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  • Die große Hitchcock-Retrospektive

    Eigentlich müsste man – also ich – den kommenden Monat jeden Abend im Kino verbringen. Das Babylon zeigt in der Zeit vom 17. Juni bis 14. Juli nicht alle, aber sehr viele Hitchcock-Filme. Das ist eine einmalige Gelegenheit, diese Filme auch mal auf der großen Leinwand zu erleben. Die Auswahl fällt mir da sehr sehr schwer. Und das schönste ist: Wenn ich nichts übersehen habe, laufen alle Tonfilme im englischen Original mit Untertiteln. Hier die Liste:

    • THE PLEASURE GARDEN [Irrgarten der Leidenschaft] (1925)
    • THE LODGER [DER MIETER] (1926)
    • BLACKMAIL [ERPRESSUNG] (1929)
    • MURDER [MORD! – SIR JOHN GREIFT EIN] (1930)
    • 39 STEPS [DIE 39 STUFEN] (1935)
    • SABOTAGE [SABOTAGE] (1936)
    • YOUNG AND INNOCENT [JUNG UND UNSCHULDIG] (1937)
    • THE LADY VANISHES [EINE DAME VERSCHWINDET] (1938)
    • REBECCA (1940)
    • FOREIGN CORRESPONDENT [DER AUSLANDSKORRESPONDENT] (1940)
    • SUSPICION [VERDACHT] (1941)
    • SABOTEUR [SABOTEURE] (1942)
    • SHADOW OF DOUBT [IM SCHATTEN DES ZWEIFELS] (1943)
    • SPELLBOUND [ICH KÄMPFE UM DICH] (1945)
    • NOTORIOUS [BERÜCHTIGT] (1946)
    • ROPE [COCTAIL FÜR EINE LEICHE] (1948)
    • STAGE FRIGHT [DIE ROTE LOLA] (1950)
    • STRANGERS ON A TRAIN [DER FREMDE IM ZUG] (1951)
    • I CONFESS [ICH BEICHTE] (1953)
    • DIAL M FOR MURDER [BEI ANRUF – MORD] (1954)
    • REAR WINDOW [FENSTER ZUM HOF] (1954)
    • TO CATCH A THIEF [ÜBER DEN DÄCHERN VON NIZZA] (1955)
    • THE TROUBLE WITH HARRY [IMMER ÄRGER MIT HARRY] (1955)
    • THE WRONG MAN [DER FALSCHE MAN] (1956)
    • THE MAN WHO KNEW TOO MUCH [MANN, DER ZUVIEL WUSSTE] (1956)
    • VERTIGO [VERTIGO – AUS DEM REICH DER TOTEN] (1958)
    • NORTH BY NORTHWEST [DER UNSICHTBARE DRITTE] (1959)
    • PSYCHO (1960)
    • THE BIRDS [DIE VÖGEL] (1963)
    • MARNIE (1964)
    • TORN CURTAIN [DER ZERRISSENE VORHANG] (1966)
    • TOPAZ [TOPAS] (1969)
    • FRENZY (1972)
    • FAMILY PLOT [FAMILIENGRAB] (1976)

    Hier zum Warmwerden die Kartoffellaster-Szene aus Frenzy:

    [via 5 Filmfreunde]

  • Was mich heute sehr berührt hat: „Pro Infirmis“

    Pro Infirmis ist ein schweizerischer Verein, der behinderte Menschen betreut. 1920 unter dem Namen „Schweizerische Vereinigung für Anormale“ gegründet, setzt sich Pro Infirmis für eine möglichst uneingeschränkte Teilnahme behinderter Menschen am gesellschaftlichen Leben und gegen Versuche von Ausgrenzung und Herabsetzung ein. Die Werbeagenturen Jung van Matt und Limmat haben für Pro Infirmis einen Werbeclip entwickelt, der mich wirklich tief berührt und das Problem von Behinderung, Anormalität und Menschsein auf wundervolle Weise in seinem Kern trifft.

