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  • Postprivacy my ass – von der Utopie des perfekten Filters

    Postprivacy beschreibt das Ende der Privatsphäre im Zeitalter der totalen Vernetzung. Die Kontrollverlust-Debatte dreht sich darum, was Privatsphäre, Privatheit und Öffentlichkeit eigentlich bedeuten und wie sie in eine digitale Welt hinüber zu retten sind, was man auch den konservativen Ansatz des Datenschutzes nennen könnte – oder aber ob Datenschutz vielleicht völlig obsolet ist in einer Welt umfassender Datensammlungen, auf die ubiquitär und in Echtzeit zugegriffen werden kann – der progressive Ansatz, der nach Michael Seemann in eine neue Ethik gipfelt, welche das Zurückhalten von Daten als unmoralisch begreift und von ihm selbst „radikal“ genannt wird. Nicht mehr der Sender soll entscheiden, was er von sich preisgibt, sondern der Empfänger die absolute Souveränität darüber erlangen, wie er filtert. Die Verweigerung von Information sei deshalb ethisch verwerflich, da das Recht des Empfängers, auf eigene Weise zu filtern, eingeschränkt würde. Unbeantwortet bleibt die Frage, warum der Empfänger ein solches Recht überhaupt haben sollte. Die Informations- und Meinungsfreiheit gibt ein solches Recht nicht her, wie ich noch darlegen werde.

    Radikales Öffentlichmachen von bisher Privatem – im Grunde also das Konzept des Outings – zwingt die Öffentlichkeit geradezu, sich mit unangenehmen Dingen auseinander zu setzen und diese auf irgend eine Weise zu akzeptieren und in ihre Kultur einzubauen – oder aber zu bekämpfen. Das Coming-Out in der Schwulenbewegung wird immer wieder als Paradebeispiel dafür angeführt, dass es nicht darauf ankomme, Information zu unterdrücken und Privatsphäre irrelevant sei, sondern nur darauf, wie die Information gefiltert und verwertet wird, um die Gesellschaft zu verändern.

    Das ist eine ziemlich Steile These: Ja, wir haben 30 Jahre nach dem Christopher Street Day ein Klima, in dem Homosexuelle zumindest in westlichen Ländern ihre Orientierung einigermaßen frei von Diskriminierung ausleben können. Wir haben aber auch Fälle von Übergriffen wie derzeit in Osteuropa, wir haben die Todesstrafe auf homosexuelle Handlungen unter Männern in islamischen Ländern, wir haben Selbstmorde von Jugendlichen, weil herauskam, dass sie schwul sind. Homosexualität ist nur ein Beispiel. In den westlichen Ländern gibt es noch immer genügend Tabus, deren Outing uns in der Familie, im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz massiven Ärger machen können und längst nicht immer handelt es sich um Dinge, für die man etwas „böses“ tun muss oder juristisch belangt werden kann.

    Das gilt erst recht, wenn man den globalen Maßstab hinzunimmt. Eine Seltsamkeit der Kontrollverlustdebatte ist, dass nie darüber geredet wird, wie sich ein Tool wie Gaydar bei schwulen iranischen Facebook-Nutzern auswirken würde. Das Internet ist global und kann auch nicht mehr national heruntergebrochen werden, worauf wir in anderem Zusammenhängen wie „Zensursula“ oder der Urheberrechtgsdebatte nicht müde werden hinzuweisen. Für die Kontrollverlustdebatte werden aber noch nicht einmal die Maßstäbe der liberalen westlichen Demokratien zu Grunde gelegt sondern das am Anarchismus schrammende Lebensgefühl der digitalen Boheme in Berlin Mitte.

