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  • Der Cyborg hört.

    Und zwar einen elektrisch klingenden, an den Rändern etwas diffusen 800 1200-Hertz-Ton, wenn ich die Zahl richtig verstanden und behalten habe. Diesen Ton höre ich heute seit dem ersten Einschalten des Cochlea-Implantates immer. Jedes Geräusch ist ein kurzes oder langes „Wling“. Sprache ist ein „Wlingwlingwlingewliiingwling“ im Rhythmus des Sprechers. Es ist das, was viele als „Xylophon“ umschreiben, auch wenn ich nicht finde, dass es so klingt.

    Dieses „Wling“ wird mich noch bis zu zwei Monate begleiten. Es ist die Grundfrequenz aller elektrischen Impulse, die mein Gehirn leider auch akustisch wahrnimmt, aber bald ignorieren wird. Tatsächlich schälen sich hinter diesem „Wling“ langsam andere Geräusche heraus. Vor allem Geklapper mit Geschirr oder einem Schlüsselbund klingt relativ normal, sind aber räumlich nicht da, wo sie sein sollten.

    Alle Geräusche klingen nicht nur auf seltsame Art elektrisch sondern auch jenseitig. Kennt ihr das, wenn eine Katze immer an die gleiche Stelle der Wand starrt und keiner versteht, was sie da sieht? Mir kommt es vor, als könnte ich das hören. Wenn ich diesen Post schreibe, klingt das Tippen auf der Tastatur wie ein tropfender Wasserhahn in einem hallenden Keller – und zwar ein fieser tropfender Wasserhahn, der eine Requisite aus einem Film wie „Saw“ sein könnte.

    Allerdings konnte ich schon wenige Minuten nach dem Einschalten Sprache verstehen. Der Techniker redete langsam und deutlich mit mir. Vokale konnte ich kaum unterscheiden, aber wenn er etwas lauter sprach, fingen die Konsonanten an plastisch hinter dem „Wling“ hervorzutreten, wenn auch zischelnd und sphärisch. Aber immerhin: Es funktioniert.

    Später war ich dann mit Jürgen Vielmeier und Gilly Kaffee trinken – und habe kein Wort verstanden. Sie tippten in ihre iPhones, was sie mir sagen wollten. Das „Wling“ und Gezischel in meinem rechten Ohr ist so irritierend, dass derzeit noch schlechter verstehe, als wenn ich das rechte Ohr einfach taub lasse und nur mit dem linken via Hörgerät höre wie die letzten vier Wochen.

    Trotzdem merke ich, wie sich mein Hören bereits in den ersten Stunden verändert und erste Geräusche bis hin zu Sprache anfangen, sich heraus zu differenzieren. Immer wieder schalte ich zwischendurch das Hörgerät links aus und teste, wie alles nur mit dem CI klingt. Als ich nach der Anpassung am Westbahnhof wartete, konnte ich einen drei Gleise entfernt vorbeifahrenden Zug nicht hören – wohl aber eine Lautsprecherdurchsage (wenn auch nicht verstehen). Als ich später zum Alex fuhr, klang die U2 im Innern wie ein leises Zischeln. Als ich 90 Minuten später zurück fuhr, klang sie zwar immer noch wie ein Zischeln, aber eben doch ein klein wenig mehr nach „U-Bahn von innen“.

    Manche Geräusche, die ich sonst kaum wahrnehme, kommen mit erstaunlicher Deutlichkeit – andere völlig unüberhörbare Dinge gehen hinter einer Wand aus „Wling“ ununterscheidbar unter. Ebenfalls irritierend ist, dass ich manche Töne nicht nur höre, sondern auch spüre. Es ist als ob ich diese feine elektrische Entladung in meinem Innenohr als tatsächlich als winzigen Stromschlag spüre, aber ich denke, mein Gehirn wird auch dieses eingehende Signal bald als etwas Akustisches umdeuten.

    Not Quite Like Beethoven hatte mal einen amerikanischen Radio-Beitrag ausgebuddelt, der versucht, das Hören mit CI nachzubilden. Er ist leider auf Englisch, aber immerhin mit Tranksript. (Von dem anderen Klangbeispiel aus der Kinderserie „The Clangers“ halte ich übrigens gar nichts.) Im Moment fände ich es schon toll, wenn ich überhaupt so gut schlecht hören würde wie in den Klangbeispielen. Ich habe testweise Musik angemacht und könnte A-Ha nicht von AC/DC unterscheiden… Ich muss ab jetzt täglich trainieren, am besten mit Hörbüchern. Ich suche gerade nach „Herr der Ringe.“ Wenn Tolkien mir Englisch beibringen konnte, kann er mir auch das Hören beibringen.

