Kategorie: Blog

Blogposts

  • FDP: Ganz die alte (Update)

    Herbst 2009. Die große Koalition wird durch Schwarz-Gelb abgelöst. „Och nö!“, denken viele, aber auch: „Naja, besser als nichts„. Endlich wieder politische Lager, Opposition, Korrektiv einer Volkspartei durch eine Kleinpartei und all das… Am 01. Januar 2010 tritt das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ in Kraft. Zweistellige Milliardenbeträge sollen trotz katastrophal leerer Kassen auf unterschiedlichem Wege in die Wirtschaft gepumpt werden, um selbige ein wenig anzukurbeln.

    Unter anderem bekommt die Hotelbranche eine Umsatzsteuerermäßigung von 19% auf 7%. Kein Mensch versteht das, alle schütteln den Kopf. Das soll Politik sein? Sogar Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnet das Gesetz als „nicht vertretbar„, was ihn im übrigen aber nicht davon abhält, im Bundestag dafür zu stimmen. Einige Bundesländer wehren sich vehement und müssen durch kleinere Politgeschenke ruhiggestellt werden. Allgemeiner Vorwurf: Die FDP betreibe reine Klientelpoltik.

    Heute wurde bekannt, dass die „Liberalen“ in den vergangenen Jahren mehr als 1 Million Euro an Parteispenden eines Großhoteliers erhalten haben. Auch wenn es im Unterschied zur Flick-Affaire keine Schwarzspende war, ist klar: Die FDP macht mehr als nur Klientelpolitik. Man sollte sie weniger als politische Partei sehen, sondern eher als Wirtschaftsunternehmen, welches Poltik am freien Markt verkauft. Der Anschein drängt sich auf, dass jeder, der genügend Geld mitbringt, sich die Bundestagsstimmen der FDP kaufen kann und die der Koalitionspartner gratis dazu bekommt. Wie das Beispiel zeigt, scheint eine Umsatzsteuerermäßigung für 1,1 Mio Euro im Angebot zu sein.

    So doktort auch Gesundheitsminister Rösler an einer Gesundheitsreform herum. Diese Woche wurde bekannt: Ausgerechnet den stellvertretenden Direktor des Verbandes der privaten Krankenversicherungen hat er beauftragt, den Gesetzenwuf auszuarbeiten. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis die ersten Großspenden der Versicherer auffliegen.

    Die rotgrüne Ära und die anschließende große Koalition war sicherlich nicht frei von Skandalen. Aber die wirklich ekelhaften Geschichten, wie sie unter der Kohlregierung alle paar Wochen oder Monate durch die Medien gingen und immer mal wieder Ministern den Kopf kosteten – schiere Korruption also – diese Geschichten waren selten geworden. Die FDP hat es tatsächlich in nur drei Monaten geschafft, die Bundesregierung zu korrumpieren. Schwarzgelb ist nicht besser sondern tatsächlich „schlimmer als nichts“.

    Update: Nach den Anmerkungen von GermanPsycho musste ich den Artikel noch einmal erweitern: Natürlich haben Sie recht, dass es sich nicht um ein reines Problem der FDP handelt und alle Parteien geschmiert werden. Tatsächlich tut es Not, dass das System der Parteienfinanzierung und besonders der Parteispenden generell überdacht wird. Mir selber wäre da am liebsten, Großspenden schlicht und ergreifend zu verbieten, wie es in den meisten westeuropäischen Ländern übrigens der Fall ist.

    Trotzdem muss ich noch einmal ergänzen: Mein Blogpost ist ganz sicher keine Frechheit. Eine Frechheit ist die Politik der FDP:

    Wenn ich so an die große Koalition und Rot-Grün zurückdenke, so hatte sie sicherlich ihre Skandale, wie Zensursula oder Kunduz, die aber meist politischer und nicht wirtschaftlicher Natur waren. Von dem Kaliber, was die FDP hier in knapp 4 Monaten produziert hat, ist eigentlich nur Schröders Gazprom-Geschichte. Ich vermute mal, dass die FDP ihren politischen Suizidversuch deshalb kurz nach der Wahl durchführt, weil sie hofft, dass wir bis 2013 alles wieder vergessen haben…

  • Ein Bilderbuch

    Die kleine Ina

    Das ist Ina.

    Ina hat ganz viele bunte Malstifte.

    Ina kann nämlich ganz toll malen.

    Ina malt Blumen, Pinguine, Piratenschiffe und ihren Hund Paul.

    Wenn Ina groß ist, malt sie noch toller.

