Wling!

Tag 5 seitdem ich das CI bekommen habe. Wenn ich nicht vorher gewusst hätte, was mich erwartet, und ich nicht auf allerlei Erfahrungsberichte hätte zurückgreifen können, würde ich vermutlich gerade eine miese Zeit durchleben. Da ich aber einordnen kann, was da an komischen Klängen in meinem rechten Ohr passiert, ist das alles vor allem interessant und aufregend.

Das Empfinden, Töne zu spüren statt zu hören, ist völlig verschwunden, aber nach wie vor werden sämtliche Geräusche von diesem „Wling“ begleitet. Was sich dahinter versteckt, kann ich oft nur vermuten, selbst wenn ich auf der linken Seite das Hörgerät trage und somit einen Vergleich habe. Sprache kann ich über das CI weiterhin kaum hören – also nicht nur nicht verstehen: Meistens ist da nichts aus anonymem, ununterscheidbarem „Wling“. Allerdings kam ich gestern in die Situation, dass ich jemanden, der auf einer Veranstaltung recht laut mit mir sprach, mit CI und Hörgerät gut verstehen konnte, obwohl er rechts von mir stand und ich deutlich gemerkt habe, dass ich ihn auch über das CI gehört habe. Was ich fast von Anfang an und von Tag zu Tag besser heraushören kann: Konsonanten und Zischlaute. Das funktioniert langsam immer besser. Ungefähr seit gestern kann ich meine eigene Stimme hören. Sie klingt hinter dem „Wlingeling“ hervor, wenn ich nicht allzu leise mit mir selber rede.

Auch das Wling selber verändert sich. Mittlerweile klingt der Ton wie eine pulsierende Plasmagukel. Man verzeihe mir meine synästhetischen Metaphern. Der Ton schwillt nicht nur im Wechsel der Umgebungsgeräusche, sondern springt manchmal auch kurz nach oben und unten. Ich nehme an, mein Gehirn macht das – es handelt sich ja eigentlich um die Grundfrequenz von 800 1200 Hz. Geräusche, die nicht hinter einem „Wling“ verschwinden, klingen wie Carol Anns Hilferufe in Poltergeist (ungefähr ab Minute 2). Man darf das aber nicht auf Stimmen beziehen, sondern auf Geräusche.

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Besonders fasziniert mich, wie das CI mein Gehör erweitert: nämlich bei den Hochtönen. Mit 37 kann man die ja schon sehr viel schlechter hören als ein Kind – aber das CI gibt sie alle wieder zurück. Einerseits führt das dazu, dass viele Geräusche von einem unangenehmen Zischeln und Klingeln begleitet werden, andererseits dazu, dass ich mit dem CI Geräusche höre, die sonst für mich zu hoch waren, zum Beispiel eine Triangel. Beckenschläge sind in Musik viel lauter als ich dachte, Vogelgezwitscher höre ich mit CI schon von weitem, auch wenn in meinem linken Ohr via Hörgerät gar nichts ankommt, und bin erstaunt, wie laut ein Schlüsselbund klimpern kann.

Allerdings scheint meine Hörfähigkeit stark zu schwanken. Mal höre ich denen eigenen Tritt auf dem Bürgersteig, dann wieder nicht. Ich habe das Gefühl, mit dem Hörenlernen immer wieder zwei Schritte voran und dann einen zurück zu machen. Trotzdem entwickelt sich alles erstaunlich schnell. Besonders am ersten Tag nach der Anpassung geschah das im Stundentakt, wie einige auf Twitter mitbekommen haben. Konnte ich Musik zunächst nicht unterscheiden, höre ich mittlerweile mit dem CI Schlagzeug und E-Gitarre heraus, auch wenn es alles andere als gut klingt. Andere Instrumente und Sänger fehlen noch – das alles macht Wling.

Der Twitterer mcMuck fühlte sich inspiriert, aus meiner Beschreibung einen Song zu machen: Wlingpflanzen. Sein 800-Hertz-Ton klingt zwar gar nicht wie mein „Wling“, aber ich finde die Idee trotzdem cool. Überhaupt freue ich mich gewaltig über das viele Interesse und die Anteilnahme, die ihr mir auf allen Kanälen entgegenbringt. Danke dafür.


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