  • R2D2 auf Drogen und alle Frauen klingen wie Wenke Myhre

    Den Höreindruck, den ich jetzt nach der dritten Anpassung und fast drei Wochen mit dem Cochlea-Implantat habe, kann man nur psychedelisch nennen. Während im linken Ohr weiterhin das altvertraute Hörgerät mit tollem Sound und mieser Dynamik werkelt, klingt es rechts immer unelektrischer aber auch immer alberner. Mein Hören ändert sich fast von Tag zu Tag. Das „Wling“ klingt jetzt wie ein Piepen und Pfeifen, ändert die Tonhöhe und und schmiegt sich an alle Geräusche an, welche ansonsten immer klarer hervortreten. Schwer zu beschreiben, wie das klingt. Ein wenig wie R2D2 auf Drogen oder die Witzpfeife im folgenden Monty-Pythonsketch:

    Ich nenne es mal in Ermangelung besserer Worte „Wling 2.0“. Man kann sich vorstellen, wie nervig das ist, wenn jedes gottverdammte Geräusch von diesem Wling 2.0 begleitet wird, davon geprägt und verzerrt wird. Im Moment sind alle Stimmen quäkig. Alle Frauenstimmen klingen wie Wenke Myhre. Hören mit CI ist also also sehr „interessant“ auf ne Art, macht aber auch wahnsinnig. Wenigstens ist der Hall schon sehr viel weniger geworden und Stimmen klingen auch nicht mehr 20 Meter weit entfernt. Ich fand es nämlich sehr irritierend, mir auf diese Art selber beim Rülpsen zuzuhören.

    Das Wling 2.0 überlagert Sprache und Geräusche – es ist aber nicht Sprache und Geräusche. Tatsächlich höre ich Sprache und Geräusche dahinter. Und was ich „dahinter“ höre, klingt durchaus natürlich und in keiner Weise „roboterhaft“ wie andere CI-Träger das schildern. Was aber evtl auch daran liegen könnte, dass ich das CI mit 22 statt 12 Elektroden implantiert bekommen habe und mittlerweile bis zu 12 davon gleichzeitig feuern – Standard-Einstellung ist eigentlich acht.

    Musik ist weiterhin kein Spaß, aber es wird besser. Seit drei oder vier Tagen bin ich in der Lage, über das CI die Glocke aus Hells Bells von AC/DC zu hören. Gitarren und Schlagzeug waren vorher schon da, der Bass und Brian Johnson erschließen sich weiterhin nur über das Hörgerät im anderen Ohr. Was ich mit dem CI schon sehr gut höre, sind sehr hohe Töne und jede Form von Schlagzeug und Percussion. So war ich neulich im „Cake“ – Hörgerät aus, nur CI an! – in der Lage, zu „Kiss“ von Prince abzutanzen. Ich hoffe allerdings und darf auch erwarten, dass ich meinen Musikgeschmack künftig nicht auf derlei Falsett-Gefiepse beschränken muss.

    Subjektiv habe ich das Gefühl, schlechter zu hören, objektiv sieht die Lage ganz offenbar anders aus: Der Audiologe spricht „Eindundzwanzig“ vor und ich verstehe nur mit CI und spreche nach, ohne ihn anzusehen. Er sagt, er sei beeindruckt, wie schnell ich Fortschritte mache. Enge Freunde behaupten schon seit Tagen, ich verstünde besser als früher. Ich dementiere einstweilen, schon um keine zu großen Erwartungen zu wecken – aber vorgestern ist es tatsächlich passiert: Ich lese etwas auf meinem iPhone, während mich Rachel von der Seite anspricht und ich antworte ohne aufzublicken – und völlig ohne zu merken, was ich da eigentlich tue. Ich habe sie verstanden, ohne sie anzusehen. Das konnte ich das letzte mal so ungefähr mit 14.