    Dann hat sie nicht nur Malstifte, sondern Eddings, Papiermesser und Photoshop.

    Ina bekommt jetzt ganz viel Geld für ihre schönen Bilder.

    Aber Spaß macht ihr das Malen nicht mehr, weil sie für ihren Chef jeden Tag bis in die tiefe Nacht malen muss.

    Deshalb ist Paul im Tierheim und Ina traurig.

    Und das viele Geld bekommen Antonio, der Edelitaliener, und sein Bruder Mario.

    Mario verkauft nämlich Schnee, sogar im Sommer.

    Daraus kann Ina sich kleine Schneemännchen basteln.

    Das ist lustig.

    (Möchte das jemand illustrieren?)

  • Ein Herz für Kunden (Update)

    Der Palm Pré ist längst wieder weg, hat mir aber eine böse Überraschung hinterlassen: Mehr als 100 € soll ich für UMTS-Traffic zahlen. WTF? Ich habe doch dieses „Internet-Pack M“ von O2, das nach 200 MB drosselt? Ich ärgerte mich nicht nur über die unerwartet hohe Abbuchung von meinem Konto sondern auch darüber, mich damit auseinander setzen zu müssen. Wer mich kennt und weiß, wie „gut“ ich höre, ahnt, vor welche Probleme mich ein simples Hotline-Telefonat stellt.

    Die erste angenehme Überraschung: Kein Anruf nötig. Auf der Webseite von O2 kann ich mit dem Kundendienst chatten(!). Das Gespräch ergab, dass ich zwar das Internet-Pack M hätte, aber eine alte Version davon. Bei mir würde nicht gedrosselt, sondern der zusätzliche Traffic nach Volumen berechnet. Mir war das nicht klar. Der wirklich freundliche Sachbearbeiter entschuldigte sich dafür, dass er rückwirkend nichts daran ändern könne, stellte aber meinen Tarif auf das „richtige“ Internet-Pack um und sorgte dafür, dass ich eine Gutschrift mit der nächsten Rechnung bekäme. Zitat aus dem Chat-Protokoll:

    XXXXX: Habe mir erlaubt ein wenig aufzurunden:)

    Das ist mehr als korrekt, er hätte mich schließlich auch einfach abbügeln können. Natürlich muss ich jetzt erst einmal die nächste Rechnung abwarten, aber wenn ich ehrlich bin, freut mich die Möglichkeit, auf diese Weise mit einem menschlichen Ansprechpartner unkompliziert und nicht telefonisch etwas klären zu können, fast schon mehr als die Gutschrift selbst. Ich möchte O2 und anderen Anbietern sagen: So muss das! Einen Anbieterwechsel, nur um ein paar Kröten zu sparen, hatte ich zwar sowieso nicht vor, kommt jetzt aber erst recht nicht mehr in Frage.

    Update: O2 hat Wort gehalten. Die letzte Rechnung enthielt eine Gutschrift in mehr als voller Höhe. Vielen Dank!

  • Statt Karten

    Ich wünsche Euch allen ein episches Weihnachtsfest und eine ausgeglichene Jahresbilanz.

  • Form.Submit und Datenbankabfragen via Ajax abwarten

    Für ein kleines Webprojekt habe ich ein paar Formular-Überprüfungen mit JavaScript geschrieben. Darunter ist eine, die eine Datenbankabfrage erfordert. Je nach Erfolg dieser Abfrage, soll das eigentliche Submit der Form ausgeführt werden, anderenfalls eine Fehlermeldung. Natürlich sollte es möglichst ohne separaten Server-Roundtrip mit jquery und Ajax realisiert sein.

    Dabei ergibt sich allerdings ein Problem: Dummerweise ist Ajax asynchron, das heißt, die Antwort des Servers liegt zur Laufzeit des Scriptes nicht vor. Es liefert also immer false zurück, weil es die Antwort des Servers nicht abwartet. Ein Submit der Form findet nicht statt. Es ist gar nicht so leicht, JavaScript dazu zu bringen, auf das Ergebnis der Query zu warten. Künstliche Warteschleifen sind eine sehr unschöne Lösung (die den Browser außerdem heftig belasten). Man kann Ajax auch in einen Synchronous-Modus schalten, aber muss dann alles „zu Fuß“ programmieren und kann jquery nicht mehr verwenden. Außerdem hat der Synchronous-Modus starke Probleme bei der Browser-Kompatiblität.

