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  • Deutschland vs Serbien 0:1 – BUH!

    So, hier mein Einmal-Alle-Zwei-Bis-Vier-Jahre-Fußball-Post:

    „Podolski und Klose vermiesen Deutschland das Fußballfest“ las ich bei SPON, während das Gegeifer in Online-Medien, bei Facebook und Twitter gegen Poldi und Miro kein Ende nahm. Wenn hier jemand das Spiel vermiest, dann sind es diese Sofafußballer, die alles besser wissen als die Profis auf dem Platz. Was haben Podolski, Klose und das ganze Team nicht schon alles noch gerissen? Nachdem wir ca eine Quadrillion Jahre keinen Elfemeter mehr vergeigt haben, war das alleine schon eine statistische Notwendigkeit, dass Poldi das gestern nicht hinbekommen hat. Muss diese Schimpftirade sein? Buh!

    Haben wir überhaupt dasselbe Spiel gesehen? Was ich gestern sah, war ein Team, dass nach dem Schock der roten Karte ein Tor kassierte und dann in Unterzahl großartig weiterspielte, weite Teile des Spiel dominierte und den Serben sehr gefährlich wurde. Ständig habe ich mit dem Ausgleich gerechnet. Ich bleibe zuversichtlich – gerade auch nach dem letzten Spiel gegen Serbien, und halte Deutschland neben den Niederlanden und Argentinien weiterhin für einen Top-Favoriten.

    P.S.: Wenn sich die Verlagshäuser mit ihrem „Leistungsschutzgesetz“ durchsetzen, dürfte ich nicht einmal mehr eine Überschrift von SPON zitieren, wie ich das eingangs tat. Und Tweets, die sich zum Beispiel mit dem Ausspruch „Innerer Reichsparteitag“ befassen, könnten auch problematisch werden. Toll, wa?

    Update: Alles andere bringt die Süddeutsche Zeitung schön auf den Punkt.

  • Ups, schon wieder der Freitagstexter

    freitagstexter2

    Gerade mal 3 Wochen ist es her, das ich zuletzt den Freitagstexter ausgerichtet habe. Daher habe ich üüüüberhaupt nicht damit gerechnet, schon wieder zu gewinnen, aber der Vielfraß hat mich erneut aufs Siegertreppchen gesetzt. Hier also das Bild für die nächste Runde:

    Falls wirklich jemand die Spielregeln noch nicht kennen sollte: Schreibt in die Kommentare eine Bildunterschrift. Der kurioseste, witzigste oder sonstwie meiner Meinung nach bemerkenswerteste Beitrag gewinnt. Der Sieger darf sich den Pixelpokal copypasten und muss dann kommenden Freitag das Spiel dann in seinem Blog (oder dem eines Freundes) austragen. Die Historie des Freitagstexters gibt es seit ungefähr 100 Jahren bei Text und Blog. Einsendeschluss ist der Abfiff des Vorrundenspieles Griechenland : Argentinien.

  • Links der Woche

    Ich hatte ja schon eeeeewig keinen Katzencontent mehr: 2 Katzen und 1 Spinne…

    https://www.youtube.com/watch?v=lF9fcIqX9XQ

  • Ich möchte den Tau von deiner Rose küssen (Jour Fitz 2)

    Für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, reblogge ich an dieser Stelle mal die Texte, die ich auf der 6. Jour Fitz gelesen habe. Den Anfang machte die Reppenstedter Eintagsfliege und weiter ging es mit einem gnadenlosen Stück Schubladendenken:

    Frau Typ A, B und C

    Auf Online-Dating-Seiten gibt es tolle Profile: Ich kann meine Traumfrau von Schuhgröße bis Bildungsabschluss versandhausmäßig auswählen. Aber o Schreck: Ich muss selber ein solches Profil ausfüllen! Das Drama beginnt schon bei der Wahl des Fotos.

    Ansonsten werde ich gleich zu Anfang nach einem Motto gefragt. Schwitzend entscheide ich mich gegen „Carpe diem“, das nun wirklich so ziemlich jedes Profil ziert und ein guter Indikator für absolute Einfallslosigkeit ist.

    Also wird analysiert, welche Frauen denn mit einem solchen Motto anzusprechen sind. Frauen vom Typ A sind sehr zart besaitet. Sie wollen es möglichst romantisch. Man solle in lyrischen Sphären schwebend und zarte Bande knüpfend, unter dem Sternenhimmel romantisierend jedes Wort auf die Goldwaage legen.

