Kategorie: Blog

Blogposts

  • Links der Woche

    • The War on Science:

      Warum Wissenschaft für eine aufgeklärte Gesellschaft so wichtig ist und warum Ignoranz schadet.

    • Internet-Law » Warum die Euphorie über das Safe-Harbor-Urteil unangebracht ist:

      “Die Entscheidung des EuGH entspricht allerdings nicht der Lebenswirklichkeit, denn sie würde in konsequenter Umsetzung dazu führen, dass eine Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA bzw. an Unternehmen in den USA regelmäßig gar nicht mehr zulässig wäre. Während ich das schreibe, sind Sie vielleicht gerade bei Facebook eingeloggt und es werden terabyteweise Daten in die USA übermittelt und ich wage die Prognose, dass das auch in fünf Jahren nicht anders sein wird. “

    • Kulturkämpfe:

      “Ein Kampf der Kulturen tobt in unserem Land. Nicht so sehr zwischen Christen und Muslimen oder Abend– und Morgenland, sondern vielmehr unter Politiker/innen, die sich darin überschlagen, ständig neue Komposita mit dem Zweitglied –kultur zu erfinden und in Pokémon-Manier gegeneinander in den Kampf zu schicken.”

  • Safe Harbor: Ich verstehe da ein paar Dinge nicht

    tl;dr: Alle reden über Safe Harbor, keiner kann sagen, was das nun praktisch bedeutet.

    wassindsmartphones

    Der Österreicher Max Schrems kämpft gegen Facebook seit Jahren einen David-gegen-Goliath-Kampf, wie ihn die Medien über alles lieben. Sein unerwarteter Erfolg: Das EuGH hat das so genannte „Safe Harbor“-Abkommen gekippt. Das ist ein Abkommen, das es deutschen Unternehmen ermöglicht, Kunden- und Mitarbeiterdaten unkompliziert in den USA zu speichern und verarbeiten zu lassen. Dass das großflächig gefeiert wird, leuchtet ein, schließlich sind die USA ja böse, haben keinen richtigen Datenschutz und überhaupt: NSA!

    Spiegel Online sieht darin einen Triumph für Snowden und eine Blamage für Merkel. Warum genau das ein Triumph sein soll, wo doch die NSA über den BND und GCHQ weiter fleißig auch europäische Daten mitlesen kann, wird hingegen nicht klar. Die digitale Gesellschaft sieht darin ein Zeichen gegen anlasslose Massenüberwachung, als gebe es in Deutschland keinerlei Überwachungsgesetze. n-tv findet, das Urteil sei ein Schlag gegen Facebook, dabei kann meiner Meinung nach gerade Facebook relativ gelassen bleiben, wie ich weiter unten noch erläutern werde. Herr Schwenke, dessen Podcast „Rechtsbelehrung“ ich sehr schätze, versucht wie etliche andere Blogs und Zeitungsartikel zu erklären, was das ganze nun eigentlich bedeutet, hinterlässt seine juristisch nicht vorgebildeten Leser jedoch ratlos. Und Social-Media-Blogs feiern das ganze wie den Fußballweltmeistertitel anno 54, dabei könnten gerade für Leute, die mit Social Media ihr Geld verdienen, erstmal wirklich schwierige Zeiten anbrechen.

    Ich bin sicherlich kein Datenschutz-Nerd, habe mich jedoch vor gefühlten Ewigkeiten damit befasst, als es um die Liquid-Wars in der Piratenpartei ging. Ich kann also nicht von mir Behaupten, Ahnung zu haben und mir trotzdem einigermaßen sicher sein, dass 99% der Bevölkerung noch weniger Ahnung hat als ich. Deshalb hier nun ein paar Steile Thesen und Fragen. Ich hoffe sehr, dass Leute mit mehr Ahnung in den Kommentaren meine Ausführungen ergänzen oder korrigieren.

    Datenschutz, wie wir ihn heute kennen, hat viel mit dem Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes zu tun, das damals ein „Recht auf Informationelle Selbstbestimmung“ definiert hat. Auch wenn es so wörtlich nicht im Grundgesetz steht, gilt es heute als Quasi-Grundrecht und ist damit in erster Linie ein Abwehrrecht gegen den Staat. Konkret im BDSG gilt es allerdings auch für alle „nicht-öffentliche Stellen, soweit sie die Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen verarbeiten, nutzen oder dafür erheben oder die Daten in oder aus nicht automatisierten Dateien verarbeiten, nutzen oder dafür erheben, es sei denn, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten erfolgt ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten.“

    Allein das ist schon eine ziemlich unbefriedigende Situation: Unternehmen (und andere „datenverarbeitende Stellen“) sind an das Datenschutzgesetz gebunden. Behörden zwar auch, allerdings gibt es gerade für sie in der Praxis zahllose Ausnahmen: Funkzellenabfrage, die geplante Vorratsdatenspeicherung, der Datenstriptease, den jeder Alg2-Empfänger durchmachen muss, Überwachungskameras im öffentlichen Raum, das Konfiszieren und Durchsuchen von Mobiltelefonen durch die Polizei auf Demonstrationen, das geplante Gesetz zur Datenhehlerei, das es vermutlich ermöglichen wird, künftig auf eine reine Beschuldigung hin Daten von Journalisten zu beschlagnahmen und zu sichten, die Erhebung biometrischer Daten, u.a. für den Personalausweis,die Abschaffung des Bankgeheimnisses usw. usw. usw. Hier wird klar: Datenschutz mag uns vielleicht vor Unternehmen schützen, keinesfalls jedoch vor dem Staat. Die Abschaffung des Safe-Harbor-Abkommens könnte dazu führen, dass in Europa tätige Unternehmen Daten über uns künftig in Europa speichern und verarbeiten müssen, wo Behörden es wesentlich leichter haben, darauf zuzugreifen. Der Verfassungsschutz ist uns nunmal näher als die NSA, wie Michael Seemann völlig zurecht anmerkt.