    Ich habe eine andere Lösung gefunden: Gar nicht erst warten. Das Script liefert false zurück und beendet sich. Der Teil des Scripts, der im Hintergrund die Datenbankabfrage vornimmt, läuft aber asynchron weiter. Dieser im Hintergrund laufende Teil des Scripts wartet darauf,  dass die Datenbankabfrage eine Antwort geliefert hat und gibt genau dann je nach Bedarf eine Fehlermeldung aus oder stößt das Submit-Event einfach nochmal an.

    Im HTML:

    <form action="submit.php" method="post" id="myform" onSubmit="return checkForm(this);">

    Im JavaScript:

    function checkForm(form)
    {
      if ($.formLoading != false) {
        $.post('dbtest.php', {
          val1:form.elements["val1"].value
          , val2:form.elements["val2"].value
        }, function(response) {
          if (response == "1") {
            $.formLoading = false;
            $("#myform").submit();
          } else {
            alert ("Eine Fehlermeldung.");
          }
        });
        return false;
      } else {
        return true;
      }
    }
    

    Damit das Script im Falle eines Erfolgs auch true zurückliefern kann, um das Submit auszulösen, wird noch eine Variable benötigt, die sich merkt, ob das Script schon einmal aufgerufen wurde:  $.formLoading. Weil eine normale Variable die Laufzeit des Scriptes nicht überleben würde, wird sie kurzerhand ins DOM der zugehörigen Webseite gehängt.

  • Warum ich den Palm Pré wieder verkauft habe (Update)

    Es war von Anfang an klar, dass ich auf zwei fast neuen Handys sitzend eines davon wieder verkaufen musste. Über beide, das Nokia N86 und das Palm Pré habe ich sehr wohlwollende Testberichte geschrieben. Die Entscheidung fiel mir bis zum Schluss ausgesprochen schwer, und wenn Ebay nicht die 12-Stunden-Frist hätte, wäre ich mir nicht sicher, ob ich die Auktion nicht doch noch beendet hatte. Und jetzt mit Ablauf verspüre ich ein leichtes Reuegefühl. Das Palm Pré ist wie ein Porsche, während mein gutes altes Nokia eine Art Passat Kombi ist. Einen Porsche verkaufen tut weh, aber zum Einkaufenfahren ist er trotzdem völlig ungeeignet.

    Das Grundproblem ist: Nutzen vs. Sexiness. Das Palm Pré ist sexy. Es zu bedienen, macht Spaß. Im Grunde ein Lifestyle-Handy oder wie Golem schrieb: ein Smartphone für iPhone-Verächter. Es hat viele großartige Features und ich bin immer noch der Meinung, dass das Pré von der Verarbeitung abgesehen dem iPhone überlegen ist. Aber hier geht es nicht ums iPhone sondern um ein klassisches Handy. Folgende Punkte gaben den Ausschlag, beim Nokia N86 zu bleiben:

