Schlagwort: Piratenpartei

  • Linkverbot

    Beim Lesen eines Artikels über Gabriele Paulis „Freie Union“ im Kölner Stadtanzeiger musste ich sehr an mich halten, nicht den Kaffee über den Schreibtisch zu prusten:

    In Celle kursierte auch noch eine andere Variante für den Fall, dass es nichts werden solle mit all den hochfliegenden Plänen. „Dann könnten die Piraten Pauli ins Boot holen. Die Piratenpartei ist eine Männerpartei, und die Gabi, nun Sie wissen schon. Da könnte was gehen.“

    Wie bitte? Ausgerechnet die Pauli bei uns? Sowas kann nur jemand raunen, der absolut, aber auch wirklich gar keine Ahnung von den Inhalten und Zielen der Piratenpartei hat. Um zu zeigen, dass Frau Pauli vollkomen inkompatibel ist, muss man im Parteiprogramm der Freien Union gar nicht nach konkreten Aussagen stochern wie nach Fleischfasern in der Fastensuppe. Es genügt, das Impressum auf www.gabriele-pauli.de aufzurufen. Dort verbietet sie mir und der gesamten zivilisierten Welt, ihre Website zu verlinken. Bis zur Stunde heißt es (ich traue mich ja kaum, es wörtlich zu zitieren), dass alle Inhalte Eigentum der Firma Dr. Gabriele M. Pauli (DGMP) und des Dr. Pauli-Teams International (DPTI) seien. Neben Kopieren, Vervielfältigung, Nutzung auf anderen Webseiten sei auch die Verlinkung ausdrücklich untersagt.

    Deutlicher kann niemand zeigen, wie wenig er das Internet verstanden hat – und nebenbei auch, was von der „Freiheitlichkeit“ zu halten ist, mit der die „Freie Union“ wirbt. Eigentliche wäre die ganze Chose die Aufmerksamkeit nicht wert, wenn da nicht die Frage bliebe: Darf sie das eigentlich, so ganz grundsätzlich das Verlinken zu verbieten?

    Als erster beantwortete freundlicherweise Tobias Bier, Fachanwalt in der Kanzlei Kähler Kollegen, Hamburg, meine Anfrage. Und zwar mit einem ganz klaren nein – sie kann es nicht verbieten. Als Beleg sandte er mir noch eine Zusammenschau der Rechtsprechung in dieser Frage, von der ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich sie an dieser Stelle veröffentlichen darf. (Das liebe Urheberrecht…)

    Später am Abend meldete sich dann auch noch Peter Schmitz von der c’t-Redaktion:

    Nein, das kann man nicht wirksam verbieten. Man kann ein solches „Verbot“ zwar auf eine Webseite schreiben in der Hoffnung, dass sich möglichst viele Leute davon beeindrucken lassen, aber es gibt keine rechtliche Handhabe, dies durchzusetzen.

    Das Verlinken von Web-Angeboten wird in der Rechtsprechung vom Grundsatz her als ein Wesenszug des World Wide Web angesehen, der nicht der Erlaubnis des Urhebers der verlinkten Inhalte bedarf. Es gibt jedoch Spezialfälle, in denen eine bestimmte Art von Verlinkung Rechte des Inhabers der verlinkten Seite verletzt. So ist bereits anerkannt worden, dass es eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines Web-Autors darstellen kann, wenn auf seine Inhalte von Seiten aus verlinkt wird, die rechtsextremen Zielen dienen. In einem solchen Fall kann eine Verlinkung geeignet sein, den Ruf des Autors zu beeinträchtigen. In bestimmte Urheberrechte kann auch das unerlaubte „Deep-Linking“ eingreifen, wenn dieses gezielt eine vom Autor geschaffene Struktur zur Leserführung umgeht und die betreffenden Inhalte dadurch ihres Zusammenhangs entkleidet. Wenn es gezielt dazu eingesetzt wird, um etwa Werbezugriffe abzufangen, kann es auch als unlauteres Wettbewerbshandeln aufgefasst werden. In einem ähnlichen Zusammenhang steht das umstrittene „Framing“, das zumindest dann als Wettbewerbsverletzung gelten kann, wenn sich derjenige, der fremde Inhalte so geschickt auf seiner Seite einbaut, dass sie wie eigene wirken könnten, gewissermaßen mit fremden Federn schmückt.

