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  • Störteblogger II

    bloggertreffen

    Vergangenen Monat kamen erstmals die Störteblogger zusammen: Ein Real-Life-Treffen der Hamburger Bloggerszene, um sich  mal jenseits der Tastatur kennen zu lernen, bei Kaffee und Bier zu klönen und vielleicht auch das eine oder andere aus zu hecken. Das Treffen finden nun jeden 15. eines Monats statt:

    am Mittwoch den 15.07 um 19 Uhr
    Agentur Zwogee
    c/o Stilflut Bürokombinat
    Harkortstraße 79 – Eingang B
    22765 Hamburg

  • Das Baby läuft

    Ich habe jetzt mehrfach gelesen, die Piratenpartei mache dauernd Fehler und alles falsch. Ist das so? Natürlich läuft vieles noch chaotisch. Wie sollte es auch anders sein, wenn sich innerhalb weniger Wochen die Mitgliederzahl verdreifacht und alle mitreden wollen. Waren die Grünen vor 30 Jahren irgendwie besser? Die Grünen hatten Probleme mit Pädophilen, die freie Liebe mit Kindern forderten. Oder auch „grüne Rechtsradikale“. Wie schon jemand sagte: „Das rüttelt sich zurecht.“ Aber mal im einzelnen:

    Neulich ist Jörg Tauss in die Partei eingetreten. Als Berufspolitiker mit viel Partei- und Parlamentserfahrung ist er ein hervorragender „Businessangel“ für die Partei. Dumm nur, dass wegen des Besitzes von Kinderpornographie gegen ihn ermittelt wird. Der Mann wurde aber nicht verurteilt. Es ist noch nicht einmal Anklage gegen ihn erhoben worden. Trotzdem glauben viele sich echauffieren zu müssen. Dabei gilt die Unschuldvermutung, und wer, wenn nicht die Piraten, sollten dieses Ideal hochhalten? Falls Jörg Tauss gerichtlich verurteilt wird, ist das ganze neu zu bewerten.

    Dann das Parteipgrogramm: Viele fordern, die Piraten sollen ein Gesamtprogramm aufstellen, so richtig mit Rente und Stadtplanung und was weiß ich was noch. Wozu das bitte? Die Partei hat ihre Kernthemen. Außerhalb dieser Themen gibt es weder eine einheitliche Meinung noch das nötige Fachwissen. Auf dem Parteitag wurde dann auch recht schnell entschieden: Programmerweiterung ja, aber langsam und nicht ohne Expertise. Im Grunde genau dasselbe, was bei den Grünen über Jahre und Jahrzehnte auch lief.

    Heftig gestritten wurde über die Frage nach dem Urheberrecht. Die Piraten haben noch einmal ganz deutlich gesagt, dass sie das Urheberrecht nicht abschaffen sondern reformieren wollen. Ziel ist dabei unter anderem, die Rechte der eigentlichen Urheber gegenüber Verlagen, Verwertungsgesellschaften usw. zu stärken. Im Programmentwurf stand zunächst drin, dass die Partei Pauschalabgaben ablehnt. Dieser Passus wurde gestrichen. Damit hat sie doch wirklich Realismus und Augenmaß bewiesen.

    Vorläufig letzter Akt war die Affaire Bodo Thiesen, die ausführlich bei Spiegel und Focus breitgetreten wurde. Der hat vor einigen Jahren zum Holocaust und Nationalsozialismus ein paar vermutlich nicht strafbare aber mehr als grenzwertige Dinge gesagt. Er hat sich z.B. gefragt, ob Hitler wirklich Krieg wollte, oder den Holocaust gegenüber dem amerikanischen Genozid als „lächerliche 12 Jahre“ bezeichnet. Dafür ist er vom Vorstand gerügt worden. Leider hat er anschließend seine Äußerungen weder dementiert noch sich davon distanziert. Stattdessen hat er ein recht trotziges Rechtfertigungspamphlet geschrieben. Sehr vielen in der Partei war das ganze nicht oder nur obeflächlich bekannt. Ein ein Sturm der Entrüstung durchlief – leider erst nach dem Parteitag – die Partei, was nun dazu führte, dass der Vorstand ihn dazu aufgefordert hat, sich innerhalb von 24 Stunden unmissverständlich dazu zu äußern. Wie das ganze ausgeht, ist noch offen. Tut er es nicht zufriedensstellend, wird er wohl rausfliegen.

    Geradezu krass ist aber, dass jetzt ein paar Leute  innerhalb und außerhalb der Partei laut „Zensur“ und „Meinungsfreiheit“ schreien. Ich glaube, manche haben das Konzept von Meinungsfreiheit und Zensur noch immer nicht verstanden. Wäre ein Parteiausschluss Zensur, dann wäre es auch Zensur, Kinderpornographie zu löschen. Ist aber keine Zensur. Es ist auch keine Zensur, wenn ich in m einem Blog Kommentare lösche. Keine Zensur, wenn ein Verleger entscheidet, was er drucken lässt.

    Auch die Meinungsfreiheit wird nicht verletzt. Anders als Galilei erwartet Bodo Thiesen weder Knast noch Todesstrafe, sondern maximal der Parteiausschluss und das auch nur, wenn er seine Chance nicht nutzt. Außerhalb der Partei kann er seine Meinung soviel vertreten, wie er will. Sonst wäre es auch eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, wenn ich eine Kneipe hätte und in der keine NPD-Versammlungen dulden würde. Zensur und Meinungsfreiheit sind immer auf den Staat bezogen. Der Staat darf uns nicht verbieten unsere Meinung zu sagen und er darf auch nicht zensieren. Privat darf ich sehr wohl selbst bestimmen, welche Meinungen ich persönlich für tolerabel halte. Wie jeder Mensch, jeder Kneipenwirt, jeder Zeitungsverleger und selbstverständlich auch jede Partei.