    Das ist aber nur die ganz große Linie. Kommen wir zu den praktischen Auswirkungen. Sämtliche Datenverarbeitung personenbezogener Daten in den USA ist nun quasi illegal, es sei denn, das Unternehmen kann nachweisen, dass diese unter Einhaltung deutschen bzw. europäischen Datenschutzrechtes geschieht. Einschlägige Artikel enthalten Sätze wie „Wer Geschäftspartner in den USA hat, sollte…“. Das klingt jetzt, als betreffe das nur irgendwelche großen Unternehmen, die halt drauf klarkommen müssen, während die Bürger sich freuen dürfen, dass ihre Daten das Land nicht mehr verlassen. Das Problem ist nur, dass davon zahllose Dienste betroffen sind:

    Facebook

    Mir ist nicht so ganz klar, warum Facebook sich überhaupt europäischem Datenschutzrecht unterwerfen muss. Sie könnten sich auch offiziell aus dem europäischen Markt zurückziehen. So lange auf Facebook zugreifen kann, wer will, bleibt der Dienst schließlich benutzbar und solange wir kein Pendant zur „Great Firewall of China“ haben, kann kein EU-Einwohner davon abgehalten werden, Facebook trotzdem zu benutzen. Facebook hätte es alledings schwerer, in der EU Werbung zu verkaufen. Ich bin mir sicher, dass dies durch Agenturen lösbar wäre. Probleme bekommen die ganzen Online-Medien und Blogger, die gerade Like-Buttons und ähnliche Plug-Ins in ihre Webseiten eingebunden haben. Die stellen eine Auftragsdatenverarbeitung dar, die ab sofort legal nicht mehr durchgeführt werden kann. Theoretisch müsste ab heute jede Webseite, die solche Plugins enthält, abgemahnt werden können.

    Amazon

    Amazon verkauft nicht nur Bücher und Zeugs sondern sammelt auch viele Daten über seine Kunden. Ich glaube, dass sie viel schwerer davon betroffen sind. Jedenfalls müssen sie jetzt streng darauf achten, Daten über ihre Kunden nur noch in der EU und nach entsprechend strengen Regeln zu bearbeiten. Wie die Empfehlungsalgorithmen mit der im BDSG festgelegten Datensparsamkeit vereinbar sind, ist mir schleierhaft. Mich würde interessieren, ob Amazon konsequent gedacht nicht mehr in der EU Ware ausliefern darf (bzw. Bestellungen dort den Status von Importen bekämen) oder ob es bei reinen Abmahnungen bliebe. Was auch immer die Folgen wären: Zalando & Co. wird’s freuen.

    Google

    Die Verwendung von Google-Diensten wie Google Doc, Tabellen usw. ist ab sofort nicht mehr möglich, jedenfalls nicht, wenn darin beispielsweise Kundendaten enthalten sind, was schon der Fall ist, wenn auch nur ein Mailwechsel über Gmail stattfindet. Unternehmen, die gerne kollaborativ arbeiten möchten, müssen nach Alternativen suchen – die fast alle ebenfalls aus den USA stammen, allen voran Microsoft Office 360. Damit ist es aber noch nicht getan. Das Web ist zugekleistert mit Adsense und Google Analytics, die nun schlagartig illegal sein dürften, da die Standardverträge zur Auftragsdatenverarbeitung, die ihnen zugrunde liegen, ohne Safe Harbor obsolet sind. Die Google, sorry, Alphabet-Tochter Doubleclick ist das größte Werbenetzwerk der Welt. Können sich die deutschen Online-Medien wirklich erlauben, ohne die Einnahmen aus diesem Netzwerk auszukommen? Aber nicht nur Unternehmen speichern und verarbeiten Daten in den USA. Das tun alle, die beispielsweise ein Android-Telefon verwenden und ihre Kontakte darin speichern. Abgeschaltet werden kann das nicht, nur nach längerer Konfigurationsorgie oder indem alternative Betriebssysteme wie Cyanogenmod installiert werden, wobei häufig die Garantie verloren geht. Müsste man nicht also konsequenterweise jetzt davon ausgehen, dass der Vertrieb von Android-Geräten in der EU aus diesen Gründen als illegal zu betrachten ist? Hinzu kommen die vielen Apps aus Google Play. Zwar kann niemandem privat verboten werden, Apps wie WhatsApp zu benutzen. Da aber eine datenschutzkonforme Nutzung nicht möglich ist, frage ich mich, inwiefern es zukünftig noch legal sein kann, solche Apps in Deutschland über einen App Store anzubieten.