    Update: Es ist nicht zu fassen, aber es scheint tatsächlich keine Hörbuchfassung der Carroux-Übersetzung vom „Herrn der Ringe“ zu geben. Stattdessen lesen die tatsächlich diese absurde Fassung von Kreges komplett ein. Palme Facem! Überlege ernsthaft, ob ich meine Hörübungen auf Englisch beginne. Weiß nur nicht, ob das so eine gute Idee ist. Heute Abend Exupery zum Einschlafen dann…

  • Warum Cochlear Nucleus N5

    Ich hatte vor ein paar Wochen darüber gebloggt, dass ich mich beim CI zwischen dem Nucleus N5 von Cochlear und dem Maestro von Med-El entscheiden musste, aber ganz vergessen, zu erzählen, wie ich mich entschieden habe, und warum. Meine Wahl fiel auf das N5. Sitzen tun anscheinend beide, wobei es fürs N5 noch so einen extra Bügel zum Beispiel für Jogger gibt und das Gehäuse spritzwassergeschützt ist. Den Stromverbrauch habe bei der Entscheidung nicht berücksichtigt – Batterien wechseln muss ich ja sowieso dauernd.

    Ausschlaggebend war: Beim N5 lassen sich mehr Parameter einstellen als beim Maestro. In Kombination damit, dass die Klinik zu 75% N5 implantieren und daher mehr Erfahrung damit haben, erhoffe ich mir einfach die bessere Anpassung. Dann das Thema Fernbedienung vs Einstellmöglichkeiten direkt am Gerät, welche beim Maestro fehlt. Es ist zwar richtig, dass man normalerweise möglichst wenig umschalten müssen sollte, aber wenn, dann möchte ich das direkt am Gerät können, ohne auf eine Fernbedienung angewiesen zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass spezielle Programme zum Sprachverständnis in lauter Umgebung u.U. eben doch hilfreich sein könnten.

    Am Med-El hätte mich das längere Implantat für die Bassfrequenzen gereizt, habe aber zu häufig die Aussage „zu dumpf“ gelesen. Tatsächlich verteilt sich ja die gleiche Zahl Elektroden auf mehr Raum. Gerade vom Maestro hätte ich deshalb eine höhere Zahl von Elektroden erwartet. Aber ausgerechnet das N5 hat 22 statt 12 Elektroden. Auch wenn sich die höhere Auflösung doch nicht so bemerkbar macht, finde ich das ziemlich sinnvoll und denke, dass sich da technisch – auch für die Zukunft – mehr rausholen lässt. Bisher haben Technologie-Trends immer solche Werte erhöht, auch wenn Fachleute sagen „braucht man gar nicht“ (Taktfrequenz, Speicher, Megapixel…)

    Der letzte Grund, mich gegen das Med-El zu entscheiden, war dann der Werbeprospekt. Der N5-Prospekt beschreibt relativ klar die Technik der Geräte und verzichtet auf Schnickschnack. Der Med-El-Prospekt gibt Testimonials sehr viel Raum. Da wird dann mit Versprechungen wie „schon nach 1 Woche telefonieren“ gearbeitet oder einem 12jährigen CI-Träger, der Keyboard spielt und in der Schule Chinesisch lernt. Auch wenn diese Beispiele im Einzelfall stimmen mögen: Ein solches Spiel mit den Hoffnungen der Behinderten ging mir sehr gegen den Strich.

    In etwa 36 Stunden wird das Chochlea-Implantat eingeschaltet. Ich bin gespannt, wie das sein wird…

  • Links der Woche

    • Ein Akt der deutschen Behörden:

      Damit es später keine Missverständnisse gibt: Ein deutscher Staatsanwalt ist nicht verpflichtet, Server zu beschlagnahmen – bloß weil ausländische Ermittlungsbehörden das von ihm verlangen.

    • Wuppertal Hbf:

      Sechs Jahre lang wohnte ich unmittelbar über dem Wuppertaler Hauptbahnhof. Ein Haus am Hang, Gleis 6, die Scheiben einfachverglast. Aber ich war stoisch genug, um mich schließlich nur noch über Fahrplanänderungen und Personenschäden zu wundern. Jeder Weg in die Stadt führte durch den langen Bahnhofstunnel, den die Wuppertaler nicht nur aufgrund seiner Fliesen Pissrinne nennen. Der Tabakhändler kannte schnell meine Marke und die Kioskfrau meine Vorliebe für kleine Papiertüten mit sauren Stäbchen und Lakritzschnecken.

    • Debatte: Wo sind die Intellektuellen hin?:

      Ganz anders der neue Typus des Intellektuellen, der seit einigen Jahren auf die Bühne und ins Rampenlicht medialer Aufmerksamkeit tritt: Der Medienintellektuelle. In Frankreich kennt man ihn in Gestalt von Bernhard Henri-Lévy oder André Glucksmann, hierzulande kann man Peter Sloterdijk oder Norbert Bolz dazu zählen, aber auch den derzeit in nahezu jede Talkshow herbeichauffierten und zu jedem x-beliebigen Thema schwadronierenden Arnulf Baring. Wesentliche Merkmale der klassischen Intellektuellen treffen auf die Medienintellektuellen nicht mehr zu: Für sie ist der Maßstab in erster Linie die Prominenz, die sie durch ihre Auftritte und Medienpräsenz erworben haben.

