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  • Kann jedem Gehörlosen mit dem Cochlea-Implantat geholfen werden?

    tldr: Nein.

    ciherz

    Bald ist es zwei Jahre her, dass mir das erste Cochlea-Implantat eingepflanzt wurde. Wer mich kennt, kennt meine Begeisterung, weil ich sich die Freiheitsgrade in meinem Leben in ungeahntem Maße vermehrt haben. Dazu demnächst  mehr. Für manche entsteht da der Eindruck, man könne ein kaputtes oder nicht vorhandenes Gehör einfach reparieren. Das ist natürlich nicht so.

    Sehr viel hängt davon ab, dass das Gehirn in den ersten Lebensmonaten und -jahren passende Strukturen herausbildet. Vereinfacht gesagt: Wer als Kleinkind nicht hören lernt, wird das auch im Erwachsenenalter nicht mehr tun. Zwar gibt es auch da einzelne Erfolgsgeschichten, aber unter Gehörlosen überwiegt der Frust. Sie hören, aber ihr Gehirn kann mit dem Gehörten wenig einfangen. Auch nach langem Training ist Hören oft mühsam und Sprache wird kaum verstanden.

    Manche Gehörlose finden sich damit ab und freuen sich einfach, dass sie wenigstens in der Lage sind, Geräusche zu hören und zuordnen zu können, was das Alltagsleben ja durchaus erleichtert. Andere sind tief verunsichert: Sie haben sich einer Operation unterzogen, eine lange Reha gemacht, sich wirklich viel Mühe gegeben – aber sie können immer noch nicht mithalten. Nicht mal ansatzweise. Sie suchen den Fehler bei sich selbst, verzweifeln, hören auf, das Cochlea-Implantat zu tragen und ziehen sich erst recht in die Gehörlosenkultur zurück. Wer würde es ihnen verübeln?

    Das wichtigste ist, das Cochlea-Implantat als so etwas ähnliches wie einen Rollstuhl zu begreifen. Es gibt gute und schlechte Rollstühle. Es gibt Menschen, die im Rollstuhl Behindertensport machen und andere, die sich nur damit fortbewegen können, wenn ein Joystick daran angebracht ist.

    Das Cochlea-Implantat ist eine Reparatur. Eigentlich ein negatives Wort, schwingt doch die Angst mit: Wo man Menschen „repariert“, optimiert man sie für die Erfordernisse der Gesellschaft oder gar Ökonomie. Selbstverständlich ist es ein Skandal, wenn Teenagern der Gebärdensprachedolmetscher verweigert wird mit dem Hinweis, sie sollten sich halt operieren lassen. Ich kenne solche Fälle nur vom Hörensagen und vermute, dass hier gar nicht mal ignorante Sachbearbeiter am Werk sind, sondern eine Ebene höher auf politischer Ebene anzusetzen ist.

    Wer – wie ich – das Gehör verliert, der vermisst etwas. Dessen Körper funktioniert nicht mehr so, wie er sollte. Wenn das passiert, gehe ich zum Arzt und lasse mich „reparieren“. Mit „Normal-Sein“ hat das wenig zu tun. Viele Menschen empfinden mich durchaus als nicht normal, als Freak. Manchmal sind Nerds begeistert und leicht neidisch, weil sie auch Cyborgs sein wollen, manchmal ernte ich komische Blicke, was ich da für Gerätschaften trage. Laute abfällige Bemerkungen habe ich allerdings schon seit den 80er oder 90er Jahren nicht mehr gehört. Und da trug ich noch – ebenso sichtbar – Hörgeräte.

    Wer gehörlos geboren ist und eingebettet in die Gehörlosenkultur lebt, dem fehlt natürlich nichts. An ihm gibt es nichts zu „reparieren“. Und selbstverständlich müssen wir akzeptieren, wenn die Menschen so leben wollen und ihnen als Gesellschaft das Leben nicht unnötig erschweren. Ich greife nur ein Beispiel heraus: Untertitel. Die helfen ja so viel mehr Menschen, als nur Gehörlosen, zum Beispiel Migranten beim Spracherwerb. Oder die elektronischen Anzeigetafeln, die in der Tram die nächsten Haltestellen zeigen und für alle praktisch sind. Barrierefreiheit ist ein viel größeres Thema.