    Die platte Antwort auf Outing-Risiken aller Art: Das sei eben ein Problem der Gesellschaft, und überhaupt sei das Seemannsche Gedankengebäude rund um die Konsequenzen des Kontrollverlustet ja auch eine Utopie. Utopie ist so ein Wort, bei dem wir ganz genau hinhorchen sollten. Utopien wurden noch nie in der Menschheitsgeschichte verwirklicht und schon gar nicht so, wie sich ihre Vordenker das vorgestellt haben. Wer „Utopie“ sagt, glaubt entweder selber nicht so recht, was er da propagiert, oder ist einer Ideologie verfallen.

    Wenn man Thomas Morus liest, stellt sich immer mehr das Gefühl ein, eine Beschreibung der DDR zu lesen – von der Vereinheitlichung der Wohnverhältnisse (Plattenbau!) bis zur künstlich geschaffenen Insel in Abtrennung zu den Nachbarstaaten (Mauer). Ihm war die Welt zu chaotisch und er wollte mehr Gerechtigkeit aber auch mehr Ordnung schaffen – teils nach höchst subjektiven Kriterien.

    Utopien sind mit dem Ende der mittelalterlichen Scholastik aufgetreten. Utopisch denkende Menschen glauben nicht mehr an jenseitige Verheißungen, sondern kritisieren das Diesseits und machen Verbesserungsvorschläge. Utopien und Visionen sind für einen Diskurs unbedingt nötig. So finde ich die Vision vom bedingungslosen Grundeinkommen dermaßen bestechend, dass ich sie propagiere und unterstütze, auch wenn ich mich wegen der ökonomischen Verwerfungen, die sie auslösen könnte, nicht trauen würde, sie von heute auf morgen einzuführen, wenn ich König von Deutschland wäre.

    Es ist kein Zufall, dass Utopien in Europa mit der Aufklärung aufkamen, als das Christentum die Hoheit über das Denken verlor. Grundlage jedweder Utopie ist das Aufstellen von Regeln, an die sich dann alle zu halten halten haben, auf dass wir alle glücklich werden.  Damit ist sie prinzipiell totalitär – eine Verweigerung wird als Verfehlung angesehen. Der Verfechter einer Utopie darf sich ohne schlechtes Gewissen als etwas besseres fühlen als der Gegner, schließlich steht er wahlweise auf der Seite des Fortschrittes oder der reinen Lehre.

    Der Totalitarismus-Vorwurf wird freilich im Lager der Google-Fanboys und Anbeter des Kontrollverlustes als Beleidigung aufgefasst. Schlecht gefiltert, kann ich da nur sagen, schließlich unterscheidet sich totalitäre Herrschaft von autoritärer dadurch, dass ein neuer Mensch zu formen ist, um eine Ideologie durchzusetzen. Und hier geht es um Herrschaft, legt doch Michael Seemann selbst nahe, dass sich sein Netz-Übermensch durchaus vom Nietzsche-Übermenschen und dessen Herrenmoral herleitet – die aber die Sklavenmoral als Kontext und gesellschaftlichen Resonanzboden benötigt.

    Tatsächlich ist das Filtern von Information über eine Person, ohne dass diese Person an der Filterung mitbestimmen oder die Herausgabe der Information gar verweigern kann, ein Akt der Herrschaft, die voraussetzt, dass Information unter Zwang preiszugeben ist. (Bei freiwilliger Preisgabe wäre es auch sinnlos von „Kontrollverlust“ zu sprechen – dafür müssten wir ein neues Wort einführen, zum Beispiel „Selbstkontrollverlust“ oder einfach „Dummheit“.)

    Es ist sogar gerade so, dass die Meinungs- und Informationsfreiheit Datenschutz geradezu voraussetzt. Daten können sehr wohl absichtlich falsch interpretiert und in infame Zusammenhänge gestellt werden, die dafür sorgt, dass die eigentliche Meinung eines Menschen völlig verzerrt wird. Der Filternde, der ja aufgrund seiner gefilterten Daten ein persönliches Urteil fällt, maßt sich an, besser über eine Person urteilen zu können, als diese Person selbst. Wenn jemand nicht frei darin ist, selber zu entscheiden, welche Informationen er preisgeben möchte und welche nicht, ist ihm damit indirekt die Meinungsfreiheit entzogen: Der Empfänger darf noch meinen, der Sender aber nicht mehr seine Meinung auf eine Weise kundtun, wie er gerne verstanden werden möchte.

