Upgrade für mein elektrisches Ohr

Wer Cochlea-Implantate hat, kann grundsätzlich alle paar Jahre neue Prozessoren dafür beantragen. Bei meinen beiden Implantationen 2011 hatte ich das Nucleus N5 (CP810) von Cochlear bekommen. Mittlerweile bietet Hersteller den Nachfolger des Nachfolgers, also das N7 (CP1000), das mich unter anderem wegen der Möglichkeit, sich mit einem iPhone zu koppeln, interessierte. Um den Sprachprozessor zu wechseln, ist kein chirurgischer Eingriff nötig. Der auszutauschende Prozessor wird wie ein Hörgerät äußerlich getragen und versorgt das eigentliche Implantat, das nicht ausgetauscht wird, über eine Sendespule mit Signalen. Also machte ich letzten Herbst einen Termin mit meiner Klinik und durfte das neue Modell ein paar Wochen testen.

Nach der Testphase überprüften wir mein Sprachverständnis, wobei sich insbesondere das Hören in Störschall ein gutes Stück besserte. Mit den Messergebnissen stellte die Klinik einen Antrag auf Kostenübernahme. In der Wartezeit durfte ich auch noch das Vorgängermodell Nukleus N6 (CP910) testen. An das N7 lässt sich nämlich kein analoges Audiokabel mehr anschließen, weshalb ich unsicher war, ob ich wirklich direkt zum N7 oder doch erstmal nur zum N6 wechseln wollte, mit dem das noch geht. Denn das Implantat per Kabel mit einer analogen Klangquelle verbinden zu können, war mir schon sehr wichtig. Letztlich entschied ich mich dann aber doch für das N7.

Heute morgen kam das Paket per UPS zu mir nach Hause. Ich war etwas überrascht, dass ich gar nicht mehr in die Klinik musste, sondern die fertig programmierten Prozessoren direkt erhielt. Ein wenig war das wie ein Überraschungsei, denn in den Schachteln waren lauter Einzelteile, die ich erst einmal zusammenbauen musste. Das dauerte allerdings nur wenige Minuten, sodass ich an der Tagung, die heute auf dem Programm stand, gleich schon mit dem neuen Gehör teilnehmen konnte.

Das Ergebnis war großartig. Der Klang ist wesentlich plastischer, ich konnte den Vorträgen mühelos folgen und mich ebenso mühelos in den Vortragspausen verständingen, ohne ein einziges mal nachfragen zu müssen. An sich funktionierte das auch schon mit dem alten Prozessor ziemlich gut, allerdings nur bei sehr leisen und sehr lauten Störgeräuschen. Sprache aus mittellautem Stimmengewirr etwa in einem Restaurant heraushören war mit dem N5 eher schwierig und geht bei mir mit dem N7 erheblich besser.

Der Scan-Mode passt sich sehr gut an die Umgebung an, ohne ständig auf auffällig hörbare Weise die Lautstärke wegsacken zu lassen, kommt mir allerdings manchmal etwas zu leise vor. Besonders krass wirkt beim N7 der in allen Programmen zuschaltbare Forward-Focus, der radikal alle Geräusche wegschneidet, die von hinten kommen. Im Straßenverkehr womöglich gefährlich, auf Tagungen, in Kneipen und Restaurants ausgeprochen angenehm.

Der Nachteil des CP1000 ist wie gesagt, dass sich keine Audioquellen per Kabel mehr anschließen lassen. Dafür kann ich es drahtlos mit dem iPhone koppeln. Wann immer ich einen Anruf erhalte oder einen Podcast starte, höre ich einen kurzen Signalton und bekomme den Klang des Telefons für außenstehende unhörbar in meinen Hörnerv gestreamt. Die Qualität ist dabei allerdings minimal schlechter als bei einer analogen Kabelverbindung. Gelegentlich kommt es zu klanglichen Artefakten. Da ist also noch Luft nach oben, aber unterm Strich ist es dermaßen komfortabel, dass einem das Hantieren mit dem Audiokabel innerhalb kürzester Zeit als unglaublich fummelig und unpraktisch erscheint.

Ich kann mich also ohne weitere Hilfsmittel nur mit Smartphones oder Tablets verbinden, nicht jedoch mit PCs und analogen Klangquellen. Hierzu verwende ich das Minimic von Cochlear. Dessen Klangqualität lässt allerdings zu wünschen übrig. Gelegentlich rauscht es oder es kommt zu Störungen, die ähnlich klingen wie eingehende SMS in schlecht abgeschirmten Boxen. Außerdem ist der Frequenzbereich nochmal stark eingeschränkt, wie sich zum Beispiel auf Youtube leicht rausfinden lässt. Aber für den Schreibtisch reicht es. Eigentlich ist das schlecht, weil ich gelegentlich halt wirklich ein Audiokabel in guter Qualität benötige. Ich habe deshalb ein wenig damit gehadert, ob das CP1000 nicht ein Fortschritt mit eingebautem Rückschritt ist.

