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  • Böhmi überm Hai

    tl;dr: Böhmermann kennt nicht den Unterschied zwischen „Der Kaiser ist nackt“ und „Der Kaiser fickt Ziegen.“

    scheisse

    Gestern wurde ein neuer Song von Böhmermann abgefeiert: „Be Deutsch“. Ich mag den Song nicht. Warum, das haben andere schon besser erklärt.

    Bis Böhmermann den Song in der Sendung bringt, nimmt er er allerdings gehörig Anlauf: Vor Türkei-Fahne und Erdogan-Bild verliest er ein Gedicht mit der Überschrift „Schmähkritik“. Darin fallen Wörter wie „…stinkt nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner“, „Ziegen ficken“, „Fellatio mit Schafen“, „guckt Kinderpornos“ usw. Das ganze wird dargeboten mit einem Grundschul-Niveau-Kniff der Sorte „Guck mal, das ist verboten, genau das darfst du nicht.“

    Sorry, das ist ekelhaft. Ekelhaft, „Ziegenficker“ über einen Türken hören zu müssen, den man für andere furchtbare Dinge beschimpfen müsste, die er getan hat. Ekelhaft zuzusehen, mit welcher Lust rassistische Witze gerissen werden. Ekelhaft zuzusehen, wie das „Ich bin doch kein Rassist!“-Menschen tun. Und besonders ekelhaft ist diese Freude am Tabubruch. Einen Türken im TV „Ziegenficker“ nennen können und hinterher drüber lachen, hat Böhmermann wunderbar hinbekommen. Natürlich kommt auch das Argument, Satire dürfe halt alles. Böhmermann scheint aber den Unterschied zwischen „Der Kaiser ist nackt“ und „Der Kaiser fickt Ziegen“ nicht zu kennen. Er benimmt sich selbst wie ein Facebook-Troll, der etwas ekeliges in den Kommentaren ablädt und hinterher „war doch nur schwarzer Humor“ feixt.

    Das wäre jetzt nur der Rede wert, weil gerade allzu viele Menschen um mich herum sich köstlich über dieses Böhmermann-Stück amüsieren, was ich mit leichter Verzweifelung beobachte. Aber das ist noch nicht alles: Völlig zu recht hat das ZDF den Beitrag aus der Mediathek genommen. Wahrscheinlich wird das Gedicht jetzt mit voller Wucht streisanden. Wir können uns also schonmal Popcorn holen für die nächste Zensurdebatte inkl. „Lügenpresse“ und „die sind doch von oben gelenkt“. Wasser auf die Mühlen der Volkspfosten und Pegidioten, die Böhmermann selber doch angeblich so doof findet.

    Als wäre das nicht genug, ist die Nummer noch auf einer weiteren Ebene scheiße. Wir erinnern uns: Extra 3 hat den (völlig okayen, weil echte Missstände anprangernden) Satire-Song „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ veröffentlicht, woraufhin Erdogan den deutschen Botschafter einbestellt hat und international dafür beschimpft und ausgelacht worden ist. Was viele dabei übersehen: Das war türkische Innenpolitik per Außenamt. Das macht Erdogan, um den Türken und vor allem seinen eigenen Anhängern zu zeigen, wie schlecht das Ausland über ihn (und damit auch über die Türken) redet und wie autoritär er damit umgeht. Und in dieser Stimmung kloppt Böhmermann ein neues Video oben drauf mit „Ziegenficker“ drin und noch ein paar netten Vokabeln mehr. Und türkischen Untertiteln. In der Türkei wird das Erdogan nochmal Sympathien bringen und anti-westliche Ressentiments steigern, wenn es sich dort verbreitet. Und das wird es mit Sicherheit, so wie vermeintlich „zensierte“ Videos halt streisanden.

    Prima, Böhmi, haste fein gemacht.