    Typ B hingegen ist durchaus nicht prüde, mag es gerne raffiniert und ist erotischem Gedankengut nicht abgeneigt. Solch eine Frau kann zwischen den Zeilen lesen und tut dies mit Vergnügen. Hier nun das ultimative Motto, mit dem man gleich beide Regionen der weiblichen Erfahrungswelt abdecken kann:

    Ich möchte den Tau von deiner Rose küssen.

    Dieses Motto ist „Work-in-progress“, denn es deckt noch nicht Typ C ab. Typ C hat es gerne derb und vulgär. Ich weiß nicht so genau, ob mir daran liegt, Typ C kennen zu lernen. Doch bei Bedarf und der Kombination bestimmter Attraktivitätsmerkmale bin ich zu Statements nicht öffentlicher Natur gerne bereit. Denkbar wäre:

    Ich möchte den Tau von deiner geilen Rose küssen, du Sau.

    Außerdem gibt’s Typ D. Typ D beschwert sich, wie ich es wagen kann, Frauen zu typisieren und regt sich über das Schubladendenken auf. Typ D empfehle ich, mich einfach in Ruhe zu lassen, weiterhin zum „FrauenLesbenCafé“ zu gehen, südamerikanische Ponchos auf Flohmärkten zu kaufen, weil die so einen dufte Wandschmuck abgeben und sich die taubetropfte Rose in eine humorfreie Zone ihrer Wahl zu stecken.

    Ich suche meinen Traummann

    Diese Aussage stammt von Frauen. Genauer: Frauen schreiben sowas in ihre Kontaktanzeigen. Das tun 90% und der Rest will „einfach nur nette Leute kennenlernen“. Das glaubst du nicht? Du bist dir sicher, dass auch Frauen mal den Spaß für eine Nacht suchen? Mag sein, aber würde eine das freiwillig zugeben? Eben! Deshalb existiert für den Ottonormal-Single nur eine Chance, überhaupt ein passendes Weibchen zu finden: Den Traummann markieren.

    Hierzu solltest du erst einmal wissen, was das ist … ein „Traummann“. Wie jedes Traumwesen (und noch dazu eines weiblicher Einbildungskraft) ist der Traummann ein zutiefst unlogisches Wesen. Du sollst gleichzeitig Geld wie Heu verdienen aber trotzdem eine soziale Ader haben. Du sollst sportlich sein, aber wehe, du hast die Angewohnheit, samstags auf dem Platz bolzen zu gehen und mit stinkenden Stulpen nach Hause zu kommen. Vielleicht hat sie schon Kinder und du sollst der beste Freund ihrer Blagen sein, aber bilde dir bloß nicht ein, ihren Sprösslingen irgendwas zu erlauben oder zu verbieten.

    Natürlich begreifen auch Frauen intuitiv, dass sie mit dieser Logik nicht weiterkommen. Manche jedenfalls. Und so versuchen sie, ihre Absichten hinter hübsch klingenden Sprüchen zu verbergen, die eine Menge verraten, wenn Du sie genauer unter die Lupe nimmst.

    Hier ein kleines Vokabular der Frauensprache: „Dornröschen sucht Prinzen zum Wachküssen“ bedeutet soviel wie: verschnarchte Romantikerin. Sollte Sie wirklich beim Knutschen ein wenig wach werden, hast du schon sehr viel Glück. Manche bezeichnen sich selbst auch als „Aschenputtel“ oder zitieren zum tausendsten Mal den kleinen Prinzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut …“. Das lässt sich direkt übersetzen mit: „Ich bin potthässlich und mir genügt es, wenn du selbst auch nur im Dunkeln tageslichttauglich bist.“ Diese Sorte hat niemals ein Foto auf ihrer Webseite und es ist allgemein schwer, an eines zu kommen. Das macht nichts: Du würdest es nicht sehen wollen.

    Es gibt aber auch das Gegenteil der Romantikerinnen: Den Karriere-Vamp. Sie schreibt z.B. „Starke Frau sucht …“ und meint damit sowas wie: Ich suche nur deshalb einen Mann und keinen Hund, weil ich mit dem Hund täglich Gassi gehen müsste. Solche Powerfrauen schreiben auch gerne Dinge wie „Ich liebe das Außergewöhnliche“ und da frage dich einmal kritisch: Wie außergewöhnlich bist du? Und wie wäre es, mit einer Frau zusammen zu sein, die sich allerhöchstens mit Pitt oder Clooney zufrieden stellen ließe? Vergiss es!