    Als wir ihren Geburtstag in der (allerdings relativ ruhigen und leeren) Margarethe F. weiterfeierten, konnte ich mich tatsächlich erheblich besser als gedacht mit den Anwesenden unterhalten. Ich habe deutlich gemerkt, wie ich mehr zugehört und weniger selber geredet habe. Was mein Gehirn da macht, ist immer noch weit entfernt von normalem Hören und Verstehen, wie ich es aus meiner Kindheit kenne, und klingt auch lange nicht so „gut“ wie ein Hörgerät  – aber es funktioniert. Ganz langsam immer besser.

  • Karneval der Kulturen

    Letztes Jahr bin ich nicht dazu gekommen, dieses Jahr war ich erstmals auf dem Karneval der Kulturen. Auch wenn ich im Endeffekt nur einen kleinen Teil mitbekommen habe, war der Umzug so dermaßen farbenfroh und es lag soviel positive Stimmung in der Luft, dass ich mich frage, warum die Leute eigentlich im Februar rheinländischen Tätääää-Karneval bei Scheißwetter feiern, wenn sie stattdessen so etwas schönes haben können.

    http://www.youtube.com/watch?v=s651F5TNbAY

  • Links der Woche

    • Salah:Als Ortskundiger zeigt er mir die Klinik, führt mich in Räume, die eigentlich für Besucher verboten sind und stellt mir seinen Kosmos vor. Dass er längst die Ahnung hat, seine Eltern könnten ihn vielleicht nie abholen werden, ahnt man nur in der Zehntelsekunde, in der der mitgebrachte Kaugummi platzt und einen zu frühen Blick in seine Augen freigibt.

    • Mythos “Digital Natives”? :Für mich bleiben viele Fragen offen – reicht es, dass unsere Schüler alle einen PC zu Hause und ein Smartphone in der Tasche haben, um sie als “digital Natives” zu bezeichnen? Sollte man erwarten, dass SuS, die mit der Maus und Windows und dem Internet groß geworden sind, auch produktiv mit diesem Medium umgehen? Oder ist das zu viel verlangt?

    • Medientheoretiker über Bürgerproteste: „Das Internet ist performativ“:Die Erfahrung des Bürgers ist also, dass er in allen Bereichen des Lebens auf einen Knopf drückt, eine Reaktion kommt und sich etwas verändert; nur in der Politik kommt nichts.

    • „Männerrechtler sehen sich als Opfer“:Hinzu kommt die Zensurdebatte, die die Piratenpartei ja sehr dominiert. Dieser Anti-Zensurgestus ist allerdings sehr nah am Anti-PC-Gestus angesiedelt. Es gibt oftmals auch um den Tabu-Bruch, der den Maskulisten die Türen öffnet. Die Piraten haben oftmals keine Ahnung von Emanzipationsbewegungen, viele haben ja schon aufgrund ihres jungen Alters ganz viele Diskussionen nicht mitgekriegt.

    • There are more slaves on the planet today than at any time in human history:With $50 and a plane ticket to Haiti, one can buy a slave. This was just one of the difficult lessons writer Benjamin Skinner learned while researching his book, A Crime So Monstrous: Face-to-Face with Modern-Day Slavery.

    • Fünf Bücher: Philippe und Melanie vom „Blog mit Speck“ haben gefragt, welches die fünf Bücher sind, ohne die wir nicht können oder wollen, und sammeln die Antworten in ihrem neuen Blog „Fünf Bücher„. Meine Auswahl steht da seit heute auch drin.

  • Katzencontent im Kleiderschrank

    Könnt ihr euch vorstellen, wie das ist, eine arme, miauende Katze nach Stunden der Gefangenschaft aus dem Kleiderschrank zu bergen und sich voller schlechtem Gewissen zu fragen, wann man sie denn versehentlich eingeschlossen hat? Wie würdet ihr euch fühlen, wenn das immer wieder passiert und ihr mittlerweile ganz sicher seid, dass ihr eure Katze nicht versehentlich eingesperrt habt, euch aber fragt, ob sie einen Materietransmitter benutzt, um in den Kleiderschrank zu gelangen?