    • Die Akkulaufzeit ist wesentlich länger. Das Pré muss im Laufe des Tages einmal ans Netz, wenn man damit den Abend überstehen will. Es macht absolut keinen Spaß, von einer Bloglesung wegen eines leeren Akkus nicht twittern zu können. Das Nokia hält deutlich länger als einen Tag durch. Bei gleicher Nutzung bekomme ich abends sogar noch einen fast vollen Akku angzeigt (auch wenn Nokia die Anzeige wohl frisiert).
    • Opera Mini ist der beste Handy-Browser. Auch wenn das Display kleiner ist, es keine Touchscreen-Bedienung gibt oder Webseiten auch mal unschön umbrochen werden: Oper Mini zeigt mir Seiten schon, wenn der Pré mit seinem Webkit-Browser noch lädt. Vor allem das Zurückblättern ist erheblich viel schneller. Die wichtigsten Webseiten kann ich in der U-Bahn auf dem N86 schneller, klarer und ohne Gestenfummelei betrachten. Das lässt sich auf die Formel bringen: Zoomst Du noch oder liest Du schon?
    • Touchscreen macht Spaß, aber kann auch nerven. Das Pré interpretiert meinen Daumen anders als ich. Auch nach mehreren Wochen Nutzung passiert es mir, dass ich die falsche Mail lösche oder ein Twitterlink geöffnet wird, anstatt die Liste zu scrollen. Anwendungen wie das Mail-Programm von Nokia oder Twibble für Twitter mögen zwar in Sachen Sexiness in einer anderen Liga spielen, aber mit ihnen passieren solche Fehlbedieunungen nicht.
    • Die Quertz-Tastatur ist toll, wenn man mal etwas längeres tippen muss – sie mit einer Hand zu bedienen aber nach wie vor eine Daumenqual. Auf einer klassischen Zifferntastatur schreibe ich (ohne T9!) fast genauso schnell, sehe aber an meinen Tweets, dass ich wesentlich weniger Tippfehler mache. Überhaupt sorgt die Kombination aus Zifferntastatur und Steuerkranz dafür, dass man ein Handy quasi blind bedienen kann, während ein Touchscreen mit Gestensteuerung die volle Aufmerksamkeit des Nutzers fordert. Mobil heißt aber eben unterwegs. Da hat meine Aufmerksamkeit aber oft der Straßenverkehr oder andere Leute oder ich brauche eine Hand, um mich in der U-Bahn festzuhalten oder oder oder…
    • Syncen mit dem Pré ist ein endloses Herumgefrickel. Es gibt keine Anwendung, mit dem ich Kontakte, Termine, Aufgaben und Notizen einfach mal so mit dem Mac oder Outlook synchronisieren kann. Schon gar keine kostenlose. Auch Missing Sync und andere separat zu erwerbende Programme können z.B. keine Aufgabenlisten synchronisieren. Sinn des ganzen ist, dass ich die Daten ubiquitär zur Verfügung habe, am PC genauso wie auf dem Handy. Sicher, das Konzept des Pré will genau das: Meine Daten sollen gefälligst in der Cloud liegen, was mir nicht behagt.  Synchronisieren kann ich mit Google, aber auch da wieder keine Aufgaben und Notizen. Und die Anbindung an Facebook hilft mir – Synergie hin oder her – kein Stück weiter. Wenn ein Anbieter mir die Cloud schmackhaft machen will, dann muss er mir auch die Möglichkeit geben, meine Daten in eben dieser Cloud mit Web 2.0-Anwendungen vollständig zu sichten und zu editieren. Genau das geht aber mit den von Palm gespeicherten Daten nicht. Die einzigen Geräte, die derzeit das Versprechen ubiquitärer Dateneinlösen, syncen direkt mit Desktop-Anwendungen. Es sind klasssiche Handys, klassische PDAs wie alte Palm-Geräte und die meisten Windows-Mobile-Geräte (die aus anderen Gründen ein Krampf sind). Auch Android und iPhone können hier bis heute nicht oder nur mit Zusatzsoftware wie Missing Sync mithalten. Vor dem Hintergrund der alten Palm-PDAs und des überaus funktionalen und ausgereiften Palm Desktop ist das ein ziemlich trauriges Fazit.
    • Ich weiß nicht woran es liegt, aber der GPS-Empfänger im N86 zusammen mit Nokia Maps zeigt mir erheblich präzisiere Ortsangaben als das Pré, das mich doch sehr häufig in irgendwelchen Parallelstraßen wähnte. Außerdem sind die Karten viel schneller auf dem Schirm, weil sie nicht erst von Google Maps nachgeladen werden müssen.
    • Der Palm Pré bietet keinen vernünftigen Start-Screen, auf dem mit einem Blick die Termine und Todos des Tages angezeigt werden. Ich muss separat in den Kalender schauen, dessen grafische Ansicht mich auch noch zwingt, herumzuscrollen, wenn ich morgens sehen will, ob abends ein Termin ist. (Die Ziehharmonika-Ansicht bekommt man erst bei mehreren Terminen pro Tag – Standardfall ist aber, dass ich morgens zur Arbeit gehe und abends eine Verbredung habe.) Ich muss explizit in meine Aufgabenliste schauen und da auch noch in mehrere. Ich möchte ein Gerät, dass mir nach Einschalten/Entsperren die wichtigsten Daten des Tages auf einen Blick zeigt, ganz so, wie es die alten Palm getan haben und es die meisten Handys und Smartphones heute noch tun.
    • Ich habe seit längerem keine Digicam mehr, weil die Bildqualität meiner bisherigen Handys einfach zu gut war und ich meistens dann ein Foto machen will, wenn ich sowieso keine Kamera dabei habe. Die Bildqualität des Palm Pré ist zwar irgendwie noch OK, aber im Vergleich zum Nokia N86 oder sogar einem Sony-Ericsson K800i einfach schlecht. Außerdem kann man mit dem Pré ohne Hacks keine Videos aufnehmen.