    Folgenden Spruch habe ich tatsächlich in einer Anzeige gelesen: „Lebe dein Leben, wie es dir gefällt, denn man hat dich ja auch nicht gefragt, ob du auf dieser Welt leben willst.“ Diese Frau hat also ganz grundsätzlich was zu meckern. Am besten du schreibst ihr nur, wenn du selber auch ein Misanthrop bist und dich schon heimlich darauf freust, mit ihr zusammen die Nachbarn eures Häuschens mit Klagen und Prozessen zu überziehen.

    Da fragt man sich schnell: Lohnt sich das alles überhaupt? Wollen wir das wirklich? Oder einfach Single bleiben? Aber schon Woody Allen wusste: „Gute Selbstgespräche setzen einen interessanten Partner voraus.“

    Sperrmüll und Beziehungskisten

    Welcher geniale Dichter hat eigentlich das Wort von der „Beziehungskiste“ geprägt? Ich finde es so treffend, weil ich da immer an die „Tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten“ denken muss. Nur mit Spucke, Kaugummi und Isolierband bewaffnet geht es dann in 80 Tagen um die Welt. Anschließend enden solche Höhenflüge meistens als Bruchlandung. Das liegt nicht nur am mangelnden Zubehör, mit dem man nicht einmal einen Videorekorder wieder flott bekäme – das beginnt schon bei der Gebrauchsanweisung.

    Die lesen Männer sowieso nicht. Ihnen fällt nicht einmal auf, dass gar keine beiliegt. Gelegentlich ist es vorgekommen, dass ein Mann tatsächlich nach der Gebrauchsanleitung gesucht hat – Stichwort: „Neuer Mann“ – aber nicht fündig wurde. Sie ist nämlich separat zu erwerben. Das ist gar nicht so einfach. Sie existiert in keiner Uni-Bibliothek (nicht einmal bei den Psychologen oder Sozialpädagogen). In Buchhandlungen werden diese Titel (z.B. „Die Prinzessin und der Horst“, „Mondscheintarif“, „Schokolade zum Frühstück“ oder das popelige „Moppel-Ich“) wegen verfehlten Marketings und stilistischer Zweifelhaftigkeit falsch einsortiert und von Frauen mit Unterhaltungsliteratur verwechselt.

    Was da so drinsteht? Ein Beispiel: Ein Mann darf seine CDs oder DVDs nicht alphabetisch sortieren, weil er sonst ein Spießer ist und sowieso nicht der Typ, den eine Frau will. Für ordnungsliebende Männer hilft der Trick, die Filme einfach nach Erscheinungsjahr zu sortieren. Das ist in sich schlüssiger und wird vom Durchschnittsweibchen erst durchschaut, wenn es schon zu spät ist.

    Bevor die Auserkorene jedoch Videos oder CDs inspiziert, wird ihr erster skeptischer Blick seinem Bad gelten. Dort darf sie (laut „Mondscheintarif“) keinesfalls „Cool Water“ von Davidoff vorfinden. Wem es Leid tut um das teure Zeug: In der Bowle – verrührt mit Fruchtresten, Sekt und ganz viel Wodka kann er sich damit in kürzester Zeit wirklich jedes haarige Mannsweib schön trinken. Das Tolle dabei ist, dass ihn der folgende Jahrhundertkater am nächsten Morgen ausreichend von den Schrecken der vergangenen Nacht ablenken wird.

    Hat er sich nun perfekt den weiblichen Bedürfnissen angepasst, will sie früher oder später bei ihm einziehen. Platz muss er nicht mehr schaffen. Denn schon im Vorfeld landete die schwarze Satin-Bettwäsche, die er vor fünfzehn Jahren so cool fand und seitdem nicht gewechselt hat, auf dem Sperrmüll. Gleich neben der leeren „Cool Water“-Flasche, der Spielzeugeisenbahn, den Perry-Rhodan-Büchern, den Star-Trek-DVDs, dem alten Amiga 500 und der Pornosammlung …

    Aber leider hat ihr niemand gesagt, was sie alles besser nicht mitbringen sollte: Meerschweinchen samt Käfige (wahlweise auch Chinchillas, Hauptsache flauschig), ihren fast zu Staub zerfallenen Teddy, drei unvollständige, aber gaaanz wichtige Kaffee-Services (offenbar von gleich drei verschiedenen Omas), einige „Sex-And-The-City“-DVD-Boxen, mehrere Regalmeter Romane von Tine Wittler, Susanne Fröhlich, Charlotte Link und Hera Lind, gepaart mit „Sachbüchern“ wie „Reiki und Sexualität“, „Sternzeichen und Partnerwahl“ oder „Homöopathie in der Liebe“. Außerdem wird das Bad mit mehreren Kubikmetern Kosmetika gefüllt.