  • Links der Woche

    • Der Siegeszug der Katana und der asiatisch-amerikanische Kulturaustausch:

      In den USA übernimmt die Katana mehr und mehr die Rolle des generischen Schwertes. Soll heißen: Wenn ein Amerikaner das Wort sword hört, taucht vor seinem geistigen Augen inzwischen eher ein japanisches als ein europäisches Schwert auf. Bedenkt man, welchen kulturellen Vorsprung die schottischen claymores [JPG] und König Arthus’ Excalibur hatten, ist das erstaunlich. Sollte diese Entwicklung zutreffen — beweisen kann dieser Autor das nicht — wäre sie ein weiteres Beispiel für ein Phänomen, dessen Ausmaß in Europa massiv unterschätzt wird: Der kulturelle Austausch zwischen den USA und Asien.

    • Grüne: Realos, Ressentiment, Repression:

      Der neue Wert der grünen Prominenz heißt “Repression”. Die Partei, die einst für Vielseitigkeit und Toleranz antrat, hat entdeckt, dass dies Werte für Minderheiten sind. Was will man damit, als Volkspartei? Der Durchschnittsdeutsche war schon immer eher für Strafen und Verbote als für Toleranz.

    • Jeder aktive Internetnutzer ist nicht nur Urheber sondern auch Urheberrechtsverletzer:

      Seit Jahren weisen einige (unter anderem ich) darauf hin, dass unautorisiertes Filesharing nicht das eigentliche Problem ist sondern nur ein Folge eines umfassenderen Phänomens. Was früher schwer kopierbar war, ist jetzt mit einem Klick vervielfältigbar und oft ist dieser eine Klick bereits verboten. Das Urheberrecht ist hoffnungslos veraltet. Dass unautorisiertes Filesharing den Löwenanteil der Aufmerksamkeit bekommt, liegt an dessen Auswirkungen auf größere Unternehmen.

    • Der Postillon: Vatikanische Demokratiebewegung formiert sich gegen Diktator Benedikt XVI.:

      Vatikanstadt (dpo) – Die Demokratiebewegung, die bereits weite Teile der arabischen Welt verändert hat, scheint nun auch im letzten Gottesstaat Europas endlich Fuß zu fassen. Im Vatikan gingen heute erstmals rund 50 für dortige Verhältnisse junge Priester im Alter von 45 bis 65 auf die Straße, um für freie Papstwahlen, Abrüstung, Trennung von Staat und Religion sowie Demokratie zu kämpfen.

    • Pseudowissenschaften: Der akademische Geist:

      Am anfälligsten für die Unterwanderung durch Esoteriker sind ausgerechnet die Universitäten. Das Internetprojekt esowatch.com zählt deutschlandweit 17 Hochschulen mit pseudowissenschaftlichen Lehr- und Forschungsangeboten. Besonders deutlich zu beobachten ist der Einzug des Hokuspokus in der Medizin.

    • Das proteische Selbst als eine polymorph-perverse Masse « Differentia:

      Die Masse des Mediums wäre dann(…) eine Quantität lose gekoppelter Elemente (…), die sich als ein sogenanntes proteisches Selbst darstellt, welches (…) bei jedem Selektionsvorgang ihre Gestalt ändert, sich also bald hierhin, bald dorthin verbreitet, an Kondensationspunkten kleben bleibt und gelegentlich selbst zu einem Netz im Gesamtnetz gerinnt, bestehend aus den hinterlassenen Spuren, bzw. Daten, ohne dass dahinter ein Steuerungsmotor, eine Identität, eine Konstanz oder heimliche Autonomie liegen müsste, die als Adresse ansprechbar wäre (…).

    • Die Anti-Terror-Lüge:

      Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner, Anti-Terror-Gesetze. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es einen solchen Raubbau an Bürgerrechten. Ein Blick in die Statistik bringt Erstaunliches zutage: Die sog. „Anti-Terror-Gesetze“ werden für alles Mögliche benutzt, selten aber zur Bekämpfung von Terroristen.