  • Aprilscherze

    tl;dr: Alles frei erfunden.

    elvis

    Ich habe mir heute den Spaß gemacht, eine Reihe von April-Scherzen auf Twitter zu sammeln. Da nichts davon annähernd realistisch oder glaubhaft ist, dürfte ich niemanden damit verunsichert haben.

    https://twitter.com/ennomane/status/715841673071300608

    https://twitter.com/ennomane/status/715841812053757953

    https://twitter.com/ennomane/status/715844494684512257

    https://twitter.com/ennomane/status/715847881056456704

    https://twitter.com/ennomane/status/715852583945052162

    https://twitter.com/ennomane/status/715861508937351168

    https://twitter.com/ennomane/status/715868312136237056

    https://twitter.com/ennomane/status/715904933413974018

    https://twitter.com/ennomane/status/715918982012878848

    https://twitter.com/ennomane/status/715929040515940352

    https://twitter.com/ennomane/status/715936589780803585

     

  • Links der Woche

    • The problem with a technology revolution designed primarily for men:

      “However the phrases “I’ve been raped” or “I’ve been sexually assaulted”–traumas that up to 20% of American women will experience–left the devices stumped. Siri, Google Now, and S Voice responded with: “I don’t know what that is.””

    • Apple and the FBI Are Missing the Point of Their Own Dispute. A Philosopher Explains Why.:

      “The reason this analogy is illuminating is that it isn’t fanciful. Our electronic devices—or at least many of the processes that occur within them—are literally parts of our minds. And our consideration of Apple’s and the FBI’s arguments ought to flow from that fact.“

    • Lose Gedanken in den Zeiten des Terrorismus:

      ”Twitter-Disziplin: Und Facebook. Snapchat. Instagram. Jeder von uns ist eine kleine Content-Fabrik geworden. Das Bedürfnis andere zu informieren ist völlig verständlich, aber gerade an diesen Tagen gilt es, sich zwei Mal zu fragen: Ist die Meldung, die ich da gerade verbreite, einer glaubwürdigen Quelle entsprungen? Hat es einen Mehrwert, wenn ich multipliziere oder multipliziere ich nur die Unsicherheit? An wen richte ich mich überhaupt? Spiele ich den Tätern möglicherweise sogar gerade in die Hände? Ist das Bildmaterial tatsächlich tagesaktuell? Das muss nicht “Twitter aus” bedeuten, aber wir alle müssen uns hier zunehmend eingestehen, dass mediale Verantwortung nicht mehr ausschließlich bei den klassischen Medien liegt.“

    • Die Ausbeutung des Spieltriebs:

      “Gamification heißt der Ansatz, dem Ernst des Lebens eine spielerische Seite abzugewinnen. Pädagogik oder Betriebsabläufe in Computer­spiele zu verpacken, soll die Motivation steigern. Sobald es ernst wird, will sich die Lust am Spiel aber nicht so recht einstellen.“

    • Tesla Model S sales surpass BMW and Audi in Europe:

      “In Europe, and pretty much across the globe, the three most popular luxury cars have always been the BMW 7 Series, Mercedes-Benz S Class and the Audi A8, with the big Benz usually being the sales leader. Well, this past nine months of 2015 have changed quite a bit. So far in 2015, the Tesla Model S has sold significantly more than the BMW 7 Series and the Audi A8 and is right on the tails of the ever-so popular Mercedes S Class.“

  • Die Ausbeutung des Spieltriebs

    Gamification heißt der Ansatz, dem Ernst des Lebens eine spielerische Seite abzugewinnen. Pädagogik oder Betriebsabläufe in Computer­spiele zu verpacken, soll die Motivation steigern. Sobald es ernst wird, will sich die Lust am Spiel aber nicht so recht einstellen.

    Weiterlesen in der Jungle World…

  • Links der Woche

    • Matt Hartzell’s China Blog: Maps: These Mashups Showing True Geographic Scale Will Astonish You:

      “I’ve just discovered a jolly website called MapFrappe. It lets you outline any geographic entity on the map, and then move it to another part of the world to see how it compares against other geographic entities, at the same scale.” 