    Die Reaktion von Basis und Vorstand waren also genau richtig. Die Piraten haben ihre Gretchenfrage richtig beantwortet. Ich stelle fest: Dafür dass im Moment alles ziemlich chaotisch ist, funktioniert die Partei hervorragend. Das Baby läuft. Ich bereue meinen Eintritt kein Stück.

  • Freitagstexter: And the Winner is…

    Das Foto habe ich übrigens im Berliner Hauptbahnhof gemacht. Was den Boutiquenbesitzer zu dem Bild bewogen hat – Dankbarkeit, Zynismus oder Zwang – weiß man nicht. Vielen Dank für die vielen Kommentare. Die Wahl fiel mir wirklich schwer, aber nun Punkt. Der Gewinner dieses Freitagstexters ist…

    freitagtexter

    stilhäschen mit „Boutique HM – Mode für Menschen, deren Züge abgefahren sind.“ Herzlichen Glückwunsch!

  • Die Piratenpartei vs. Sascha Lobo

    Derzeit ergießen sich Zorn und Entrüstung über Sascha Lobo: Mitglieder und Sympathisanten der Piratenpartei sind wütend auf ihn, weil er sich immer wieder im Fernsehen gegen die Piraten äußert. Ausgerechnet er: die Galionsfigur, der „Internetminister“. Sie empfinden das als Verrat, sie denken: „wie kann er nur“.

    Dabei übersehen sie eine Kleinigkeit: Sascha Lobo ist nicht nur ein begnadeter Selbstvermarkter und Internet-Lobbyist, sondern ganz vor allem auch Werber und PR-Berater. Als solcher war er nicht nur für die SPD tätig, sondern angeblich auch für rund ein drittel der DAX-Unternehmen. Unter anderem ist er für die MTV-Kampagne für „Popetown“ verantwortlich und dergleichen mehr.

    Das bedeutet zum einen: dass er als „Digitaler Bohemien“ durchaus viel „Piratiges“ von sich gibt. Zum anderen aber: dass er kein Pirat ist und auch nicht sein kann. Er würde seine eigenen Brötchengeber in die Hand beißen. Vielleicht ändert sich das in Zukunft, aber so lange Sascha Lobo u.a. von den Einnahmen seiner Bücher lebt und auf der Gehaltsliste diverser Medienhäuser steht, wird er die Piratenpartei vor allem in der Urheberrechtsfrage immer kritisieren und angreifen. Das ist sein gutes Recht.

    Bei all dem ist sichtbar, dass er sich sichtlich müht, die Balance zu wahren. Sein ZDF-Interview steht unter dem Tenor, die Piratenpartei sei ein „Warnschuss an die Politik„. Nur in einem Teil des Interviews äußert er sich kritisch zur – Taddaaaa! – Urheberrechtsfrage und behauptet, die Piraten böten hier kein Konzept an. Wen eigentlich sollte das überaschen? Dass das ZDF dann nur genau diese Passage aus dem Interview in Berlin Direkt ausstrahlt, führt nur die Medienmaschine vor Augen. Sowas nennt man Gegenwind. Die Piraten wollten politischen Kampf. Jetzt haben sie ihn.

    P.S.: Gerade Kulturschaffende haben Angst vor Filesharing und dem ganzen Zeugs. Gerade sie stehen unabhängig von irgendeiner Medienindustrie den Piraten sehr kritisch gegenüber. Gerade sie verdienen tragfähige Konzepte und Überzeugungsarbeit.

    Update: Ich bin Mitglied der Piratenpartei, versuche aber Blog und Parteipolitik getrennt zu halten. Aber: Ganz im Gegenteil: Wir haben Konzepte. Sogar sehr gute. Wir agieren aber nicht im luftleeren Raum und müssen uns mit jeder Kritik auseinander setzen, egal ob sie polemisch oder ernsthaft gemeint ist. So ist nunmal Politik.

  • Freitagstexter

    freitagstexter2

    Oh, welche Ehre! Ich habe doch tatsächlich den letzten Freitagstexter gewonnen. Allerdings gruselt es mich nachträglich sehr, mit welchem Text. Daher sind meine Finger beim Ausrichten des aktuellen Freitagstexters etwas zittrig…

    freitagstexter

    Für diejenigen, die dieses Spiel noch nicht kennen, hier die Spielregeln: Man schreibe eine möglichst lustige, elegante, skurrile oder sonstwie kreative Bildunterschrift zu diesem Foto hier als Kommentar. Wer mich am meisten zum Lachen oder Stutzen bringt, bekommt einen virtuellen Pokal als formschöne GIF-Datei und darf den nächsten Freitagstexter austragen. Teilnehmen können also nur Blogger (oder Leute, die auf einem Blog eines Freundes mitschreiben dürfen). Einsendeschluss und Siegerehrung ist am kommenden Mittwoch Abend. Viel Spaß!

    P.S.: Eine Liste sämtlicher vorangegangener Freitagstexter findet sich hier.

  • Emma und die Kinderpornos

    Auch die Zeitschrift Emma befasst sich mit „Zensursula“ und veröffentlicht darüber einen bemerkensweren Artikel. Bemerkenswert ist er, weil er fast alle Argumente der Netzsperren-Gegner aufgreift, um am Ende doch zu einer – wie ich finde – üblen Polemik gegen die Bewegung und Franziska Heine zu mutieren. Besonders schlimm finde ich den letzten Absatz.

    Dürfen wir demnächst mit einer Petition von Franziska Heine, der „Jeanne d’Arc des Internets“, für eine Aufstockung der  finanziellen und personellen Mittel des BKA zur Verfolgung von Kinderpornografie rechnen? Und wie viele UnterzeichnerInnen würde diese Petition wohl finden?

