„Volle Kanne – ab ins Netz“ vom 14.01.2016
Blog
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Links der Woche
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Geständnisse eines arabisch und nordafrikanisch aussehenden Menschen:“Als arabisch und nordafrikanisch aussehender Mensch war mir Feminismus schon immer ein Anliegen. Ich lerne nun, dass das nicht in meiner Kultur liegt (wie wir alle wissen, ist unsere Kultur eine direkte Funktion unserer Hautfarbe) . Geduldig wurde mir in den Kommentaren erklärt, dass ich dem “Genderwahn” verfallen sei und ich wurde als “Frauenversteher” bezeichnet. Wenn “jemanden zu verstehen” zur Charakterschwäche wird, weiss man wohl, dass man es mit einer Kultur zu tun hat, die Frauen- und Menschenrechte zu schätzen weiss.”
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als Frau in Köln:“Ich beschreibe fast nur Dinge, die mir persönlich zugestoßen (Ich-Perspektive) sind bzw. zugefügt wurden. In den wenigen Teilen, die ich nicht direkt erfahren habe, sind die Quellen für mich vertrauenswürdig genug, um die Geschichten zu übernehmen.“
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The Misleading War on GMOs: The Food Is Safe. The Rhetoric Is Dangerous.:“Anti-GMO activists decried genetic engineering as imprecise and random. They ignored the far greater randomness of mutation in nature and the far greater imprecision of traditional breeding.“
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The new wall — Copy me happy:“Today is a day of shame. Today is the day where the most beautiful things I loved about Sweden was taken away from me. The possibility of turning the other way around and going towards an open, inclusive, loving, caring society looks bleek, at best.“
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7 Real Products That Get Their Names From Dystopian Fiction:“We all use dystopian movies and books to make sense of our world. Whether it’s Brave New World, 1984, or The Hunger Games, dystopian fiction serves as a common touchpoint to talk about our fears. But what happens when companies knowingly embrace the dark side of futurism and start naming products after the things we were supposed to find scary?“
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Die Gewalt von Köln und was jetzt zu tun ist:“Es kotzt mich an, all das zu lesen, es kotzt mich an, dass die Sicherheit von uns Frauen immer und immer wieder instrumentalisiert wird. Ich hasse diese Scheinheiligkeit, mit der unser potenzielles Leid und unsere Gefährdung für die kleinen oder großen Ränkespiele irgendwelcher Idioten herhalten müssen.”
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Twitter, Tor und Sponsored Attacks
Mitte Dezember warnte Twitter einige seiner Nutzer, möglicherweise Opfer einer Hackerattacke in staatlichem Auftrag geworden zu sein. Was genau passierte, ist noch immer unklar. Die Angriffe lösten jedoch eine erneute Debatte um die Sicherheit des Anonymisierungsdienstes Tor aus, den die meisten Betroffenen nutzten.
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Senioren und neueste Technik, Apps für Reste-Rezepte und Rants mit Ninia LaGrande
ZDF „Volle Kanne – ab ins Netz!“ vom 7.1.2016
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Medienversagen?
tl;dr: Wer angesichts der Ereignisse von Köln ein „Medienversagen“ beklagt, spielt den „Lügenpresse“-Rufern in die Hand und lenkt vom eigentlichen Thema ab: sexuelle Gewalt gegen Frauen und Polizeiversagen.
Ich hatte gestern schon über die sexuellen Übergriffe in der Silvesternacht gebloggt – überwiegend mit sehr positivem Echo. Es freut mich zu lesen, dass Versuchen, die sexuellen Übergriffe für Ausländerfeindlichkeit zu instrumentalisieren, gerade entschieden widersprochen wird, insbsondere auch von Feminist_innen. Gut so. Mir ist da allerdings noch ein anderer Punkt aufgefallen:
Derzeit wird viel gefragt, warum die Berichterstattung erst so spät einsetzte. Manche mit dem „Lügenpresse“-Holzhammer, andere ein wenig subtiler, immer mit dem verschwörungstheoretischen Geraune, sobald Ausländer Straftaten begingen, werde das in den Medien unterdrückt. Und natürlich kommen alle aus der rechten Ecke.