    Dort entdeckst du dann irgendwann auch noch eine alte Flasche „Cool Water“. Von ihrem Ex. Wenigstens ein kleines bisschen wie früher. Du darfst lächeln. Alles wird gut.

    (Fotos: André „Bosch“ Krüger)

  • Jour Fitz (1)

    Für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, reblogge ich an dieser Stelle mal die Texte, die ich auf der 6. Jour Fitz gelesen habe. Den Anfang machte die

    Reppenstedter Eintagsfliege

    Die Eintagsfliege hat mitnichten ein kurzes Leben. Ihr selbst erscheint es so lang, wie sie es fühlt: Ein endloses Leben im Licht. Und während sie so summt und fliegt, die kleine Reppenstedterin, radele ich vom Sport nach Hause, stramm zum Gut Schnellenberg; genieße die Sonne, die Luft und dass meine Muskeln sich erst morgen über die zurückliegenden Zumutungen beklagen werden. Unter dem Ich stelle man sich vor: ein gigantisch großes, schweres menschliches Wesen, welches auf seinem treuen Rade “Silbersofa” durch die Landschaft sprengt; ein Wesen, dessen Gewicht und Volumen das der winzigen Fliege millionenfach übersteigt.

    Ich radle also, die Nase im Wind, die Glatze in der Sonne, den Blick schweifend über sanft geschwungene Rapsfelder und hinter Sträucher sich duckende Fachwerkhäuschen. Und die Fliege … nun ja fliegt, und zwar (wir können es fast ahnen:) ihre Fühler im Wind, ihre Flügel in der Sonne und in ihren Facettenaugen leuchten geschwungene Rapsfelder und sich unter Gräsern duckendes Eintagsfliegenfutter. Die Fliege und ich: Uns verbindet das unsichtbare Band des Schicksals.

    Ich und die Fliege: Wir fliegen und radeln, radeln und fliegen, immer aufeinander zu. Und auf einer Anhöhe kurz vor der Teufelsküche, ja da komme ich doch glatt ein wenig außer Puste, der Steigung wegen; sperre meinen Mund auf und schon ist es geschehen. Die Fliege haucht ihr kurzes Leben aus, ist nun nichts weiter als ein knirschiger Krümel in einer Backentasche. Dort will sie nicht sein und dort will ich sie nicht haben, aber wie abstoßen diesen fremden Organismus? Diese Fliege loszuwerden ist mir so peinlich und so dringend wie dem Mörder seine Leiche. Ich puste und spucke und kaue und rotze, mal links und mal rechts, doch das störende Objekt will nicht weichen. Ich schnappe wie ein Karpfen. So wehrlos die Forelle dem Fliegenfischer ausgeliefert ist, eben so wehrlos zieht mich die Pein wie an der Rute gezogen heimwärts. Ich radle so schnell ich kann, ich strample und sause und darf dabei kaum atmen, damit sich das Malheur nicht wiederhole. Ich werfe das Rad ins Gras, springe in die Wohnung und spüle meinen Mund…

    Der Eintagsfliege, der kleinen Reppenstedterin, ist es freilich wesentlich schlechter bekommen als mir. Es war noch lange vor dem Mittag; in der Blüte seiner Jugend musste das Tierchen sein Leben aushauchen. Ein tödlicher, tragischer Verkehrsunfall, den niemand wollte, und jetzt alle schnell vergessen möchten.

    Achtbeiner

    Seit einigen Tagen lebt eine Spinne auf meinem Fahrrad. Ich habe es längst aufgegeben, das Netz immer wieder zu entfernen. Sollen die Nachbarn doch denken, das Rad stehe da nur zu Dekorationszwecken. Das Netz spannt sich zwischen Lenkstange und Gabel, und die Spinne sitzt bevorzugt auf der Unterseite der Gangschaltung, macht aber bereitwillig Platz, wenn ich schalten will. So begleitet mich das possierliche Tierchen nun auf meinen Wegen und lernt wahrhaft exotische Orte wie den Sand, den Stint oder das rote Feld kennen. Kann eine Spinne kosmopolitischer Leben? Denn im Gegensatz zu ihren seidenspinnenden Schwestern in Auspuffrohren, Flugzeugturbinen und Spaceshuttle-Vakuumschleusen ist sie nicht nur in der Lage, die Reise zu überleben; sie kann sich am Ziel umsehen und neue kulturelle Eindrücke aufnehmen.

