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  • Links der Woche

    • Sanktionsfrei – startnext.com:

      “Sanktionsfrei ist eine kostenlose Online-Plattform, die Hartz-IV-Sanktionen endgültig abschafft: Wir verpassen den Jobcentern ungefragt ein freundliches Online-Portal, das Betroffene umfassend informiert und kompetent begleitet. So vermeiden wir Sanktionen im Voraus! Mit Widersprüchen und Klagen bekämpfen wir Sanktionen und legen so die Jobcenter lahm. Und wir füllen verhängte Sanktionen aus einem Solidartopf auf. Denn niemand darf weniger haben als das verfassungsgemäße Existenzminimum!“

    • Der Goethe-Salon: Eine Handreichung:

      “Wir befassen uns mit der Wiederbelebung der Salonkultur im digitalen Zeitalter. Durch die Reoralisierung der Schriftkultur durch digitale Medien und das Internet halten mündliche Traditionen wie das gesellige Gespräch und der gemeinsame Diskurs wieder Einzug in die Gesellschaft.
      Wir kultivieren den Salon – europäisch in seinem Grundgedanken – als diskursives Format durch verschiedene Medien, führen analog, digital, schriftlich und mündlich Gespräche.
      Wie kann die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs und Identitätsbildung für möglichst viele Menschen stattfinden – auch über Grenzen hinweg? Mit diesem Experiment loten wir aus, wie der digitale Raum dabei helfen kann, gesellschaftliche und transnationale Diskurse zu ermöglichen und zu führen.“

    • What Makes You You? – Wait But Why:

      “When you say the word “me,” you probably feel pretty clear about what that means. It’s one of the things you’re clearest on in the whole world—something you’ve understood since you were a year old. You might be working on the question, “Who am I?” but what you’re figuring out is the who am part of the question—the I part is obvious. It’s just you. Easy.
      But when you stop and actually think about it for a minute—about what “me” really boils down to at its core—things start to get pretty weird. Let’s give it a try.“

    • „Wir existieren aus reiner Gewohnheit“:

      “Interessant wird es, wenn der allerletzte Mensch plötzlich merkt, dass Kinder machen doch nicht so dumm gewesen wäre…? –  Vielleicht ist der letzte Mensch aber auch einfach damit beschäftigt, sich von einem Roboter die Finger maniküren zu lassen.”

  • Gehörlosen-Tatort „Totenstille“

    tl;dr: Große Momente, peinlicher Plot und der Mythos vom Lippenlesen

    ciherz

     

    Als „Totenstille“ im TV lief, fragten mich ein paar Leute um meine Meinung, da es schließlich auch um Gehörlose und das Cochlea-Implantat geht. Jetzt bin ich endlich dazu gekommen, ihn mir in der Mediathek anzuschauen. Vorweg: Mir haben etlichen Passagen ausgesprochen gut gefallen. Sehr gelungen sind die Stellen, an denen sich die Schauspieler nur per Gebärdensprache unterhalten. Diese Szenen gewinnen durch die typische Mimik gebärdender Gehörloser außerordentlich an Intensität. Teilweise sind sie (grafisch sehr geschickt) untertitelt, teilweise werden die Zuschauer auch im Regen stehen gelassen und können nur ahnen, was gerade gesprochen bzw. gebärdet wird. Damit dreht der Tatort den Spieß um, schließlich sind es sonst die Gehörlosen, die nur aus dem Kontext erschließen müssen, worum es gerade gehen könnte, wenn ihnen Untertitel und andere Hilfen fehlen. Besonders gefallen hat mir der gehörlose Schauspieler Benjamin Piwko in der Rolle des Ben Lehner. Wenn einige Szenen seine Perspektive einnehmen, wird die Welt still, ganz wie ich das von mir kenne, wenn ich das CI abschalte. Das mache ich regelmäßig und genieße die Ruhe, zum Beispiel während ich diesen Text schreibe.

    Anders als ich aufgrund der Nachfragen auf Twitter dachte, spielt das Cochlea-Implantat im Film nur eine untergeordnete Rolle. Es wird deutlich, dass große Teile der Gehörlosen-Community negativ dazu eingestellt sind und viele es oft bewusst nicht tragen, weil es dazu diene, sie zu „normalen Menschen“ zu machen. Das ist tatsächlich eine weit verbreitete Einstellung in der Community, der im Film nichts entgegen gesetzt wird. Einerseits wäre es von einem Tatort wohl zuviel verlangt, dem erzählerisch eine zweite Perspektive gegenüber zu stellen. Andererseits gewinnen die Zuschauer so den Eindruck, dass die Gehörlosen vollständig das CI ablehnen, was so nur für einen kleinen, relativ radikalen Teil der Community zutrifft. Eigentlich ist der Tatort ein Portrait dieses kleinen Teils, der sich am Ende dann friedefreudeeierkuchig als überhaupt ganz toll entpuppt, weil Kommissar Jens Stellbrink nach Enttarnung des wahren Schuldigen mit ihnen ordentlich von Mann zu Mann ein Bierchen zischen, Party machen und schließlich sogar ein wenig knutschen kann.