    • Blade Runner Was Right: They Are Implanting False Memories In Our Heads:

      Jonah Lehrer vividly remembers drinking coke from a glass bottle at a high school football game, vividly. However, the school prohibited glass from the stadium, so it couldn’t have happened. But Coke works hard to make you act as if it did.

  • Der geheimnisvolle Koffer

    Ich hatte schon vorige Woche auf Twitter den Koffer erwähnt, den man zu seinem Cochlear-Implantat bekommt und der groß genug ist für 2-3 Gaming-Laptops oder einen mittleren Londonaufenthalt. Er schrie einfach nach einem Unboxing-Video. Leider leuchtet er nicht, wenn man ihn öffnet, dafür kommt Lucy im Film vor.

  • Links der Woche

    • Jugendproteste in Spanien: Yes, we camp:Stärkste Partei wurde jedoch mit 33 Prozent die der Nichtwähler. In Madrid stimmte nicht einmal einer von drei Wählen für die Volkspartei, die nun die Stadt leiten wird. In Barcelona betrug die Wahlenthaltung sogar 47 Prozent, so dass Convergéncia i Unió (CiU) mit nur 14 Prozent der möglichen Stimmen regieren wird. Ein interessantes Detail: Die Wähler, die einen leeren oder einen ungültigen Wahlschein abgaben, sind die viertstärkste politische Kraft Spaniens.

    • Wie die Deutsche Bank in Unis reinregiert:Mitsprache in der Lehrkonzeption, Lehraufträge für Bankmitarbeiter, Vetorecht bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, gesonderte Werberechte an der Uni. Mit einem exklusiven “Sponsoren- und Kooperationsvertrag” hat die Deutsche Bank sich an zwei Berliner Universitäten weitreichende Mitspracherechte zusichern lassen.

    • Salle d’attente du bonheur:Jahre vergehen, alone again, naturally, aber kein Tag vergeht ohne boshafte Konfrontation mit der Vergangenheit, denn man lebt auf Tuchfühlung, die alten und die neuen Kinder werden instrumentalisiert und mit der Verachtung überzogen, die im Grunde sich selbst gilt, es werden anonyme Briefe verschickt, infantil, aber impertinent, intrigante Stutenbissigkeiten, öffentliche Weinkrämpfe, jämmerliche Amouren mit impotenten Pädagogen, mit Lichtorgasmus-Vertretern, die esoterische Traktate und Panflötenmusik aufnötigen, mit bankrotten, deformierten Hochstaplern lächerlichster Couleur, Nuttenromantik. Die “freundschaftlich verbundene” Umgebung besteht entweder aus Leuten, die von nichts etwas wissen (wollen) oder sich selbst Liebhaber halten. Bigotte Bürger, für die Udo Lindenberg singen würde oder distanzlose, ölige Swinger-Charaktere.

    • Underground in Ostberlin: Zum Pogo kam noch Bandsalat:Wir waren keine SPUs: Schallplattenunterhalter! Die mussten Programmgestaltung lernen, bevor sie auftreten durften: Quiz, Spielerunden, niveauvolle Unterhaltung. (…) SPU: Das war das Schlimmste, was man werden konnte.

    • Wenn religiöser Wahn auf Weltuntergangspanik trifft…:“This is what religion encourages: fear based on imaginary terrors.”

    • Udo „Law Blog“ Vetter zur Kriminalstatistik und so genannter „Internetkriminalität“:Es bedarf keiner großen Phantasie, dass die weitaus meisten Taten in den überhaupt von der Statistik erfassten Kategorien das virtuelle Äquivalent von Delikten sind, wie sie auch im wirklichen Leben alltäglich sind. Oder will ernsthaft jemand behaupten, mit Hilfe eines Computers bei ebay abzocken ist per se schlimmer als bei Karstadt mopsen?

  • Wling!

    Tag 5 seitdem ich das CI bekommen habe. Wenn ich nicht vorher gewusst hätte, was mich erwartet, und ich nicht auf allerlei Erfahrungsberichte hätte zurückgreifen können, würde ich vermutlich gerade eine miese Zeit durchleben. Da ich aber einordnen kann, was da an komischen Klängen in meinem rechten Ohr passiert, ist das alles vor allem interessant und aufregend.