    Das ist das alte Schlagetotargument. Genauso könnte man sagen: Wie kannst Du Dich für XY einsetzen, wenn in der dritten Welt Kinder hungern? Was ist so schlimm an XY, uns ging es damals viel schlechter? Wie kann Dir XY wichtig sein, wo Herr Jesus für Dich am Kreuz gestorben ist? Ich finde es traurig, dass die ehemals linke und kämpferische Emma so dermaßen in der Welt der Spießer angekommen ist. Es passt aber auch dazu, dass Alice Schwarzer sich nicht entblödet, ausgerechnet für die BILD Werbung zu machen.

    Im folgenden der Kommentar, den ich im Emma-Forum hinterlassen habe:

    Bisher hatten sich die deutschen Provider in diesem Fall auf den Standpunkt gestellt, den Vodafone-Sprecher Thomas Ellerbeck angesichts der tobenden Internet-Community jetzt noch einmal formulierte: „Wir sind keine Internet-Polizei.“ Will heißen: Man wusch seine Hände in Unschuld – und die Seiten blieben im Netz. „Damit“, so das Ministerium, „ist jetzt Schluss“. ine Selbstverständlichkeit, möchte man meinen, aber…

    Nein, das ist keine Selbstverständlichkeit. Ganz im Gegenteil: Internet-Provider sind Briefträger. Wollen wir die Post verpflichten, alle Briefe zu öffnen und zu kontrollieren, weil Kinderpornographie drin sein könnte? Ernsthaft?

    Das BKA soll den Providern täglich eine Liste mit inkriminierten Pornoseiten vorlegen? Das nennt man Zensur.“ Wohlgemerkt: Wir sprechen hier von Seiten, auf denen Säuglinge und Schulkinder vergewaltigt und gefoltert werden.

    Es ist trotzdem Zensur. Das BKA soll nicht im Hinterzimmer Listen führen, sondern ein Richter soll es anordnen. Und zwar keine Sperre anordnen (von der Sie selbst schreiben, dass sie wirkungslos ist), sondern eine Löschung. Dass das machbar ist, hat der kleine Foebud e.V. bewiesen und innerhalb von 12 Stunden 60 Kinderporno-Seiten aus dem Netz geworfen.

    Seit Wochen ist die Ministerin gezwungen, wieder und wieder zwei Selbstverständlichkeiten auszusprechen. Erstens: Das Internet ist eben kein rechtsfreier Raum. Zweitens: Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein.

    Nur weil Ihr es wiederholt: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Die Gesetze gelten. Und sie können durchgesetzt werden. Zehntausende von Leuten, die Abmahnungen wegen Filesharing erhalten haben, werden Ihnen das bestätigen.

    Datenschutz sei Täterschutz ist eine Meinung von Rechtsaußen in der CDU. Wollen Sie sich wirklich in eine Reihe mit Schäuble begeben? Datenschutz hat damit nichts, aber auch gar nichts zu tun. Im Gegenteil: Die Sperre ist Täterschutz. Was meinen Sie, wie schnell sich die Täter aus dem Staub machen, wenn sie merken, dass Ihre Website gesperrt wurde? Ein Script, dass die Abrufbarkeit einer Webseite mittels eines deutschen DNS-Server überprüft, kann ich in wenigen Minuten schreiben.

    „Handeln statt Sperren!“ fordert auch der „Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur“. Handeln sollen aber offenbar die anderen. Zwar hackten die Internet-Cracks inzwischen die Seite der Deutschen Kinderhilfe und platzierten dort eine „Todesanzeige für die Meinungsfreiheit“. Auf CCC-Mitglieder, die ihre Computerkenntnisse nutzen, um Anbietern von Kinderpornos das Handwerk zu legen, wartet man dagegen vergebens.

    Dieser Passus ist eine große Frechheit. Wir sind konstruktiv. Ich nenne obigen Versuch des FoeBud. Ich selbst habe (erfolglos) eine Petition zur Bekämfpung von Kinderpornographie eingereicht.

    Ich komme zu dem Schluss, dass Ihr Artikel zunächst auf lobenswerte Weise die Argumente verarbeitet, dann aber in üble Polemik abgleitet. Wie Sie selbst schreiben: Die Sperren verhindern gar nichts. Sie ziehen aber einen Rattenschwanz von Problemen nach sich. Ich habe das hier mal leicht verständlich für Menschen erklärt, die sich nicht mit dem Internet auskennen.

  • Child porn access blocking law is the entry to internet censorship in Germany

    Es gibt natürlich eine deutsche Fassung dieses Textes.

    What’s this all about?

    Today the German Bundestag has approved a new law: Access to websites containing child pornography will be blocked and redirected to a stop sign. For this purpose a secret list is kept by the Federal Criminal Police Office and sent to the ISPs regularly.

    That sounds good. Why are you opposed to it?

    Because the law is ineffective but will cause a lot of damage. We fear that it will lead to general censorship. Therefore we filed a petition to the Bundestag. 134,014 people signed it – more than any other petition before. Regrettably the regnant coalition of Christian Democrats and Social Democrats elided it. They simply wanted to get the law through before summer holidays and the election in September.

    But German politicians say the internet should not be an unlegislated area.

    Surely it isn’t. Using the IP address you can find out, who put illegal things online and bring him to court. Of course child abuse and child pornography are indictable crimes in Germany.

    But the initiators insistently depict the suffering of abused children.

    Minister of Family Affairs Ursula von der Leyen paints a picture that isn’t quite true. Child abuse takes place offline. In the WWW websites containing child pornography are very rare. The minister talks about an increase of cases but mixed up the statistics with a lot of cases that led to acquittal. In effect the occurence of child abuse and child pornography decreases in Germany.

    But the pictures are on the web. Could I find them by accident?

