Die „Volle Kanne Netzschau“ vom 23.03.2017
Ohne IP-Adressen geht es nicht. Wann immer wir eine E-Mail verschicken, eine Website aufrufen oder einen anderen Internetdienst nutzen, erlauben diese kryptischen Zahlenreihen erst die Kommunikation im Netz. Wenn Websites und andere Anbieter automatisch Protokolle darüber führen, was auf ihren Servern so passiert, werden regelmäßig auch diese IP-Adressen gespeichert. Das stört Patrick Breyer. Der Politiker, der voraussichtlich noch bis Mai für die Piratenpartei im Landtag von Schleswig-Holstein sitzt, möchte Websites das Speichern der IP-Adresse grundsätzlich verbieten. Deshalb verklagte er die Bundesrepublik Deutschland, die auf ihren Websites die IP-Adressen der Nutzer speichert. Sollte er Erfolg haben, wäre es ein Präzedenzfall. Der Urteilsspruch würde auch für alle Website-Betreiber in Deutschland gelten.
Breyer argumentiert, der Besuch von Websites im Internet zum Teil intimste Rückschlüsse auf das Privatleben der Nutzer zulasse. Schließlich enthalte das Internet neben Katzenbildern auch Informationen über Krankheiten, Stellenangebote oder Anleitungen zum Bombenbau. Wer solche Websites liest, mache sich verdächtig oder erpressbar, egal aus welchen Gründen er eine entsprechende Website besucht hat. Zwar weiß ein Anbieter nicht, welche Person sich hinter einer IP-Adresse verbirgt, aber das weiß der Internetprovider, der die Adressen regelmäßig neu zuteilt.
Die Provider wiederum müssen diese Daten ab dem 1. Juli 2017 zehn Wochen lang speichern und herausgeben, wenn ein Staatsanwalt wegen einer schweren Straftat ermittelt und ein Gericht das anordnet. Es gibt aber auch andere Wege, die Person hinter einer IP-Adresse ausfindig zu machen, beispielsweise mittels einer Klage wegen eines Urheberrechtsverstoßes. Die strafrechtlichen Verfahren werden zwar regelmäßig wieder eingestellt, allerdings wird zu Verfahrensbeginn grundsätzlich anhand der IP-Adresse ermittelt, wer überhaupt verklagt wird. Die klagenden Anwälte gelangen so an die zugehörigen Namen und Adressen, an die sie anschließend zivilrechtliche Abmahnungen und Klagedrohungen verschicken. Das ließe sich verhindern, wenn Websites und Internetdienste die IP-Adressen ihrer Nutzer gar nicht erst speichern dürften. Ein solches Verbot würde das Internet anonymer machen.
Es gibt aber durchaus viele Menschen, die das für keine gute Idee halten.
“Ich bin Technikphilosophin und vertrete die Überzeugung, dass Technik wesentlich zum menschlichen Dasein gehört – genau in derselben fundamentalen Weise, in der auf organischer Ebene der menschliche Körper und die Bedingtheiten, unter denen die Menschen auf dem Planeten Erde leben (wie Sterblichkeit, Sauerstoff- und Nahrungsbedarf usw.), Teil ihrer Natur sind. Menschen sind durch und durch technische Wesen – eine Vorstellung, der ein weiter Technikbegriff zugrunde liegt. Nicht nur Technologien wie das Smartphone oder das Notebook fallen darunter, sondern auch Techniken wie das Singen, Tanzen, Lehren, Backen, aber auch Essen, Sprechen und Gehen.”
“Das erste Mal ist er mir 2001 begegnet. Ich arbeite in einem Unternehmen, das viele MitarbeiterInnen hat, die aus Ost-Berlin kommen. Mir wird eine Rose überreicht und die Hand geschüttelt. Crazy. 2001 finde ich es süß einfach so eine Rose zu bekommen. Wie aufmerksam!
Fünfzehn Jahre später: aus einem mir unbekannten Gedenktag ist der Frauenkampftag geworden.”
“Die Gelegenheit, Empörung auszudrücken, führte zu einer Überhöhung der eigenen moralischen Integrität. In anderen Worten: Gib Leuten ein Tool, mit dem man seiner Entrüstung sehr leicht Ausdruck verleihen kann (sagen wir mal, Social Media), und sie werden es garantiert tun, sowohl um ihre Schuldgefühle zu bekämpfen, ihre Identität zu wahren, als auch sich selbst als moralisch integerer zu fühlen.”
“Ich bin trans und laut meinem Ausweis heiße ich auch nicht Lilith sondern F. Seit mehreren Jahren kennen mich die meisten Leute aber unter Lilith und viele wissen gar nichts von F., auch wenn ich wirklich kein Geheimnis daraus mache, dass ich trans bin.”