    • Kein Sex ist auch keine Lösung. Oder: Mein langer Weg in fremde Betten:

      “Über die Ursachen dafür, dass ich als potentielles Liebesobjekt offenbar einfach nicht vorgesehen war, hab ich mir Jahrzehnte lang den Kopf zermartert. Ein paar Sachen waren ja offensichtlich. Leute wollen einen Partner oder eine Partnerin in derselben Körpergröße. Das kann man zumindest in jeder Frauenzeitschrift nachlesen. Wenn das als Daumenregel stimmte, fehlten mir dazu leider in der Regel so um die 80 cm.“

    • Dangerous Things Partner With Fidesmo to Launch Implantable Cryptography Key:

      “The UKI supports javacards meaning with just a tap of your phone you can load the implant with the ability to generate One Time Passwords, Universal Second Factor using Yubico’s OATH applet, a PGP encryption key to encrypt/decrypt files, emails and text, and even pay with bitcoins.“

    • Das Opfer des Helfens:

      „Wer andere als Gutmenschen beschimpft, fühlt sich vom Anstand an sich bedroht.“

    • My Year as a Pro-Russia Troll Magnet: International Shaming Campaign and an SMS from Dead Father:

      “My private life, family affairs and non-existent political background have been under scrutiny. Secret profiles tried and still try to tie me to phony, time consuming and tiring Twitter conversations. During the last year I have been accused of destroying the freedom of speech probably hundreds of times.”

    • Aus Klettverschluss eine Schleife binden:

      “In diesem Keller habe ich Dart-Spielen gelernt. Ich war Zivildienstleistender, kam von einem kleinen Kaff am Fuße der Alpen und weil mein Träger keine passende Wohnung für mich fand, quartierte er mich für einige Monate dort im vierten Stock ein. Es war ein totaler Clash: vom beschaulichen Allgäu an den größten Seehafen Deutschlands.“

  • Warum die AFD schlimmer ist als die NPD

    tl;dr: Ich habe die Programme von NPD und AFD nachgelesen und verglichen. Die AFD steht noch weiter rechts als die NPD. Das ist kein Witz.

    softeis

    Es gibt bereits eine Reihe von Vergleichen zwischen der AFD und der gerade wieder von einem Parteiverbot bedrohten NPD – zum Beispiel dieses nette, wenn auch etwas ältere Klickspiel der Jungen Piraten. Während es leicht ist, im typischen NPD-Anhänger den tumben Nazi zu sehen, geräte man in Konfrontation mit einem AFD-Anhänger leicht in die Bedrouille. Die geben sich nämlich gerne betont bieder und harmlos und zeigen sich geradezu beleidigt, wenn man sie als rechtsradikal bezeichnet.

    Deshalb an dieser Stelle eine stichprobenartige Gegenüberstellung von NPD- und AFD-Positionen. Sie stammen von der Webseite der NPD, die ich hier nicht verlinken möchte, sowie aus dem Programmentwurf der AFD, der kürzlich von correctiv.org geleaked wurde. Alle Angaben, die ich hier mache, können also jederzeit im Web nachgelesen werden.

    In der Bildungspolitik wendet sich die NPD gegen „flächendeckende Umsetzung von Inklusionsprogrammen“ und „bekennt sich zum Leistungsprinzip und zur Förderung von Leistungsträgern.“ Die AFD befürwortet „uneingeschränkt das Leistungsprinzip“ und findet: „Die ideologisch motivierte Inklusion „um jeden Preis“ verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in
    ihrem Lernerfolg.“ Unter der Ägide beider Parteien hätte ich also aufgrund meiner Behinderung mein Abitur nicht an einem Regelgymnasium machen können. Weitere Passagen im AFD-Entwurf legen darüber hinaus nahe, mich entgegen meiner Berufwünsche mit einer handwerklichen Ausbildung zu bescheiden.