    Als ich das N86 wieder aus der Schublade genommen hatte, habe ich es gehasst. Diese steinzeitliche Bedienung, die niedrige Auflösung, das hässliche Screendesign… Nach kurzer Zeit habe ich aber schnell gemerkt, um wieviel praktischer doch so ein schnödes Mittelklassehandy ist. Dabei bin ich jemand, der so ziemlich alles mit einem Handy macht außer telefonieren. Eigentlich müsste ich der Smartphone-Anwender überhaupt sein. Trotzdem sind alle meine Versuche, mir ein Smartphone anzuschaffen, bisher gescheitert. (OK, ich hatte noch kein Android-Gerät und keinen Blackberry. Mal sehen, was der nächste Herbst so an Modellen bringt…)

    Eine Internet-Maschine wie das Palm Pré könnte mich ohne weiteres auf ewig glücklich machen. Das Konzept stimmt und geht in die richtige Richtung, wenn doch nur obige Punkte erfüllt würden: Eine bessere Kamera, eine einfache Zifferntastatur (zzgl. virtueller Quertz-Tastatur wie beim iPhone), der Rest ist eine Frage der Software. So sitzt der Pré derzeit zwischen allen Stühlen und taugt nur als Spaß- und Lifestyle-Gadget – eine  Nische die aber leider schon das iPhone besetzt hält.

    Update:

    Man kann es Unzurechnungsfähigkeit nennen oder Fanboytum: Ich habe den Pré einfach gebraucht wieder ersteigert. Die Gründe im anderen Blogpost und meine emotionale(!) Verbundenheit(!!) zu diesem Gerät(!!!) waren wohl stärker. Ich weiß jetzt, wie sich iPhone-Besitzer fühlen müssen. Immerhin kann ich mich jetzt damit rausreden, einen kleinen Differenzgewinn gemacht zu haben.

  • Ich oute mich!

    Dieser Artikel von Felix Schwenzel brachte mich auf den Gedanken, dass es an der Zeit sein könnte mich zu outen. Ja, ich gebe es zu: Auf Rolltreppen bin ich ein asoziales Linksfahrerschwein. Dazu hatte ich gestern erst folgenden Dialog mit meinem Therapeuten:

    Ich: Niemand mag mich, weil ich auf Rolltreppen links fahre.

    Therapeut: Du kompensierst einen tiefen Minderwertigkeitskomplex.

    Ich: Ich halte nur in der rechten Hand meinen Latte2Go oder mein Handy zum Twittern und will mich mit der linken festhalten. Wie kommen Sie darauf?

    Therapeut: Du kannst Dir keinen Benz leisten, mit dem Du sonntags auf der linken Autobahnspur kriechen könntest. Du kompensierst das.

    Ich: Ich einen Benz? Niemals! Links fahren ist für mich auch ein politisches Statement!

    Therapeut: Die Zeit ist um…

    Ich: Außerdem ist die alte Regel „rechts stehen, links gehen“ doch längst überholt. Die Avantgarde steht oder fährt, wann und wo sie will!

    Therapeut: Die Zeit ist um!

    Ich: Wer unbedingt steppen will, soll halt die normale Treppe nehmen!

    Therapeut: Halt’s Maul!

    Ich gebe es ja zu: Er hat recht. Nichts liebe ich mehr, als die riesigen Beförderungbänder im Supermarkt mit leerem Einkaufswagen zu befahren. Da kann mich keiner überholen. Da gehören die zwei Quadratmeter für zwei Minuten ganz und gar mir. Dann bin ich der König der Rolltreppe.

    rolltreppe

    Aber wie das so ist in der sozialen Marktwirtschaft, hat jedes noch so ennomanische Verhalten auch einen sozialen Nutzen. So helfe ich grundsätzlich jungen Damen mit Kinderwagen beim Befahren der Rolltreppe. Ich beneide sie und stehe kurz davor, mir selber so einen Kinderwagen zu kaufen und damit immer nur Rolltreppe zu fahren. Dann kommt wirklich niemand an mir vorbei.

  • Aaron Koenig und das Ding mit den Plebisziten (Update)

    In einer perfekten Welt stimmen wir einfach über alles demokratisch ab. In einer perfekten Welt haben wir dabei keine Eigeninteressen im Blick, sondern das Allgemeinwohl und vermeiden emotionale Bauchentscheidungen. In einer perfekten Welt sind wir stets informiert genug, eine fundierte Entscheidung zu treffen, wenn wir über etwas abstimmen. Leider leben wir nicht in einer perfekten Welt, und so pulverisiert sich gerade ein Kernstück piratischer Politik: Die Forderung nach möglichst weitgehenden Plebisziten (die neuerdings auch von SPD und Grünen aufgenommen wurde.)