“In meiner Lebensfilterbubble haben wir mit solchen Stereotypen zum Glück nicht viel zu tun. (…) Allein schon kein Fernsehgerät mit Werbeunterbrechungen in den eigenen vier Wänden zu haben, hilft da ungemein. So bleiben wir von Werbung verschont, die uns zeigt, dass Frauen lächelnd Salat essen sollen, damit sie bloß nicht zu dick werden, dass sie teure Produkte kaufen, um ihre Defizite wie FALTEN und FRIZZ zu beheben, wohingegen die aktiven, leistungsstarken Männer samt Duschgel wagemutig von zehn Meter hohen Clippen springen.”
Volle Kanne Netzschau vom 10.03.2017
“Unsere weitläufige Vorstellung von politischen Demonstrationen ist, dass sich hier entweder politisch Unterdrückte (wie Kurden, Uiguren oder Tibeter), Menschen, die sich wirtschaftlich als zu kurz gekommen ansehen (Flugpiloten, Zugführer, oder ganz allgemein DGB-Mitglieder), oder Menschen, die sich einer bestimmten politischen Sache besonders stark verschrieben haben, treffen, um ihren Unmut über ihre Situation oder die Welt zum Ausdruck zu bringen. (…) So sollten wir genau hinschauen, wenn am 22. April diesen Jahres für einen „March of Science“ nach Washington gerufen wird.”
“Ein sehr schönes Beispiel ist Sonys SD-Karte „for premium Sound“, die in „High-End-Musik-Playern“ Anwendung finden soll. Angeblich soll sie den „Electrical Noise“ der angeblich beim Kopieren von Daten entsteht, verringern. Ich behaupte einfach mal, dass der einzige Aufwand, der im Unterschied zu einem Standard-Speichermedium in die Karte geflossen ist, ein paar Tropfen goldene Farbe sind.“
Volle Kanne Netzschau vom 02.03.2017
Was macht es mit mir, ein Cochlea-Implantat zu haben? Ein Stück Technik, das in meinem Körper eingebaut wurde und mich somit zum kybernetischen Organismus, zum Cyborg macht? Ein autobiografischer Essay.
“Es ist ja nicht so, wie manche meinen, dass sich das so genannte „liberale Zeitalter“ gerade jetzt dem Ende zuneigt. Eine solche Untergangs-Stimmung können sich vermutlich nur ‚Verwöhnte’ leisten, also diejenigen, die es in den letzten Jahren gewohnt waren, eine Stimme, Rechte, Zugang, Anerkennung, auch Geld, Arbeit usw. zu haben. Für viele hat das ‚liberale Zeitalter’ aber nie wirklich begonnen, oder nur begrenzt. Für Frauen aus der Arbeiterschicht, für People of Color, Geflüchtete, für nicht-heterosexuelle Menschen – und viele andere. Für sie gibt es nicht erst jetzt etwas zu beklagen, zu betrauern. Nicht erst, seit Trump gewählt wurde.”
“Wer sich erinnert, wie sich Twitter oder Facebook noch vor wenigen Jahren – sagen wir fünf oder sechs – angefühlt hat(1) und damit vergleicht, wie es sich heute anfühlt, fragt sich: Was ist da schiefgelaufen?”
“Ich hatte mir im Vorfeld einige Gedanken gemacht, ob ich das Delegierten-Amt wirklich annehmen sollte, denn an der Art der Wahl des Bundespräsidenten habe ich einiges zu kritisieren: Ist die bisher praktizierte wirklich die beste Art einen Bundespräsidenten zu wählen? Warum dürfen nur Auserwählte mitwählen? Warum muß der Bundespräsident mindestens 40 Jahre alt sein? Was ist mit der jüngeren Generation? Wo sind die Frauen? Menschen mit Migrationshintergrund? Menschen mit Behinderung? Denn unter den Wählenden und den Kandidaten dominierte eindeutig der Typus: Alter, weißer, heterosexueller priviligierter Mann.”
“The Trump administration’s recent orders widely expanding the number of immigrants subject to deportation have many fearing any and all police encounters. In order to stay ahead of police and immigration authority movements, some are turning to private Facebook groups to share the locations of checkpoints and arrests in their areas, as well as provide useful advice for those trying to stay on the right side of the law.”
“These memes (fig. p) are from a Facebook page called “Counter-Signal Memes for Fashy Goys,” with “goys” being short for goyem, the term for a man who is not of Jewish descent, and fashy being internet slang for both fascism and fashionable, perhaps unintentionally evoking Mussolini’s 1919 Naples speech in which he remarked on how “fascism brings back ‘style’ in people’s lives.””
“Zurück zum Computer-Spiele-Vortrag: Ein bisschen später meldet sich eine weitere Person und bittet den Referenten: „Halten Sie auch in Schulen Vorträge über die Gefahren? Es wäre doch gut, wenn nicht immer nur die Eltern warnen, sondern die Kinder auch mal von anderen Menschen hören, wie gefährlich das ist!“.
Ich atme.”