    * * *

    Eigentlich würde ich allzu gerne von weiteren Abenteuern mit dem Rad berichten, doch leider muss ich ehrlich gestehen: Also mit Silbersofa und mir, das ist vorbei. Wir verstehen uns nicht mehr. Es war einfach nicht mehr wie früher. Und Silbersofa hat sich auch verändert. Ist pummelig geworden und kommt nicht mehr recht vom Fleck. Traurig, aber so ist das Leben.

    Und was macht man heutzutage, wenn man sich etwas einsam fühlt? Richtig, man meldet sich bei einer Online-Dating-Seite an. Für die jüngeren im Publikum: Online-Dating diente der Partnersuche, bevor es Twitter gab. Ich will mal erzählen, was ich dabei so erlebt habe.

    (Fortsetzung folgt…)

  • Sparen

    Merkel spart und sagt – wir können es nicht mehr hören – das sei ohne Alternative. Da muss ich ihr ausnahmsweise beipflichten: Es gibt nichts mehr zu verteilen, gab es eigentlich schon lange nicht mehr. Wer da Brüning! schreit und Binnennachfrage! übersieht, dass das Ende der Fahnenstange bei über 1600 Millarden Euro Staatsverschuldung schon längst erreicht ist. Es steht ganz außer Zweifel: Wir müssen sparen.

    Dass die Regierung ein Massaker im Sozialhaushalt veranstalten würde, war vorher klar. (Schließlich hieß es doch schon seit Monaten: Nach der NRW-Wahl kommen die Grausamkeiten auf den Tisch.) Dass die linken Parteien, Gewerkschaften uns Sozialverbände auf die Barrikaden gehen würden, war ebenso vorher klar und wäre nicht mal eine Fußnote wert, wenn an diesem Sparkpaket nicht etwas seltsames fehlen würde: Der Protest der  „Wirtschaft“.

    Die „Wirtschaft“ und die Wohlhabenden sollen ja schließlich auch ihren Teil zu den Einsparungen beitragen, was sie aber fast nur auf dem Papier tun: Mit einer einer Brennelemente-Steuer, einer Luftverkehrsabgabe, Abschöpfung von Gewinnen bei der Bahn und einer Bankenabgabe. Protest bleibt natürlich aus, denn der „Wirtschaft“ können alle diese Dinge egal sein: Sie reicht die höheren Kosten einfach an den Verbraucher weiter und gut ist.

    Einer Familie mit Kleinkind, die von Hartz-IV lebt (das könnten zum Beispiel auch arbeitende Aufstocker in mies bezahlten Jobs sein!), werden also nicht nur mal eben 300 Euro monatlich an Elterngeld gestrichen. Übrigens 300 Euro monatlich: Gibt es überhaupt irgendwo eine gesellschaftliche Gruppe, der dermaßen hart vom Sparpaket getroffen wird wie mittelose junge Familen? Also – diese junge Familie muss nicht nur plötzlich mit 300 Euro weniger auskommen, sondern darf künftig höhere Preise zahlen, wenn sie – teuer genug – einmal im Jahr mit der Bahn oder dem Flugzeug die Oma besuchen fahren will, zahlt künftig höhere Zinsen auf das Konto, das natürlich gerne mal im Minus ist, völlig anders als bei Besserverdienenden, denen es egal sein kann,  wenn der nächste Toskana-Urlaub 100 Euro teurer kommt.

    Nicht das Sparen an sich, aber die Absolute Einseitigkeit diese Sparpaketes zeigt, wen wir da eigentlich im letzten Herbst gewählt haben. Nicht nur die FDP fährt ihren sozialen Ellenbogen raus, so weit sie kann, wenn sie Steuererhöhungen kategorisch ablehnt, auch beispielsweise die christliche Familienministerin Christina Köhler zeigt, wie sehr ihr das Wohlergehen von Familien am Herzen liegt. Und als sei das alles noch nicht genug, wird schon kräftig Lobby dafür gemacht, die Mittel für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses doch nicht zu streichen. Können wir bei der Gelegenheit nicht Hartz IV noch weiter senken? Das eine oder andere wieder aufzubauende Baudenkmal wird sich für die frei gewordenen Mittel schon finden.

    Aber wie schon eingangs gesagt: Sparen müssen wir. Das Wort vom „über die Verhältnisse leben“ ist mit Blick auf die kleinen Leute geradezu perfide, aber das Land als ganzes tat es. Die beiden größten Posten im Staatshaushalt sind Soziales und Schuldendienst. Wirklich Angst habe ich vor dem Tag, an dem die Regierung nur noch die Wahl hat, in einen von beiden richtig tief einzuschneiden. Ob dann mal eben Hartz IV drastisch gekürzt wird, oder Deutschland die Zinszahlungen an seine Gläubiger einstellt – wir können uns vorstellen, was dann los ist.