    Finding child pornography by accident is very very improbable because child abuse is a crime in nearly the whole world. Pedophiles avoid the web and swap their pictures underground e.g. sending CD-ROMs by mail.

    OK, pictures are very rare, but the victims surly want the pictures to disappear from the web.

    We demand that such content should be deleted and the creators should be tracked. Access blocking is not deleting but putting a stop sign in front. According to the new law the content remains on the web.

    Sometimes deleting and tracking could last longer. Shouldn’t you block meanwhile?

    That’s not a good idea. The owners of the web servers notice that their server is blocked. They will be warned that the police could be after them now and run off. Access blocking protects child abusers from prosecution.

    And why is access blocking inefficient?

    Because anyone can simply bypass it by using another DNS server.

    A caucus will control the Federal Criminal Police Office.

    Yes, but belatedly and randomly. And the law cancels division of powers because no judge or court is involved. A lot of jurists believe that the law is inconstitutional.

    OK, but children seem more important to me than laws. After all there is a caucus.

    The caucus might prevent web sites from being blocked accidentally, but it doesn’t prevent censorship itself.

    But how can you call it censorship when it’s about blocking child pornography?

    You’re right. For the present it’s about child pornography. But when access blocking is up and running, the inhibition threshold to block other content gets lower. Several christian democrats and social democrats already demand that other content be blocked—including legal content.

    Besides, not only sites containing child pornography are blocked but also sites that are linking to them, no matter if the link is intended or not.

    But the law is clearly about child pornography and nothing else. Democracy will prevent the law from being extended.

    We don’t believe it. But even if the law never changes and linking sites are no problem, other sites that have absolutely nothing to do with child pornography will be blocked, too.

    How could that happen?

    I have to explain, it’s a little bit complicated: In German law there is a topic called „Störerhaftung“. You could translate it with „disquieter’s responsibility“. As such, an ISP could be convicted for not blocking websites with illegal content. It’s a little like accusing a mailman for the content of the mail. But in the past the ISPs never had to block websites because the expenses of access blocking are unreasonable. With a law forcing the ISPs to run access blocking that totally changes.

    But it will be a court that imposes the blocking of a web site?

    Of course, but think of decisions given in summary proceedings. An example: I have a web shop. A business rival sues me and my shop will be blocked. In the end I might win the case and my web shop is unblocked months or years later. I’m broke by then and the rival has won, even when he lost the case.

    Establishing access blocking will make it possible for everybody to block everybody. Especially people with enough money to afford expensive lawyers and a trial. The consequence will be total censorship chaos.

    Conclusion: The law does not help against child abuse at all. But it compromises the rule of law, justice, e-commerce and freedom in Germany.

  • Websperren: Warum es sehr wohl um Zensur geht

    Am 18. Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Inhalte im Web. Dazu ein Text vor allem für Menschen, die sich mit dem Internet nicht so auskennen. Ausdrucken und weitergeben in jeder Hinsicht erwünscht.

    Worum geht es bei den Internetsperren?

    Das Abrufen von Webseiten, die Kinderpornographie enthalten, wird auf ein Stoppschild umgeleitet. Hierfür soll eine geheime Liste vom BKA geführt und regelmäßig an die Internet-Provider weitergegeben werden.

    Das klingt doch gut, warum seid Ihr dagegen?

    Weil das Gesetz wirkungslos ist, aber viel Schaden anrichten wird. Wir haben Angst, dass es zu allgemeiner Zensur im Internet führt. Deshalb wurde eine Petition beim Bundestag gestartet. Sie fand 134.014 Unterzeichner, mehr als jede andere Petition zuvor. Leider wird sie von CDU und SPD ignoriert. Die wollen das Gesetz noch schnell vor der Sommerpause und der Bundestagswahl durchbringen.

    Viele Politiker sagen, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein.

    Ist es auch nicht. Anhand der IP-Adresse kann festgestellt werden, wer dort was getan hat. In den letzten Jahren gab es z.B. zehntausende von Abmahnungen wegen unerlaubter Kopien von Musik usw. Das zeigt deutlich, wie gut die Strafverfolgung auch im Internet funktioniert. Wer selber Texte und Bilder im Netz veröffentlicht, kann ziemlich schnell dingfest gemacht werden.

    Aber Ursula von der Leyen schildert eindringlich das Leid der Kinder.

    Ursula von der Leyen malt dazu ein Bild übelster Gräueltaten an die Wand, das so nicht der Realität entspricht. Kinderpornographie ist zumindest im WWW (um das es hier geht) eine äußerst seltene Randerscheinung. Das Familienministerium redet von einer Zunahme der Fälle und versucht, reine Verdachtsfälle, in denen niemand verurteilt wurde, mit in die Statistik zu mogeln. In Wirklichkeit werden die Fälle weniger.

    Aber die Bilder sind doch im Netz? Man könnte sogar zufällig welche finden?

    Dass jemand zufällig im Netz über solche Bilder stolpert, ist äußerst unwahrscheinlich. Eher haben Sie 6 Richtige im Lotto. Solche Webseiten sind sehr, sehr selten. Weil Kindesmissbrauch fast überall auf der Welt illegal ist, werden die Bilder unter Hand getauscht, z.B. auf CDs per Post aber fast gar nicht im WWW. Wir öffnen doch auch nicht sämtliche Briefe bei der Post, weil da Kinderpornographie drin sein könnte.

    Selbst wenn es nur sehr wenige Bilder sind: Missbrauchsopfer wollen doch sicher, dass die Bilder aus dem Netz verschwinden. Sind die Euch etwa egal?

    Nein, die sind uns gar nicht egal, im Gegenteil. Wir wollen, dass solche Inhalte gelöscht werden und die Urheber verfolgt werden. Das ist sogar relativ einfach. Beim Sperren werden die Bilder aber nicht gelöscht, sondern es wird nur ein Stoppschild davorgestellt. Nach Frau von der Leyens Gesetz bleiben die Bilder also im Netz.