    Für spätertaubte und stark schwerhörige Menschen ist das Cochlea-Implantat eine großartige Hilfe. Ich erziele im Sprachtest mittlweile 100% unter Laborbedingungen, mein Audiologe sagt mir aber auch, dass ich damit zur Spitzengruppe gehöre. Mein Gehirn hat auf das CI reagiert wie ein vernachlässigter Hund, der endlich wieder apportieren darf, aber es gibt auch Leute, die mit dem CI trotz guter Disposition einfach nicht klarkommen – wie bei Hörgeräten übrigens auch und so ziemlich allen Medikamenten und Prothesen, die bisher so entwickelt wurden.

    Gehörlose, schwerhörige und überhaupt behinderte Menschen brauchen mehr Barrierefreiheit. Das Cochlea-Implantat ist die Chance, eine Barriere direkt am Individuum selbst zu senken. Es ist aber ganz sicher keine Ausrede dafür, an anderen Stellen nicht mehr auf Barrierefreiheit zu achten. Und es ist keine Rechtfertigung, Druck aufzubauen, sich operieren zu lassen. Das muss man schon selber wollen.

    Man stelle sich einen Forscher vor, der fließend Englisch spricht. Die Sprache ist essenziell für seine Arbeit und sein Leben. Dann kommt eine böse Fee und nimmt ihm diese Fähigkeit weg. Er muss sein Leben umstellen. Ihm fehlt etwas bedeutendes, er muss sich völlig anders arrangieren und ist unglücklich. Und wenn dann die gute Fee kommt, um ihm seine Englisch zurückschenkt, wird er dankbar und glücklich sein. Jemand anderes hasste Englisch schon in der Schule, wird die Sprache in diesem Leben sowieso nicht mehr richtig lernen und will das auch gar nicht. Den sollten wir nicht mit Englisch-Unterricht quälen, sondern ihm die Chance geben, eine Nische im Leben zu finden, mit der er glücklich und zufrieden sein kann.

  • #Nachtkatzencontent – Die Show

    Zu Gast bei den Surfpoeten im Pfefferberg

    https://www.youtube.com/watch?v=GgmEAUPUjwE

  • Die Polizei in deinem Postfach

    Name, Adresse, Passwörter und Pin-Nummern – all das können Ermittlungsbehörden dank der Bestandsdatenauskunft künftig ohne weiteres von Internet- und Handynutzern abfragen. Der Protest gegen das neue Gesetz blieb wirkungslos. Eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht scheint hingegen erfolgversprechend zu sein.

    Weiterlesen bei Jungle World

  • Mit #Drosselkom sind Adblocker Notwehr

    tl;dr: Ein paar große Online-Zeitungen zeigen gerade eine Einblendung, wenn jemand Adblocker benutzt. Ich glaube nicht, dass es schlau ist.

    adblocker

    Vorweg: Inhalte fabrizieren kostet Geld und Journalisten müssen von ihrer Arbeit leben können. Ich bin kein Freund von Adblockern und benutze sie nicht – ich habe lediglich einen Flashblocker im Browser, weil ich animierte Flash-Werbung – gar noch mit Sound – übergriffig finde. Und Seiten mit Layer-Ads klicke ich im Normalfall einfach weg, denke aber über ein PlugIn nach, das solche Webseiten in eine Blacklist schreibt und sie anhand des URL im Browser blockiert. Ich gönne denen schlicht den View in der Statistik nicht.

    Adblocker schaden im allgemeinen viel weniger, als man so denkt. Wer einen benutzt, will den Scheiß nämlich nicht sehen und der intelligente Werber freut sich, wenn Adblocker die Streuverluste minimieren. Das funktioniert nur, solange Adblocker nur von einer Minderheit genutzt werden. Die aktuelle Kampagne gegen Adblocker ist da wohl eher kontraproduktiv. Viele Leute werden ja mit der Nase drauf gestoßen: Oh, ich kann die Werbung auch ausschalten? Wie praktisch!

    Ein anderes Problem: Bald sind Adblocker schlicht Notwehr. Die Drosselpläne der Telekom bedeuten nämlich, dass mir durch die Übertragung von Werbung künftig zusätzliche Kosten entstehen. Und wer will schon für die Werbung bezahlen, die ungefragt eingeblendet wird? Die Zeitungen, die jetzt eine Kampagne gegen Adblocker fahren, sollten also besser dabei mithelfen, der Telekom zu sagen, dass sie das Drosseln bleiben lassen soll.