    Der Filternde legt sich seine Realität so fest, wie er sie gerne hätte. Irgendewann könnte es dann ein Korrelat von Eigenschaften geben, welches irgendwelche Zukunftsnazis als hassenswert empfinden könnten und auf dessen Basis sie ein paar (Tausend? Millionen?) Menschen umbringen, ohne dass diese Menschen eigentlich wissen, welches abstrakte Eigenschaftenbündel das nun eigentlich begründen soll. Sowas passiert nicht? Auch nicht mit Blick auf die letzten 100, 2000 oder 10000 Jahre Menschheitsgeschichte? Wirklich nicht?

  • Links der Woche

    • „Das Buch als Geldbäumchen“ Von Kathrin Passig:

      »Zwischen 20 und 28 war ich sehr stolz auf meine Bücher«, schreibt mein Koautor Aleks Scholz, »damals hatte ich noch kein Internet zu Hause. Ich stand oft abends davor, ging an ihnen entlang und sie gefielen mir. Dann nahm ich eines heraus und las darin, nach genussvollem Auswahlprozess. Die Bücher waren eine Verlängerung meiner Persönlichkeit, sie trugen zu dem bei, was ich sein wollte. Ich habe sie im Wesentlichen gekauft, weil ich jemand sein wollte, der diese Bücher besitzt. Seit meinem Umzug nach Kanada hatte ich kein Buch mehr bei mir. Ich habe sie nie vermisst.«

    • Video: Cooking with ingredients from Heligan: Squirrel with red wine and juniper – Telegraph:

      Der Fernsehkoch bereitet uns ein Eichhörnchen vom Rand der Landstraße zu…

    • Die unerträgliche Lameness des Web 2.0:

      Im Ernst: Es wird Zeit für Web 3.0 – persönliche News. Mir doch egal, aus welchem Feed die kommen. Ich will die Dinger einmal sehen, dahinter ein mehrdimensionales Gewicht haben (kam von 5 Bekannten, 3 RSS Newstickern, 8 Freundes Blog-RSS rein, ist bei Rivva trending topic, ist bei Twitter Deutschland trending, 13 mal gefavt und 876 mal auf Facebook geliked: Das ist vielleicht wichtig für Dich), mit dem ich die verschiedenen Quellen der Nachricht für mich nachsehen kann.”

    • Google Street View ist totalitär!:

      Wenn die Bewohner von verpixelten Häusern damit rechnen müssen, dass ihre Gebäude fotografiert oder mit Eiern beworfen werden, dann hört der Spaß endgültig auf.”

    • Wie ich unter Terrorverdacht geriet:

      Das muss man sich mal vorstellen, ich war verdächtig weil ich ein Lied in einer anderen Sprache gehört habe. Unfassbar. Danke Bundesregierung. Ich möchte nicht wissen wie es Menschen geht die auch noch eine andere Hautfarbe haben!”

    • Woher weiß die Seepocke, wie lang ihr Penis sein muss? | Fischblog:

      Die Natur löst dieses Problem elegant, indem sie die Seepocken überdurchschnittlich gut ausstattet: Der Seepockenpenis ist bis zu zehn mal so lang wie das Tier selbst. Das reicht allemal, um einen Artgenossen im näheren Umkreis zu begatten, zumal Seepocken hermaphroditisch sind, also grundsätzlich alle Nachbarn als Partner in Frage kommen.”