    Microsoft

    Hier gilt vieles schon, was ich zu Google sagte. Mit dem Erscheinen von Windows 10 wurde Microsoft hart dafür kritisiert, sehr viele Daten von den Rechnern der User zu erheben – bis hin zu einem Keylogger. Können Unternehmen noch von ihren Mitarbeitern verlangen, mit Windows-Rechnern zu arbeiten? Können Windows-Rechner künftig noch legal vertrieben werden?

    Apple

    Apple geriert sich selbst in letzter Zeit gerne als sensibel für den Datenschutz. Das ist natürlich Augenwischwerei. Auch bei der Nutzung von Apple-Geräten von iPhone über Mac Books bis zum iTV entstehen Daten, die in den USA gespeichert und verarbeitet werden. Insbesondere hat Apple mit iAd eine eigene Werbeplattform, die sich auf die Apps im eigenen App Store bezieht und garantiert nicht ohne die Erhebung von Nutzerdaten zur Adressierung auskommt. Interessant wäre auch die Frage nach Zahlungsdaten, die bei der Nutzung von Apple Pay entstehen. Was natürlich genauso für Google Pay gilt und für:

    Kreditkartenunternehmen und Zahlungsdienstleister

    Sie sind alle international aufgestellt und verarbeiten Daten über Ländergrenzen hinweg. An ihnen hängen zahllose Händler, Hersteller und Anbieter. Ist ohne Safe-Harbor-Abkommen eigentlich noch legal, die Bezahlung über Paypal in seinem Online-Shop anzubieten? Und was ist mit Bitcoin, das von seiner ganzen Grundstruktur sowieso quer zu allen nationalen Gesetzen liegt und die jetzt schon nicht mehr regelbare Auftragsdatenverarbeitung per Blockchain an alle Teilnehmer weltweit delegiert?

    Und jetzt?

    Ich habe in der Aufzählung sicherlich noch etliche Dienste und Anwendungsfälle vergessen. Wie ich eingangs schon sagte, durchschaue ich auch nicht wirklich, wie weit das Datenschutzrecht eigentlich greift und welche von mir genannten Gedanken Quatsch sind. Für sachdienliche Hinweise in den Kommentaren bin ich sehr dankbar. Selbst wenn etliche der Punkte, die ich nenne, gar nicht von Safe Harbor berührt werden, zeigt diese Aufstellung deutlich, wie wenig machbar klassischer Datenschutz überhaupt noch ist. Ihn konsequent durchführen zu wollen, hieße dem Internet den Stecker ziehen. Das finde nicht nur ich absurd. Was wir brauchen, ist kein strengerer Datenschutz sondern Schutz vor Diskriminierung (nach Datenmissbrauch) durch Unternehmen und Behörden. Aber Safe Harbor ist weg. Was passiert jetzt? Was ich im Netz so lese, kristallisieren sich Szenarien heraus, die auch parallel eintreten könnten.

    1. Safe Harbor 2.0

    Alle beteiligten merken, dass ihr Versuch, einen harten Datenschutz zu etablieren, ungefähr der gesamten Nutzung des Netzes in ganz Europa den Stuhl unterm Hintern wegzieht und wahrscheinlich auch sehr negative Auswirkungen auf die (Online-)Wirtschaft haben wird. EU und USA bauen sich deshalb ein Safe Harbor 2.0. Eventuell steigt das Datenschutz-Niveau. Das wird Jahre dauern. Bis dahin leben Wirtschaft und Bürger mit erheblicher Rechtsunsicherheit. Neue Abmahnwellen werden Schäden hinterlassen und Existenzen vernichten.

    2. Binding Corporate Rules

    Das ist ein Rahmen von Richtlinien beim Umgang mit personenbezogenen Daten, innerhalb dessen Unternehmen arbeiten können. Die Anwendung solcher BCR gerade in den großen Unternehmen könnte ein Ersatz für das weggebrochene Safe-Harbor-Abkommen sein. Allerdings sind Fachleute der Meinung, dass die Anwendung solcher BCR ähnlich wie das Safe-Harbor-Abkommen auch bald vom EuGH gekippt werden könnte. (Link trage ich  nach, sobald ich wiedergefunden habe, wo ich das las.)

    3. Datenverarbeitung findet in Europa statt

    Daten werden künftig nur noch in der EU gespeichert und verarbeitet. Das können sich natürlich nur große Unternehmen leisten, kleinen wird der Markteintritt in die EU erschwert. Für europäische Unternehmen wird das Leben etwas leichter, da sie nicht mehr strengeren Gesetzen unterworfen sind als die anderen. Datenschutz wird großflächig für Unternehmen gelten, die Staaten und ihre Behörden schaffen sich weiterhin nach Gusto ihre Ausnahmen, wo sie es brauchen.

    4. Zustimmung per Klick

    Die einfachste und wahrscheinlichste Lösung. Datenschutz in Deutschland funktioniert nach dem Prinzip: „Alles ist verboten, was nicht explizit erlaubt wurde.“ Demzufolge können sich Unternehmen auch die Genehmigung für ungefähr alles per Vertrag von ihnen Kunden genehmigen lassen. Wer nicht unterschreibt oder nicht das entsprechende Häkchen unter eine Datenschutzbelehrung klicken mag, muss halt auf Facebook verzichten oder damit leben, dass das frisch gekaufte iPhone nur noch ein hübscher Briefbeschwerer ist. Im gedankenlosen Wegklicken nicht gelesener Nutzungsbedingungen haben wir ja schon langjährig Routine. Ändern wird sich: Genau nichts.