    • Datenschutz ist kein Biedermeier – Die Post-Privacy-Aktivisten kapitulieren vor der Informationsgesellschaft:

      “Es gibt keine graue Eminenz, keinen gottverdammten BigBrother, der uns 24/7 überwacht und kontrolliert. Und wenn schon… was haben wir zu verbergen?”, fragt sich ein Post-Privacy-Protagonist. Das allerdings kann nur jemand fragen, der von Kindesbeinen an das Glück hatte, in einer reichen Demokratie zu leben. Nicht nur in den Ohren von Menschen, die in Ostdeutschland vor der Wende gelebt haben, klingen solche Aussagen weltfremd.

    • ChromeBook: Die Produktionsmittel der Informationsgesellschaft:

      Wir haben es schlichtweg versäumt, die offenen Strukturen und Protokolle, mit denen wir Nerds seit so langer Zeit glücklich sind, für unsere Großeltern, Eltern und Freunde attraktiv zu machen, die aufgrund eines uns unbekannten Defizits keine Freude & Aufregung empfinden, wenn sie ihren eigenen Kernel kompilieren. Sie wollen Rechner, die funktionieren. Ohne Probleme. Das ist ein legitimer Wunsch. Wir haben ihn aus der (korrekten) Überzeugung, dass ein Rechner sich ohne ein Mindestmaß an Kompetenz auch nicht vernünftig nutzen lässt, viel zu lange ignoriert.

    • Anonymous im Interview:

      Da Anonymous als Kollektiv arbeitet, gibt es keinen formell verantwortlichen Pressesprecher. Die Antworten auf die Fragen von le bohémien erarbeiteten rund 15 Anonyme in simultaner Gemeinschaftsarbeit. Die Anonymen sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem so genannten Hive-Bewusstsein. Die Aussagen des Hives spiegeln einen möglichen Konsens innerhalb der Vereinigung wieder, können aber, prinzipbedingt, keine Allgemeingültigkeit für Anonymous haben.

    • Der Zeithorizont des Menschen:

      Ein Student der Geologie lernt im ersten Semester, dass es auf unserem Heimatplaneten Erde keine Endlager für radioaktive Abfälle geben kann, welche über Zeiträume vieler 1000 Jahre die Sicherheit bieten, die sie bieten müssen, damit nicht das passiert, was bei Asse II bereits nach wenigen Jahrzehnten der Fall ist.

  • Trotz Verbot: Polizei filmt friedliche Demonstranten

    Letzten Sommer hat das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Polizei in Berlin Demonstranten nicht filmen darf, so lange kein konkreter Tatverdacht besteht:

    Das Verwaltungsgericht stellte im Bezug auf die Anti-Atom-Demo nun fest, dass der einzelne Teilnehmer bei einer Beobachtung der Versammlung im „Kamera-Monitor-Verfahren“ damit rechnen müsse, aufgezeichnet und registriert zu werden. Dies könne ihn vom Begleiten einer entsprechenden Veranstaltung abschrecken oder zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden. Durch diese Einschüchterung könnte mittelbar auf den Prozess der Meinungsbildung und demokratischen Auseinandersetzung eingewirkt werden. Erlaubt seien Bild- oder Tonaufnahmen durch die Berliner Polizei gemäß dem Versammlungsgesetz des Landes nur, wenn „tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen“, dass von Teilnehmern öffentlicher Versammlungen „erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen“. Dafür müsse eine entsprechende Gefahrenprognose ersichtlich sein.

    Ich war gestern auf einer kleinen, vollkommen friedlichen Demonstration. Etwa 100 überwiegend spanische Demonstranten skandierten die Ziele der „Spanish Revolution„. Ratet mal, was die Polizei gemacht hat:

  • Spanish Revolution Berlin

    Leider war es nur ein versprengtes Häuflein, das heute Abend um 20 Uhr vor dem Brandenburger Tor für mehr Demokratie und gegen Korruption demonstrierte. Ich war mal dort und habe mir das ganze angesehen. Auch wenn wir in Deutschland keine Arbeitslosenrate von 20% mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 40% haben wie die Spanier, werde ich doch das Manifest der – in den Medien bisher fast vollständig ignorierten – spanischen Prosteste jederzeit unterschreiben.

    Wir sind normale Menschen. Wir sind wie du: Menschen, die jeden Morgen aufstehen, um studieren zu gehen, zur Arbeit zu gehen oder einen Job zu finden, Menschen mit Familien und Freunden. Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, um denjenigen die uns umgeben eine bessere Zukunft zu bieten.

    Einige von uns bezeichnen sich als aufklärerisch, andere als konservativ. Manche von uns sind gläubig, andere wiederum nicht. Einige von uns folgen klar definierten Ideologien, manche unter uns sind unpolitisch, aber wir sind alle besorgt und wütend angesichts der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Perspektive, die sich uns um uns herum präsentiert: die Korruption unter Politikern, Geschäftsleuten und Bankern macht uns hilf- als auch sprachlos.

    Und diese Situation ist mittlerweile zur Normalität geworden – tägliches Leid, ohne jegliche Hoffnung. Doch wenn wir uns zusammentun, können wir das ändern. Es ist an der Zeit, Dinge zu verändern. Zeit, miteinander eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Deswegen treten wir eindringlich hierfür ein:

    ● Gleichheit, Fortschritt, Solidarität, kulturelle Freiheit, Nachhaltigkeit und Entwicklung, sowie das Wohl und Glück der Menschen müssen als Prioritäten einer jeden modernen Gesellschaft gelten.