    Allerdings geht die AFD noch weiter als die NPD und behauptet: „Die Propagierung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das „Gender Mainstreaming“. Während die NPD sich gegen „die Einführung des obligaten Englischunterrichts bereits in der Grundschule“ wendet, fordert die AFD: „Deutsch soll als Lehrsprache erhalten werden.“ Ein feiner Unterschied findet sich dann doch. Die NPD findet „Studiengebühren für das Erststudium (…) sozial ungerecht“ und möchte Studienplätze für Biodeutsche reservieren, während sich im AFD-Programm nichts über die Ablehnung von Studiengebühren findet. Verschiedene Untergliederungen der Partei haben diesbezüglich widersprüchliches gefordert.

    Die Bildungspolitik ist ein prototypisches Schlachtfeld für die Denke beider Parteien und ganz ähnlich sieht es in der Familienpolitik aus. Die NPD schreibt: „Die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist zugleich die einzige Familienform, die Förderung und besonderen staatlichen Schutz verdient, denn nur in ihr können Kinder geboren werden.“ Das deckt sich mit dem Passus bei der AFD: „Die Familie aus Vater, Mutter und Kind als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden.“ Der zunehmende Anteil Alleinerziehender ist nicht nur Ausdruck zunehmender gesellschaftlicher Verwerfungen (…) und partnerschaftlicher Beliebigkeiten, sondern auch Ausdruck von Bindungsunfähigkeit infolge eigener unsicherer Bindungen im Kindesalter.“ Sie möchte deshalb die klassische Familie stärker fördern. Die AFD ist hier ein Stück radikaler und lehnt „eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells „Alleinerziehend“ (…) ab“.

    Wo immer man im Programm beider Parteien nachliest, finden sich ähnliche Parallelen. In der Geldpolitik fordert die NPD eine Volksabstimmung über den Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark. Exakt dasselbe fordert die AFD. Während die NPD die „Macht der Banken brechen“ möchte, fordert die AFD aber eine – heute bereits existierende – Einlagensicherung. Gesundheitspolitisch sieht die NPD in der Krankenversorgung ein Grundrecht, das sie freilich nur Biodeutschen gewähren will. Im Programmentwurf der AFD fehlt ein Passus zur Gesundheitspolitik, allerdings wird mehrfach erwähnt, dass Zuwanderung unsere Gesundheitssysteme angeblich überlasten würden.

    Das Militär soll nach Wunsch der NPD „den Schutz deutschen Territoriums und die Rückerlangung der nationalen Verteidigungsfähigkeit vor Augen haben.“ „Internationale Verflechtungen“ werden abgelehnt, was nach einem verklausulierten „raus aus der NATO“ klingt. Da sollten sich NPD und AFD ebenfalls schnell einig werden, fordert doch die AFD eine Erhöhung des Wehretats und die Wiedereinführung der Wehrpflicht (einschließlich einem Dienst für Frauen), da sie die Bundeswehr als „Eckpfeiler deutscher Souveränität“ sieht und – ganz wie die NPD – „internationale Verflechtungen“ ablehnt.

    Ich verzichte auf weitere Stichproben im Programm. Das Muster setzt sich durch alle Politikbereiche fort und gipfelt im Begriff der Identität. Bei der NPD ist das überschrieben mit „Überfremdung stoppen“. Der NPD geht es um „Überleben und Fortbestand des deutschen Volkes in seinem angestammten mitteleuropäischen Lebensraum.“ Sie schwadroniert über die „hohe Geburtenrate vor allem außereuropäischer Bevölkerungsgruppen“ (AFD-Reproduktionsstratege Höcke lässt schön grüßen) und sieht „das sichtbarste Zeichen der ungebremsten Überfremdung“ in der „expansive Ausbreitung des Islam“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Islam“ gleich 42 mal vor. Die formuliert nur etwas subtiler, dass der Islam „im Spannungsverhältnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung“ stehe.  Das braune Wort von der „Überfremdung“ ersetzt die AFD durch „Leitkultur“, die sie durch Masseneinwanderung bedroht sieht. Das ganze steht unter der Überschrift „Demographieproblem“ in einem Passus, in dem die AFD genau wie die NPD die höhere Geburtenrate von Einwanderern beklagt. Beide sind also rassistisch, versuchen aber, diesen Rassismus durch Verwendung von Begriffen wie „Kultur“ und „Identität“ zu verschleiern.