    Dass Plebiszite in die Hose gehen können, zeigt wiederholt die Schweiz. Im Mai stimmten die Schweizer dafür, so genannte „Komplementärmedizin“ in der Verfassung zu verankern. Das bedeutet zum Beispiel, dass homöopathische Medikamente, deren Wirkungslosigkeit in zahllosen Studien belegt ist, in Krankenhäusern angewendet und allgemein von den Krankenkasse bezahlt werden sollen. Rationale Entscheidung fürs Allgemeinwohl?

    Am gleichen Tag stimmten die Schweizer übrigens dafür, dass künftig biometrische Daten in ihren Personalausweisen gespeichert werden. Dass solche elektronischen Ausweise keinesfalls fälschungssicher sind, eine Reihe von Problemen aufwerfen  und zudem noch enorme Kosten verursachen: War das allen Abstimmenden klar? Rationale Entscheidung fürs Allgemeinwohl?

    Rund ein halbes Jahr später: Die Schweiz stimmt ab und ein Verbot, Minarette zu bauen, erhält dadurch Verfassungsrang. Diese Abstimmung hat eine andere Qualität. Sie ist nicht nur gesetzgeberisch blödsinnig, sondern hier diskriminiert eine Mehrheit direkt eine religiöse Minderheit. Felix Neumann hat das bereits so gut auf den Punkt gebracht, dass ich dem auch nichts hinzufügen kann.

    Wir lernen: Plebiszite sind problematisch. Sie sind durchaus wünschenswert, bringen die Politik wieder näher an den Bürger, aber sie sind kein Allheilmittel. Demokratie bedeutet nicht die Herrschaft der Mehrheit, sondern die Herrschaft des Volkes. Dazu gehören unantastbare Grundrechte und der Schutz von Minderheiten. Gleichbehandlung vor dem Gesetz würde im Falle der Schweiz zum Beispiel bedeuten, dass ein ebensolches Verbot für die Errichtung von Kirchtürmen in die Verfassung aufzunehmen ist.

    Hier hat die Piratenpartei ein Problem: Direkte Demokratie gehört für viele Piraten zu den wichtigsten Grundforderungen überhaupt. Doch wie weit kann die Forderung reichen? Piraten beschweren sich über zahllose Gesetze und Grundgesetzänderungen, die einen Abbau an Bürgerrechten mit sich brachten. Man stelle sich vor, diese Grundgesetzänderungen seien durch Plebiszite zu Stande gekommen: Wer könnte noch etwas gegen sie sagen?

    Anders gefragt: Was ist nach Logik der Plebiszit-Anhänger ein Sachargument noch wert gegen den Willen der Mehrheit?

    Im Grunde wurde das Problem erkannt: Die Piratenpartei experimentiert gerade mit Liquid Democracy, die eben keine direkte Demokratie ist, sondern die Wahl von Parteien ersetzt durch die Wahl von Experten für Sachthemen. Es gibt also keinen Grund, die direkte Demokratie zur heiligen Parteikuh zu erklären, wo doch schon etwas besseres in Aussicht steht.

    Was das ganze mit Stefan „Aaron“ Koenig zu tun hat: Der hat auch über das Thema gebloggt, aber die schweizerische Entscheidung gerechtfertigt:

    In der Mehrheitsentscheidung der Schweizer drückt sich vielmehr ein Unbehagen gegen eine politische Bewegung mit Allmachtsanspruch aus, die die Gleichberechtigung der Geschlechter, die pluralistische Gesellschaft und die Demokratie explizit ablehnt. Diese politische Bewegung enthält auch religiöse Elemente und beruft sich daher auf die Religionsfreiheit.

    Stefan Koenig gibt also offen zu, dass es um Unbehagen geht. Nun kann man den Islam beim besten Willen nicht als „politische Bewegung“ beschreiben. Das träfe allenfalls auf Islamisten zu. Schließlich sind auch nicht alle Christen Mitglied in der Partei bibeltreuer Christen… Aber vor allem: darf statt Rationalität wirklich Unbehagen eine Rolle spielen, wenn es um eine Gesetzgebung geht, die sich auch noch gegen eine Minderheit richtet?

    Zum Glück muss ich mich nicht über meine Partei ärgern: Stefan Koenig bekommt gerade massiv Gegenwind. Das hat ihn zu einem weiteren Blogpost veranlasst, der sich über weite Strecken wie ein Dementi liest. Aber weiter unten schreibt er:

    In der Schweiz ging es aber offensichtlich nicht nur um die Bauwerke – dahinter liegt die grundlegende Skepsis, ob eine Religion, die sich selbst „Unterwerfung“ nennt, mit den Werten der Aufklärung kompatibel ist.