    • Interview mit Wash Echte („Ich werde ein Berliner“):

      “Ich glaube, die Berliner Elite hat im Grunde Angst vor echtem urbanem Pluralismus”

    • Der Kanzlerin ihr Bundes-iPad:

      Dass Politiker manchmal ein Brett vorm Kopf tragen, ist bekannt. Neu ist: jetzt haben sie auch ein iPad. Noch im Juli kam es zum Eklat im Bundestag, weil der FDP-Abgeordnete Jimmy Schulz seine Rede von einem iPad ablas. Die Zuhilfenahme elektronischer Kommunikationsmittel im Plenarsaal ist nämlich nicht erlaubt. Im Oktober dann beriet der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung. Ergebnis: Computer sind fortan gestattet, jedoch dürften die Geräte nicht aufklappbar sein, keinen Lüfter haben und auch keine mechanische Tastatur besitzen.

    • Graphic: Anatomy of a stoning | Posted | National Post:

      Was man gar nicht so genau über Steinigungen wissen möchte…

    • EU-Richtlinie zur „Bekämpfung von Kinderpornografie“:

      Künftig muss daher ein 14jähriger, der in seiner Privatheit eine nackte 17jährige Schönheit zeichnet, in jedem Mitgliedstaat kriminalisiert werden. Ebenso eine 16jährige, die auf ihrem PC die virtuelle Darstellung eines gleichaltrigen nackten jungen Mannes generiert.

  • Apple kann keine Mäuse bauen

    Klingt etwas krass, aber stimmt leider: Ausgerechnet Apple, die Firma, die als erstes im größeren Stil eine grafische Oberfläche vermarktet hat, kann keine Mäuse bauen. Jedenfalls nicht die letzten 10 Jahre. Glaubt ihr nicht? Dann hört mal zu:

    2001 Die erste fertige Version von Mac OS X kommt auf den Markt. Das System kennt Kontextmenüs. Für Apple kein Anlass, Mäuse mit einer rechten Maustaste anzubieten. Apple braucht noch ein paar Jahre um zu kapieren, dass ein Kontextmenü über die rechte Maustaste eine irrsinnig einfache und elegante Angelegenheit ist, die nicht einfacher wird, wenn wenn man nur eine Maustaste hat und dazu gleichzeitig was auf der Tastatur drücken muss. Frühe iMacs wurden sogar noch mit dem unsäglichen Puck ausgeliefert, der für die meisten Hände zu klein war. Viele Leute kauften sich hässliche Verlängerungen aus Plastik, um Sehnenscheidenentzündungen zu vermeiden.

    2005 Apple schafft es endlich die rechte Maustaste anzubieten – nicht ganz frei von Trotz, denn es fehlt weiterhin physikalisch eine zweite Taste. Vielleicht hat Steve Jobs ja eine Wette abgeschlossen und muss in die Hölle, wenn er Mäuse mit mehr als zwei Tasten baut oder sowas in der Art. Die Maus hat einen Sensor, der den Finger erkennt. Geradezu revolutionär: Fast 10 Jahre später als Microsoft liefert Apple ein Mausrad zum scrollen. Das allerdings gleich in Form eines knubbeligen Bällchens für alle Richtungen, das nicht ganz ohne Erotik ist, aber leider anfängt zu nerven, wenn die Maus ein bis zwei Jahre alt ist. Dann nämlich muss das Bällchen immer wieder gereinigt werden, wozu es allerlei Rezepte im Netz gibt: das Gehäuse aufknacken, Tesafilm reinfummeln oder das Bällchen mit starkem Druck auf Pappkarton herumrollen. Alle Methoden haben eines gemein: Man muss sie irgendwann mehrmals täglich anwenden oder die Maus wegwerfen.