     

  • Links der Woche

    • A surprising number of adults are open to brain chip implants:

      “Vrge polled 1,002 adults across the U.S., and discovered that a full 25 percent would be willing to safely implant a chip in their brains to get Internet access—compared to just 11 percent from a similar poll in 2008. And apparently men are much more open to the idea. Thirty-five percent of men would be down for the procedure, but only 15 percent of women said the same.” 

    • Ist Verhütung dank dieser gummibärchengroßen Erfindung bald nur noch Männersache?:

      “Ein Tüftler aus dem Speckgürtel Berlins hat ein Samenleiterventil erfunden, mit dem Männer per Schalter entscheiden können, ob sie fruchtbar sein wollen oder nicht.“

    • World’s First Drone Airport—the „Droneport“—To Be Built in Rwanda | The Creators Project:

      “Norman Foster’s architect firm, Foster + Partners, plans to build the planet’s first drone airport in Rwanda. The idea behind the so-called “droneport” is to support cargo drones delivering medical and emergency supplies to remote areas of Africa. Since the road networks and transport infrastructure on the continent isn’t sufficent to reach many villages and people, drones could be a cost effective way to resolve this.“

    • Liebe Bundesregierung: Macht Freifunk nicht kaputt!:

      “Projekte, die durch den Einsatz maßgeschneiderter Router-Software freie Funknetzwerke aufbauen, stellen Internetzugänge für Geflüchtete bereit. Die vergangenes Jahr weitgehend unbeachtet beschlossene Funkregulierungs-Richtlinie der EU könnte dazu führen, dass in Zukunft nur noch zertifizierte Software auf WLAN-Routern installiert werden kann. Dies würde es den Initiativen unmöglich machen, in Zukunft weiter solche Netze aufzubauen.“

    • Wunsch zum Tag der Deutschen Einheit: Einfach mal Zuhören statt “Ihr hattet ja nichts”-Gerede:

      “Wirklich, so einfach ist es: Wer „Ihr hattet ja nichts“ sagt, weiß nicht, wovon er spricht. Die meisten Menschen haben die DDR nie gesehen oder erzählen auf Nachfrage bestenfalls von irgendwelchen Reise-Erlebnissen und erschütternden Erfahrungen, dass es beim Besuch nur eine Sorte Cola gab und die »Zonies« so merkwürdig gekleidet waren.“

    • Es geht ums Ganze! | Freifunkblog:

      “Während die Öffentlichkeit gerade erfährt, wie wichtig das sogenannte „digitale Glas Wasser“ – nämlich der freie Zugang zum Internet via WLAN – besonders auch im Kontext der Flüchtlinge – ist, unternehmen EU und Bundesregierung alles Erdenkliche, um dem freien WLAN den Garaus zu machen.“

    • Die Belagerung der Automobilbranche hat begonnen:

      “Der Bedarf an Autos in der Bevölkerung wird stark zurückgehen. Man könnte mit Bezug auf die parkenden Autos auch sagen, dass die Automobilbranche zu 90 Prozent auf unbenutzten Produkten basiert. Wenn sich auch nur ein großer Teil dieser Ineffizenz mittels softwarebasierten Diensten abschaffen liese, würde die klassische endkundenorientierte Automobilbranche wie eine Wirtschaftblase platzen. Man unterschätze hier nicht den radikalen Umbruch, wenn sich nur die Hälfte oder ⅓ des Marktes verschiebt. Wenn die etablierte Branche die Hälfte ihrer Kunden verliert.“

  • Links der Woche

    • Steiners Schatten über Kindergräbern:

      “Die Masernerkrankung verglich sie dabei mit einer Bergbesteigung und hatte selbst am Krankenhausaufenthalt ihrer Kinder Freude (nette Schwestern, dankbare Ärzte: endlich Masern!). Die Erkrankung ihrer Kinder sah die Mutter im Nachhinein als Auszeit. Eine Auszeit von einer Welt, auf die sie schimpft, weil sie so schnell und so anstrengend ist. Eine Welt, deren Zusammenhänge sie, das zeigt sich an ihrem Text, in großen Teilen nicht versteht. Und wenn Menschen in einem See esoterischer Ansichten krampfhaft Dunning-Krugern, um nicht zu ertrinken, kann Rudolf Steiner nicht weit sein.”

    • Das Netz kann alles, außer Gender:

      “Eine formale Kritik ist dagegen eher uninteressant, vor allem, wenn sie sich (wie in Dutzenden von Tweets und heute dann auch im Feuilleton (Inhaltswarnung: massive selbstverliebte Ignoranz) darauf beschränkt, sich über die (angebliche) Unverständlichkeit des Textes zu beömmeln ohne zu bemerken, dass das ja eigentlich mehr über die Beschränkungen des eigenen Textverständnisses aussagt als über den Text selbst. Würden dieselben Unterstrich-Verächter auch ihr Unverständnis mathematischer Fachtexte so begeistert in die Welt hinausposaunen?“

    • Unterm Zahlenkommando:

      “Die Macht der Algorithmen liegt im Glauben an die Richtigkeit ihrer Ergebnisse.“

    • Let’s Stop Pretending Steve Jobs Was an Artist:

      “Ford did not invent the car, just as Jobs did not invent the computer. He popularized the car, taking an invention that was, until then, for the elite, and democratizing it. He did this not just by making it affordable to the middle class; he also sold the public on the idea that his cars were essential to their lives, expressions of American vigor and independence. Eventually, the car supplanted the horse, forever altering American society.