    Wenn die Server im Ausland stehen, dauert das Löschen vielleicht eine Weile. Sollte man nicht wenigstens dann so lange sperren?

    Das ist keine gute Idee. Wer einen solchen Server betreibt, bekommt recht schnell mit, dass er gesperrt wird, und kann sich aus dem Staub machen. Netzsperren schützen also Kinderschänder vor Strafverfolgung.

    Und warum sind die Sperren wirkungslos?

    Weil jeder sie äußerst einfach umgehen kann.

    Im Gesetz steht nichts zur Technik. Vielleicht erfindet jemand Sperren, die nicht umgangen werden können?

    Sowas gibt es schon. Dafür müssten die Internet-Provider aber permanent alles überwachen, was wir im Internet tun. Jeden einzelnen Text den wir lesen, jedes einzelne Bild, das wir uns ansehen. Möchten Sie, dass ständig überwacht wird, welche Filme Sie ansehen und welche Bücher Sie lesen?

    Aber die SPD hat doch in einem Kompromiss das schlimmste verhindert?

    Nein, das war eigentlich nur Kosmetik. Einige Mitglieder wollten, dass der Parteitag über die Sperren abstimmt, wurden dort aber mundtot gemacht. Stattdessen hat SPD mit der CDU im Hinterzimmer nur leichte Änderungen ausgeklüngelt: Es wird ein Spezialgesetz wirklich ausschließlich gegen Kinderpornographie sein. Außerdem soll ein Kontrollgremium geschaffen werden, das die Listen überwacht.

    Ist doch prima, warum jammert Ihr dann noch?

    Weil das Gesetz mit oder ohne Kontrollgremium immer noch die Gewaltenteilung aushebelt. Eigentlich müsste in jedem Fall ein Richter über die Sperre entscheiden. Außerdem gehen viele Juristen davon aus, dass ein solches Gesetz gar nicht vom Bund, sondern nur von den Ländern erlassen werden darf. Das Gesetz ist ziemlich sicher grundgesetzwidrig.

    Na gut, aber Kinder sind wichtiger als juristische Spitzfindigkeiten. Immerhin gibt es ein Kontrollgremium.

    So ein Kontrollgremium kann vielleicht verhindern, dass Webseiten „aus Versehen“ auf die Sperrliste geraten. Es verhindert nicht, dass an sich zensiert wird.

    Aber man kann doch nicht von Zensur reden, wenn es um Kinderpornographie geht?

    Stimmt. Vorläufig geht es um Kinderpornographie. Haben wir aber erstmal diese Sperren, dann ist die Hemmschwelle für weitere zukünftig niedriger. Etliche Politiker von CDU und SPD fordern bereits jetzt, weitere Inhalte zu sperren, und zwar längst nicht nur illegale.

    Außerdem werden laut Gesetz auch Seiten gesperrt, die keine Kinderpornographie enthalten, aber Links zu solchen Seiten. Wenn jemand auf eine Seite verlinkt, auf der dann später ohne sein Wissen Kinderpornographie veröffentlicht wird, wird er auch gesperrt, ohne etwas damit zu tun zu haben.

    Im Gesetz steht aber klar drin, dass nur Kinderpornographie gesperrt wird. Die Demokratie wird schon verhindern, dass weitere Inhalte ins Gesetz geschrieben werden.

    Glauben wir nicht. Aber selbst wenn das Gesetz in alle Ewigkeit auf Kinderpornographie beschränkt bleibt und verlinkende Seiten außen vor bleiben, werden garantiert auch Seiten gesperrt werden, die damit gar nichts zu tun haben.

    Wie soll das passieren?

    Dazu muss ich etwas weiter ausholen, weil das juristisch ein wenig komplizierter ist. Nach deutschen Recht gibt es eine so genannte „Störerhaftung“. Danach kann ein Internet-Provider als „Mitstörer“ angesehen werden, auch wenn er für Inhalte einer Webseite gar nicht verantwortlich ist. In der Vergangenheit haben Leute immer wieder Internet-Provider darauf verklagt, als „Mit-Störer“ Webseiten zu sperren. Bisher haben Gerichte immer gegen das Sperren entschieden, allerdings nur, weil der technische Aufwand für den Provider unzumutbar sei. Mit dem neuen Gesetz müssen die Internet-Provider die Technik sowieso bereitstellen. Sie können also künftig vor Gericht gezwungen werden, auch Webseiten zu sperren, die absolut ganz und gar nichts mit Kinderpornographie zu tun haben, obwohl das nicht in dem Gesetz steht. Das ist so, als würden Sie Ihren Briefträger wegen des Inhalts Ihrer Post verklagen.

    Aber das ist doch vor Gericht und nach Recht und Gesetz?

    Nur formell. Nehmen wir an, ich verkaufe Waren über meine Webseite. Ein Konkurrent verklagt mich wegen irgend etwas und erwirkt eine einstweilige Verfügung. Meine Webseite wird also gesperrt, ich kann erstmal nichts verkaufen und der Prozess zieht sich über Monate hin. Selbst wenn ich unschuldig bin und den Prozess gewinne, bin ich zwischenzeitlich pleite gegangen und der Konkurrent hat gewonnen, selbst wenn er den Prozess selbst verliert.

    Sobald Netzsperren also etabliert sind, kann jeder jedem zumindest zeitweise einen Maulkorb verpassen. Vor allem Leute mit viel Geld und teuren Anwälten anderen Leuten mit wenig Geld und schlechten Anwälten. Die Folge wäre so etwas wie ein allgemeines Zensur-Chaos. Deshalb haben wir Angst vor dem Zensurmechanismus, auch wenn die Politiker hoch und heilig versprechen, dass nur Kinderpornographie gesperrt wird.