Die Antwort steht im Kalender. Schauen wir uns mal die Abfolge der Ereignisse an: Silvester war am Donnerstag, Neujahrstag am Freitag war Feiertag. Es folgten mit Samstag und Sonntag das Wochenende. Auch Redakteure und Journalisten machen Urlaub, spannen über den Jahreswechsel ein paar Tage aus oder haben Wochenende. Wann, wenn nicht dann? Ich weiß aus eigener Anschauung, dass die Redaktionen nur spärlich besetzt sind. Zu großen Teilen wird gedruckt und gesendet, was die abwesenden Kollegen vorproduziert hatten, der Rest kommt aus Agenturmeldungen. Investigativer Journalismus findet nicht oder nur sehr eingeschränkt statt. Dass die Redaktionen keine Chance hatten, auf die Ereignisse aufmerksam zu werden, liegt auch daran, dass es eben keine entsprechenden Agenturmeldungen gab. Die Kölner Polizei hatte zunächst einen Bericht veröffentlicht, wonach Silvester in Köln friedlich verlaufen sei. Die Ereignisse auf der Domplatte wurden nur am Rande erwähnt. Wer dem als Journalist nachgehen will, muss das am Wochenende tun, wenn kaum jemand erreichbar ist.
Der Polizeibericht ist vom 1. Januar um 8.57 Uhr. Ich kann mir deutlich vorstellen, dass dem Beamten, der ihn verfasst hat, selber der Überblick fehlte. Wenn, dann ist hier vor allem von Polizeiversagen zu sprechen. Wie konnte es dazu kommen, dass es allerlei Augenzeugenberichte gab, die mitteilten, die Polizei habe nicht eingeschritten bzw. sei nicht hilfreich gewesen? Waren die Einsatzkräfte mit der chaotischen Situation der Silvesternacht schlicht überfordert? Und ist es nicht völlig normal, dass es ein bis zwei Tage dauert, bis sich diese Augenzeugenberichte zu einer Nachricht verdichten, während eine offizielle Quelle fehlt?
Jedenfalls: Am Wochenende gab es die ersten Berichte von Lokalmedien und am 4.1. – Montag und erster Werktag – nahm die Berichterstattung volle Fahrt auf und überschlägt sich seitdem: Google News listet eine vierstellige Anzahl von Artikeln. Zu behaupten, die Medien würden nicht berichten, ist absurd. Der Ablauf zeigt: Verschwörungstheorien sind Unsinn. Vermutlich können sich Menschen, die das Internert gewöhnt sind, wo Meldungen im Sekundentakt hereinkommen, nicht mehr vorstellen, dass Journalisten eben auch mindestens Stunden und manchmal Tage brauchen, um zu reagieren und zu recherchieren – und zwar nachdem ihnen selbst eine Sache bekannt geworden ist.
Dass am Wochenende kaum berichtet wurde, liegt an einer Verkettung von Umständen, die sich vielleicht Medienversagen nennen lässt. Wer das tut, sollte sich dann aber fragen, ob er oder sie nicht in Zukunft auf Urlaub und Feiertage – insbesondere an Silvester – verzichten möchte. Wenn versucht wird, hier Manipulation zu unterstellen, dann ist das ein Nebenkriegsschauplatz, der ein pegidiotisches Weltbild abrunden soll.
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Köln
tl;dr: Wer bei sexueller Gewalt lieber über Ausländer als über sexuelle Gewalt klagt, dem sind die Opfer halt egal.
In Köln kam es in der Silvesternacht zu Ausschreitungen. Offenbar hat eine Bande Krimineller einen besonders ekelhaften „Trick“ verwendet, um zu stehlen: Sie fingen an, Frauen zu belästigen und das als Ablenkung für Diebstähle zu verwenden. Es kam zu 90 Anzeigen, davon 15 Anzeigen wegen sexueller Belästigung und einer wegen Vergewaltigung. Die Täter werden als Nordafrikaner beschrieben, die „Masche“ ist auch aus anderen Städten bekannt, es gibt Hinweise auf organisierte Kriminalität.
Seitdem dreht der Mob (nicht nur) im Internet wieder frei.