    2009 Endlich: Das elende Bällchen ist Vergangenheit. Die Magic Mouse hat eine Touch-Oberfläche. Zwar verliert sie gelegentlich mal die Bluetooth-Verbindung zum Rechner (mit Kabel gibt es nicht und die mitgelieferten Batterien halten ungefähr einen Monat) und braucht dann auch nur 1 bis 2 Minuten, um wieder zu funktionieren, aber immerhin: Kein Bällchenputzen mehr. Dafür ist die Maus aber sehr sensibel. Liegen beide Finger auf dem Mausrücken (bei mir für Links- und Rechtsklick immer der Fall), muss man sehr drauf achten, sie nicht zu bewegen. Die kleinste Bewegung kann als Scrollaufforderung aufgefasst werden. Normalerweise stört das nicht weiter, aber sobald man sich in Anwendungen wie Google Maps und Streetview befindet, muss man schon höllisch aufpassen…

    2010 Die Magic Mouse hatte ich nur ein paar Monate. Jetzt steht hier ein Magic Trackpad. Ich mag es sehr. Alle oben beschriebenen Probleme gehören damit der Vergangenheit an und wegen der Größe des Pads ist die Bedienung noch nicht einmal fummelig, wie man es sonst von Laptops gewöhnt ist. Auch bei einem großen Monitor mit einer Auflösung von 1920 x 1080 kommt man mit einem Wisch in alle Ecken und das Scrollen mit zwei Fingern macht jetzt erst so richtig Spaß. Dafür ist das ganze etwas weniger Präzise, aber das mag an der Übung liegen.  Neben der Alu-Tastatur jedenfalls macht es sich sehr schick.

    Mal sehen, wie ich in ein paar Tagen und Wochen darüber denke. Sonst kauf ich mir halt eine Maus von Microsoft.

  • Keine Weiterhin Links der Woche mehr (Update)

    So, die Links der Woche stelle ich hiermit wieder ein. Habe etwas praktischeres gefunden und ein kleines Nebenblog auf Tumblr aufgemacht. Dort werfe ich in Zukunft die Fundstücke rein, die ich nicht groß bebloggen kann, aber mehr als nur einen Tweet wert sind. Werde aber nach einer Möglichkeit schauen, automatisiert wöchentlich die dort gesammelten Perlen hier nochmal als Linkliste zu posten. Kenn jemand ein passendes Script? Und dann muss ich mir mal ansehen, ob das auch nicht zu spammig wird.

    Update: Ich habe ein WordPress-Plugin gefunden, das genau das tut, was ich bisher manuell machte: Immer schön sonntags um 12.00 Uhr die Links der Woche raushauen – diesmal aber anhand der Einträge im o.g. Tumblr-Blog. Das Plugin heißt RSS-Digest und scheint prima mit WordPress 3.0.1 zu funktionieren. Allerdings hat der Tumblr-Feed eine kleine Macke: Er enthält die Überschrift doppelt (einmal als Link und einmal ohne Link), was zu unschöner Verdoppelung bei der Wiedergabe aus dem Feed führt. Hierzu habe ich Zeile 136 in rss-digest php manipuliert und schlicht den Titel rausgeworfen. Dadurch wird auch nicht mehr zum Tumblr-Blog verlinkt sondern nur noch zum ursprünglichen Artikel, was ich auch besser so finde. Es scheint zu funktionieren und ist scharf gestellt. Jetzt warte ich mal gespannt den kommenden Sonntag ab.

  • Mein 10. Bloggergeburtstag

    Heute vor 10 Jahren habe ich meinen ersten Blogpost geschrieben. Damals noch unter ennopark.de (wo hinter den Kulissen derzeit eine Baustelle ist, weshalb sie auf Xing verweist) schrieb ich 19. November 2000:

    Eine Leseratte bin ich (fast), so lange wie ich denken kann. Und als Kind habe ich mir natürlich so meine Gedanken gemacht. Zum Bleistift, dass es eigentlich gar nicht so schwer sein kann, sich all diese Geschichten auszudenken. Ich dachte immer, die eigentliche Kunst der Schriftsteller wäre es, ihre Geschichten so zu schreiben, dass alle Zeilen gleich lang sind und hübsch untereinander stehen.

    Ja, das „zum Bleistift“ ist mir heute peinlich, aber damals hat man noch so reden dürfen. Kein Themchen.