      Ford shifted the car from being a status symbol to another kind of symbol, a more resonant and powerful symbol: something without which life was impossible to imagine. He created a need, where before there had been none.

      Sound familiar?”

    • Berlin Street : Mieterkrawalle in Berlin:

      “Natürlich waren die Wohnungen im 19. Jahrhundert um vieles schlechter als heute. Aber so wie schon damals werden Mieter von vielen Eigentümern als Melkkühe angesehen oder die Häuser dienen als Spekulationsobjekte. Einer der ersten größeren Proteste dagegen gab es im Jahr 1872.“

  • Links der Woche

    • Tal der Hundertjährigen: Geheimnis des langen Lebens:

      “Das Tal um Vilcabamba in Ecuador hat seine Faszination. Denn hier gibt es so viele Hundertjährige wie an wenigen andern Orten. Was ist das Geheimnis? ARD-Korrespondent Peter Sonnenberg hat sich für den Weltspiegel auf die Suche nach dem Rezept für das lange Leben gemacht.“

    • Kleine Szenen (2):

      “Punkfrisuren, Glatzen, Springerstiefel, das hilft alles nicht weiter. Ich starre die Leute an, die Leute starren mich an, warum gucken die eigentlich auch so? Erst nach einer Weile entdecke ich an einer der Figuren das “Refugees Welcome”-T-Shirt. “Ist okay”. sage ich zum Sohn, “kannst ruhig durchfahren.” Und die Demonstranten in Warteschleife machen jetzt lachend Platz und lassen uns durch. Da fällt mir erst ein, was ich selbst anhabe, und warum die wohl auch so geguckt haben: schwarze Klamotten, schwarzer Hoodie. Und sehr kurze Haare habe ich auch. Da kann man an solchen Tagen schon mal länger hinsehen und grübeln, wer hier nun was ist. In den Medien war zu lesen, dass sich an diesem Tag im Hamburger Hauptbahnhof zwei Antifa-Gruppen gegenseitig mit Flaschen beworfen haben, weil sie sich jeweils für Rechtsradikale gehalten haben. Keine Ahnung, ob das stimmt. Es kommt mir aber durchaus plausibel vor.“

    • Dies ist keine Burka | Kleinerdrei:

      “Jedes Mal, wenn in irgendeinem Artikel von Burka oder „Burka-Verbot“ die Rede ist, verdrehe ich genervt die Augen. Es gibt zehntausend Dinge, die mich an der deutschen Kopftuchdebatte nerven, und eines davon ist, dass die Leute keine Ahnung davon haben, was eine Burka ist und was nicht.“

  • Links der Woche

    • »Bei uns in der DDR ist das überwunden«:

      “In Leipzig kam es im Juni 1980 zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen 23 Kubanern, die im VEB Wälzlagerwerk und im VEB Blechformwerk in Leipzig beschäftigt waren, und mindestens 150 Deutschen. Die Kubaner wurden durch eine Einsatzgruppe der Volkspolizei mit acht Funkstreifenwagen und durch eine Einheit der Bereitschaftspolizei in eine Gaststätte gedrängt und dort festgehalten. Deutsche, die sich vor der Gaststätte versammelt hatten, forderten in einer Atmosphäre von Lynchjustiz die »Herausgabe der Kubaner« und riefen Parolen wie »Schmeißt die Kubaner aus der DDR raus« oder »Schlagt die Nigger und die Bullen, heute haben wir Gelegenheit dazu«. Volkspolizisten lösten mit Schlagstöcken diese »Menschenansammlung« in und vor der Gaststätte auf. Ein Polizist zog seine Dienstwaffe zu »Abschreckungszwecken«. Zwei Deutsche mussten schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Alle 23 Kubaner wurden dem Revier der Volkspolizei zugeführt und schließlich wurde gegen fünf Kubaner ein Ermittlungsverfahren wegen »Rowdytums« eingeleitet.”

    • Gedanken eines syrischen Masterstudenten in Deutschland:

      “If you live in a country, where the victims are just numbers, if the ways of death are various around you and all of the dead people are very close to you and your family, if you are not a part of the war and you do not support any side, in spite of that you lost your home, your job and maybe family members, then is there any solution other than leaving?“

    • Wenn „Bild“ sich einer Sache annimmt, bleibt nichts von ihr übrig — BILDblog:

      “Dann sieht man Julian Reichelt, rußverschmiert, noch mit der Fackel in der Hand, in den Trümmern der Flüchtlingsheime stehen und „Refugees welcome!“ schreien. Dann zeigen sie voll Mitgefühl die darbenden Griechen in der Suppenküche, in die sie sie selbst gesetzt haben.“

    • Dank Tesla habe ich endlich verstanden, warum Apple Autos bauen will.:

      “Das einzige, was die klassischen Auto-Hersteller wirklich können, was ihren großen Vorsprung heute noch ausmacht, ist es, dass sie souverän die wirklich komplexe Aufgabe meistern, die anfälligen, lauten, schweren Verbrennungsmotoren heute — nach hundert Jahren — zur absoluten Perfektion zu beherrschen. Das — und das allein! — ist es, was den Vorsprung grade der deutschen Autobauer ausmacht.

