoch muss ein Deich auch am Fluss sein, für den Fall, dass sich bei Nordwestlage die See in den Mündungen staut und das Wasser flussaufwärts fließt. Natürlich sind wir bei Sturmflut rauf auf den Deich. Gucken. Dort oben stehend zu sehen, wie auf der anderen Seite das vom Sturm aufgewühlte Wasser dicht unter der acht Meter hohen Deichkrone steht, erzeugt einen tiefen Respekt vor den Naturgewalten. Es wird schlagartig klar, wie wenig fehlt, bis riesige Gebiete überflutet werden.

    Die Naturgewalt der Flut und die Technik des Deichbaus haben sich tief in die Kultur der Küstenbewohnerïnnen eingegraben. Ich hatte das Glück, keine schlimme Sturmflut erleben zu müssen. 1962, als Teile von Hamburg und das Alte Land unter Wasser standen und 340 Menschen in den Fluten umkamen, war ich noch nicht auf der Welt. Aber ein Bewusstsein dafür, dass es immer wieder zu Sturmfluten kommt, nehmen in Ostfriesland Aufwachsende mit der Muttermilch auf. Katastrophen wie die Weihnachtsflut von 1717, in der weit über 10.000 Menschen umkamen, sind Teil des kollektiven Gedächtnisses. Die Sturmflut ist eine Naturgewalt, die jederzeit und willkürlich hereinbrechen kann. Sie lässt sich weder beschwören noch verhindern. Die Menschen müssen sich damit arrangieren.

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  • Delta Double Feature

    vor einer Woche twitterte ich:

    https://twitter.com/ennopark/status/1411232084572659712

    Auf diesen Tweet habe ich einige Reaktionen bekommen, dass der R-Wert keine Aussagekraft habe. Hat er wohl, und zwar folgendermaßen:

    (Mini-Exkurs: R besagt, wie viele weitere Menschen eine infizierte Person ansteckt. Wenn R kleiner als 1 ist, steckt jede infizierte Person weniger als eine weitere Person an, und die Verbreitung eines Virus wird eingedämmt. Ist R größer als 1, steckt jede infizierte Person mehrere weitere Personen an und ein Virus verbreitet sich. Machen wir Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen oder das Tragen von FFP2-Masken, sinkt R.)

    Nun ist es aber schwierig, R korrekt zu messen, insbesondere bei relativ niedrigen Fallzahlen. Deshalb ist der R-Wert, den das Robert-Koch-Institut veröffentlicht, ein auf Messdaten basierender Schätzwert, der mit statistischen Verfahren (Nowcast) ermittelt wird. Ein Blick in die Suchmaschine fördert zu Tage, dass es über den Sinn und Unsinn von R eine sehr breite Debatte im Frühsommer 2020 gab.

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  • Was erlauben Baerbock?

    Ich frage mich, wie es sein kann, dass alle in diesem Ausmaß auf Annalena Baerbock herumhacken und glaube, ich weiß jetzt, warum #AlleGegenBaerbock so gut funktioniert. Folgendermaßen:.

    Armin Laschet verdankt seine Karriere teilweise der Protegierung durch christliche Aachener Lokalgrößen. Als Lehrbeauftrager hat er sich Klausurnoten einfach ausgedacht. Als Minister hat er seine Untergebenen ein Buch für sich schreiben lassen, das er unter seinem Namen veröffentlichte. Als dies bekannt wurde, spendete er die Buch-Einnahmen, allerdings nicht ohne diese Spende von der Steuer abzusetzen. Er agiert wissenschaftsfeindlich, argumentiert postfaktisch und stellt in seiner Corona-Politik Profit-Interessen über Menschenleben, etwa wenn es obskure Ausnahmen für Möbelhäuser gibt. „Wissenschaftliche“ Studien finanziert er danach, ob sie seine Politik stützen, und er ist in einen Korruptionsfall um unbrauchbare medizinische Kittel verwickelt. In seinem Bundesland hat er kürzlich die Demonstrationsfreiheit drastisch eingeschränkt und trotz Klimakatastrophe eine 1000-Meter-Abstandsregel für Windräder festgesetzt, die für eine Abnahme von Windrädern sorgen wird, während weiterhin Dörfer enteignet und abgerissen werden, um Braunkohle zwecks Verbrennen aus der Erde zu holen, wobei für Tagebauen und Kraftwerke geringere Mindestabstände zu Siedlungen gelten als für Windräder.