    Also 70 Millarden in vier Jahren braucht Schäuble von uns. Schaun mer mal:

    • Eine geplante Transaktionssteuer können wir nicht zu Grunde legen, weil die in einen Bankensicherungsfonds fließen soll. Dass ausgerechnet die Banken ungeschoren davon kommen, ist allerdings höchst ärgerlich. Zu erwarten wäre, dass die Banken aus ihren künftigen Gewinnen prozentual einen zusätzlichen Soli zahlen, bis die in der Krise gezahlten Finanzhilfen abgegolten sind. Das lässt sich an dieser Stelle nicht kalkulieren und sollte deshalb nicht Teil des Sparpaketes sein.
    • Alberne 6 Monate Wehrpflicht können wir uns auch gleich schenken: Die Bundeswehr ist als Armee  mit mehreren Hunderttausend Soldaten ein Anachronismus. Natürlich kann man den Laden nicht von heute auf morgen dicht machen, also legen wir mal den Plan von Guttenberg zu Grunde: 6 Milliarden Euro bis 2014.
    • Die Luftfahrtabgabe können wir ebenfalls meiner Meinung nach ruhig drin lassen, das wäre wenigsten so eine Art Ökosteuer. Also 3 Milliarden.
    • Der Staat subventioniert die Gehälter von kirchlichen Würdenträgern zusätzlich zur Kirchensteuer mit etwa 440 Millionen Euro. Es ist wohl nicht zu viel verlangt von den Kirchen, ihre Bischöfe selber aus Kirchensteuermitteln zu bezahlen. In vier Jahren kämen da schonmal über eine Milliarde zusammen.
    • Hilfreich wäre es, wenn überhaupt mal alle Steuern zahlen würden, die das müssten. Das ist zwar utopisch, aber der Personalmangel in den Finanzämtern verschärft das Problem. Schätzungen gehen auf bis zu 30 Millarden Euro jährlich. Kosten würden die 15.000 fehlenden Beamte nicht mal eine Milliarde im Jahr – die wir gerade bei den Kirchen eingespart haben. ;) Stimmt die Schätzung, kämen in den nächsten drei Jahren 90 Milliarden Euro zusammen und unser Ziel ist erreicht. Seien wir mal vorsichtig und legen die Hälfte zu Grunde.
    • Ich verstehe immer noch nicht, warum auf Schnittblumen und Hundefutter nur 7% Umsatzsteuer erhoben werden. Alles außer Grundnahrungsmitteln sollte dem gleichen Steuersatz unterliegen – auch Hotelübernachtungen. Angeblich bringt das 14 Milliarden Euro.

    Allein damit haben wir jetzt schon 68 Milliarden Euro beisammen, wenn ich mich nicht verrechnet habe. Dabei habe ich nur sehr grob gerechnet und gar nicht in den Ritzen und Ecken des Fiskus herumgekratzt, wo ich mich freilich nicht auskenne. Eine moderate Anhebung des Spitzensteuersatzes dürfte die restlichen 2 Milliarden locker einbringen. Und das ganze, ohne an der Erbschaftssteuer zu drehen oder eine Reichen- oder Vermögenssteuer einzuführen, was ich unter diesen Umständen aber trotzdem für geboten halte. Und dann erst – dann können wir nochmal darüber reden, ob und wieviel unter Umständen und mit welcher Begründung bei Hartz-IV-Empfängern einzusparen sei und ob wir uns das Berliner Stadtschloss gönnen sollten.

    Angesichts dieser Zahlen ist völlig klar: Die Regierung könnte sehr wohl anders – sie will aber nicht.

    Update:

  • Daheim bei Lena !!!1einself

    Erinnert sich noch jemand an die „Die Aktuelle“? Das war die Zeitschrift, die auf der Titelseite den Eindruck erweckte, die Kinder von Günther Jauch interviewt zu haben. Die Story kann bei Stefan Niggemeier nachgelesen werden. Sie endete mit einer Gegendarstellung und einem albernen „das war doch alles ein Missverständnis“-Artikel. Diese Woche titelt das Heft jetzt so:

    [Abb: Media] Wir wissen ja, wie Lena Meyer-Landruth es mit privaten Fragen hält. Und nein, ich werde das Heft jetzt nicht kaufen und nachsehen, ob da wirklich eine Homestory drin ist, ahne die Antwort aber. (Wobei: Klein links unten den „wahren Grund“ für Köhlers „einsame Entscheidung“ – garantiert ein Knüller!)