Es wird von 1000 „Invasoren“ schwadroniert. Sofort werden sie als Flüchtlinge bezeichnet, obwohl die Polizei darauf hinweist, dass es sich nicht um Flüchtlinge handelt. Aus dem Thema Kriminalität wird schwupsdiwups das Thema Ausländer. Volkspfosten entdecken ihr Herz für Frauenrechte und werfen sich in die Brust, um die weiße Frau vor den Übergriffen farbiger Menschen zu schützen.
Die Reaktionen im Netz zeigen einmal mehr puren Rassismus. Auch wenn diese Taten schamlos und in aller Öffentlichkeit begangen wurden, was sicherlich eine neue Dimension ist, finden die meisten sexuellen Übergriffe immer noch im Freundes- und Familienkreis statt. Auf dem Münchner Oktoberfest kommt es im Schnitt einmal täglich zu einer Vergewaltigung. Öffentliche Empörung? Quatsch, das wird weggelacht.
Das Thema ist Kriminalität und Gewalt gegen Frauen. Das Ziel muss sein, solche Gewalt künftig zu verhindern. Wer glaubt, das ließe sich verhindern, indem keine Nicht-Deutschen mehr ins Land gelassen werden, glaubt im Umkehrschluss, der edle weiße Mann sei grundsätzlich weder kriminell noch sexuell übergriffig. Und wer daraus eine Geschichte von „ausländischen Invasoren“ dreht, interessiert sich kein Stück für Frauen, sondern geilt sich nur daran auf, mal wieder ein Thema gefunden zu haben, mit dem sich gegen Ausländer hetzen lässt.
Als sei das alles noch nicht traurig genug, kommt noch die „Lügenpresse“-Fraktion um die Ecke und beklagt, die Medien würden nicht darüber berichten – garniert mit Links zu Medienberichten.
Und natürlich pflegen all diese neuen Verteidiger der Frauenrechte trotzdem weiterhin ihren Hass auf Feminismus – weil die Netzfeministen sich angeblich zu sehr zurückhalten würden. Dass es Frauen egal sein könnte, welche Hautfarbe eine Person hat, von der sie vergewaltigt oder bedroht werden, scheint den Volkspfosten nicht in den Sinn zu kommen.
Das ist alles auf so vielen Ebenen so kaputt. 2016, warum musst du so scheiße anfangen? Da danke ich Antje Schrupp für klare Worte.
Update: Mitterlweile gab es in Köln ein Krisentreffen von Polizei, Stadtvorderen und Verantwortlichen. Ergebnis: Die Frauen in Köln waren wohl selber schuld, dass ihnen sowas passiert ist, schließlich sollten sie zu Fremden „eine Armlänge Distanz“ wahren. Ich komme aus dem Kopfschütteln nicht mehr heraus…
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Links der Woche
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Why you should always buy the men’s version of almost anything:
”The scooters’ price gap isn’t an anomaly. The New York City Department of Consumer Affairs compared nearly 800 products with female and male versions — meaning they were practically identical except for the gender-specific packaging — and uncovered a persistent surcharge for one of the sexes. Controlling for quality, items marketed to girls and women cost an average 7 percent more than similar products aimed at boys and men.“
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Das sind die wahren Chemtrails:
“Aluminium, Barium und Strontium, diese Stoffe lassen sich viel viel unauffälliger in die Atmosphäre bringen, als mit Flugzeugen. Und das perfideste daran ist, die ganzen Ungläubigen pusten das Zeug selbst in die Umwelt. Wirklich wahr! Die Recherchen von Psiram haben genau das ergeben. Einmal im Jahr, wenn ganz besonders viele verdächtige Streifen am Himmel zu sehen sind, steigt die Feinstaubbelastung mit folgenden Stoffen massiv an.”
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The end of capitalism has begun:
“In the “Fragment” Marx imagines an economy in which the main role of machines is to produce, and the main role of people is to supervise them. He was clear that, in such an economy, the main productive force would be information. The productive power of such machines as the automated cotton-spinning machine, the telegraph and the steam locomotive did not depend on the amount of labour it took to produce them but on the state of social knowledge. Organisation and knowledge, in other words, made a bigger contribution to productive power than the work of making and running the machines.“
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Enno Park: Die Mensch-Maschine
brand eins: Herr Park, Ihr Körper ist technisch verbessert, Sie bezeichnen sich als Cyborg. Welche Versionsnummer tragen Sie?