    Olaf Scholz führte als Innensenator in Hamburg den polizeilichen Einsatz von Brechmitteln gegen Verdächtige ein, der vom europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als menschenrechtswidrig eingestuft wird und in Hamburg zu mindestens einem Todesfall führte. Bei den Protesten beim Hamburger G20-Gipfel kam es zu zahlreichen und massiven Fällen von Polizeigewalt gegen Demonstrierende aber auch gegen Pressevertreterïnnen und Verstöße gegen die Pressefreiheit, was der als Bürgermeister mitverantwortliche Olaf Scholz leugnete. Als Finanzminister trägt er Mitverantwortung für das Versagen der Bafin im Wirecard-Skandal. Lediglich bei der Verwicklung in Cum-Ex-Geschäfte der Warburg-Bank sieht es danach aus, als ob ihm das zu unrecht vorgeworfen würde.

    Annalena Baerbock hat ihren Lebenslauf geschönt und das offenbar im Umfang dessen, was Bewerbungscoaches durchaus mal raten. Sie und ihr Ghostwriter haben offenbar freizügig Textpassagen aus fremden Quellen für ihr Buch benutzt, ohne dies kenntlich zu machen, wobei es sich – das ist hier wichtig – nicht um ein Plagiat in einer wissenschaftlichen Prüfungsarbeit handelt wie beispielsweise bei Franziska Giffey.

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  • Das digitale Schulzeugnis

    Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berlin starten diesen Sommer das digitale Schulzeugnis im Testbetrieb. Wenn diese Nachricht überhaupt wahrgenommen wurde,  zog sie eher enttäuschte Reaktionen nach sich. Das soll jetzt die Digitalisierung der Schule sein?

    Es gibt kaum einen Bereich in der Gesellschaft, der aus technischer Sicht dermaßen vorgestrig ist wie das öffentliche Schulwesen. Weil es um Informationsvermittlung und den Umgang mit Informationsmedien geht, spielen Bücher, Hefte, Arbeitsblätter sowie Lesen und Schreiben eine sehr wichtige Rolle im Unterricht. Wenn es weiterhin darum gehen soll, den eigenständigen Umgang mit Informationsmedien zu vermitteln, müssen digitale Medien künftig eine ebenso wichtige Rolle im Unterricht spielen. Das und nichts anderes ist das zentrale Versprechen der Digitalisierung von Bildung. Dass Kinder nicht mehr so schwere Ranzen voller Bücher schleppen oder fast wie selbstverständlich im Notfall auf Heim- und Wechselunterricht umgestellt werden kann, sind die Effekte, die sich als Folge einstellen und zeigen, warum wir das überhaupt alles machen.

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  • #LaschetKneift

    Rezo und Tilo Jung laden Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet zum Kanzlerïnnen-Duell auf Youtube und Twitch ein mit der „Zeit“ als Medienpartner. Aber Laschet sagt ab. In einem Wahlkampf, in dem Schlammschlachten fast vollständig politische Themen verdrängt haben, klingt das wie eine Fußnote. Auf den zweiten Blick ist der Vorgang durchaus bemerkenswert. Denn was sich hier abzeichnet, ist ein Culture-Clash zweier Teilöffentlichkeiten, die nicht die gleiche Sprache sprechen. Leider sind beide Teilöffentlichkeiten ausgesprochen groß und relevant.

    Unter dem Hashtag #LaschetKneift beginnt sogleich eine Debatte auf Twitter. Eine Gruppe ist enttäuscht, weil Laschet ganz offenbar die Jugend und ihre Bedürfnisse ignoriere. Die andere Gruppe ist der Ansicht, dass die Absage schlau war, weil Laschet in so einem Format nichts zu gewinnen habe. Beide Gruppen haben aus ihrer Perspektive recht, da sie ganz unterschiedliche Maßstäbe an das Handeln Wahlkämpfender anlegen. Aber in der Debatten reden sie ganz fürchterlich aneinander vorbei.

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