    Aber das passiert schon, nachdem der Tatort im letzten Drittel ein paar Umdrehungen zuviel bekommt und die Geschichte komplett ins Absurde abgleitet und versucht, alles an Zeitgeschehen mit in die Handlung reinzurühren, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Kommen wir also zu den wirklich schlechten Seiten des Filmes, die leider weit überwiegen: Dialoge weit jenseits jeglicher Fremdscham-Grenzen sind wir vom Tatort ja gewohnt. Genauso wie riesengroße Plotholes. Das meiner Meinung nach größte Loch im Plot: Entscheidende Wendungen beruhen darauf, dass einige Gehörlose wahnsinnig gut von den Lippen ablesen können. Das wird an verschiedenen Stellen prominent in die Handlung eingebaut, dabei können wir es getrost ins Reich der Märchen und Legenden verweisen. Lippenlesen funktioniert in verschiedenen Sprachen unterschiedlich gut, weshalb es in anderen Sprachräumen auch professionelle Lippenleser gibt, die zum Beispiel das Geschehen bei Fußballspielen auswerten. Im deutschen Sprachraum gibt es das zwar auch, aber nur wenig seriös, weil es nicht funktionieren kann. Das Deutsche ist nur zu etwa 15% lippenlesbar. Sehr geübte Lippenleser kommen auf 30%, mit Kontext ist mehr drin. Been there, done that in meiner Zeit als Hörgeräteträger am Rande der Gehörlosigkeit. Das reicht ganz sicher nicht, um ernsthaft verstehen zu wollen, was jemand auf einem Fußballplatz brüllt – oder wie im Film gezeigt aus einer gewissen Distanz zu „belauschen“, was jemand unten auf der Straße hinter einer Windschutzscheibe in ein Telefon spricht. Wir brauchen uns also weiterhin keine Sorgen zu machen, von Gehörlosen qua Lippenlesen heimlich belauscht zu werden. Damit bricht leider die ganze Prämisse der Handlung zusammen. Schade, aber Tatort halt.

  • Links der Woche

    • Will Machines Eliminate Us?:

      ”There are people who are grossly overestimating the progress that has been made. There are many, many years of small progress behind a lot of these things, including mundane things like more data and computer power. The hype isn’t about whether the stuff we’re doing is useful or not—it is. But people underestimate how much more science needs to be done. And it’s difficult to separate the hype from the reality because we are seeing these great things and also, to the naked eye, they look magical.“

    • Computers as Oracles: True Answers We Won’t Understand:

      “An accompanying editorial notes that AlphaCo’s play is “intuitive” and that the folks at DeepMind do not know what the AlphaGo system is “thinking” when it makes a move.“

    • Oklahoma university to track Fitbit activity on all incoming freshmen:

      “Students must hit 10,000 steps each day, have 150 active minutes of exercise per week, as well as an elevated heart rate between 60 and 80 BPM for an extended period of time. Students must buy their own device, just like a textbook.”

    • Is Harm to a Prosthetic Limb Property Damage or Personal Injury?:

      “According to the law, you and your cell phone are two separate entities. No matter how reliant you might feel on the small, glowing rectangle in your pocket, the distinction is clear: you are a person and your phone is your property. In the same way, the law also sees a separation between a person who is using a prosthetic (such as a bionic limb) and the device itself.“

    • Muss das Baby wissen, wie man Kaffee macht?:

      “Heute morgen habe ich mit dem Baby auf dem Arm Kaffee gemacht. Sie ist jetzt 8 Monate alt, und ich hab ihr bei jedem Schritt erklärt, was ich da genau mache. Dabei dachte ich: werden wir je herausfinden, ob es was gebracht hat? Also ob man mit Kindern so früh schon sprechen und ihnen Sachen erklären sollte*?“

    • Reinickendorf:

      “Seit kurzem wohne ich in Reinickendorf. In Alt-Wittenau. Gegenüber ist eine Tankstelle, die hat bis Mitternacht offen. Da geh ich jetzt hin um Zigaretten und Bier zu kaufen.“