    Ach wissen Sie: Ich bin sowieso nicht im Internet. Eigentlich ist mir das alles egal.

    Das Internet darf Ihnen persönlich gerne egal sein, aber denken Sie an Ihre Kinder. Die wachsen mit dem Internet auf. Für Ihre Kinder ist ein freies, unzensiertes Internet genauso wichtig, wie für Sie, dass keine Bücher, Zeitschriften, Filme oder Briefe zensiert werden dürfen. Und auch wenn Sie das im Alltag nicht so richtig merken: Das Internet ist längst zum Rückgrat unserer Wirtschaft (und bei den Jüngeren der Gesellschaft an sich) geworden.

    Fazit: Das Gesetz richtet gar nichts gegen Kindesmissbrauch aus, gefährdet aber den Rechtsstaat, den Rechtsfrieden, die Internetwirtschaft und die Freiheit in Deutschland.

    Diesen Text als PDF oder für OpenOffice herunterladen.

  • Überlegungen zur Europawahl (feat. Wahlempfehlung)

    So, wen wählen wir denn morgen? Auch wenn der geneigte Leser meine politischen Ansichten überhaupt nicht teilt, ist das eine oder andere Argument vielleicht hilfreich.

    Die Kandidaten

    Obwohl ich mich für politisch informiert halte und die Diskussionen auf Twitter und in der Blogsphäre verfolge, kenne ich bis auf eine Ausnahme keinen einzigen Kandidaten zur Europawahl. Nach Personen kann ich schonmal nicht wählen. Die einzige Ausnahme ist Silvana Koch-Mehrin. Eine Liberale, die kurz vor der Wahl dadurch auffällt, dass sie häufig im Parlament gefehlt hat und eine Kolumne in der „Praline“ schreibt. Nachdem sie äußerst un-liberal mit der Presse und der Blogosphäre umgegangen ist, halte ich sie jenseits der Programmatik der FDP für nicht wählbar.

    Ein Blick auf die anderen Parteien: CDU und SPD plakatieren im großen Stil zwei Köpfe: Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Beide kandidieren nicht fürs Europa-Parlament, sondern sind Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl. Die beiden größten Parteien scheinen sich zumindest auf dieser Ebene überhaupt nicht für Europa zu interessieren, sondern machen eine Vorwahl für den Herbst draus. Liebe CDU, liebe SPD, unabhängig von Eurem Programm: Warum sollte ich Euch wählen, wenn Ihr quasi versteckt, wen ich da eigentlich wähle? Positive Ausnahme ist hier die Linkspartei, die immerhin ihren Vorsitzenden ins Rennen schickt.

    Wahlaussagen (Europa)

    Programmatik und Wahlplakate sämtlicher etablierter Parteien zeichnen sich durch ein bemerkenswertes Vakuum an Aussagen aus. Alle sind einfach irgendwie „für Europa“. Keine Einzige Partei lehnt den Vertrag von Lissabon ab: Ein Verfassungsersatz, der die Un-Demkratie auf europäischer Ebene noch zu vertiefen droht. Keine Partei stellt sich europäischen Fragen. Wenn eine es doch tut, dann sind es NPD oder CSU, die gegen einen Beitritt der Türkei agitieren. Niemand redet über internationale und innereuropäische Zusammenarbeit. Beispiel: Das ganze Netz schimpft über die Pläne von Frau von der Leyen, Stopschilder gegen Kinderpornographie im Web aufzustellen, während das BKA zugibt, dass das Abschalten der Server dem Dienstweg geopfert wird, und keine einzige Partei stellt einen Weg vor, wie man hier die internationale Zusammenarbeit verbessern könnte – schließlich ist das Internet, das so viele politische Fragen aufwirft, global.

    Die CDU plakatiert aussagenfreie Heile-Welt-Romantik mit dem Slogan „Wir in Europa“. Die SPD gibt ihren Mitbewerbern Tiernamen und rückt damit in die braune Ecke. Die FDP ist „für Deutschland in Europa“. Ganz einfach macht es sich die Linke. Sie fordert nicht einfach nur den Mindestlohn sondern einen europaweiten Mindestlohn. Dumm nur, dass in den allermeisten Staaten Europas ein Mindestlohn bereits existiert. Die Grünen plakatieren „WUMS“, was für „Wirtschaft, Umwelt, menschlich und sozial“ steht. Das klingt nicht nur dämlich, sondern ist ohne weitere Erläuterung ebenfalls eine Null-Aussage.

    Programmatik und Realpolitik

    Ohne das jetzt hier in epischer Breite zu erläutern: Union und FDP sind programmatisch für mich nicht wählbar. Vielleicht sehen Sie das anders. In Erwägung ziehen kann ich die SPD, die Linkspartei und die Grünen. Ganz besonders am Herzen liegen mir momentan die Bürgerrechte und die Freiheit im Internet sowie eine soziale Politik. Da böte sich die SPD an, die auf dem Feld der Sozialpolitik ein ziemlich linkslastiges Programm aufgestellt hat. Schade nur, dass ich ihnen nach Hartz IV und den anderen neoliberalen Sünden der Schröder-Regierung ihren plötzlichen Linksruck einfach nicht abkaufe. Was wenigen bekannt ist: Keine Partei hat so oft mit Ja gestimmt wie die SPD, wenn es um den Abbau von Bürgerrechten und die Beschneidung des Grundgesetzes geht. Die SPD ist in diesem Punkt objektiv tatsächlich noch schlimmer als die CDU.