    Natürlich gabs noch kein WordPress – schlimmer noch, ich kannte das Wort „Blog“ entweder noch nicht oder wusste nur so halb, was das ist. Ich aktualisierte noch manuell meine HTML-Dateien mit Editor und FTP-Programm, aber in bestem Bloggersinne: Datum, Überschrift, Text und das neueste immer zuoberst. Bald wanderte das ganze auf die Domain eBlog.de, Filmkritiken standen auf Kultfilme.net – ein Projekt, das endete, als ich aufhörte, als Filmvorführer zu jobben. Ich weiß bis heute nicht recht, was ich noch mit der Domain anfangen soll. Hat jemand Interesse?

    eBlog.de, auf dem mal ein in PHP selbst geschriebenes Blogsystem lief, dessen Posts in Spalten angeordnet und horizontal scrollbar waren (Microsoft hat das bei Windows Phone 7 von mir geklaut ^^), habe ich schließlich verkauft. Ersatz war die Ennomane, wie ihr sie kennt. Sie ist jetzt etwa 5 Jahre alt und wenn ich ehrlich bin: bis Sommer 2008 Jahre habe ich hier quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit gebloggt. Sehr viel irrelevanten und privater Kram, den ich größtenteils schon wieder getilgt habe. In den Kommentarspalten flirteten die immer gleichen drei Leute miteinander. Erst seit Twitter hat sich das drastisch geändert. Und naja, fefe hat mich mal verlinkt und sowas…

    Mittlerweile habe ich hier und auf anderen Blogs viele Leser und kann meinen Lebensunterhalt zu weiten Teilen vom Schreiben bestreiten – für mich beglückend. Das wäre ohne Euch – meine Leser – nicht möglich. Dafür sage ich Danke! Eine Party gibt es nicht, aber ich werde morgen das St. Oberholz unterwandern, wenn mein Freund Michael Bukowski dort unter dem Motto „5 Jahre, 10 Bände, 0 Sinn“ den neuesten Band der Lektüre für Nichtleser vorstellt. Da stoße ich gerne mit Euch an.

  • Sind wir reif für Streetview, wenn wir den Wunsch nach Verhüllung nicht akzeptieren?

    Also nun ist Streetview endlich online. Mein Haus ist nicht verpixelt, trotz der Kita im Erdgeschoss – das Haus, das ich demnächst besichtigen werde, hingegen schon. Die Verpixelung ist wirklich hässlich. Seit Tagen, nein mittlerweile Wochen quäle ich mich zu einer Meinung. Ich verstehe das Kopfschütteln eines Jeff Jarvis sehr gut, ich verstehe den Zorn von Michael Seemann und die Aktion von Jens Best, die verschollenen Häuser nachträglich zu fotographieren, was im übrigen legal ist. Trotzdem kann ich sie nicht gutheißen und werde mich ihnen nicht anschließen.

    Weiter geht es auf carta.info

  • Psychoprofile und Schulessen: Aggessivst-Marketing bei der HASPA

    Der zweite Klein-Skandal bei der Hamburgischen Sparkasse in diesem Herbst: Erst vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die HASPA Abbuchungen und Überweisungen ihrer Kunden auswertete, um Psycho-Profile zu gewinnen. Die Kunden wurden dabei anhand ihres Lebenswandels, soweit er für die Bank analysierbar war, in Typen eingeteilt: Abenteurer, Performer, Disziplinierte, der Bewahrer, Genießer und Hedonist.

    Hedonisten sollten zum Beispiel – so lernten es die Kundenberater auf Schulungen – bei ihrem Spieltrieb gepackt werden, während sie versuchen sollten, bei Bewahrern Ängste zu wecken, um sie zum Kauf eines Finanzproduktes zu bewegen. Zunächst dementierte die HASPA den Einsatz der Analyse-Software, musste das ganze später doch zugeben und verlautbarte dann, Software samt Profile nicht mehr einzusetzen.