Allerdings war ich in der Testphase auch im Funkhaus und habe dort ganz normale Kopfhörer benutzt. Die verwende ich eigentlich nicht so gerne, weil sie nicht bequem sitzen, wenn sie statt der Ohrmuschel das Cochlea-Implantat beschallen sollen, dessen Mikrofone oberhalb des Ohres sitzen. Allerdings erwies sich die Klangqualität als so gut, dass ich dem Audiokabel nicht nachtrauern sondern mir große, weiche, gut klingende Kopfhörer besorgen werde, sobald ich sie für eine Audioproduktion benötige.

Kopfhörer brauche ich auch aus einem anderen Grund. Spätestens mit dem drahtlosen Streaming vom Telefon aufs Cochlea-Implantat ist für meine Mitmenschen völlig unsichtbar, dass ich gerade Musik oder einen Podcast höre. Das führt immer wieder zu Verwirrung, wenn sie mich ansprechen – etwa um nach dem Weg zu fragen – und ich natürlich nichts verstehe, weil ich gerade was anderes höre. Ich spiele deshalb schon lange mit dem Gedanken, mir möglichst große, weithin sichtbare „Laber mich nicht an“-Kopfhörer zu beschaffen. Attrappen sozusagen.

Warum Cochlear Nucleus N5

Ich hatte vor ein paar Wochen darüber gebloggt, dass ich mich beim CI zwischen dem Nucleus N5 von Cochlear und dem Maestro von Med-El entscheiden musste, aber ganz vergessen, zu erzählen, wie ich mich entschieden habe, und warum. Meine Wahl fiel auf das N5. Sitzen tun anscheinend beide, wobei es fürs N5 noch so einen extra Bügel zum Beispiel für Jogger gibt und das Gehäuse spritzwassergeschützt ist. Den Stromverbrauch habe bei der Entscheidung nicht berücksichtigt – Batterien wechseln muss ich ja sowieso dauernd.

Ausschlaggebend war: Beim N5 lassen sich mehr Parameter einstellen als beim Maestro. In Kombination damit, dass die Klinik zu 75% N5 implantieren und daher mehr Erfahrung damit haben, erhoffe ich mir einfach die bessere Anpassung. Dann das Thema Fernbedienung vs Einstellmöglichkeiten direkt am Gerät, welche beim Maestro fehlt. Es ist zwar richtig, dass man normalerweise möglichst wenig umschalten müssen sollte, aber wenn, dann möchte ich das direkt am Gerät können, ohne auf eine Fernbedienung angewiesen zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass spezielle Programme zum Sprachverständnis in lauter Umgebung u.U. eben doch hilfreich sein könnten.

Am Med-El hätte mich das längere Implantat für die Bassfrequenzen gereizt, habe aber zu häufig die Aussage „zu dumpf“ gelesen. Tatsächlich verteilt sich ja die gleiche Zahl Elektroden auf mehr Raum. Gerade vom Maestro hätte ich deshalb eine höhere Zahl von Elektroden erwartet. Aber ausgerechnet das N5 hat 22 statt 12 Elektroden. Auch wenn sich die höhere Auflösung doch nicht so bemerkbar macht, finde ich das ziemlich sinnvoll und denke, dass sich da technisch – auch für die Zukunft – mehr rausholen lässt. Bisher haben Technologie-Trends immer solche Werte erhöht, auch wenn Fachleute sagen „braucht man gar nicht“ (Taktfrequenz, Speicher, Megapixel…)

Der letzte Grund, mich gegen das Med-El zu entscheiden, war dann der Werbeprospekt. Der N5-Prospekt beschreibt relativ klar die Technik der Geräte und verzichtet auf Schnickschnack. Der Med-El-Prospekt gibt Testimonials sehr viel Raum. Da wird dann mit Versprechungen wie „schon nach 1 Woche telefonieren“ gearbeitet oder einem 12jährigen CI-Träger, der Keyboard spielt und in der Schule Chinesisch lernt. Auch wenn diese Beispiele im Einzelfall stimmen mögen: Ein solches Spiel mit den Hoffnungen der Behinderten ging mir sehr gegen den Strich.

In etwa 36 Stunden wird das Chochlea-Implantat eingeschaltet. Ich bin gespannt, wie das sein wird…