    Eine bedingt wählbare Alternative ist die Linkspartei. Allerdings halte ich ihre Forderungen teilweise für irreal bis surreal. (So bin ich z.B. für einen Mindestlohn, aber nicht in der Höhe. Und Millionen neuer Arbeitsplätze kann nur versprechen, wer nicht damit rechnet, an der Realität gemessen zu werden.) Bei dem Thema „Bürgerrechte“ könnte ich die SED-Nachfolgepartei ebenfalls nur mit Bauchschmerzen wählen, auch wenn sie eine Wandlung vom Saulus zum Paulus durchgemacht haben will.

    Rein auf dem Papier klingt der „Grüne New Deal“, für den sogar die Financial Times Deutschland wirbt, spannend und durchdacht. In der Verquickung von Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik sind die Grünen innovativ, während ihr übriges Programm sich weitgehend mit SPD und Linkspartei deckt. Probleme haben auch die Grünen mit Anspruch und Wirklichkeit. Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg kann man aus grüner Sicht eigentlich nur noch als Fiasko bezeichnen. Die Grünen, die neben der Ökologie programmatisch für Frieden, Bürgerrechte und Sozialpolitik einstehen, haben 1998-2005 politisch den Abbau von Bürgerrechten (z.B. Lauschangriff, Fingerabdrücke im Personalausweis, Gesundheitskarte), den Abbau von Sozialleistungen (z.B. Hartz IV) sowie den Kosovo-Krieg mitgetragen. Ich weiß keinen Grund, warum ich daher ihre Grundsatzpositionen noch ernst nehmen sollte. Das gilt übrigens ganz ähnlich auch für die FDP in Sachen Bürgerrechte.

    Die Alternative: Nicht-Wählen oder Mini-Partei?

    Wer nicht wählt, schenkt seine Stimme anteilig den etablierten Parteien. Rein rechnerisch ist jede nicht abgegebene Stimme etwa zur Hälfte eine Stimme für die CDU, weil Nicht- und Ungültigwähler nunmal völlig aus der Rechnung fallen, wenn die Stimmanteile berechnet werden. Lustige Sprüche auf dem Wahlzettel werden nicht einmal die Wahlhelfer amüsieren. Was können die schon dafür?

    Ich werde die Piraten wählen. Damit verschenke ich meine Stimme nicht an eine Spaßpartei: Das Programm der Piraten können Sie unter www.piratenpartei.de nachlesen. Selbstverständlich ist das eine Protestwahl. Ich protestiere damit gegen eine bürgerferne Politik, die Beschneidung der Grundrechte und das Ignorieren der Internet-Kultur in den etablierten Parteien. Betrachtet man das Parteiprogramm, ist mein Protest aber durchaus konstruktiv.

    Mir ist klar, dass die Piraten in Deutschland die 5%-Hürde nicht schaffen werden. Das kann aber niemals ein Argument sein, Kleinparteien zu verschmähen. Wenn immer alle Leute so denken würden, hätten die Grünen auch nie aus ihrer Nische herauskommen können. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass die Zeit reif ist für eine Partei wie die Piraten, so wie die Zeit 1979 reif für die Grünen war. Die Piraten erwachsen aus einer bürgernahen Graswurzelbewegung und sind (noch?) nicht durch irgendwelche Machtfragen korrumpiert. Sie sind (wie ich) linksliberal bürgerlich und denken ökologisch wie ökonomisch nachhaltig. Wenn alles gut geht, werden bereits diesen Sommer erleben, wie die ersten Piraten aus Schweden ins Europa-Parlament einziehen.

    P.S.: Auf die CSU gehe ich hier nicht näher ein, weil sie mich als Hamburger nun wirklich nicht zu interessieren brauchen. NPD und DVU sind in meinen Augen einfach nur Nazis. Bei den kleinen Parteien sind sicherlich interessante dabei, besonders „Die Frauen“ und „Newropeans“. Über beide Parteien weiß ich zu wenig. Ansonsten bin ich weder Rentner, noch irgendwie violett und schon gar kein bibeltreuer Christ.

  • Twitternde Nazis

    Das Auftauchen der NPD hat heute auf Twitter viel Aufregung verursacht. Sofort machten Aufrufe die Runde, den Account zu blocken. (Wenn das genügend Twitterer tun, geht Twitter davon aus, dass es sich um Spam handelt und sperrt den Account). Gleichzeitig wurden Rufe laut, das sei Zensur und Diskriminierung. Eigentlich hat German Psycho das ganze schon sehr schön zusammengefasst. Wegen einiger Nachfragen muss ich das aber mal ergänzen:

    Wenn ich eine Kneipe betreibe, habe ich Hausrecht und darf Leute, die mir nicht passen, hinauswerfen. Genauso darf ein Blogger unerwünschte Kommentare löschen, darf ein Verleger entscheiden, welche Artikel in seinen Zeitungen erscheinen – und genauso darf Twitter auch Nutzer von der Plattform ausschließen. Das  hat mit Zensur nichts zu tun. Zensur ist die staatliche Unterdrückung unerwünschter Inhalte (unabhängig davon, ob sie angemessen ist oder nicht). So etwas wie private Zensur gibt es nicht. Wenn auf Twitter eine Anti-NPD-Bewegung entsteht, so ist das das Online-Pendant zur Gegendemonstration in der Offline-Welt.

    (Update 10.10.2011: Meine Meinung in Bezug auf das Hausrecht habe ich inzwischen geändert. Twitter, Google+ und Facebook sind heute öffentliche Räume, die Regeln darf nicht mehr nur noch das betreibende Unternehmen aufstellen, sondern müssen von den Nutzern mitbestimmt werden. An meiner Haltung zu NPD-Anhängern ändert das freilich nichts.)