    Dem ist wohl nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht einen Link zur Pauli. ;)

    P.S. Ein wörtlich identischer Disclaimer steht im Impressum der Website der „Freien Union“. Interessant, dass deren Inhalte also offenbar den oben genannten Firmen der Frau Pauli gehören – und nicht der Partei selbst.

  • Überlegungen zur Europawahl (feat. Wahlempfehlung)

    So, wen wählen wir denn morgen? Auch wenn der geneigte Leser meine politischen Ansichten überhaupt nicht teilt, ist das eine oder andere Argument vielleicht hilfreich.

    Die Kandidaten

    Obwohl ich mich für politisch informiert halte und die Diskussionen auf Twitter und in der Blogsphäre verfolge, kenne ich bis auf eine Ausnahme keinen einzigen Kandidaten zur Europawahl. Nach Personen kann ich schonmal nicht wählen. Die einzige Ausnahme ist Silvana Koch-Mehrin. Eine Liberale, die kurz vor der Wahl dadurch auffällt, dass sie häufig im Parlament gefehlt hat und eine Kolumne in der „Praline“ schreibt. Nachdem sie äußerst un-liberal mit der Presse und der Blogosphäre umgegangen ist, halte ich sie jenseits der Programmatik der FDP für nicht wählbar.

    Ein Blick auf die anderen Parteien: CDU und SPD plakatieren im großen Stil zwei Köpfe: Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Beide kandidieren nicht fürs Europa-Parlament, sondern sind Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl. Die beiden größten Parteien scheinen sich zumindest auf dieser Ebene überhaupt nicht für Europa zu interessieren, sondern machen eine Vorwahl für den Herbst draus. Liebe CDU, liebe SPD, unabhängig von Eurem Programm: Warum sollte ich Euch wählen, wenn Ihr quasi versteckt, wen ich da eigentlich wähle? Positive Ausnahme ist hier die Linkspartei, die immerhin ihren Vorsitzenden ins Rennen schickt.

    Wahlaussagen (Europa)

    Programmatik und Wahlplakate sämtlicher etablierter Parteien zeichnen sich durch ein bemerkenswertes Vakuum an Aussagen aus. Alle sind einfach irgendwie „für Europa“. Keine Einzige Partei lehnt den Vertrag von Lissabon ab: Ein Verfassungsersatz, der die Un-Demkratie auf europäischer Ebene noch zu vertiefen droht. Keine Partei stellt sich europäischen Fragen. Wenn eine es doch tut, dann sind es NPD oder CSU, die gegen einen Beitritt der Türkei agitieren. Niemand redet über internationale und innereuropäische Zusammenarbeit. Beispiel: Das ganze Netz schimpft über die Pläne von Frau von der Leyen, Stopschilder gegen Kinderpornographie im Web aufzustellen, während das BKA zugibt, dass das Abschalten der Server dem Dienstweg geopfert wird, und keine einzige Partei stellt einen Weg vor, wie man hier die internationale Zusammenarbeit verbessern könnte – schließlich ist das Internet, das so viele politische Fragen aufwirft, global.

    Die CDU plakatiert aussagenfreie Heile-Welt-Romantik mit dem Slogan „Wir in Europa“. Die SPD gibt ihren Mitbewerbern Tiernamen und rückt damit in die braune Ecke. Die FDP ist „für Deutschland in Europa“. Ganz einfach macht es sich die Linke. Sie fordert nicht einfach nur den Mindestlohn sondern einen europaweiten Mindestlohn. Dumm nur, dass in den allermeisten Staaten Europas ein Mindestlohn bereits existiert. Die Grünen plakatieren „WUMS“, was für „Wirtschaft, Umwelt, menschlich und sozial“ steht. Das klingt nicht nur dämlich, sondern ist ohne weitere Erläuterung ebenfalls eine Null-Aussage.

    Programmatik und Realpolitik

    Ohne das jetzt hier in epischer Breite zu erläutern: Union und FDP sind programmatisch für mich nicht wählbar. Vielleicht sehen Sie das anders. In Erwägung ziehen kann ich die SPD, die Linkspartei und die Grünen. Ganz besonders am Herzen liegen mir momentan die Bürgerrechte und die Freiheit im Internet sowie eine soziale Politik. Da böte sich die SPD an, die auf dem Feld der Sozialpolitik ein ziemlich linkslastiges Programm aufgestellt hat. Schade nur, dass ich ihnen nach Hartz IV und den anderen neoliberalen Sünden der Schröder-Regierung ihren plötzlichen Linksruck einfach nicht abkaufe. Was wenigen bekannt ist: Keine Partei hat so oft mit Ja gestimmt wie die SPD, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten und die Beschneidung des Grundgesetzes geht. Die SPD ist in diesem Punkt objektiv tatsächlich noch schlimmer als die CDU.