    ● Das Recht auf Behausung, Arbeit, Kultur, Gesundheit, Bildung, politische Teilhabe, freie persönliche Entwicklung und Verbraucherrechte im Sinne einer gesunden und glücklichen Existenz sind unverzichtbare Wahrheiten, die unsere Gesellschaft zu befolgen hat.

    ● In ihrem momentanen Zustand sorgen unsere Regierung und das Wirtschaftssystem nicht dafür, sondern stellen sogar auf vielerlei Weise ein Hindernis für menschlichen Fortschritt dar.

    ● Die Demokratie gehört den Menschen (demos = Menschen, krátos = Regierung), wobei die Regierung aus jedem Einzelnen von uns besteht. Dennoch hört uns in Spanien der Großteil der Politiker überhaupt nicht zu. Politiker sollten unsere Stimmen in die Institutionen bringen, die politische Teilhabe von Bürgern mit Hilfe direkter Kommunikationskanäle erleichtern, um der gesamten Gesellschaft den größten Nutzen zu erbringen, sie sollten sich nicht auf unsere Kosten bereichern und deswegen vorankommen, sie sollten sich nicht nur um die Herrschaft der Wirtschaftsgroßmächte kümmern und diese durch einZweiparteiensystem erhalten, welches vom unerschütterlichen AkronymPPPSOE angeführt wird.

    ● Die Gier nach Macht und deren Beschränkung auf einige wenige Menschen bringt Ungleichheit, Spannung und Ungerechtigkeit mit sich, was wiederum zu Gewalt führt, die wir jedoch ablehnen. Das veraltete und unnatürliche Wirtschaftsmodell treibt die gesellschaftliche Maschinerie an, einer immerfort wachsenden Spirale gleich, die sich selbst vernichtet indem sie nur wenigen Menschen Reichtum bringt und den Rest in Armut stürzt. Bis zum völligen Kollaps.

    ● Ziel und Absicht des derzeitigen Systems sind die Anhäufung von Geld, ohne dabei auf Wirtschaftlichkeit oder den Wohlstand der Gesellschaft zu achten. Ressourcen werden verschwendet, der Planet wird zerstört und Arbeitslosigkeit sowie Unzufriedenheit unter den Verbrauchern entsteht.

    ● Die Bürger bilden das Getriebe dieser Maschinerie, welche nur dazu entwickelt wurde, um einer Minderheit zu Reichtum zu verhelfen, die sich nicht um unsere Bedürfnisse kümmert. Wir sind anonym, doch ohne uns würde dergleichen nicht existieren können, denn am Ende bewegen wir die Welt.

    ● Wenn wir es als Gesellschaft lernen, unsere Zukunft nicht mehr einem abstrakten Wirtschaftssystem anzuvertrauen, das den meisten ohnehin keine Vorteile erbringt, können wir den Missbrauch abschaffen, unter dem wir alle leiden.

    ● Wir brauchen eine ethische Revolution. Anstatt das Geld über Menschen zu stellen, sollten wir es wieder in unsere Dienste stellen. Wir sind Menschen, keine Produkte. Ich bin kein Produkt dessen, was ich kaufe, weshalb ich es kaufe oder von wem.

    Im Sinne all dieser Punkte, empöre ich mich.
    Ich glaube, dass ich etwas ändern kann.
    Ich glaube, dass ich helfen kann.
    Ich weiß, dass wir es gemeinsam schaffen können.

    Geh mit uns auf die Straße. Es ist dein Recht.

    [youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Xk5YHc_BJB8[/youtube]

  • Tag der Homophobie

    Das ist heute. Eigentlich sollte es ja „Tag gegen Homophobie“ heißen. Ich habe nichts dazu zu schreiben. Ich möchte euch nur bitten, das hier zu lesen: In eigener Sache & CDU meint: Machen wir’s mit den Schwuchteln so wie mit der Schweinegrippe!

    Ich wollte nicht, nur mit einer Federboa bekleidet, nackt durch die Straßen ziehen und Lieder von Cher flöten. Ich wollte niemanden bekehren. Ich wollte keine schwulen Cafés aufsuchen und weder in eine Talk-, noch in eine Castingshow. (Und ich schwöre, dass ich das bis heute nicht will. Nichts davon.) Von all diesen Dingen hatte ich keine Ahnung. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gab. Überhaupt irgendwo. Nur das Wort „schwul“ kannte ich. Und seine Bedeutung. Ich habe mich geoutet, um niemanden belügen zu müssen. Weil ich nicht ändern kann, was ich bin. Aus keinem anderen Grund.

    Zwischen 12 und 16 hatte ich daraufhin keine Freunde. Ich hatte niemanden. Ich wurde unzählige Male verprügelt. Und damit meine ich nicht Schläge auf die Arme, Tritte zwischen die Beine oder in die Magengrube. Sondern Schläge, die „halten“ sollten. Tritte, die „sitzen“ sollten.

    Diese Zeilen beschreiben keine entfernte Vergangenheit, sondern die 90er Jahre, kurz bevor die so genannte „Homo-Ehe“ in Deutschland eingeführt wurde. Es wird nicht besser – wir glauben das nur.