    Das Empfinden, Töne zu spüren statt zu hören, ist völlig verschwunden, aber nach wie vor werden sämtliche Geräusche von diesem „Wling“ begleitet. Was sich dahinter versteckt, kann ich oft nur vermuten, selbst wenn ich auf der linken Seite das Hörgerät trage und somit einen Vergleich habe. Sprache kann ich über das CI weiterhin kaum hören – also nicht nur nicht verstehen: Meistens ist da nichts aus anonymem, ununterscheidbarem „Wling“. Allerdings kam ich gestern in die Situation, dass ich jemanden, der auf einer Veranstaltung recht laut mit mir sprach, mit CI und Hörgerät gut verstehen konnte, obwohl er rechts von mir stand und ich deutlich gemerkt habe, dass ich ihn auch über das CI gehört habe. Was ich fast von Anfang an und von Tag zu Tag besser heraushören kann: Konsonanten und Zischlaute. Das funktioniert langsam immer besser. Ungefähr seit gestern kann ich meine eigene Stimme hören. Sie klingt hinter dem „Wlingeling“ hervor, wenn ich nicht allzu leise mit mir selber rede.

    Auch das Wling selber verändert sich. Mittlerweile klingt der Ton wie eine pulsierende Plasmagukel. Man verzeihe mir meine synästhetischen Metaphern. Der Ton schwillt nicht nur im Wechsel der Umgebungsgeräusche, sondern springt manchmal auch kurz nach oben und unten. Ich nehme an, mein Gehirn macht das – es handelt sich ja eigentlich um die Grundfrequenz von 800 1200 Hz. Geräusche, die nicht hinter einem „Wling“ verschwinden, klingen wie Carol Anns Hilferufe in Poltergeist (ungefähr ab Minute 2). Man darf das aber nicht auf Stimmen beziehen, sondern auf Geräusche.

    [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Uc7LNG1MmI8&feature=player_detailpage#t=140s[/youtube]

    Besonders fasziniert mich, wie das CI mein Gehör erweitert: nämlich bei den Hochtönen. Mit 37 kann man die ja schon sehr viel schlechter hören als ein Kind – aber das CI gibt sie alle wieder zurück. Einerseits führt das dazu, dass viele Geräusche von einem unangenehmen Zischeln und Klingeln begleitet werden, andererseits dazu, dass ich mit dem CI Geräusche höre, die sonst für mich zu hoch waren, zum Beispiel eine Triangel. Beckenschläge sind in Musik viel lauter als ich dachte, Vogelgezwitscher höre ich mit CI schon von weitem, auch wenn in meinem linken Ohr via Hörgerät gar nichts ankommt, und bin erstaunt, wie laut ein Schlüsselbund klimpern kann.

    Allerdings scheint meine Hörfähigkeit stark zu schwanken. Mal höre ich denen eigenen Tritt auf dem Bürgersteig, dann wieder nicht. Ich habe das Gefühl, mit dem Hörenlernen immer wieder zwei Schritte voran und dann einen zurück zu machen. Trotzdem entwickelt sich alles erstaunlich schnell. Besonders am ersten Tag nach der Anpassung geschah das im Stundentakt, wie einige auf Twitter mitbekommen haben. Konnte ich Musik zunächst nicht unterscheiden, höre ich mittlerweile mit dem CI Schlagzeug und E-Gitarre heraus, auch wenn es alles andere als gut klingt. Andere Instrumente und Sänger fehlen noch – das alles macht Wling.

    Der Twitterer mcMuck fühlte sich inspiriert, aus meiner Beschreibung einen Song zu machen: Wlingpflanzen. Sein 800-Hertz-Ton klingt zwar gar nicht wie mein „Wling“, aber ich finde die Idee trotzdem cool. Überhaupt freue ich mich gewaltig über das viele Interesse und die Anteilnahme, die ihr mir auf allen Kanälen entgegenbringt. Danke dafür.