  • Köhler und die Verschwörungstheorien: Ein Rücktritt macht noch keine Verschwörung

    Logisch, dass kein Politiker in Deutschland zurücktreten oder sonst kein wichtigeres Ereignis geschehen kann, ohne dass nicht gleich Verschwörungstheorien ins Kraut schießen. Ja, ich finde den Köhler-Rücktritt auch seltsam. Dass, was er dem Deutschlandradio im Interview sagte, ist seit vielen Jahren Militärdoktrin der Bundesrepublik. Viele Politiker haben ähnliches gefordert oder geäußert, ohne deswegen angegriffen zu werden oder gar zurückzutreten.

    Dass Köhler u.a. ausgerechnet von Trittin angegriffen, der als rotgrüner Minister unter Schröder diese Militärdoktrin selbst mittrug und Mitglied des Kabinetts war, als Deutschland Ende 2001 die ersten Truppen nach Afghanistan schickte, ist natürlich eine besondere Geschmacklosigkeit. Aber vielleicht glaubt Trittin ja selber, dass es in Afghanistan nur darum gehe, Frauen von der Burka zu befreien. Aber ein Präsident sollte über solchen Dingen stehen. Außerdem hätte Köhler es in der Hand gehabt, selber zu sagen: „Leute, ich habe hier nur wiedergegeben, was seit langem unsere Politik ist.“ und eine Debatte anzustoßen. Was auch immer geschah: Man konnte Köhler ansehen, wie er bei seiner Rücktrittserklärung innerlich bebte.

    Verschwörungstheorie Nummer 1 also: Köhler musste gehen, weil er eine unbequeme Wahrheit gesagt habe. Das ist gleich aus mehreren Gründen lächerlich, weil diese unbequeme Wahrheit, wie schon gesagt, keine unbekannte Wahrheit ist. Außerdem hatte Köhler seine Aussagen ja bereits als „nicht so gemeint“ dementieren lassen. Angenommen, eine dunkle Verschwörergruppe – vielleicht die CIA? – möchte uns die Wahrheit über den Afghanistan-Krieg vorenthalten. Welches Druckmittel sollte sie Köhler gegenüber gehabt haben und vor allem, was hat sie mit seinem Rücktritt gewonnen? Im Sinne einer solchen Verschwörung wäre doch dieses Dementi zusammen mit einem in Zukunft unauffällig weiter präsidierenden Köhler doch die beste Lösung.

    Verschwörungstheorie Nummer 2 ist gleich viel interessanter. Die 148-Millarden-Euro-Bürgschaft für Griechenland sei verfassungswidrig, weil sie gegen Artikel 125 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und gegen die Finanzverfassung der Bundesrepublik verstoße. Bei ersterem handelt es sich um die Regel, dass die EU nicht für Verbindlichkeit der Mitgliedsstaaten einsteht und umgekehrt. Ich kann daraus kein Verbot für Mitgliedsstaaten herleiten, sich gegenseitig  mit Krediten und Bürgschaften unter die Arme zu greifen. Zur Frage der „Finanzverfassung“ konnte ich bisher keine näheren Angaben finden. Da hinter dieser Bewegung aber die Namen üblicher Verdächtiger wie Gauweiler oder Hans Werner Sinn stehen, gebe ich dieser Klage nicht allzu viel Aussicht auf Erfolg, auch wenn die Regierung offenbar nervös ist.

    Die Verschwörungstheorie besagt, dass Köhler „zum Wohle des Landes“ ein a priori verfassugnswidriges Gesetz unterschrieben habe. Er habe nichts öffentlich gegen dieses Gesetz sagen können, da solche Aussagen eines Präsidenten einen Währungscrash zur Folge haben könnten, was sich mit seinem Amtseid, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, beiße. Köhler also als heimlicher Held, der aus stillem Protest zurück getreten sei. Das klingt allerdings nicht besonders plausibel in einer Zeit, in der selbst Angela Merkel von der „Existenzkrise“ des Euros redet.

    Diese Theorie hat – soweit ich das bisher sehen konnte – bei Hadmut Danisch ihren Anfang genommen (der sich auf irgendwelche Talkshow-Äußerungen von Leuten wie Hans-Olaf Henkel beruft) und es in die großen Zeitungen geschafft, was ich wirklich bemerkenswert finde. Verschwörungstheoretiker fragen doch immer wieder „cui bono?“. Wem würde Köhlers Rücktritt nützen? Im selber? Kaum, schließlich hätte er in Bellevue genauso gut still vor sich hin repräsentieren können wie bisher, während er mit seinem Rücktritt seinen Ruf stark beschädigt hat. Köhler ist ja öffentlich jetzt der „Hinschmeiß-Präsdident“. Und „stiller Protest“ ist völlig sinnols, wenn er dazu führt, dass alle über die wahren Gründe des Rücktritts rätseln.