  • Nerz-Bashing

    Ich war dieses Wochenende nicht in Heidenheim, konnte also nicht mit abstimmen und habe den Parteitag teilweise von Zuhause verfolgt. Eigentlich hätte ich mir ja Christopher @Schmidtlepp Lauer gewünscht, obwohl wir in ein paar Dingen, vor allem beim LQFB, heftig über Kreuz liegen, weil ich schon immer eine Schwäche für politische Exzentriker hatte. Über Sebastian Nerz wusste ich kaum etwas, außer dass er Landesvorsitzender in Baden-Württemberg ist und Jens Seipenbusch ihn als Nachfolger empfohlen hat. Ich glaube, ich bin damit wirklich unverdächtig, ein Nerz-Fanboy zu sein.

    Das Nerz-Bashing, welches nach der Wahl einsetzte, ist der reinste Kindergarten. Zwischen den Zeilen lese ich Ablehnung, weil Sebastian nicht glasklar links ist – und das in einer Partei, die weder links noch rechts sein will. Einer der Kritikpunkte ist wohl seine CDU-Vergangenheit. Ich finde es zwar auch seltsam, dass er in der CDU war, obwohl er sie bundespolitisch damals schon nicht gemocht haben will, aber er war eben gegen Schröder und Rotgrün und hey: Ich kannte mehrere Leute, die so mit 16 in Parteien eingetreten sind, nur weil ihre Eltern oder Freunde drin waren.

    Ich möchte also Sebastian nicht daran messen, ob er mal in der CDU war, sondern daran, was er heute so sagt und treibt. Ich habe mir aufgrund der Beschimpfungen mal näher angesehen, was sich im Wiki, auf Twitter, Formspring und vor allem auch in seinem Blog finden lässt, und bin überrascht, wie sehr ich mit diesem scheinbar „rechten“ Piraten übereinstimme, wo ich selbst doch als linke Socke verschrien bin.

    • Sebastian möchte, wenn ich ihn richtig verstanden habe, die politische Arbeit besonders in der Außenwirkung und in der Pressearbeit gerne professionalisieren und das Verhältnis Basis/Vorstand neu austarieren. Ich habe keine Ahnung, wie er das im Detail machen will, aber daraus einen „Führer“ zu stilisieren, ist doch arg ins Klo gegriffen. Nach ungefähr eineinhalb Jahren innerparteilicher Trostlosigkeit freue ich mich darüber und bin gespannt, was er machen wird und wie es im im Detail gelingt.
    • Er hält Liquid Feedback für gescheitert, will das System aber ohne Parteitagsbeschluss nicht abschalten, ansonsten auch andere Systeme testen und fordert vor allem – ganz Datenschützer – Anonymität für die Abstimmenden, weil es nur dann wirklich freie und geheime Wahlen sind. Was ich auch schon immer sagte.
    • In der Datenschutz- und Spackeria-Debatte nimmt er die Haltung des Datenschützers ein und empfindet eine vollkommen transparente Gesellschaft ohne Anonymität, in der jeder alles über alle wissen kann, als dystopisch. Genau wie ich. Ich bin sogar der Auffassung, dass die Piratenpartei auf gar keinen Fall Spackeria-Positionen vertreten darf. Warum, werde werde ich demnächst noch woanders ausführlich bloggen und möchte an dieser Stelle nur mal an „Piratsphäre“-Aufkleber erinnern…
    • Sebastian sucht einen Mittelweg zwischen delegierter und direkter Demokratie und rührt damit an ein innerparteiliches Dogma. Direkte Demokratie zweifele ich schon lange an. Um zu verstehen, dass Plebiszite nicht funktionieren, muss man gar nicht erst aufs Schweizer Moscheeverbot schauen – einmal im Jahr European Song Contest gucken reicht völlig. Dass ausgerechnet einem Skeptiker der direkten Demokratie vorgeworfen wird, er habe in Heidenheim „Heimvorteil“ bei der Abstimmung gehabt, ist nicht nur ein schlechter Witz, sondern auch noch falsch.
    • Auch wenn viele Piraten das Thema nicht mehr hören können, liegen mir die Feminismus-Debatte und Genderthemen am Herzen. Die Piratenpartei ist meiner Erfahrung nach bis auf wenige Ausnahmen nicht postgender sondern eher postpubertär. Ich möchte, dass Frauen gerne in die Partei kommen und sich wohl fühlen, was aber nur sehr wenige auch tun. Piratensympathisantinnen fühlen sich in den „Jungsgruppen“ oft diffus unwohl, und viele männliche Piraten finden, dass Frauen da selbst dran schuld seien. Ich finde es sehr erfrischend, dass Sebastian hier die Haltung vertritt, dass sich in der Partei mindestens der Ton ändern müsse, auch wenn ich persönlich mir ja Quoten wünschen würde. Ganz nebenbei vertritt Sebastian übrigens Homoehe und Adoptionsrecht für Homosexuelle. So furchtbar schlimm rechts kann er also gar nicht sein.
    • Sebastian legt wert darauf, dass die Piratenpartei das bedingungslose Grundeinkommen nicht wörtlich beschlossen hat, was auch stimmt. Er hält es für nicht machbar. Ich selber vertrete das BGE zumindest als Vision für die Zukunft, bin mir aber nicht sicher, ob ich mir als König von Deutschland trauen würde, es hier und heute einzuführen. Von daher kann ich seine Haltung verstehen. Ansonsten ist er kein Kernie sondern möchte, dass das Programm moderat erweitert wird, schon alleine deshalb, weil IT, Transparenz, Datenschutz, Bürgerrechte und Bildung Querschnittsthemen sind, die viele Gebiete betreffen. Wir müssen ja nicht gleich einen auf Volkspartei machen und ich bin da sehr bei ihm.