      Was aber, wenn diese Fähigkeit schlicht bedeutungslos wird — zumindest für die Autos, die aus Emissionsgründen elektrisch betrieben werden? “

    • Just Me and Allah: A Queer Muslim Photo Project:

      “I did not know that I was allowed to call myself Muslim while being queer.

      In Berlin, a few of my close friends are queer Muslims but the majority of them aren’t. It definitely gives me more hope to live in Berlin with this identity. Being with queer Muslims here is very empowering and healing for me. I feel supported now and it’s a great feeling to be allowed to embrace who I am. “

    • Hört auf mit dem Angstmachen!:

      “Angstmachen ist unanständig“

  • Links der Woche

    • Asking the Experts: Artificial Intelligence Leaders Answer AI’s Most Burning Questions (Part I):

      “In the early days, we had a prototype of Siri that had been developed over a few years as part of academic research–it had interesting technical ideas and seemed to be working quite well for many tasks. We then received our first data dump of 20 million business names, which we loaded into the system as vocabulary. I typed in our most basic natural language command, “start over,” (which is supposed to reset the system to a clean contextual state), and the system responded, “Looking for businesses named ‘Over’ in Start Louisiana”! At that moment, I realized that just about every word in the English language was a business name or geographic location, and that the combinatorial explosion of possible ambiguities was much larger than I had realized, and that there was a significant difference between an academic prototype and completely solving the problem.”

    • Besser nicht füttern:

      “Trolle treten in Sagen, Gedichten und Kindergeschichten auf. Neuerdings findet man sie auch im Internet. Das führt zu Missverständnissen. “

    • Das Weib, das Anna, das Merkel: Wie neutral sind Frauen?:

      “Sucht man nach Wörtern, die dieses sog. Genus-Sexus-Prinzip »verletzen«, stößt man dahinter auf Personen, die den üblichen Rollenerwartungen nicht nachkommen, z.B. auf schwule Männer (die Memme, die Schwuchtel, die Tunte) und auf sich »zu« männlich gerierende Frauen (der Vamp, der Drache). Für nicht rollenkonforme Frauen wird jedoch noch öfter etwas anderes gewählt, und zwar das dritte Genus, das Neutrum. Es enthält (im Vergleich zu den beiden anderen Genera) mit Abstand die wenigsten Personenbezeichnungen, scheint also tatsächlich eine Art »sächliches« Genus zu sein.“

  • Links der Woche

    • Entscheide dich endlich, Deutschland [Updates] « SPREEBLICK:

      “Ich schreibe diese unvollständige, subjektive Chronik auf, meine Erinnerungen an einiges, was mein Leben in Berlin und Deutschland im Zusammenhang mit Rechtsextremen beeinflusst hat, um mir selbst vor Augen zu führen, wie verdammt lange dieses Land schon unfähig ist, mit seit Jahrzehnten bekannten Gefahren von Rechts umzugehen. Wie lange schon im Deutschland der Nachkriegszeit rechter Terror verübt wird, der kleingeredet, ignoriert und bagatellisiert wird.“

    • {{articletitle}}:

      “Ich kann mich an Nächte erinnern, in denen wir (Kids, die keine Nazis waren) einfach an den Elbwiesen abhängen wollten, den billigen Tankstellen-Sangria in der Hand, wir uns aber nicht treffen konnten, ohne von Nazis quer durch die Stadt gejagt zu werden. Normalität in Sachsen.”

  • Generali-Versicherung: Brave new world

    tl;dr: Boni für „Wohlverhalten“ in Sozialversicherungen müssen grundsätzlich verboten werden.

    medis

    Die Generali-Versicherung will sein so genanntes „Vitality-Programm“ in Deutschland starten. Dabei wird individuell überwacht, wer nach Meinung der Versicherung einen gesunden Lebenswandel pflegt. Als Belohnung gibt’s Boni und Rabatte. „Überwachen“ ist hier das richtige Wort: Generali möchte erheben, wie regelmäßig die Versicherten ins Fitnessstudio gehen oder welche Produkte sie im Supermarkt einkaufen. Das ganze sei natürlich nur „freiwillig“ – die Frage ist, wie freiwillig das in Zukunft bleibt, wenn sich das als Trend verstetigt. Klar ist: Die Rabatte auf der einen Seite bedeuten zwangsläufig auch höhere Kosten auf der anderen Seite.

    Das läuft dem Grundgedanken einer Sozialversicherung zuwider. Die basiert auf dem Prinzip der Solidarität: Alle müssen einzahlen und denjenigen, die in Not geraten, wird geholfen. Bei reinen Risiko-Versicherungen, die freiwillig abgeschlossen werden, bin ich ohne weiteres bereit, solche Risiko-getriebenen Tarife zu akzeptieren und dort sind sie auch schon lange üblich. Das Problem liegt darin, in der Sozialversicherung eine „Versicherung“ zu sehen. Renten-, Pflege-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung sind keine Versicherungen im klassischen Sinne, sondern solidarisch finanzierte Sozialleistungen, die dazu dienen, die Gesellschaft zusammen zu halten.