    Zack. Nochmal Islam-Bashing. Dass „Unterwerfung“ eine sehr freie, kontextlose und entstellende Übersetzung des Wortes „Islam“ ist – geschenkt. Die Frage, wieviel vom weiter oben im Text erwähnten Galileo und der Renaissance überhaupt stattgefunden hätten, wären riesige Teile antiken Wissens nicht ausgerechnet im Orient übers Mittelalter gerettet worden – ebenfalls geschenkt.

    Nicht Islamisten, nicht Fundamentalisten, nicht die Al Quaida oder sonstwer, nein der Islam als Ganzes sei mit der Aufklärung nicht kompatibel. In der Welt des Stefan Koenig schließen sich Moslem-sein und Europäer-sein also aus. Das ist nicht bloß Xenophobie, das ist kultureller Chauvinsmus. Unpiratiger geht es nicht.

    Update: Als sei das alles nicht genug, schrieb Stefan Koenig noch einen dritten Blogpost:

    …die TAZ berichtet, dass es linke, feministische Frauen waren, die mit ihrer Zustimmung zum Schweizer Minarettverbot den Auschlag gegeben haben.

    So falsch könne ein Minarettverbot gar nicht sein, wenn doch die Feministinnen auch dafür seien – ein Argument, wenn  man keine Argumente mehr hat. Langsam reicht’s…

    Update 2: Er bloggt sich um Kopf und Kragen: Heute Abend legte er den 4. Blogpost zum Thema nach, in dem Stefan „Aaron“ Koenig sich u.a. als ästhetischer Liebhaber von Sakralbauten aller Religionen outet. Das ganze liest sich, als sei alles nur ein großes Missverständnis:

    Ebenso wäre es schade, wenn liberale islamische Gemeinden, die die Gleichberechtigung der Geschlechter respektieren und religiöse Schriften, die zur Tötung Andersdenkender aufrufen, als historisch überholt ansehen, keine Moscheen und Minarette mehr bauen dürften.

    Doch nicht etwa eine Art Dementi? Zurückgerudert und Ruhe im Karton? Leider nicht, es gibt wie immer einen letzten Absatz:

    Ich verstehe den Volksentscheid in der Schweiz, der ja durch Stimmen aus dem linken, feministischen Lager entschieden wurde, als symbolisches Statement für die Werte der Aufklärung und gegen totalitären Fanatismus.

    Wir fassen zusammen: Symbolische Statements via Volksentscheid sind für ihn eine prima Sache, wenn sie sich gegen Fundamentalisten richten. Dass dabei eine Minderheit vorverurteilt, diskriminiert und diffamiert wird, während ein paar absolute Rechtsgrundsätze über Bord geworfen werden nur für ein Bisschen Symbolpolitik, scheint einfach keine Rolle zu spielen. Stefan Koenig dementiert weiterhin gar nichts, sondern frisst nur Kreide.

  • Medienmode Depression

    Der depressive Fußballer Enke nahm sich das Leben und das einzig Gute, das sein Tod bewirkt haben mag, ist dass die Krankheit Depression jetzt vielleicht ein Bisschen weniger tabubehaftet ist.

    SPON berichtet über einen Unternehmersohn, der bis 40 vom Geld seines schwerreichen Vaters leben musste, bis er sich selbst und sein Glück im Bücherschreiben fand. Außerdem über die berühmte Schauspielerin Brooke Shields, die sich mal das Leben nehmen wollte. Und schließlich berichtet ein Redakteur von seiner eigenen Depression, die er zu einem Artikel verarbeitet. Die Süddeutsche berichtet über den Fall einer Londoner Fondsmanagerin, die von ihren Kollegen gemobbt wurde. Die Frankfurter Rundschau bringt den ehemals depressiven Olympia-Sieger Matthias Behr, während der Tagesspiegel den uns den Schriftsteller Adrian Naef vorstellt, der ein Buch über seine Depression geschrieben hat.

    Ich will das Schicksal dieser doch recht privilegierten Menschen nicht im geringsten relativieren. Wirklich nicht. Ich weiß nur, dass ich mir nicht vorstellen kann, was sie durchgemacht haben müssen.