    Mein persönliches und vorläufiges Fazit: Ich bin nachträglich positiv überrascht, wen wir da gewählt haben. Dieses ganze Gerede von „Piratenmerkel“ und „falscher Kandidat gewählt“ kann ich nicht so recht nachvollziehen, außer man ist eben in obigen Punkten völlig anderer Meinung als ich. Jetzt muss sich zeigen, wie er sich in der Praxis hält. Aus Baden-Württemberg hört man ja eigentlich nur gutes. Sebastian, ich wünsche dir unbekannterweise viel Glück und Erfolg.

  • Links der Woche

    • Klickbetrug bei YouTube hat Methode:

      Niemand redet gern darüber. Weder Agenturen, Unternehmen noch Medienhäuser. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart jedoch: Das Fälschen von Kommentaren und Manipulieren von Zuschauerzahlen bei Videoplattformen wie YouTube ist längst Methode geworden. Selbst DAX-Unternehmen schrecken vor Manipulationen nicht zurück. Ein Erfahrungsbericht.

    • Mit sofortiger Wirkung geschlossen:

      Vielleicht ist die Zeit der persönlichen Websites überhaupt vorbei. Vielleicht sind Websites out, so wie ein Faxgerät, so wie ein Festnetzanschluss. Soziale Netzwerke wie Twitter und Facebook haben die gute alte Homepage abgelöst. Der Ego-Trip weicht dem Gemeinschaftssinn. Der Monolog wird zur Kakofonie.

    • Amazon Kindle: Ein Test in fünf Kapiteln:

      Ich behaupte, dass sich Schrift auf einem E-Ink-Screen mindestens genauso so gut lesen lässt wie auf Papier – und zweifelsfrei sehr viel besser als auf dem Monitor eines Latops oder Tablets. Zudem lässt E-Ink, ganz anders als „normale“ Monitore, angenehmes und spiegelfreies Lesen auch in der hellen Sonne zu, was ich heute Morgen erfolgreich testen konnte. Wirklich: Der Screen des Kindle ist nichts anderes als großartig.

    • Wie Meditation Schmerzen lindert:

      A propos Probanden: Dies ist vermutlich das erste Paper, von dem ich jemals erfahren habe, dessen Autorenkreis größer ist als die Testgruppe – 13 Namen stehen über der Arbeit, aber nur zwölf Personen wurden für die Meditationsstudie untersucht.

    • Stephen Hawking Speaks:

      Q. Given all you’ve experienced, what words would you offer someone who has been diagnosed with a serious illness, perhaps A.L.S.?

      A. My advice to other disabled people would be, concentrate on things your disability doesn’t prevent you doing well, and don’t regret the things it interferes with. Don’t be disabled in spirit, as well as physically.

    • Was Morgen ist:

      Am kleinsten Tisch im Raum sitzen die Freunde, mit denen ich hier bin, sie spielen ein Trinkspiel, ich habe das Spiel nur mäßig verstanden, aber ich glaube, es geht darum, wer als erster so mutig ist, dass er das schönste Mädchen in dieser Kneipe anspricht. Das Mädchen, um das es geht, ist in der Mitte des Raums. Sie tanzt, ihre dunklen Haare fliegen, sie lacht, um sie herum hat sich ein Kreis aus Bewunderern gebildet.

    • Miriam Meckel: Angstallergie:

      Es muss tatsächlich eine allergische Reaktion gewesen sein, die Hillary Clinton im Zusammenhang mit dem Foto befallen hat, das sie zeigt, wie sie inmitten des Regierungsstabs im „Situation Room“ etwas sieht. Was auch immer das war. Es kann gar nichts anderes gewesen sein. Ein Schnupfen, ein Husten, ein Beinbruch wenn notwendig, nur bloß kein Gefühl.

    • Bundestags-Studie: “Vorratsdatenspeicherung widerspricht EU-Charta der Grundrechte”:

      Neben den bekannten Argumenten zur Unverletzlichkeit der privaten Kommunikation, zur Unverhältnismäßigkeit der flächendeckenden Überwachung etc. wird hier auch ein etwas anderer Akzent gesetzt: In der Charta findet sich auch die unternehmerische Freiheit als Ausprägung der Berufsfreiheit, in die hier bei den Telekommunikationsunternehmen stark eingegriffen wird.

    • Noam Chomsky: My Reaction to Osama bin Laden’s Death:

      It’s like naming our murder weapons after victims of our crimes: Apache, Tomahawk… It’s as if the Luftwaffe were to call its fighter planes “Jew” and “Gypsy.”