    Gefährlich ist der Schritt, den Generali geht, auch aus anderen Gründen: Die Korrelationen zwischen Ernährung oder Sport ist eine statistische, das heißt, dass eine Gruppe von Menschen, die Sport treibt oder sich gut ernährt, in ihrer Summe gesünder ist, die Daten aber keinerlei Aufschluss über das einzelne Individuum zulassen. Das Prinzip „Schuld“ funktioniert bei Gesundheit schlicht und ergreifend nicht. Schon alleine weil sich die Ansichten der Medizin darüber, was in welchem Maße gesund oder ungesund ist, alle drei Tage ändert. Aber selbst wenn sich diese individuelle „Schuld“ zweifelsfrei feststellen ließe, zeigt ein Blick auf andere Versicherungen, wie absurd der Gedanke ist. So sind viele Behinderte wie beispielsweise Raul Krauthausen körperlich oft gar nicht in der Lage, ein klassisches Fitnessstudio zu besuchen und würden so diskriminiert.

    Das Beispiel zeigt auch, dass es sich hierbei nicht wirklich um eine Frage des Datenschutzes handelt. Die Daten an sich sind nicht das Problem und könnten für die medizinische Forschung sogar ausgesprochen hilfreich sein. Das Problem ist hier die Verwendung der Daten zu Zwecken der Diskriminierung. Für Nerds: Hier handelt es sich um eine Verletzung der Netzneutralität. Träger öffentlicher Aufgaben müssten grundsätzlich einem Diskriminierungsverbot unterliegen – so ist es seit einigen Jahren den privaten Krankenversicherungen verboten, höhere Tarife von Frauen zu verlangen, die statistisch gesehen im Laufe des Lebens höhere Kosten verursachen, weil sie Kinder bekommen könnten und länger leben. Das hieße für die Generali: Sammelt von mir aus, was ihr wollt, solange das freiwillig geschieht, erforscht bitte gerne weiter die medizinischen Zusammenhänge und setzt anhand der Daten gerne Präventionsprogramme auf – aber Rabatte und Boni sind tabu. Ich tendiere selten dazu, nach gesetzlichen Verboten zu rufen, aber hier wäre eines angebracht.

    Diese Versuche, eine Mehr-Klassen-Medizin zu schaffen, sind auch nicht neu, und ich meine damit nicht die ohnehin schon schlimme Zwei-Klassen-Medizin wegen der Existenz  der privaten Krankenversicherung: Meine gesetzliche Krankenversicherung wirtschaftet gut. Das heißt, ihr ist in den Schoß gefallen, dass sie überwiegend junge, gesunde und wohlhabende Versicherte hat, und überweist mir deshalb 80 € im Jahr als eine Art „Rendite“. Schon das ist vor dem Hintergrund, dass Menschen manchmal größte Probleme haben, dringend nötige medizinische Hilfe finanziert zu bekommen (Beispiele: Hilfsmittel für Behinderte, Übernahme psychologischer Behandlungen…) für sich schon ein Skandal.

    Was Generali tut, ist ein Schritt in Richtung einer ungerechteren Gesellschaft in einem Bereich, der die Grundrechte der Bürger gleich doppelt tangiert: Gesundheit und zunehmender Druck, den eigenen Lebenswandel überwachen zu lassen. Sollte Generalis Strategie ein ökonomischer Erfolg werden, sehe ich schon die ersten Gesundheitspolitiker verschiedener Parteien, derlei Überwachung auch im Rahmen der ewig klammen gesetzlichen Krankenkassen zu fordern. Dann ist schnell auch Schluss mit „freiwillig“.

  • Nazis beschimpfen

    tl;dr: Nazis sind nicht dumm, fett, psychopathisch, behindert oder autistisch sondern Nazis.

    nazikacke

    In meiner Timeline auf Facebook und Twitter macht sich Wut breit – Wut auf Nazis, Fremdenfeinde und geistige Brandstifter. Das ist gut. Dabei kommt auch eine bisweilen lustige Ansammlung von Schimpfwörtern zusammen. Das ist aber nur auf den ersten Blick amüsant, denn…

    Nazis sind nicht „dumm“. Wahrscheinlich sind viele Nazis wirklich „dumm“, aber die Definition von IQ ist, dass die Hälfte der Menschheit weniger schlau ist als der Durchschnitt. Dafür kann sie nichts. Es gibt auch ausgesprochen intelligente Nazis, genauso wie es sehr viele „dumme“ Menschen gibt, die die Gutmütigkeit selbst sind. „Dumm“ zu nennen, was eigentlich „bösartig“ ist, verharmlost Nazis und macht sie zu ein paar unschuldigen Jungs, die halt „Dummheiten“ begehen.

    Nazis sind nicht fett. Kann sein, dass Nazis überdurchschnittlich dick sind – manche Bilder lassen das vermuten – allerdings essen dicke Menschen zuviel, treiben zu wenig Sport, haben eine Essstörung oder einfach nur eine ungünstige genetische Veranlagung. Jedenfalls: auch sie können wenig bis nichts dafür.

    Nazis sind nicht psychopathisch. Natürlich habe ich keine Zahlen. Vielleicht ist eine psychische Störung bei einigen Voraussetzung dafür, das nötige Gespinst aus Verschwörungstheorien und Menschenfeindlichkeit zu entwickeln, um Nazi zu sein, aber psychische Störungen sind einfach nur eine Krankheit. Den Begriff ihrer Krankheit als Schimpfwort zu verwenden, hilft nicht gegen Nazis, trägt aber dazu bei, kranke Menschen zu stigmatisieren. (Gegenprobe: Einfach mal schauen, wie das klingt, Nazis als „Diabetiker“, „MS-Patienten“, „Grippale“ oder „Krebskranke“ berschimpfen. Funktioniert nicht? Bingo!)

