Präsidentschaftskandidat Wulff: „Der evangelikale Katholik“

Durch die Kommentare hier im Blog und Diskussionen auf Twitter muss ich nochmal auf die Präsidentschaftswahl kommen, und zwar speziell auf Christian Wulff. Dem wird vorgeworfen, dass er ein Evangelikaler sei. Anscheinend ist er tatsächlich im Kuratorium der ökumenischen Mission „ProChrist“ und hat vor christlichen Fundamentalisten irgendwelche Sonntagsreden gehalten oder dies vorgehabt. Alle Quellen (Medien und Wikipedia) bezeichnen ihn allerdings als Katholiken.

Evangelikale und Katholiken schließen sich gegenseitig aus. Evangelikale sind „Hardcore-Protestanten“. So wie man nicht gleichzeitig evangelisch und katholisch oder von mir aus auch nicht Zeuge Jehovas sein kann, sondern nur eines von alledem, so ist Christian Wulff entweder ein Evangeliker oder Katholik. Die Quellen behaupten letzteres.

Offenbar hat er vor Evangelikalen eine Rede gehalten. Was er genau gesagt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Soweit ich bisher nachlesen konnte, werden die Organisationen für Homophobie oder Kreationismus kritisiert, nirgendwo konnte ich aber Aussagen in dieser Richtung von Wulff persönlich entdecken. Nur weil jemand vor einem Verein, von dem er wegen der Undurchschaubarkeit dieser ganzen Grüppchen nicht so genau weiß, wer das eigentlich ist, eine Sonntagsrede nicht näher bekannten Inhalts hält, kann man zwar mutmaßen, dass er mit Homophoben und Kreationisten sympathisiert, muss man aber noch lange nicht. Ganz abgesehen davon, dass dann auch niemand Präsident werden dürfte, der mal vor Katholiken eine Rede gehalten hat. Die sind schließlich auch offiziell homophob.

Wulffs religiöse Ansichten sind seine Privatsache. Punktum. Religionsfreiheit hat unumschränkt für alle zu gelten. Das schließt übrigens das Recht ein, seinen Glauben öffentlich vertreten, also auch zu missionieren. Ich möchte ja auch nicht, dass man mir verbietet, irgendwelchen Leuten meine ganz private Meinung zu den Weltreligionen im allgemeinen und dem christlichen Glauben im speziellen zu erzählen. Aus genau diesem Grund bin ich übrigens auch gegen Minarett- und Burkaverbote und jede andere Form der religiösen Bevormundung – gerade weil ich keiner Religion angehöre.

Es gibt wirklich andere Gründe, warum man Wulff als Präsidenten ablehnen (oder vor allem: Gauck gut finden) kann. Wulffs religiöse Ansichten geben der Diskussion ein Niveau, auf das ich mich in dieser Frage nicht begeben möchte. Was soll nur sein, wenn wir tatsächlich mal einen Präsidentschaftskandidaten jüdischen Glaubens haben sollten?

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