    Ich habe nur eine Frage an die Redaktionen: Wo bleibt die Geschichte des einfachen Arbeitnehmers, welcher zusätzlich zum Schicksalsschlag Depression nach Monaten in der Psychiatrie keine Arbeit mehr findet und den Rest seines Lebens als Aussortierter von Hartz IV vegetiert, wenn er sich nicht doch das Leben nimmt? Ich frag ja nur…

  • SPD-Parteitag oder: Ignoranz der neuen sozialen Frage

    Hier und da wurde er schon als „historisch“ angekündigt, der Dresdner Bundesparteitag der SPD. Endlich wieder klar Schiff machen. Back to the roots und all das. Die SPD hat es nötig. Sie ist genuin die Partei der sozialen Frage. Manche Leute denken, dass sich diese Frage nicht mehr stellt in Zeiten, in denen es einem Hartz-IV-Empfänger besser geht als einem Industriearbeiter der 60er Jahre. Ist dem so, die SPD wäre überflüssig geworden.

    Oder gibt es vielleicht eine neue soziale Frage? Vielleicht nicht beim fast ausgestorbenen klassischen Arbeiter, sondern im Prekariat? Bei den vielen Kleinselbstständigen, die sich trotz hoher Qualifikation permanent um die nächste Mietzahlung sorgen? Oder die Studenten, denen man durch Bologna Freiräume nahm, neben dem Studium mehr oder weniger sinnvoll zu arbeiten, ihnen gleichzeitig das Studium drastisch verteuerte und ihren Abschluss entwertete? Oder bei Leiharbeitern, deren Chef sie eben nicht weiter bezahlt, wenn dessen Auftraggeber sie mal ne Woche lang doch nicht braucht? Oder bei Hartz-IV-Empfängern, die nicht nur ständig pleite sind, sondern auch noch permanent von den Behörden drangsaliert werden?

    Es ist kein Trost für die SPD, dass sich die Linkspartei diese Fragen offenbar auch nicht stellt. Die SPD hat 10 Jahre lang die neue soziale Frage nicht nur ignoriert, sondern eine neoliberale Politik gegen diese „neuen kleinen Leute“ gemacht. In dieser Zeit wurde sie von zwei autoritären Personen geprägt: Gerhard „basta“ Schröder und Franz Müntefering, welcher sich nicht zu schade war, vom Parteivorsitz zurückzutreten, nur weil sein Kandidat nicht zum General gewählt wurde. Autoritäre Führung und Ignoranz: Das passt zusammen. Das ist genau das, was wir meinen, wenn wir auf „die da oben“ schimpfen.

    Die SPD muss sich auf diese „neue soziale Frage“ ausrichten, wenn sie wieder sozialdemokratisch und wählbar sein will. Vom Dresdner Parteitag hätte ich erwartet, dass dem Rechnung getragen wird. Dort wird zwar ein Bildungssoli und die Vermögenssteuer gefordertert, aber gleichzeitig auch gesagt, die SPD wolle die „Interessen der breiten Arbeitnehmerschaft“ vertreten, also genau der Schicht, die neue Antworten auf neue Fragen braucht, weil sie ins Prekariat erodiert. Zu netzpolitischen Themen fand der Parteitag genau keine belastbare Aussage. Ich verstehe, dass die SPD nicht von heute auf morgen ein neues Programm aus dem Hut zaubern kann. Aber hey! Die SPD war gerade dabei, sich selbst überflüssig zu machen und hat eines der miesesten Wahlergebnisse ihrer Geschichte eingefahren. Da hätte ich eigentlich ein paar spannende Debatten erwartet. Echte Wahlen zwischen Alternativen. Einen Kampf um den Vorsitz. Einen Kampf um die Richtung.

    Von all dem ist weit und breit nichts zu sehen. Ein neuer Vorstand – mit Sigmar Gabriel und Andrea Nahles im Hinterzimmer ausgeklüngelt – wurde  ohne jede Alternative zur Wahl gestellt und abgenickt. Die 94,2% für Gabriel sind dadurch ungefähr soviel wert, wie die 99,74% für Erich Honecker 1986. Was von Gabriel zu halten ist, sieht man schon daran, dass er lang und breit darüber redet, die SPD zu öffnen, nur um am Ende seiner Rede zu Geschlossenheit aufzurufen. Und Andrea Nahles wurde mit 69,6% „abgestraft“. Glaubt man den Medien, ist sie unbeliebt, weil sie als Königsmörderin gilt – nur weil sie mal „demokratisch“ wörtlich nahm, als General kandidierte und gewann (und dann übrigens unter Druck ihrer „Parteifreunde“ dann doch verzichtete). Arme SPD. Leid tun mir dabei nicht nur die Sozialdemokraten selbst, sondern auch Leute wie Mspro, die den Parteitag besuchen, weil sie immer noch glauben, die SPD sei „irgendwie links“.