    Dabei gäbe es einen IMHO schlaueren Weg, mit Adblockern umzugehen. Wir alle kennen (und hassen) Paywalls – nicht weil die Artikel Geld kosten, was legitim ist, sondern weil sie den freien Informationsaustausch behindern. Warum aber nicht bei Leuten mit Adblockern nur den ersten Absatz eines Artikels anzeigen? Bei „Weiterlesen“ steht dann da: Willste weiterlesen, mach deinen Adblocker aus. Muss man dann ja nicht global tun. Und zugleich schauen die Medienhäuser darauf, dass die eingeblendete Werbung moderat bleibt. Und unser Netz neutral. Fairer Deal, oder?

  • Links der Woche

    • Carbon Dioxide Level Passes Long-Feared Milestone:

      “The best available evidence suggests the amount of the gas in the air has not been this high for at least three million years, before humans evolved, and scientists believe the rise portends large changes in the climate and the level of the sea.”

    • Lolcats expert Kate Miltner explains the allure of cate memes:

      “After conducting six focus groups, Miltner found that LOLCats acted as a venue for people to express their emotions and connect to others. “Interestingly, participants reported both sending and receiving LOLCats as a form of emotional expression,” stated Miltner. “Particularly, as ‘reactions’ to situations they or their family and friends were going through.””

    • Die verlorene Liebe des Norbert Blüm:

      astefanowitsch:

      Lieber Norbert Blüm,

      Ihre gestrige verdrehte Hetztirade verdient eigentlich keine Antwort. Eigentlich verdient sie nicht einmal Beachtung, denn Ihre Menschenverachtung und Ihr Hass auf alles, was außerhalb Ihrer engen Vorstellungswelt existiert, haben im gesellschaftlichen Diskurs nichts…

    • Berlin Mitte Hipster Story:

      “Nicole hatte mit Marcel gefickt, konnte sich daran aber nicht mehr erinnern. Deshalb war ihr absolut nicht klar, warum sie von Marcel die ganze Zeit angestarrt wurde, nicht einmal ihr Gefühl dabei verstand sie.”

    • Giftige Early Adopter:

      “Ich glaube tatsächlich, man kann an dieser Stelle festhalten: Produkte, deren Early Adopter sich hauptsächlich aus männlichen, weißen Nerds speisen, werden es schwer haben den Chasm zu überwinden. Denn gegenüber steht der Massenmarkt und stellt fest: “das ist was für Nerds”. Da gehört man nicht dazu und da will man auch nicht dazu gehören.”

  • #Drosselkom oder: Wie der Telekom Inklusion und Barrierefreiheit scheißegal sein müssen

    tl;dr: Die Drosselungspläne der Telekom machen Behinderten das Leben schwer.

    stream

    Gestern habe ich  mir den Stream zum Bundesparteitag der Piraten angeschaut. Sowas läuft auf keinem TV-Sender und interessiert mich weiterhin sehr. Irgendwann gegen Ende kam die Durchsage, dass der Stream mittlerweile ein Datenvolumen von 75 Gigabyte erreicht habe – laut aktuellen Plänen der Telekom hätte ich also ab da den Stream nicht weiter verfolgen können. Das ist durchaus kein Luxusproblem.

    Für gehörlose und schwerhörige Menschen ist es nämlich wesentlich einfacher, das Geschehen zu verfolgen, wenn nicht nur Ton sondern auch ein Bild vorhanden ist. Das gilt besonders, wenn Gebärdensprachedolmetscher eingeblendet werden. Die sind bei einem 160-Pixel-Stream im Briefmarkenformat, der auch angeboten wurde, völlig witzlos. Nur weil ich meinen Hörschaden mit Hilfe des Cochlea-Implantates ganz gut reparieren konnte, heißt das noch lange nicht, dass dies für alle Gehörlosen eine Lösung sei – schon aus medizinischen Gründen nicht, völlig unabhängig von der Frage, ob ein Mensch überhaupt ein Implantat eingepflanzt bekommen möchte.