  • #RIPtwitter

    tl;dr: Twitter wird Facebook immer ähnlicher, weil die Leute es immer mehr wie Facebook nutzen.

    twitter

    Twitter stirbt 1000 Tode. Mal ist es ein Herzchen, das das alte Sternchen ersetzt, mal sind es Hiobsbotschaften irgendwelcher Analysten betreffend Nutzungs- und Nutzerzahlen, mal ist es die Aufhebung der 140-Zeichen-Grenze (die es übrigens im Original-Twitter nicht gab und erst mit der SMS-Schnittstelle eingeführt wurde.). Im Moment ist es unter dem Hashtag #RIPTwitter der Plan, die chronologische Anzeige der Tweets abzuschaffen und durch einen Algorithmus zu ersetzen, wie wir ihn von Facebook kennen. Das soll schon nächste Woche passieren.

    Nun steht also zum zigsten Male Twitters Tod bevor, einige entstauben aus Protest ihre Ello-Accounts und überhaupt zeigt sich die Tech-Avantgarde auf Twitter erstaunlich konservativ, wenn es um Veränderungen an ihrem Lieblingsdienst geht. Vielleicht ist sie aber auch gar keine Tech-Avantgarde, denn sehr viele Tweets, die gerade unter #RIPTwitter gepostet werden, stellen auf das Reizwort „Algorithmus“ ab – und die sind natürlich per se böse. Auch wenn ich nicht ganz nachvollziehen kann, wie diese Menschen es schaffen, entsprechend einem vorgegebenen Algorithmus verarbeitete Nahrungsmittel (=Kekse) angstfrei zu sich zu nehmen.

    Aber zur Sache: Ja, ich finde eine chronologisch sortierte Timeline auf Twitter im ersten Impuls auch schöner. Dann muss ich aber daran denken, dass ich nunmal auch nicht den ganzen Tag gucke, was auf Twitter los ist und ich eine Zusammenfassung der wichtigsten Tweets durchaus interessant fände. Tatsächlich verbringe ich relativ viel Zeit damit, Diskussionen im fortgeschrittenen Stadium zurück zu ihren Anfängen zu verfolgen, um zu verstehen, worüber da eigentlich gerade alle reden. Ideal wäre, wenn Twitter einfach beides anbieten würde: Eine algorithmisch sortierte Timeline und die chronologische Sortierung. Et voila: Genau das planen sie. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht den Fehler machen, es genauso schlecht wie Facebook zu implementieren, das sich die einmal gewählte Einstellung nicht merkt. Richtig richtig elegant wird die Angelegenheit übrigens, wenn wir uns einen Client mit mehreren Spalten vorstellen wie z.B. Tweetdeck, das ja längst Twitter gehört. In einer Spalte könnte die chronologische Sortierung stehen, in einer weiteren die algorithmische. Also einfach erstmal abwarten: Vielleicht wird ja sogar ganz toll, was Twitter da baut?

    Als Twitter neu war, war die Idee mal, dass sich kleine Gruppen von Menschen gegenseitig Status-Updates geben, z.B. der Bürogemeinschaft mitteilen, dass sie jetzt Mittagspause machen. Für eine solche Nutzung ist natürlich die chronologische Reihenfolge unbedingt nötig. Allerdings wird Twitter so längst nicht mehr genutzt. Diese Aufgabe haben längst, Whatsapp, Slack usw. übernommen. Stattdessen wird debattiert und kommentiert, Links werden in die Welt gepostet und Membilder. Ganz wie auf Facebook. Leute sind beleidigt, wenn eins ihnen nicht zurückfolgt, obwohl es gar kein „Friending“ wie auf Facebook gibt. Fremde grätschen sich gegenseitig in die Kommunikation und allerorten ist fröhlich Trollerei. Wenn Twitter zu etwas längst nicht mehr taugt, dann für den Use-Case, für den Twitter mal gedacht war. Wenn Twitter versucht, Facebook ähnlicher zu werden, dann liegt das auch daran, dass die Leute ständig versuchen, Twitter wie Facebook zu benutzen.