  • Links der Woche

    • Die andere Sprachvielfalt der Schweiz:

      Es ist ein weitverbreiteter Irrglaube, dass Gebärdensprachen eine Art improvisiertes Scharadespiel sind, oder dass es sich irgendwie um eine mit Gesten buchstabierte Version von gesprochenen Sprachen handelt. Jahrhundertelang wurden diese Sprachen deshalb ignoriert oder sogar gezielt unterdrückt, und mancherorts werden sie es noch immer. Tatsächlich aber handelt es sich um natürliche menschliche Sprachen, die — vom Kommunikationskanal mit den ihm eigenen Besonderheiten abgesehen — denselben Grundprinzipien folgen, wie jede gesprochene Sprache auch.

    • Prostprivacy:

      Solang der Staat informationelle Selbstbestimmung gewährleistet, ist es möglich, im Netz pseudonyme Identitäten aufzubauen und zu pflegen. Selbst wenn es möglich ist, aus Pseudonymen Rückschlüsse auf nicht-virtuelle Identitäten zu ziehen (und das ist oft möglich), bleibt so etwas wie Unsicherheit und [Glaubhafte Bestreitbarkeit], die letztlich zur informationellen Selbstbestimmung beitragen.

    • Malte Welding über Jörg Kachelmann: „Die Liebe in Zeiten der Kamera“:

      Was nach der Verhaftung geschah und bis heute anhält, gab es vorher in Deutschland noch nie. Noch nie wurde das Intimleben eines Menschen so umfassend durchleuchtet, wurden die Details eines Lebens von einem ganzen Volk zerredet, bequatscht, verhöhnt, bis das ganze Leben selbst der Lächerlichkeit preisgegeben war. Oder doch eher: bis dem ganzen Menschen entzogen war, was nur ihm gehören soll.

    • Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung:

      Diese Petition soll den Bundestag dazu bringen, die Vorratsdatenspeicherung nicht aufgrund unsicherer und möglicherweise verfassungswidriger Richtlinien wieder einzusetzen, auch wenn dies bedeutet, dass die EU ein Strafgeld wegen der Nichtumsetzung verhängt, wie es von der verantwortlichen Innenkommissarin Cecilia Mahlström bereits angekündigt wurde. Als Beispiel mag Schweden dienen, das seit Jahren die Einführung einer anlass- und verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung verweigert.

    • Nichtlesen 23: Neu – Original chilenisches Berliner Szenewasser:

      Der Produkt-Kern von Wasser liegt letztlich in seiner Wasserheit, analysierte man in der Agentur. Sprich: Die »Nassness« von Wasser ist der Core-Benefit des Produkts. Konsequent leitete das Kreativteam auch die Namensgebung für die neue Kreation ab. Die Marke heißt »Wasser« und wird in den drei gleich schmeckenden Geschmacksrichtungen »Wasser nass«, »Wasser flüssig« und »Wasser überflüssig« angeboten.

    • Bin Laden tot – Problem gelöst?:

      Terroristische Aktivität generell hatte ihren Höhepunkt im Jahr 1988, als weltweit 666 Anschläge verübt wurden, im Vergleich zu 340 im Jahr 2001.  (…) Selbstmordattentate (…) sind von durchschnittlich drei pro Jahr in den frühen 80-ern auf zehn jährlich in den 90-ern bis auf mehr als 25 pro Jahr in 2001 gestiegen.  (…) Ich hatte auch erst geglaubt, dass sie so etwas Ähnliches wie die Baader-Meinhof-Gruppe sein müssten – eine kleine Zelle von vielleicht ein bis zwei Dutzend Leuten. Aber es zeigt sich, dass Selbstmordgruppen – von Hamas über Hisbollah bis hin zu den Tamil-Tigern – aus Hunderten und Tausenden von Guerillakämpfern bestehen. Es sind tatsächlich Guerilla-Organisationen, die für ein säkulares, nationalistisches Ziel kämpfen. Das Ziel ist immer, einen demokratischen Staat, der über Militär verfügt, zum Abzug aus einem Gebiet zu zwingen, dass diese Gruppen als ihr Heimatland ansehen.

    • Dark Roasted Blend: Nuclear Everything!:

      This, in a kind of round-about way, gets us to the 1950s and the near-obsession that certain engineers had back then with a certain power source. To put it another way, their slogan should have been: “We Add Nuclear Power To Everything.”

    • Den Schein des Anstandes wahren | law blog:

      Gleich mehrfacher Jubel über die gezielte Tötung eines Menschen ist nach den Wertmaßstäben unserer Verfassung nämlich völlig deplatziert – und gefährlich überdies. (…) Die Kanzlerin hat ihre Äußerung übrigens auf die Frage gemacht, ob sie eine gezielte Tötung gut findet und ob unsere Sicherheitskräfte so was auch dürfen sollten. Statt diese Steilvorlage zu nutzen und sich zum Rechtsstaat zu bekennen, flüchtet sich Angela Merkel in pure und platte Begeisterung für die amerikanische Taktik.