    Und es geht ja bei weitem nicht nur um Gehörlose, sondern überhaupt um alle Behinderten, für die eine Reise nach Neumarkt teurer und schwierig und teuer ist – übernachtet mal als Rollifahrer in einer Turnhalle mit hunderten anderer Schlafsacktouristen, nachdem ihr versucht habt, in einem völlig überfüllten ICE unterzukommen. Was sollen solche Menschen tun? Hoffen, dass so ein Parteitag einer Kleinpartei bei T-Entertain übertragen wird? Und denkt mal aus der Gruppe der Behinderten raus an alle Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht anreisen können. Familien mit Kindern, Alg2-Bezieher, whatever.

    Mich ärgert das maßlos, weil ich noch sehr gut weiß, damals in den 90ern, als das Internet mir damals an Taubheit grenzend Schwerhörigem einen neuen Lebensraum eröffnete, der mir gesellschaftliche Teilhabe ermöglichte und mein soziales Umfeld – durch eine Kommunikationsbehinderung stark eingeschränkt – traumhaft erweiterte. Gerade das machte mich zum Netzbewohner.

    Die Drosselungspläne sind nichts weiter als eine massive und vollkommen unnötige Einschränkung von Inklusion und Barrierefreiheit in Deutschland und gerade zu ein Schlag ins Gesicht aller Menschen, die durch das Internet ein kleines Bisschen weniger abgehängt sind.

  • Piratentrolle, die Bullshit über mich verbreiten – ein Dementi

    tl;dr: Verschwörungstheoretiker verbreiten, ich sei trotz meines Austritts aus der Piratenpartei hinter den Kulissen weiter aktiv, vor allem was die SMV betrifft, und unterstellen gar, Texte anderer Leute seien von mir. Das entspricht nicht der Wahrheit.

    Troll_crossed_out

    Man könnte ja meinen, mit meinem Austritt aus der Piratenpartei sei Ruhe im Karton. So ganz funktioniert das nicht, weil meine Person offenbar zu einer fixen Idee mancher merkbefreiter Verschwörungstheoretiker in der Piratenpartei geworden ist, die wohl glauben, ich würde hinter den Kulissen irgendwelchen sinistren Machenschaften nachgehen. So zum Beispiel der Pirat Edmund Piper aus der Konrad-Zuse-Crew: Seit Monaten beschimpft er mich auf durchaus justiziable Weise auf verschiedenen Mailinglisten der Partei. Dass er das ohne Konsequenzen tun kann, war einer meiner Gründe, die Partei zu verlassen.

    Jüngstes Beispiel sind Äußerungen, in denen er suggeriert, ich sei trotz meines Austrittes nicht wirklich weg (was immer das heißen mag) und würde mich als Ghostwriter für Enno Lenze und Katja Dathe betätigen, die beide für mehr Mitbestimmung und die Einführung einer internetbasierten Abstimmungplattform („Ständige Mitgliederversammlung, SMV“) kämpfen. Als ob die einen Ghostwriter nötig hätten: Die können beide hervorragend selber schreiben.

    Mir widerstrebt es, einem Troll wie Edmund Piper, dessen Lieblingsbeschäftigung darin besteht, das Klima zu vergiften, wo immer er auftaucht, überhaupt weiter Aufmerksamkeit zu schenken – es ist aber leider nötig, da seine Äußerungen nicht nur für mich ehrabschneidend sind, sondern auch für andere Personen wie Katja Dathe, Enno Lenze oder all die  jetzt nicht genannten Personen, die an der SMV arbeiten, zumal in den Anträgen zum Bundesparteitag und Begleittexten sehr viel Arbeit und Hirnschmalz steckt.

    Das Beispiel zeigt, wie dummdreist lügende Verschwörungstheoretiker gequirlten Bullshit verbreiten und mit unlauteren Mitteln versuchen, Stimmung zu machen. An dieser Stelle nochmal in aller Klarheit: Ich habe sämtliche Tätigkeiten in der Piratenpartei mit meinem Austritt eingestellt. Außerdem habe ich mich seit der „SMVcon“ nicht mehr um das Thema SMV gekümmert. Keiner der Anträge für den Bundesparteitag stammt von mir, sondern von den jeweiligen Antragstellern. Dasselbe gilt für diverse Veröffentlichungen und Blogposts.

    Ich kann der Piratenpartei nur wünschen, dass sie das mit der SMV auf die Reihe kriegt und sich dabei von Trollen wie Edmund Piper nicht beirren lässt, aber das ist jetzt nicht mehr meine Suppenschüssel.

