Der Herr der Ringe – Die Gefährten

19. Dez 2001, Kinopolis, Hamburg

Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht,
Sieben den Zwergenherrschern in ihren Hallen aus Stein,
Den Sterblichen, ewig dem Tode verfalln, neun,
Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron
Im Lande Morder, wo die Schatten drohn.
Ein Ring sie zu knechten, sie alle zu finden,
ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden
Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.

Ein Gedicht, das den Fans leichte Schauer über den Rücken jagt. Es wird im Film zitiert: der Zauberer Gandalf sagt es auf, als er Frodo, dem Hobbit, erklärt, was es mit „Onkel Bilbos Ring“ auf sich hat. Und Frodo, der im blühenden, idyllischen Auenland lebt, wird selbst am Ende des ersten Teils den ganzen Schrecken, der von dem Ring ausgeht, nicht begreifen können. Könnte er es, würde er wohl nie auf seine Fahrt gehen. Seine Aufgabe ist es, den Ring quasi vor der Haustür des dunklen Herrschers zu vernichten. Unterstützt wird er von einer Gruppe aus Hobbits, Menschen, Elben und Zwergen…

Gähn? „Der Herr der Ringe“ ist eine klassische Fantasy-Geschichte. Falsch: Es ist die klassische Fantasy-Geschichte. 1954 erschien das dreibändige Werk, das Tolkien als Spielerei begann – das Hobby des Philologen war es, sich Sprachen auszudenken. Schnell wurde daraus eine Mythologie und schließlich eine Welt, (Mittelerde) und eine Geschichte. Kein Fantasy-Roman, kein Rollenspiel kommt um Elemente aus Tolkiens Büchern herum.

Nun, hier soll es um einen Film gehen, nicht um ein Buch. Ich habe keine Vorstellung, wie jemand reagiert, der es nie gelesen hat. So ein Zuschauer wird vielleicht Kitsch und Klischees sehen, er wird sich vielleicht auch einfach an den tollen Bildern berauschen. Tatsache ist: Er wird die tieferen Zusammenhänge nur ansatzweise begreifen. Hier ähnelt die Verfilmung stark dem „Namen der Rose“.

Und wie bei „Der Name der Rose“ macht es einfach nichts. Denn heraus kommt immer noch ein packendes, unterhaltsames, gruseliges Fantasy-Abenteuer, das das gesamte Genre neu definiert. Peter Jackson hat es verstanden, was er nicht erzählen kann, in die Bilder fließen zu lassen. Und das ist im dermaßen gut gelungen, dass dem Zuschauer oft schlicht die Luft weg bleibt bei dem gebotenen Spektakel. Anders gesagt: Angesichts von „Die Gefährten“ hätte sich George Lucas seine „Episode 1“ vom Krieg der Sterne und dem, was da noch folgen soll, sparen können. Absolut.

Warum ist „Die Gefährten“ ein nahezu perfekter Film? Beginnen wir bei der Regie und der Kamera. Handwerklich vom feinsten trifft Peter Jackson stilsicher und genau das richtige Bild. Seine Erfahrung als Independent- und Horrorfilmer war sicher hilfreich, den Schrecken des Ringes, die Ringgeister und die Ork-Horden ins Bild zu setzen. Tatsächlich ist der Film über weite Strecken wesentlich gruseliger als die meisten akutellen Horrorfilme. Nicht nur gruseliger, auch grausamer. Teilweise wird in Braveheart-Manier gemetzelt, was die Klinge hergibt. Und all das wird durchaus in Tolkiens Sinne gewesen sein, denn auch die Buchvorlage spart nicht mit drastischen Szenen. Eines kann man Jackson nicht vorwerfen: Dass er irgendwas verbogen hätte. Wenn er Lacher einbaut oder verschiedene Identifikationsfiguren im Plott hat, dann nicht, um sich am Schema F entlangzuhangeln, sondern weil es die Vorlage so will.

Auch das Casting ist nahezu perfekt. Eliah Wood gibt überzeugend den verängstigten, introvertierten und gemütlichen Hobbit Frodo. Ian MacKellen ist Gandalf, wie er wirklich im Buche steht. Und Christopher Lee schafft es tatsächlich, Saruman zu sein, ohne dass wir auch ein einziges mal versucht sind, an Dracula zu denken. Mein Favorit für den Oskar in der besten Nebenrolle ist aber auf jeden Fall die schon dämonisch gut spielende Cate Blanchett als Elbenfürstin Galadriel.

Muss ich noch erwähnen, dass die Spezialeffekte einfach nur genial sind? Dass die Orks in ihrem Aussehen die schlimmsten Erwartungen noch übertreffen? Dass Gollum phantastisch ins Bild gesetzt ist? Dass hier Szenerien, Bauwerke und Landschaften auf die Leinwand gezaubert werden, gegen die das einst viel bestaunte antike Rom in „Gladiator“ wirkt, wie eine Pixelgrafik aus einem C64?

Natürlich gibt es ihn, den „Enttäuschungsfaktor“. Bei der Verfilmung eines Buches, das etwa 100 Millionen mal verkauft wurde und nach Umfragen das meistgelesene Buch des 20. Jahrhundert ist, kann man es einfach nicht jedem recht machen. Viele subtile Beiläufigkeiten oder Höhepunkte, zum Teil ganze Handlungsstränge, finden wir im Film nicht wieder. Dem Fan mag es einen Stich geben, besonders, wenn man das Buch wie ich 14 mal gelesen hat. – Trotzdem, der Fan schweigt und genießt. Und fragt sich, wenn schon der erste Teil, der eigentlich wenig „Action“ hat, derart opulent, monumental und brutal ausfällt – was dann wohl erst Teil 2 und 3 bringen mögen, in denen die großen Kriege und Schlachten geschildert werden.

USA/Neuseeland 2001, 165 min
mit Eliah Wood, Ian McKellen, Cate Blanchett, Christopher Lee
Regie: Peter Jackson