    • Was Dosenmilch mit Gentrifizierung zu tun hat:

      Wo beginnt Gentrifizierung, wo hört sie auf? Ich bin weder Künstlerin noch Studentin, die die aufgewerteten Stadtteile Hamburgs so lebenswert machen. Habe weder Dreads noch Iro, bin eine Latte Macchiato-Mitschlürferin. Dennoch frage ich mich aufrichtig, ob ich nicht doch Teil der Gentrifizierung bin.

    • The Cloud Has Us All In A Fog:

      What do these all have in common? The unexpected results of connecting client devices to the cloud. (…) Emergent properties. Unintended consequences. Get used to ‘em.

    • Kulturwertmark – 20 Jahre zurück :

      Der CCC schlägt eine neue GEMA vor, eine bessere GEMA, in der die Interessen von Künstlern und Nutzern unbestechlich und ohne Reibungsverluste vertreten werden. Die dann entscheidet, wie die Leistung eines kompletten Orchesters gegen das eines lispelnden 16jährigen Superstar-Gewinners abzuwägen ist.

    • Seligsprechung: Was bleibt, sind Reliquien:

      Eine Ampulle mit Blut – das ist die erste offizielle Reliquie von Papst Johannes Paul II. Denn nach katholischem Brauch werden von Seligen und Heiligen irdische Überbleibsel aufbewahrt und verehrt. Ohne diese kann kein Altar in einer katholischen Kirche geweiht werden.

  • Monoaural

    Rund 10 Tage nach der Operation sind die Fäden gezogen und die letzten Pflaster fallen langsam hinter meinem Ohr ab. Ich soll nicht am Schorf knibbeln. Der Tinnitus ist wieder weg, aber mich suchen weiterhin heftige Migräne-Attacken heim, die ich mehr schlecht als recht mit Paracetamol bekämpfe. Aber auch das scheint heute wieder vorbei. Die Ohrmuschel ist gefühllos, was eine ganze Weile so bleiben kann. Ich habe das überhaupt erst bemerkt, als der Verband abgemacht wurde.

    Hinter meinen Ohr steckt ja jetzt ein induktiver Empfänger unter der Haut, der eigentlich auf elektromagnetische Felder reagieren müsste. In dieser Richtung wollte ich ja schon experimentieren und bekam unter anderem den Tipp, dass ein Vibrator in der Nähe des Tonabnehmers einer E-Gitarre seltsame Geräusche verursacht. Not quite like Beethoven berichtet mir von akustischen Sensationen im Zusammenhang mit Langhaarschneidern. Habe mir heute mal den Schädel rasiert – auch die weiche Stelle, unter der sich das Implantat befindet, und nur den Bereich direkt um die Narbe ausgespart. Zu hören war allerdings nichts.

    Überhaupt hören. Ich bin ja weiterhin auf dem rechten Ohr völlig gehörlos und trage nur links ein Hörgerät. Ich bin die Tage gefragt worden, wie das eigentlich so ist, wenn man nur auf einem Ohr – monoaural – hört. Der Eindruck der Gehörlosigkeit lässt sich sehr gut durch längeres Fernsehen ohne Ton simulieren, aber die Einohrigkeit? Hm, schwer zu erklären. Normalhörende kennen die Situation ja vom Telefonieren, haben damit aber keine Probleme.

    Zunächst einmal habe ich wirklich das Gefühl, von allem sei nur die Hälfte da und muss aufpassen, dass ich nicht die Lautstärke aufs Doppelte aufdrehe, wenn ich mir einen Film ansehe. Das Sprachverständnis ist massiv beeinträchtigt. Früher konnte ich mich im leisen Zimmer mit den meisten Personen wunderbar unterhalten, solange keine Nebengeräusche ins Spiel kommen. Jetzt verstehe ich schon selbst in solch einfacher Umgebung erheblich weniger und muss sehr viel häufiger nachfragen. Es gilt aber weiterhin: Mit Ruhe und Lippen lesen (also Video-Telefonat oder der Person direkt gegenübersitzen) funktioniert es ganz gut.

    Der Effekt von Vorlesungen und Filmen ohne Untertitel – dass ich zwar höre, dass da jemand redet, ich aber kein Wort verstehe und das genauso gut Chinesisch sein könnte – ist nochmal erheblich stärker als sowieso schon. Musik hören geht kaum noch. Alles was über Zeigefinger-Hänschenklein auf der Klaviatur hinausgeht, vermatscht völlig und ich höre die Melodie nur heraus, wenn ich das Stück gut kenne und mein innerer MP3-Player quasi mitläuft. Ebenfalls nervt auch, dass alles Richtungshören verschwunden ist. Ich stehe vor den Aufzügen der Charité und es macht Bing, aber ich höre nicht mehr, welche der Türen links und rechts von mir aufgeht. (Pro-Tipp: Sich so hinstellen, dass alle Türen auf der Seite des hörenden Ohres liegen.)

    Geräusche kommen auch nicht einfach von links, sondern befinden sich quasi in meinem linken Ohr. Wie ein Kopfhörer, der auf einer Seite kaputt ist. Beim Überqueren von Straßen sollte ich vorsichtiger sein. Aber ich bin es ja gewohnt, mich immer vor allem auf meinen Sehsinn zu stützen.