    Was die AFD besonders gefährlich macht, ist die Vermeidung bestimmter brauner Signalwörter wie „Überfremdung“ und insgesamt wesentlich subtilere und oft auch schwammigere Formulierungen. Die AFD tarnt sich hinter einer bieder-bürgerlichen Fassade, die freilich schnell aufbricht, wenn Björn Höcke über „Reproduktionsstrategien von Afrikanern“ referiert oder Schießbefehl-Trixi zurückrudert, dass es doch nicht OK gehe, an den EU-Grenzen auf Kinder zu schießen, sondern halt nur auf deren Eltern.

    Sind AFD und NPD also weitgehend dasselbe? Nicht ganz. In einigen entscheidenden Punkten gibt es fundamentale Unterschiede, nämlich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wirtschaftspolitisch ist die NPD sehr schmal aufgestellt: Sie ist gegen Globalisierung und fordert eine im Programm nicht allzu genau definierte „raumorientierte Volkswirtschaft“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Wirtschaft“ gleich 132 mal in etlichen Bezügen vor. Universitäten sollen der Wirtschaft dienen, Einwanderer würden die Wirtschaft überfordern, intakte Familien sind eine Basis für die Wirtschaft usw. Das Programm changiert zwischen sozialer Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard und Forderungen nach mehr freiem Markt und Subventionsabbau.

    Die NPD fordert eine Mindestrente, angemessene Löhne, und eine gerechte Steuerpolitik. Sie findet das Alg2 unsozial und klingt ansonsten sehr wie die Linkspartei mit der klitzekleinen Einschränkung, dass all die sozialen Hilfen eben keinen Ausländern zugute kommen sollen. Die AFD hingegen fordert eine Flat Tax und faktisch die Abschaffung der flächendeckenden Arbeitslosenversicherung. Das Alg2 soll mit zunehmendem eigenen Einkommen sinken, was exakt der momentanen Regelung entspricht. Während in ihren neuen Programmentwurf die Beibehaltung des Mindestlohnes reingeschrieben wurde, lehnt die AFD den Mindestlohn in ihrem Europa-Programm von 2014 ab. Anders als die NPD möchte die AFD eine Einwanderungsregelung nach Qualifikation und verlangt von der Bundesagentur für Arbeit Transparenz, wieviele Migranten Alg2 erhalten – ohne näher zu sagen, wieviel sie dann diesen Migranten gerne kürzen würde.

    Der wesentliche Unterschied zwischen den Parteien ist also nicht, dass die AFD nennenswert weniger rechtsradikal wäre, sondern lässt sich so auf einen Nenner bringen: Während die NPD ihren Sozialdarwinismus weitgehend nur an Migranten und Behinderten auslässt, wendet sich das AFD-Programm gegen alle Menschen, die im Kapitalismus nicht mithalten können. Die AFD will systematisch die ohnehin Starken fördern. Sie kombiniert autoritäre und rassistische Ideen, die direkt aus der NPD stammen könnten, mit wirtschafts- und sozialpolitischem Neoliberalismus und kann somit als eine Art Turbo-NPD betrachtet werden. Anders gesagt: Im klassischen Parteiensystem steht die AFD noch weiter rechts als die NPD. Selbst wenn die AFD wegen der geforderten nach Qualifikation regulierten Einwanderung etwas weniger rassistisch und kulturchauvinistisch wirkt, könnte man der NPD noch irgendwie zugute halten, das Wohlergehen „des kleinen Mannes“ im Blick zu haben, solange es halt ein biodeutscher kleiner Mann ist.

