Gewinner und Verlierer in NRW

Wie schon zur Bundestagswahl hier mein alternativer Blick aufs Wahlergebnis in absoluten Zahlen.

2010 2009 2005 Differenz (09)
Differenz (05)
Nichtwähler 5.511.608 3.921.526 4.986.352 +1.590.082 +525.256
Grüne 940.770 945.831 509.293 -5.061 +431.477
Linke 434.846 789.814 181.988 -354.968 +252.858
Piraten 119.581 158.585 0 -39.004 (119.581)
FDP 522.437 1.394.554 508.266 -872.117 +14.171
SPD 2.675.536 2.678.956 3.058.988 -3.420 -383.452
CDU 2.681.736 3.111.478 3.696.506 -429.742 -1.014.770

In den Medien wird das Wahlergebnis mal mit der letzten Bundestagswahl, mal mit der Landtagswahl 2005 verglichen und das oft bunt durcheinander. Beides muss man trennen. Hier ein paar Fakten zum Wahlergebnis, die so nur teilweise in den Medien vorkommen:

  • Gewinner der Wahl sind einmal mehr die Nichtwähler. Sie stellen mittlerweile in Folge nicht nur die größte Gruppe sondern haben weiterhin auch die höchste Zuwachsrate.
  • CDU und SPD haben gemeinsam weniger Stimmen als die Nichtwähler. Eine große Koalition würde nur noch etwa 40% der Bevölkerung repräsentieren.
  • Von den Parteien haben die Grünen mit großem Abstand die meisten Stimmen hinzugewonnen und konnten sich fast verdoppeln.
  • An zweiter Stelle folgt die Linkspartei, die ihr Ergebnis von 2005 sogar verdreifachen konnte.
  • Grüne und Linkspartei haben weitaus mehr Stimmen gewonnen, als die SPD verloren hat. Die Wahl war definitiv ein Linksruck.
  • Die FDP gewinnt leicht an Stimmen hinzu.
  • Die SPD verliert noch einmal ungefähr 12% ihrer Stimmen.
  • Die CDU verliert 25% ihrer Stimmen, bleibt aber zugleich stärkste Partei.

Interessant wird der Vergleich zur Bundestagswahl 2009:

  • Ausnahmslos alle Parteien haben gegenüber der Bundestagswahl Stimmen verloren. Es gibt keine Gewinner.
  • Die CDU befindet sich in einem permanenten Abwärtstrend, wie er ihr schon seit längerem vorausgesagt wird.
  • Größter Verlierer ist die FDP und büßt katastrophale 62% ihrer Zweitstimmen ein.
  • Der drittgrößte Verlierer ist der „Wahlgewinner“ Linkspartei.
  • Die Piraten büßen gegenüber 2009 etwa 25% ihrer Wähler ein.
  • Einzig stabil erscheinen SPD und Grüne.

Dass das Wahlergebnis eine Ohrfeige für Merkel und Westerwelle ist und schwarzgelbes Regieren bis zur nächsten Bundestagswahl verunmöglicht, schreiben sowieso alle. Interessant ist die Konsequenz des Ergebnisses in Nordrhein-Westfalen. Jürgen Rüttgers ist derart abgestraft, dass sich für ihn kaum noch ein Regierungsauftrag ergibt, es sei denn, er macht auf Koch – bei Hannelore Kraft sieht es aber insgesamt so viel besser nicht aus. Die SPD konnte vom Linksruck nicht profitieren. Es gibt keinen natürlichen König und die Grünen sind zum Königsmacher geworden. Der Linksruck war vor allem ein Grünruck. Die Frage ist eigentlich, wie die Grünen sich selber sehen bzw. wie die Wähler das tun. Im herkömmlichen Lagerdenken würde das Ergebnis bedeuten, dass nun endlich mal die linke Mehrheit aus Rot-Rot-Grün zum Zuge kommen sollte. Da die Grünen allerdings immer mehr zur neuen „bürgerlichen Mitte“ werden, wäre Schwarz-Gelb-Grün nach Hamburg und dem Saarland ebenso logisch. Das wäre auch die langfristige Machtoption für Angela Merkel. Westerwelle hat in Berlin bereits einmal mit Koalitionsbruch gedroht. Mit Schwarzgrün im Bund könnte Merkel (die SPD so halb im Bundesrat im Schlepptau) komfortabler regieren und vermutlich damit die Grünen langfristig auch wieder zurechtstutzen. Dem stehen derzeit noch die vielen schwarzgelben Koalitionen in den Ländern entgegen.

Ein Wort zur Piratenpartei:

Das Ergebnis ist enttäuschend. Das Hochgefühl des Sommers 2009 in verflogen. So gesehen ist es sogar noch erstaunlich, dass die Piraten sich über 1% halten konnten. Das spricht dafür, dass es eben keine reinen Protestwähler sind, die die Piraten wählen, sondern dass der 1%-Sockel hält, den die Partei bundesweit aufgebaut hat. Er muss allerdings noch erweitert werden. Watschen für Westerwelle, Angst um den Euro, Dauerbrenner Hartz IV und die zum Teil katastrophalen Arbeitslosenzahlen im Ruhrgebiet, Griechenlandhilfen: Kaum ein wichtiges Thema der Landtageswahl in NRW spielte eine Rolle, das man mit den Piraten in Verbindung bringen würde. Themen wie Bildung oder Atomausstieg halten die Grünen ganz ähnlich und erfolgreicher besetzt. Dementsprechend fiel das Wahlergebnis aus. Zwar haben sich die dortigen Piraten bemüht, ein breites Programm aufzustellen, beim Wähler kam jedoch kaum etwas davon an. Auch wenn ich Befürworter der Programmerweiterung bin: So etwas braucht Zeit. Sehr viel Zeit. Die Piratenpartei darf nicht einfach nur fordern, was schon in anderen Parteiprogrammen steht, sondern muss genuin eigene Forderungen entwickeln. Die sind aber meist erst in Ansätzen vorhanden. Die Piratenpartei darf nicht den Fehler machen, Wähler zu umgarnen, die sie sowieso nicht wählen werden, sondern muss sich auf die Kernkompetenzen reduzieren. Der Wahlkampf muss zurück ins Internet. Die eigene Zielgruppe wächst, und zwar dort. Und will bedient werden. Der Rest kommt mit der Zeit.

Kommentare sind geschlossen.