    Egal, der Schaden war da und die Kunden haben gelernt – im Zweifel wird ihnen nicht das für sie beste Produkt empfohlen sondern das, welches die Bank meint, ihnen am besten und profitabelsten verkaufen zu können. Der auf Hamburg beschränkte Skandal geriet ganz schnell wieder aus dem Focus. Zurück blieb nur das ungute Gefühl, welche Bank wohl noch alles diese Profiling-Software einsetzt. Der Hersteller dürfte vermutlich mehr als nur einen Kunden gehabt haben.

    Kaum ist Gras über die Sache gewachsen, lese ich heute die nächste fiese HASPA-Story: Zusammen mit einer Hamburger Grundschule hat die Bank Eltern dazu gedrängt, Konten für ihre Kinder zu eröffnen. Dabei ging es nicht um harmlose Werbung wie wir sie alle kennen – so mit Weltspartag und 5 Euro aufs neue Sparbuch geschenkt – die Essensausgabe der Schule sollte auf Geldkarten umgestellt werden. Bei den Eltern wurde der Eindruck erweckt, die Kinder müssten zwingend eine HASPA-Geldkarte samt Konto besitzen, um sich ihr Mittagessen in der Schulkantine kaufen zu können. Die Schulleitung hat bei dem ganzen Spuk mitgespielt – vermutlich weil Geld geflossen ist und sei es als legales „Sponsoring“.

    Immerhin stellte die Schulbehörde die Sache innerhalb kurzer Zeit richtig. Die Kinder werden weiterhin zahlen können wie sie wollen, die verantwortlichen Lehrer haben einen Rüffel erhalten. Fragt sich nur, was die verantwortlichen Marketing-Leute sich eigentlich bei ihren Aktionen denken. Es handelt sich um eine Sparkasse, eine öffentlich-rechtliche Bank, die ausdrücklich nicht primär dem Gewinnstreben dient sondern Infrastrukturaufgaben wahrzunehmen hat. An der Spitze sitzt eigentlich kein 25%-Ackermann. Versagt hat hier aber auch die Politik: Offenbar ist die schwarzgründe Stadtregierung mit der Kontrolle einer Sparkasse überfordert – oder heißt sie derlei Vorgehen wirklich gut?

  • Abofalle (Update)

    Ich gehöre zur Sorte „aufgeklärter Verbraucher“, die normalerweise nicht auf Abofallen und dergleichen hereinfällt – sollte ich aber jemals eine arrogante „Selberschuld-Haltung“ gegenüber solchen Leuten gehabt haben, darf ich mich jetzt an die eigene Nase fassen. Es geht um Software für die Steuererklärung, und zwar nicht WISO. Über die Software mit dem ZDF-Label gibt es ja genug Geschichten im Netz und in der c’t nachzulesen.

    Ich benutze seit Jahren das sehr ähnlich aussehende Konkurrenzprodukt, die „Steuersparerklärung“ der „Akademischen Arbeitsgemeinschaft“. Zunächst, weil es im c’t-Test am besten abgeschnitten hat, dann weil es sich über die Jahre als wirklich genau und zuverlässig erwiesen hat uns schließlich weil der Hersteller seriös ist  – dachte ich zumindest.

    Heute erhielt ich nämlich eine Mail: Ich habe vor einem Jahr ein Abo abgeschlossen. Ich könne die neue Version herunterladen, hier sei mein Key und die Rechnung erhielte ich in den nächsten Tagen. What the fuck? Ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, ein Abo abgeschlossen zu haben. Tatsächlich habe ich letztes Jahr das Programm erstmals nicht in der Schachtel sondern als Download erworben. Ich bin mir sicher: Einen halbwegs auffälligen Hinweis auf ein Abo hätte ich gesehen.