  • Links der Woche

    • Raus aus der Nazifamilie:“Der Nationalsozialismus hat in meiner Familie eine lange Tradition: Mein Urgroßvater war im Dritten Reich Anhänger der NSDAP; meine Großmutter bewundert Hitler bis heute; mein ­Vater betreibt mit seiner neuen Frau in Sachsen ein Feriendorf, das für die deutsche Naziszene als Veranstaltungsort sehr wichtig ist. Ich dagegen bin vor etwa drei Jahren ausgestiegen.”

    • Wir müssen reden!:“Ich war voller Glück, als du in mein Leben getreten bist, und besonders deine Sätze zu Artikel 9 (“Barrierefreiheit”) und 19 (“Recht auf selbstbestimmtes Leben und unabhängige Lebensführung”) haben es mir angetan. Als uns die damalige Regierung verkuppelt hat, dachte ich die ganze Zeit, sie sei dabei, aber irgendwie hat sie sich danach klammheimlich aus unserer Dreiecksbeziehung Mensch mit Behinderung, Konvention und Legislative bzw. Exekutive zurückgezogen. So sind laut dem Deutschen Institut für Menschenrechte weiterhin: “6 Bundesländer noch ohne Aktions- und Maßnahmenpläne zur Umsetzung der UN-BRK.””

    • Jolicloud:Mit Jolicloud kann man mehrere Cloud-Dienste zu einer “Meta-Clound” zusammenfassen und so mit dem Gratisvolumen verschiedener Clouds auf 50-100 GB kommen. Sehr spannende Sache, wenn auch ein wenig unfair gegenüber den Anbietern, deren Freemium-Modell ja auf einer Mischkalkulation beruht. Trotzdem sehr spannendes Tool. Ich werde es wohl mal testen, bevor ich dann endlich mal MyCloud OwnCloud in meinem Webspace installiere.

    • Keine Veränderung ohne Entscheidungen:“Fakt ist: Wir leiden an chronischer Entscheidungsunfähigkeit. Klar, jetzt wird die Meute wieder schreien: Das ist kein bug, das ist ein feature, die böse Gesellschaft will uns in ihre Normen pressen und gleichschalten. Kann ja sein, aber blöderweise haben wir uns entschlossen die Politik und damit auch die Normen dieser Gesellschaft zu verändern und das geht nun mal nur, in dem wir nach den Regeln dieser Gesellschaft spielen, zumindest so lange bis wir wissen welche dieser Regeln wir wie ändern wollen. Und eine dieser Regeln ist: Keine Veränderung ohne Entscheidungen.”

  • Bin ich ein Cyborg?

    tl;dr: Cyborgs werden wahr und wir stehen damit an der Schwelle zu einem Bewusstseinswandel.

    http://www.youtube.com/watch?v=JxNN86c4OoM

    Cyborgs kennen wir aus Science-Fiction-Filmen. Terminator. Ghost in the Shell. Robocop. Der Sechs-Millionen-Dollar-Mann. Inspector Gadget. Aber bin ich ein Cyborg? Ich trage ein Gerät hinter dem Ohr, das Schall in elektronische Impulse verwandelt und über ein Implantat direkt an meinen Hörnerv weiterleitet: das Cochlea-Implantat. Die Frage, ob mich das zu einem Cyborg macht, ist nicht so ganz einfach zu beantworten.

    Nach Neil Harbisson kommt es darauf an, dass Körper und Technik eine unauflösliche Einheit bilden. Das ist allerdings auch beim Herzschrittmacher der Fall. Es kommt nicht nur darauf an, eine körperliche Beeinträchtigung auszugleichen, sondern die menschlichen Fähigkeiten über das natürliche Maß hinaus zu erweitern. So trägt der farbenblinde Neil ein Gerät, mit dem er Farben hören kann – allerdings nicht nur das sichtbare Spektrum, sondern auch Infrarot und Ultraviolett. Die allermeisten Prothesen leisten das nicht. Beispielhafte Ausnahmen sind die künstlichen Füße, mit denen Oskar Pistorius nahe zu allen Menschen davonlaufen kann.