    Aus der Sicht von Twitter ergibt die Einführung der algorithmischen Sortierung jedenfalls sehr viel Sinn. Twitter hatte schon immer Schwierigkeiten damit, dass Neu-Nutzer nicht so recht damit klarkamen. Intressante Accounts und Inhalte müssen im Heuhaufen erst einmal gefunden werden. Wer neu dazu kommt, wird schnell wieder zur Karteileiche. Eine algorithmische Aufbereitung ist also durchaus im Sinne der Nicht-Hardcore-Nutzer und könnte die Twitternutzung wieder ankurbeln. Gleichzeitig ist sie im Sinne der prominenten Twitterer mit vielen Followern. Die kriegen aufgrund ihrer Leserzahl mehr Likes und Retweets, was vermutlich dazu führen wird, dass ihre Tweets durch den Algorithmus noch sichtbarer werden als zuvor. Verlieren werden diejenigen, die weniger Follower als Sendungsbewusstsein haben. Deren Tweets werden vermutlich weniger sichtbar sein als bisher. Wahrscheinlich wird es schwieriger sein, auf Twitter populär zu werden und sich eine Followerschaft zu erarbeiten. Dafür haben die Social-Media-Berater in Zukunft mit dem Algorithmus einen Kaffeesatz mehr, aus dem sie lesen können, um ihren Kunden Rezepte für mehr Aufmerksamkeit anzudienen.

    Der Umbau ist also aus Business-Sicht keine schlechte Idee. Und leider ist Twitter ein Business. Das blenden viele Nutzer gerne aus: Ihre Forderungen laufen im Grunde auf eine Demokratisierung der Plattform hinaus. Konsequent gedacht: antikapitalistisch. Enteignen und so. Also das, wofür es sonst Haue gibt, wenn man* es zu klar sagt. Demokratisierung ist bei hinreichend großen Plattformen eine sehr berechtigte Position. Bin ich auch ganz und gar für. Ich frage mich nur, warum dann nicht längst alle bei APP.net, Identi.ca, Ello und natürlich Diaspora sind. Mein Tipp: Sie werden es auch in Zukunft nicht sein. Und Twitter wird auch diesen Tod überleben (wenn es nicht sowieso schon tot ist.)

    Update: Jack Dorsey dementiert.

     

  • Gimball Copter, Listen to Wikipedia, Selfie Cat

    ZDF „Volle Kanne – ab ins Netz!“ vom 28.01.2016

    …in der ZDF-Mediathek

  • Links der Woche

    • Zu Gast bei Linken:

      “Die Flüchtlingsdebatte hat in der Links­partei einen Streit offengelegt, der bislang mühsam kaschiert werden konnte.”

    • Nutella bloggt:

      “Es gibt immer wieder Diskussionen von mehr (selten) oder weniger (häufig) kompetenten Personen über angebliche rechtsfreie Räume und ob diese, insbesondere in einer Demokratie existieren dürften. Da scheint schon viel Verwirrung zu herrschen, was ein rechtsfreier Raum überhaupt ist und wie sich das auf eine Demokratie und einen Rechtsstaat auswirken würde. Und was das ganze mit Recht und Demokratie und so zu tun hat.“

  • Links der Woche

    • Gefühlte Kriminalität:

      “Die Polizei meldete 2013 und 2014 nur jede 43. Vergewaltigung an die Medien, aber jeden 5. Handtaschenraub. Beide Straftaten passierten etwa gleich häufig.“

    • SPREEBLICK:

      ”Wenn wir aber keine Partei haben, die sich bedingungslos gegen sie stellt. Wenn es niemanden gibt, der in unserem Sinne die Stimme erhebt. Wenn wir keine Treffpunkte, keine Vertreterinnen und Vertreter haben. Dann geben wir die Straße, die Kommentarfelder, die öffentlichen Debatten, die Demokratie und die Menschlichkeit auf.“

    • Waldorf ist alles andere als geborgen: Erfahrungen zwei entgeisterter Eltern:

      “Klar umrissen ist zum Beispiel, in welchem Alter Kinder welche Entwicklungsschritte machen. Die kindliche Entwicklung ist in 7-Jahres-Intervalle untergliedert und es wird davon ausgegangen, dass Kinder in gleichem Alter die gleiche Entwicklung durchmachen. (…) Es fing schon mit zwei Jahren an, sich für Buchstaben zu interessieren, mit drei Jahren einzelne Buchstaben zu lesen und schreiben und ist sprachlich auf einem Niveau, das immer wieder für Irritationen sorgt. Wir versuchen, dem Kind eine passende Umgebung zu bieten, denn es ist, kurz gesagt, immer auf 180. Im Waldorf-Kindergarten wurde uns zunächst signalisiert, dass wir wohl ein bisschen selbst dran Schuld seien, dass das Kind sich schon für Buchstaben interessiere und dann nahegelegt, wir sollten das Kind „ausbremsen“.