    Eine bedingt wählbare Alternative ist die Linkspartei. Allerdings halte ich ihre Forderungen teilweise für irreal bis surreal. (So bin ich z.B. für einen Mindestlohn, aber nicht in der Höhe. Und Millionen neuer Arbeitsplätze kann nur versprechen, wer nicht damit rechnet, an der Realität gemessen zu werden.) Bei dem Thema „Bürgerrechte“ könnte ich die SED-Nachfolgepartei ebenfalls nur mit Bauchschmerzen wählen, auch wenn sie eine Wandlung vom Saulus zum Paulus durchgemacht haben will.

    Rein auf dem Papier klingt der „Grüne New Deal“, für den sogar die Financial Times Deutschland wirbt, spannend und durchdacht. In der Verquickung von Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sind die Grünen innovativ, während ihr übriges Programm sich weitgehend mit SPD und Linkspartei deckt. Probleme haben auch die Grünen mit Anspruch und Wirklichkeit. Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg kann man aus grüner Sicht eigentlich nur noch als Fiasko bezeichnen. Die Grünen, die neben der Ökologie programmatisch für Frieden, Bürgerrechte und Sozialpolitik einstehen, haben 1998-2005 politisch den Abbau von Bürgerrechten (z.B. Lauschangriff, Fingerabdrücke im Personalausweis, Gesundheitskarte), den Abbau von Sozialleistungen (z.B. Hartz IV) sowie den Kosovo-Krieg mitgetragen. Ich weiß keinen Grund, warum ich daher ihre Grundsatzpositionen noch ernst nehmen sollte. Das gilt übrigens ganz ähnlich auch für die FDP in Sachen Bürgerrechte.

    Die Alternative: Nicht-Wählen oder Mini-Partei?

    Wer nicht wählt, schenkt seine Stimme anteilig den etablierten Parteien. Rein rechnerisch ist jede nicht abgegebene Stimme etwa zur Hälfte eine Stimme für die CDU, weil Nicht- und Ungültigwähler nunmal völlig aus der Rechnung fallen, wenn die Stimmanteile berechnet werden. Lustige Sprüche auf dem Wahlzettel werden nicht einmal die Wahlhelfer amüsieren. Was können die schon dafür?

    Ich werde die Piraten wählen. Damit verschenke ich meine Stimme nicht an eine Spaßpartei: Das Programm der Piraten können Sie unter www.piratenpartei.de nachlesen. Selbstverständlich ist das eine Protestwahl. Ich protestiere damit gegen eine bürgerferne Politik, die Beschneidung der Grundrechte und das Ignorieren der Internet-Kultur in den etablierten Parteien. Betrachtet man das Parteiprogramm, ist mein Protest aber durchaus konstruktiv.

    Mir ist klar, dass die Piraten in Deutschland die 5%-Hürde nicht schaffen werden. Das kann aber niemals ein Argument sein, Kleinparteien zu verschmähen. Wenn immer alle Leute so denken würden, hätten die Grünen auch nie aus ihrer Nische herauskommen können. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass die Zeit reif ist für eine Partei wie die Piraten, so wie die Zeit 1979 reif für die Grünen war. Die Piraten erwachsen aus einer bürgernahen Graswurzelbewegung und sind (noch?) nicht durch irgendwelche Machtfragen korrumpiert. Sie sind (wie ich) linksliberal bürgerlich und denken ökologisch wie ökonomisch nachhaltig. Wenn alles gut geht, werden bereits diesen Sommer erleben, wie die ersten Piraten aus Schweden ins Europa-Parlament einziehen.

    P.S.: Auf die CSU gehe ich hier nicht näher ein, weil sie mich als Hamburger nun wirklich nicht zu interessieren brauchen. NPD und DVU sind in meinen Augen einfach nur Nazis. Bei den kleinen Parteien sind sicherlich interessante dabei, besonders „Die Frauen“ und „Newropeans“. Über beide Parteien weiß ich zu wenig. Ansonsten bin ich weder Rentner, noch irgendwie violett und schon gar kein bibeltreuer Christ.