    Die Meinungs- und Redefreiheit jedenfalls bleibt gewahrt. Die Nazis haben weiterhin das Recht, Ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild zu verbreiten. Sie können weiterhin im Rahmen der Gesetze Aufmärsche organisieren, Wahlwerbespots ausstrahlen lassen, Flyer unters Volk bringen, ihre Zeitungen verlegen und Webseiten online stellen soviel sie wollen. Sie können mich aber nicht zwingen, ihren Kram zu tolerieren. Selbstverständlich kann jeder Anwender die NPD auf Twitter blocken, wenn er sich von ihr belästigt fühlt. Und Twitter ist zwar ein öffentlicher Raum, zugleich aber ein privates Unternehmen. Die Spielregeln, die dort gelten, werden von niemand anderem festgelegt als vonTwitter selbst. Wenn sie eine Regel aufstellen, einen Account bei zu vielen Blockings zu sperren, und die NPD zu oft geblockt wird, dann hat letztere schlicht und ergreifend Pech gehabt. Das Recht auf Meinungsfreiheit gilt nämlich nicht nur für die NPD sondern ist auch mein Recht, öffentlich zu sagen, was ich von ihr halte.

    Ja, selbstverständlich ist das Diskriminierung. Das macht aber nichts. Diskriminieren ist etwas, das wir alle ständig tun. Wir haben nunmal nicht alle Menschen gleichermaßen lieb und niemand kann uns zwingen, zu allen gleich freundlich zu sein. Es ist unser Recht, Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit abzulehnen. Jeder von uns darf selbst entscheiden, mit wem er nichts zu tun haben will. Ein Arschloch ist, wer Menschen nicht anhand Ihrer Worte und Taten ablehnt, sondern sie aus Gründen wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Religion diskriminiert. Und über genau solche Leute reden wir, wenn wir über die NPD reden.

    Auf Twitter schrieb ich

    Es kotzt mich sowas von an, dass so viele themen kampflos der npd überlassen werden u man bräunlich wirkt, wenn man bestimmte ansichten hat

    und wurde gefragt, was ich meine. Obligatorisches Dementi: Ich bin nicht ausländerfeindlich, nicht rassistisch, nicht homophob, fühle mich nicht überfremdet, träume nicht von den Grenzen von 1937, glaube nicht an eine polnische Kriegsschuld, erwarte von Frauen kein Gebärmaschinendasein am Herd, will auch die D-Mark nicht wiederhaben usw. usw. usw.

    Viele Menschen fühlen sich in einer kalten Gesellschaft zurückgelassen. Besonders in Ostdeutschland wird einem verloren gegangenen Zusammenhalt nachgetrauert. Hartz IV wird als Entsolidarisierung und Repressalie wahrgenommen. Antikapitalismus ist längst wieder salonfähig geworden. Die Globalisierung macht vielen Leuten Angst. Und sehr viele Menschen haben das Gefühl, die Politiker leben in einer Parallelwelt und machen da ihr eigenes Ding.

    Würde man Umfragen machen: Die obigen Aussagen bekämen sehr hohe Zustimmungswerte. Die NPD nutz genau dies aus. Sie kümmert sich nicht nur scheinbar um die Sorgen und Nöte dieser kleinen Leute sondern organisiert sogar vor Ort Einkaufshilfen, Lagerfeuer usw. Das erregt Sympathie und stille Zustimmung bei Leuten, die sich selbst nicht als Nazi sehen würden. Und wenn diese Leute sich zu oft von „denen da oben“ angelogen gefühlt haben, dann werden sie irgendwann anfangen, den rechtsradikalen Verschwörungstheorien derjenigen zu glauben, die sonst im Alltag was nettes auf die Beine stellen. Ganz leicht wird die USA zum Besatzer, der Holocaust zur Lüge, der Nazi zum netten Kumpel.

    Bis vor kurzem hatte ich eine sehr tolerante Haltung der NPD gegenüber: Sie sollten uneingeschränkte Meinungsfreiheit genießen. Nachdem ich mich heute wieder mit ihr beschäftigt habe, fange ich an, meine Haltung zu liberal zu finden. Ich habe einfach dermaßen viele widerwärtige Verdrehungen, Hetzereien und Lügen gefunden, dass ich diese Partei am liebsten verbieten würde. (Nein, ich verlinke den Dreck hier nicht.) Nur noch wenige Argumente lassen mich die NPD tolerieren: Immer noch besser, sie betreiben ihren Mist offen als im Untergrund. Und Verbote könnten das „Gedankengut“ für manche noch attraktiver machen.

    Ich denke, die meisten Wähler der NPD sind nicht wirklich rechtsradikal, sondern haben aus Protest gewählt. Ich denke, hier wird eine Zustimmung in der Bevölkerung konstruiert, die so nicht existiert. Diese Menschen wollen vor allem keinen Rechtsradikalismus, sondern dass jemand sich ihrer konkreten Probleme annimmt. Vermutlich würden sie gerne eine Linkspartei ohne SED-Vergangenheit oder eine SPD ohne Hartz IV wählen. Das ist ein Feld, das man verdammt nochmal nicht den Nazis überlassen darf. Ist die NPD weiterhin erfolgreich, sind CDU/CSU, FDP, Grüne, Linke und SPD mit schuldig daran.

    P.S.: Kann man NPD-Mitglieder eigentlich Nazis nennen? Die NPD ist ja nicht nur nationalistisch, sondern wendet sich (wie oben dargelegt) an „den kleinen Mann“. Programm und Propaganda enthalten viele antikapitalistische und sozialistische Züge, bestehen aber vor allem aus Deutschtümelei, Reaktion, Revanchismus und – ja! – Antisemitismus. Zwischen NPD und NSDAP besteht nur ein gradueller Unterschied. Menschen, die vollkommen hinter diesem Gedankengut stehen, sind nicht „irgendwie bräunlich“ sondern schlicht Neonazis, die ihre Hakenkreuze verstecken, weil sie sie nicht zeigen dürfen.