    Nazis sind nicht autistisch. Autismus hat nämlich nichts mit Empathielosigkeit und Menschenfeindlichkeit zu tun. Autisten haben eine Störung in der Reizverarbeitung ihres Gehirns, die unter anderem dazu führt, dass sie oft Schwierigkeiten haben, die Emotionen ihrer Mitmenschen intuitiv zu lesen. Sie zünden aber deshalb keine Flüchtlingsunterkünfte an, unter anderem, weil sie sehr wohl zu Empathie fähig sind und sich dabei auch größte Mühe geben.

    Nazis sind auch keine „Spasten“. Spastiker sind Menschen mit neurologisch bedingten Lähmungen oder Störungen, was zu Fehlhaltung, eingeschränkter Beweglichkeit und Problemen unter anderem bei der Artikulation führt. Hat nebenbei übrigens gar nichts mit Intelligenz zu tun. Spastiker gehören zu den Behinderten, die selber gerne von Nazis verjagt werden.

    (Übrigens sind Nazis auch keine Sachsen. „Sachse“ wird seit Ulbricht zwar auch ganz gerne benutzt, um sich über andere Menschen lustig zu machen, und sicher haben wir eine prägnante Häufung in Sachsen, was Rechtsradikalismus betrifft, allerdings leben sehr viele Leute in Sachsen, die angesichts der Situation in ihrem Bundesland schier verzweifeln. Für die ist es sicherlich ganz besonders hilfreich, jetzt mit all den Nazis in einen Topf geworfen zu werden.)

    Warum ich das schreibe? Zwei Gründe:

    All diese Schimpfwörter machen Schubladen auf: Sie bezeichnen Randgruppen, die im Ansehen der Gesellschaft so niedrig stehen, dass es offenbar okay zu gehen scheint, sie als Schimpfwort zu benutzen. Darin liegt schon der Keim des Denkens, sich besser als andere zu fühlen. Und genau das ist schon der erste Schritt in Richtung Nazi: Sie sind Möchtegern-Übermenschen. Sie haben das Ideal des schönen, blonden, nordischen Ariers und ihr Lieblingshobby ist, aggressiv alle anderen scheiße zu finden, die nicht diesem Ideal entsprechen und sie das möglichst auch körperlich fühlen zu lassen – zum Beispiel unter Anwendung von Baseballschlägern. Menschen, die behindert sind, krank, zu dick, insgesamt nicht leistungsfähig oder sonst wie nicht ihren Idealen entprechen, nennen sie „Volksschädlinge“ und wenn sie könnten, würden sie sie gerne vergasen oder wenigstens in Lager sperren. Natürlich ist es lustig, anzusehen, wie wenig der jämmerliche, grölende Haufen mit diesem Ideal des „Herrenmenschen“ gemein hat genauso wie es „lustig“ ist sich anzusehen, wie wenig „arisch“ Hitler und seine Spießgesellen aussahen – trotzdem ist niemand auf die Idee gekommen, sie zum Beispiel als jüdisch zu beschimpfen. Aus Gründen.

    Das andere ist: Wer Nazis als „dumm“, „Autist“, „Psychopath“, „fett“ oder „Spast“ beschimpft, stigmatisiert nicht eine Reihe von Menschen, die von gesellschaftlichen Idealen abweichen, sondern verharmlost, dass Nazis vor allem eins sind: Empathiefreie Arschlöcher, Unmenschen, gewalttätige Menschenhasser, sich selbst als Opfer stilisierende Großtuer, Popelgourmets die ihren Mitmenschen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, respektlose Kleingeister, intolerante Gartenzwergzüchter, für die alle Menschen genau so leben müssen, wie sie selber es für richtig halten, sture, argumentresistente Schwadronierer, von denen wir gar nicht wissen, ob sie zuhören können, weil sie deutlich zeigen, dass sie nicht zuhören wollen, dreiste Wortverdreher, die sich buttersanft „besorgte“ Bürger nennen und ihre Ansichten mit „Ich bin ja kein, Nazis, aber…“ kaschieren, weil sie eben ganz genau wissen, dass sie eigentlich antisoziale Arschlöcher sind – oder eben ganz einfach: Nazis.

    Das sind doch viel schönere Schimpfwörter, oder?

    Update: Einige stören sich an den Begriff „Unmensch“. Ich würde damit den Nazis die Menschlichkeit absprechen.Vielleicht gibt es verschiedene Auffassungen dieses Begriffs. Abgesehen davon, dass ich seltsam finde, dass Leute ausgerechnet dann solche Feinheitheiten hervorkramen, wenn es um Nazis geht, verweise ich auf den Duden und möchte mich auch so verstanden wissen: „grausam gegen Menschen oder Tiere, ohne (bei einem Menschen zu erwartendes) Mitgefühl“.

    Update: Einigen fehlt hier „besorgte Bürger“. Das ist allerdings kein Schimpfwort, obwohl es auf dem besten Wege ist, sich dorthin zu entwickeln.