    Tatsächlich ist das Cochlea-Implantat zunächst mal „nur“ ein künstliches Gehör. Allerdings erweitert es durchaus meine Fähigkeiten. So kann ich am Gerät verschiedene Programme auswählen, die den aufgenommenen Schall unterschiedlich verarbeiten. Mit dem einen Pogramm kann ich möglichst klar Musik hören, ein anderes senkt Umgebungsgeräusche weitgehend ab, sodass ich in lauter Umgebung meinem Gesprächspartner besser folgen kann. Wenn ich Musik höre, verbinde ich die Cochlea-Implante per Kabel und Klinkenstecker mit einem Kopfhörerausgang. Das Ergebnis ist, dass die Musik direkt in meinem Gehirn landet, ohne dass an irgend einer Stelle Schall erzeugt wurde. Durch die Koppellung mit dem Hörnerv habe ich also tatsächlich eine Art „brain interface“, wenn auch auf akustische Reize beschränkt und „write only“ – ein künstlicher Sinn.

    An dieser Stelle lädt das Cochlea-Implantat zum Spielen ein. Zu gerne würde ich es so programmieren, dass auch Infra- und Ultraschall für mich Hörbar werden. Es spricht nichts dagegen, es an andere Geräte zu koppeln, die Umweltreize in akustische Eindrücke umwandeln und auf meinen Hörnerv weiterleiten. Beispielsweise einen Geigerzähler. Oder ein Bluetooth-Interface zu meinem Telefon, am besten noch gekoppelt mit einer Datenbrille. Dafür erst noch Kabel zusammenstecken zu müssen, kommt mir wie Technik aus dem vergangenen Jahrhundert vor, (was das Cochlea-Implantat ja auch ist). Leider ist es ohne erhebliche Hürden nicht möglich, das CI zu hacken, um es selber zu programmieren. Immerhin riskiere ich dabei mein Gehör. Trotzdem muss ich das früher oder später probieren. Für Ersatzgeräte und die zugehörige Technik fehlt mir das nötige Kleingeld, aber vielleicht findet sich ja ein Sponsor.

    Auch so bleibt das Cochlea-Implantat faszinierend. Wer eines trägt, steht tatsächlich an der Schwelle zum Cyborg und hat die Linie zumindest mit dem großen Zeh überschritten. Selbst wenn es nur ein Magnet in der Fingerkuppe ist: Wenn wir die Möglichkeiten unserer Sinne erweitern, verändert sich unser Bild von der Welt und damit auch zwangsläufig unser Bild von uns selbst. Hier scheint sich tatsächlich die Tür zu einer Bewusstseinsveränderung zu öffnen – ganz ohne Esoterik und Drogen. Das klingt jetzt drastisch, ist aber eigentlich nichts neues in der Menschheitsgeschichte. Schon die Tatsache, dass wir ständig Smartphones und das Internet mit uns herumtragen (ohne das wir uns sofort aufgeschmissen fühlen), hat den gleichen Effekt. Etwas ähnliches ist passiert, als der erste Homo Erectus einen Faustkeil in die Hand nahm.

  • Links der Woche

    • Antifeministen bei der Piratenpartei:

      “Wenn es um frauenpolitische Themen geht, wird die Piratenpartei zum Männerbund. Feministinnen und Feministen sind in der Partei heftigen Angriffen ausgesetzt.”

    • Roboter frisst frische Fische:

      “Ein weiteres Problem der robotischen Menschlichkeit ist, dass wir in die Roboter das menschliche Verhalten hineininterpretieren.”

    • Frieden:

      “Und dann ist da auch noch dieses Internet, das es so einfach macht, diesen Schmerz zu suchen und zu spüren. Indem man sich die Fotos ihrer Berliner Altbauwohnung auf Instagram anschaut und denkt: “So sollte meine Wohnung aussehen..” Indem man sich ihren Blog durchliest und denkt: “Das sollte ich machen, worüber sie da schreibt..” Indem man sich ihre Profilbilder auf Facebook anschaut, ihr Gesicht ist nicht schön, ihr Körper auch nicht, aber dennoch, alles daran schreit: “So sollte ich auf Fotos aussehen.. wirken..”“

    • Sümpfe und Salons:

      “Wer provozieren, besserwissen oder Verschwörungstheorien verbreiten möchte, hat immer die stärkere Motivation auf seiner Seite. Gerade diejenigen Nutzer, die Lesenswertes mitzuteilen hätten und dafür auch anderswo geschätzt würden, haben am wenigsten Grund…”