Vorratsdatenspeicherung: Hurra, der Pumuckl ist wieder da!

 

tl;dr: Warum die neuen Leitlinien zur Vorratsdatenspeicherung noch schlimmer sind als die Gesetze zuvor.

vds

Manchmal bin ich ein wenig für die Vorratsdatenspeicherung. Wenn beispielsweise Stalker, Mobber oder Trolle einem das Leben zur Hölle machen, wäre es toll, die Identität der Angreifer herausfinden zu können. Wer sich technisch aber ein wenig auskennt, weiß aber dass IP-Adressen keine Beweiskraft haben und ein solches Gesetz im globalen Internet sowieso nichts ausrichtet.

Dennoch versucht eine Regierung nach der anderen (immer unter Beteiligung von SPD und CDU), die Vorratsdatenspeicherung in immer neuen Anläufen durchzusetzen. Was gespeichert werden soll, geht weit über IP-Adressen hinaus und klingt nach dem feuchten Traum von Ermittlungsbehörden: Wer hat wann wem welche E-Mail geschickt, wann mit wem telefoniert und vor allem sich wann wo mit seinem Telefon aufgehalten? Bundesverfassungsgericht und Europäischer Gerichtshof haben diese Ansinnen kassiert, weil sie auf Generalverdacht und Totalüberwachung der Bevölkerung hinauslaufen.

Doch schon der Richterspruch des Verfassungsgerichts ergab, dass eine Vorratsdatenspeicherung unter bestimmten Umständen mit dem Grundgesetz vereinbar sei: Berufsgruppen die Geheimnisträger sind, müssen ausgenommen werden, es muss einen Richtervorbehalt geben, die Abfrage muss auf „schwerste Delikte“ (oder „schwere“, da gibt es offenbar mehrere Sprachregelungen) begrenzt sein und die Daten müssen vor „Diebstahl“ geschützt werden. Genau das hat sich die Regierung jetzt in die Leitlinien für einen neuen Gesetzesentwurf geschrieben, der dann irgendwann die nächsten Monate durchs Parlament soll.

Dabei sind diese Einschränkungen ausgesprochen fragwürdig, weil Gerichte notorisch überlastet sind, um Fälle hinreichend gut zu prüfen, Straftatenkataloge gerne mal nachträglich angepasst werden und das mit den Geheimnisträgern nicht so einfach ist: Ab wann ist man beispielsweise eigentlich Journalist? Viele Menschen arbeiten wie ich regelmäßig in einem Teil ihrer Zeit journalistisch, ohne einen Presseausweis zu besitzen. Tja und die Datensicherheit. Daten sind unglaublich schwer zu schützen. Man denke nur an die vielen, vielen Leaks und Hacks der letzten Jahre und veröffentlichte Listen mit Millionen von Kreditkartendaten. Wenn ich daran denke, wieviele Behörden-PCs noch mit Windows XP laufen, wird mir ganz anders.

Und jetzt kommt der Teil, der den neuen Anlauf noch schlimmer macht als all die Versuche zuvor: Um die auf Vorrat gespeicherten Daten zu schützen, wird ein neuer Straftatbestand geschaffen: Datenhehlerei. Dazu gibt es noch keinen Gesetzesentwurf, aber ich wette jetzt schon mehrere Kisten Mate, dass sich dieser neue Straftatbestand nicht auf die Vorratsdatenspeicherung beziehen sondern allgemein gehalten sein wird. Damit werden dann Whistleblower in Zukunft nicht stärker geschützt sondern noch weiter kriminalisiert.

Darüber redet die Regierung natürlich nicht. Sie will uns beschwichtigen: Das ganze sei schließlich ein Kompromiss, weil die Daten nach den neuen Leitlinien nur noch 10 Wochen gespeichert werden sollen statt wie in früheren Entwürfen sechs Monate. Das findet Justizminister Heiko Maas so frappierend, dass er seine noch vor vier Monaten in der Süddeutschen hinausposaunte strikte Ablehnung nun revidiert. Aber der Tweet ist ja auch älter als 10 Wochen…


Bleibt die Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof das Gesetz dann in ein paar Jahren kippt. Der hat in dieser Sache bisher nämlich strenger geurteilt als das deutsche Verfassungsgericht. Dann wäre wieder Ruhe, aber nur bis die nächste Regierung unter Beteiligung von CDU und SPD einen neuen Anlauf nimmt.

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