    Ich mag das Programm, es ist gut und preiswert. Meinen Vorwurf der Abofalle kann ich mangels Screenshots des Bestellvorganges vor einem Jahratürlich nicht beweisen  – ich kann lediglich der Meinung sein, dass es so war, die Software nochmal bezahlen und ein Jahr nutzen – und das Abo kündigen und mir für 2012 eine andere Steuersoftware suchen. Ich mag so ein Gebaren nämlich gar nicht. So leicht verliert man Kunden…

    Update: Ich habe tatsächlich die 3 Mails des Bestellvorganges erhalten.

    • In der ersten Mail steht „Sie haben die Steuer-Spar-Erklärung 2010 als Download erworben.“ Es folgt der Freischaltcode samt Hinweisen zum Download. Kein Hinweis aufs Abo.
    • Die zweite Mail ist eine Bestellbestätigung (sie kam offenbar tatsächlich nach der ersten) und enthält den Text „Herzlichen Dank fuer Ihre Bestellung bei der Akademischen Arbeitsgemeinschaft. Zu Ihrer Sicherheit und Information hier noch einmal Ihre Bestelldaten:“. In der ganzen Mail kein Hinweis auf ein Abo.
    • Die dritte Mail kam einen Tag später und enthielt eine Rechnung als PDF. Dort ist der Artikel tatsächlich ausgewiesen als „SteuerSparErklärung 2010 Download mit Aktualitätsgarantie (Jahresabonnement)“.

    Wie gesagt, kann ich mich nicht daran erinnern, im Bestellvorgang selber auf ein Abo hingewiesen worden zu sein. Wie wirkt sich das eigentlich auf Dinge wie das Rückgaberecht aus, wenn den Bestätigungsmails usw. jeder Hinweis auf ein Download fehlt, die Käufer die Software natürlich sofort herunterladen, installieren und nutzen und dann einen Tag später eine Rechnung enthalten, in der das Wort „Abo“ erstmal deutlich sichtbar ist (wo ich es allerdings trotzdem übersehen habe).

  • Links der Woche

    Endlich: Lobbyismus für Dummies

    https://www.youtube.com/watch?v=P_QVyOGnIrI

  • Kirchensteuer

    Ein Schrieb vom Finanzamt flattert ins Haus: Von einer Kirchenmitgliedschaft hingen nicht nur Rechte (welche eigentlich?) sondern auch Pflichten ab, darunter die Kirchensteuer. Im Namen der erhebenden Kirche bittet mich das Finanzamt darzulegen, ob ich getauft und/oder ausgetreten sei. Der Brief hat mich geärgert: Ich empfinde ihn als Belästigung. Ich bin vor fast 19 Jahren ausgetreten und es ist absolut nicht mein Problem, ob die katholische Kirche das intern und dem Finanzamt gegenüber (das mich als nicht kirchensteuerpflichtig führt) auf die Reihe bekommt oder nicht. Ich empfinde es als Zumutung, Zeit und Porto auf eine Antwort verschwenden zu müssen. Interessieren würde mich mal, was passiert, wenn ich nicht antworte. Beweislastumkehr? Muss ich beweisen, dass ich kein Kirchenmitglied bin, oder die dass ich eines bin?

    Klebrig wie eine Sekte, dieser Verein. Als sei es nicht ärgerlich genug, dass der Staat der Pfafferei fette Gehälter und Pensionen in den Hintern schiebt – und zwar zusätzlich zur Kirchensteuer aus dem Staatshaushalt. Und als würden diese ganzen Krankenhäuser, Kindergärten und übrigen pädagogischen Indoktrinationsanstalten nicht so schon 100% staatlich bezahlt aber trotzdem von Pinguinen kontrolliert. Ach was reg ich mich auf: Kopie von der Kirchenaustrittserklärung gemacht und in den Umschlag gesteckt. Da steht ein Datum drauf, das ich mir in den Kalender schreibe; und ich freue mich über die Erinnerung: Nächstes Jahre werde ich am 4. Advent meinen 20jähriges Austrittsjubiläum anstelle von Weichnachten feiern…