    Diese Mischung aus neoliberalen bis libertären Ideen einerseits und autoritären Vorstellungen andererseits wirkt nur so lange seltsam, bis man sich klar macht, dass die AFD diese autoritären Vorstellungen sehr stringent nutzen möchte, um ihre libertären Ideen gegen sozial niedriger stehende umso rücksichtsloser durchzusetzen. Das ist der rote Faden in ihrem Programm. Nur scheinbar erwecken Widersprüche im AFD-Programm den Eindruck, sie wisse selber nicht so genau, was sie will. So schreibt sie beispielsweise: „Die Freiheit von Forschung und Lehre sind unabdingbare Grundvoraussetzungen für wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb müssen die Hochschulen über Art und Umfang ihres Studienangebotes frei entscheiden können.“ nur um wenige Sätze später das Gegenteil zu fordern, nämlich: „Die Gender-Ideologie erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. (…) Sie darf deshalb nicht weiter gefördert werden, und ist abzuschaffen.“

    Die AFD kommt also immer doppelbödig daher, behauptet zunächst etwas konsensfähiges, nur um es später wieder einzuschränken oder in sein Gegenteil zu verkehren. Genau diese Doppelbödigkeit erlaubt der AFD ihr scheinbar bürgerliches Auftreten, das sie so gefährlich macht. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass etlichen AFD-Wählern wirklich nicht klar ist, wen sie da eigentlich gewählt haben. Was es nicht besser macht. Im Gegenteil.

  • Links der Woche

    • Wie eine schlecht programmierte Web-Seite im Jahr 2008 eine Fluggesellschaft fast in die Pleite stürzte:

      “Die automatische Textgenerierung greift auf diese neuen Börsendaten zu und erstellt Berichte, die auf automatisch zusammengestellten Nachrichtenseiten erscheinen, die wiederum von Analyse-Software ausgewertet werden, um automatisch Kaufentscheidungen in Quant-Fonds zu treffen. Manche Texte, die in diesem Kreislauf vorkommen, werden somit ausschließlich von Computern geschrieben und gelesen.“

    • vom Luxus über #armeLeuteessen zu fantasieren:

      “Da ist das “einen Tag im Rollstuhl”-Experiment, von Menschen, die keinen Rollstuhl benötigen, um sich selbstbestimmt von A nach B zu bewegen, genauso unangebracht, wie der “eine Woche obdachlos”-Selbsterfahrungstrip von Menschen, die ein Obdach haben.
      Es ist unangebracht, weil die sinnhaftere Variante ein “Ich höre den konkret betroffenen Menschen zu, die mir etwas über ihre Lebensrealität erzählen”-Experiment wäre, das bis heute noch viel zu wenig Medienmachende wagen.“

    • Was künstliche Intelligenz von menschlicher unterscheidet • Konrad Lischka:

      “Der grundlegende Unterschied zwischen KI und Menschen ist: Menschen formulieren Ziele und verfolgen Absichten, Software kann das heute nicht. Allerdings können Menschen nicht erkennen, hinter welchen Phänomenen eine Instanz mit Zielen und Absichten steht und hinter welchen nicht. Es ist also alles doch etwas komplizierter.“

    • Ich hab nichts gegen weibliche Brüste: Ein Plädoyer für eine erotische Männerquote in der Alltagserotik.:

      “Ich hab ehrlich gesagt nichts gegen nackte Frauen in der Bildzeitung oder anderen Boulevardmedien. Ich habe aber etwas gegen die Abwesenheit von nackten Männern und die Abwesenheit von körperlicher Vielfalt und dem teilweise Fehlen eines Geben und Nehmen des erotischen Blicks in der (heterosexuellen) Alltagserotik.“