Enno Park: Ich würde sagen Enno 1.01.
Interview weiterleisen in der „brand eins“ 01/2016
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Feuerwerk fotografieren, Silvester-Apps, Jahreswechsel online
ZDF „Volle Kanne – ab ins Netz!“ vom 30.12.2015
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Kommt alle zu Pocket!
tl;dr: Pocket könnte mich (und euch) glücklich machen.
Ich bin so ein hoffnungslos gestriger Mensch, der sich nicht einfach darauf verlassen mag, was Twitter reinspült, während ich zufällig gerade gucke, oder was der Facebook-Algorithmus so vorkaut. Deshalb benutze ich einen RSS-Reader, in dem ich die für mich relevanten Nachrichtenquellen abonniert habe. Vor ungefähr 5 Jahren gab es eine Zeit, in der ich quasi glücklich war. Meine Feeds hatte ich über den Google Reader abonniert und der hatte ein ganz großartiges Feature: Ich konnte Link-Empfehlungen anderer Menschen abonnieren und selber Links Leuten empfehlen, die mich abonniert hatten. Dazu musste ich nur auf ein Sternchen am Artikel klicken. Daraus bildete sich lose Netzwerke von Leuten, die sich gegenseitig höchst interessante Links zuschoben, die nicht in Echtzeit gelesen werden mussten sondern immer dann, wenn man gerade Lust und Zeit hatte.
Der Google Reader verschwand und wurde bei mir durch Feedly ersetzt, aber eine vergleichbare Linkschleuder vermisse ich seitdem schmerzlich. Und die hat sich neulich Pocket in die Apps für iOS, Android und zuletzt auch in den Webclient eingebaut. Pocket war für mich längere Zeit uninteressant, weil „Read it later“ in meinem Falle regelmäßig „Read it never“ bedeutete – bis ich anfing, es für den redaktionellen Alltag und meine Arbeit zu nutzen. Aber richtig viel Spaß macht, dass Pocket-Nutzer sich seit einiger Zeit gegenseitig „folgen“ und ausgewählte Artikel ihren Followern empfehlen können. Das machen in meinem Umkreis bisher nur sehr wenige und trotzdem liebe ich die „Empfehlungen“-Spalte meiner Pocket-App jetzt schon sehr. Sie enthält die Empehlungen der ersten Netzbekanntschaften, die ich dort finden konnte, den auf Pocket meist gelesenen Artikeln und wenn gerade wenig los ist, noch einem algorithmisch zusammengestellten Bodensatz aus Dingen, die mich interessieren könnten. Das ist mir in den letzten Wochen quasi Tageszeitung geworden. Insbesondere in einer Zeit, in der das freie Web langsam zu Gunsten großer Plattformen stirbt, bildet Pocket eine Plattform, die das freie Web eher stützt und den guten alten Link hochhält. Über Pocket entdecke ich in Tagen Artikel und ganze Blogs wie sonst auf Twitter und Facebook in Monaten nicht.
Deshalb meine Bitte: Kommt rüber zu Pocket. Empfiehlt dort, lass euch empfehlen, abonniert mich, ich abonniere euch. Mein Profil findet ihr hier. Schnittstelle zum Verbreiten auf Twitter und Facebook sind genauso eingebaut wie die Möglichkeit, ausgewählte Links statt der Allgemeinheit nur bestimmten Leuten zukommen zu lassen. Und welche eurer Bekannten schon auf Pocket sind, die ihr abonnieren könntet, findet ihr heraus, indem ihr Pocket eure Facebook-Friendings und Twitter-Followings durchsuchen lasst. Und natürlich lässt sich Pocket wunderbar mit Feedly und anderen Diensten kombinieren.
P.S.: Ich habe nichts mit Pocket zu tun und bekomme kein Geld für diesen Blogpost. Ich bin nur das erste mal seit gefühlt 2011 oder so von einem Feature in einem Social Dingsi begeistert.
P.P.S.: Ein weiterer spannender Aggregator ist übrigens Nuzzel, der zusammenfasst, welche Links eure Twitter-Followees am letzten Tag so verbreitet haben. Max Buddenbohm erklärt, wie’s geht.