    Der Regierung hat Köhlers Rücktritt jedenfalls nicht genützt und Merkel schon gar nicht. Wollte er ihr schaden? Sitzt da gerade Köhler irgendwo bei einem Glas Bier im Schatten und freut sich spitzbübisch, es der Merkel mal so richtig gezeigt zu haben? Ich bin sicher nicht der einzige, der diesen Gedanken albern findet. Oder ist gar die Nominierung von Joachim Gauck der Anfang vom Ende Merkels, was irgendwelche Drahtzieher von langer Hand geplant und vorher gesehen haben? Die wussten also schon lange, dass Wulff nominiert werden und die Opposition den Gauck dagegen setzen würde? Ernsthaft?

    Auch wenn es in der Presse steht, dubiose Verschwörungstheorien bleiben dubiose Verschwörungstheorien. Der fortgeschrittene Verschwörungstheoretiker, der auf den Grund der Dinge gestoßen ist, weiß jedoch: Verschwörungstheorien dienen nur dazu, Verschwörungstheoretiker ruhig zu stellen. ;)

  • Links der Woche

    Thema European Song Contest. Lena. Der einzig wahre Grand-Prix-Song ever ist und bleibt:

  • Präsidentschaftskandidat Wulff: „Der evangelikale Katholik“

    Durch die Kommentare hier im Blog und Diskussionen auf Twitter muss ich nochmal auf die Präsidentschaftswahl kommen, und zwar speziell auf Christian Wulff. Dem wird vorgeworfen, dass er ein Evangelikaler sei. Anscheinend ist er tatsächlich im Kuratorium der ökumenischen Mission „ProChrist“ und hat vor christlichen Fundamentalisten irgendwelche Sonntagsreden gehalten oder dies vorgehabt. Alle Quellen (Medien und Wikipedia) bezeichnen ihn allerdings als Katholiken.

    Evangelikale und Katholiken schließen sich gegenseitig aus. Evangelikale sind „Hardcore-Protestanten“. So wie man nicht gleichzeitig evangelisch und katholisch oder von mir aus auch nicht Zeuge Jehovas sein kann, sondern nur eines von alledem, so ist Christian Wulff entweder ein Evangeliker oder Katholik. Die Quellen behaupten letzteres.

    Offenbar hat er vor Evangelikalen eine Rede gehalten. Was er genau gesagt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Soweit ich bisher nachlesen konnte, werden die Organisationen für Homophobie oder Kreationismus kritisiert, nirgendwo konnte ich aber Aussagen in dieser Richtung von Wulff persönlich entdecken. Nur weil jemand vor einem Verein, von dem er wegen der Undurchschaubarkeit dieser ganzen Grüppchen nicht so genau weiß, wer das eigentlich ist, eine Sonntagsrede nicht näher bekannten Inhalts hält, kann man zwar mutmaßen, dass er mit Homophoben und Kreationisten sympathisiert, muss man aber noch lange nicht. Ganz abgesehen davon, dass dann auch niemand Präsident werden dürfte, der mal vor Katholiken eine Rede gehalten hat. Die sind schließlich auch offiziell homophob.

    Wulffs religiöse Ansichten sind seine Privatsache. Punktum. Religionsfreiheit hat unumschränkt für alle zu gelten. Das schließt übrigens das Recht ein, seinen Glauben öffentlich vertreten, also auch zu missionieren. Ich möchte ja auch nicht, dass man mir verbietet, irgendwelchen Leuten meine ganz private Meinung zu den Weltreligionen im allgemeinen und dem christlichen Glauben im speziellen zu erzählen. Aus genau diesem Grund bin ich übrigens auch gegen Minarett- und Burkaverbote und jede andere Form der religiösen Bevormundung – gerade weil ich keiner Religion angehöre.

    Es gibt wirklich andere Gründe, warum man Wulff als Präsidenten ablehnen (oder vor allem: Gauck gut finden) kann. Wulffs religiöse Ansichten geben der Diskussion ein Niveau, auf das ich mich in dieser Frage nicht begeben möchte. Was soll nur sein, wenn wir tatsächlich mal einen Präsidentschaftskandidaten jüdischen Glaubens haben sollten?