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Das Geheimnis des papiernen Türchens:Meine erste Begegnung mit einem Adventskalender hatte ich am 24. Dezember 1988. (…) Mein Onkel, der als Musiker der schlesischen Philharmonie das seltene Glück hatte, hin und wieder ins westliche Ausland reisen zu dürfen, war gerade aus Deutschland zurückgekommen. Die Rückkehr eines Verwandten aus dem Westen war immer ein „Mega-Event“, zu dessen Ritualen der schamanische Tanz um die Ananas und das berauschende Schnuppern an wellenförmiger Fa-Seife gehörte. Unter einem Berg von Gummibärchen, Puddingtüten, Trinkpäckchen und Streuselröhrchen lag diesmal eine große Papptafel…
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Meine Rolle in den Medien:Ich habe einer Reporterin von der taz, die bei mir zuhause war, über eine halbe Stunde lang mein ideales Schulsystem vorgeführt. Ich habe erklärt, warum ein Kurssystem und individuelles Lernen immer wichtiger für die Entwicklung wird. In ihrem Artikel kam kein Wort darin vor. Dafür eine frei erfundene Geschichte, wie ich mal einen Bundesparteitag mit einer Episode von “My little pony” unterbrochen hätte.
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English Pronunciation:If you can pronounce correctly every word in this poem, you will be speaking English better than 90% of the native English speakers in the world. After trying the verses, a Frenchman said he’d prefer six months of hard labour to reading six lines aloud.
Kategorie: Blog
Blogposts
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Rezension: „Entschuldigen Sie meine Störung“ von Jan-Uwe Fitz
Ich bin es nicht gewohnt, Bücher zu besprechen. Überhaupt weiß ich bei Büchern gar nicht, was man dazu sagen soll. Trotzdem will ich eine Rezension wagen, nämlich des Buches „Entschuldigen Sie meine Störung“ von Jan-Uwe Fitz und hoffe, das hier richtig zu machen und niemanden zu enttäuschen:
Auffälligstes Merkmal des Buches ist ein gestreifter Stofftieraffe mit Nasenpiercing und blauen Ohren auf gelbem Hintergrund. Typographisch beißt sich ein roter Bastard aus Avantgarde und Comic Sans kongenial mit einer extrem schmal laufenden Helvetica-Variante. Die Maße des Werks sind 124 mm x 188 mm x 19 mm. Im Innern des Einbandes befinden sich 144 doppelseitig bedruckte Papierbögen passenden Formates, die überwiegend Text enthalten und zum Blättern einladen.
Menschen, die Flann O’Brians „Der dritte Polizist“ mochten, werden in „Entschuldigen Sie meine Störung“ ein verwandtes Buch finden, obwohl das Werk des alten Iren etwas schmaler und vollkommen grün ist, statt des Affen einen Pub zeigt und typographisch irgendwas verwendet, was ein Bisschen aber nicht ganz anders als Times New Roman aussieht. „Entschuldigen Sie meine Störung“ enthält den Satz: „Und wenn du glaubst, es geht nicht mehr, beende den Geschlechtsverkehr.“ Das Buch sollte in keinem Regal fehlen.
https://www.youtube.com/watch?v=6SBc2kEWlZs
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Links der Woche
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Kumbaya:Und im Grunde meines Herzens bin ich auch katholisch geblieben. Das bedeutet natürlich vor allem zwar die Botschaft unseres Herrn Jesus Christus zu kennen, aber nicht nach ihr zu leben. Soweit ich das verstanden habe, ist das die Kernessenz der Katholisch-Römischen Kirche…
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Unter Volksdeutschen:“Wolfgang Schäuble leistet vor allem mit seinem Buch ‘Und der Zukunft zugewandt’ einen wichtigen Beitrag zur Enttabuisierung völkisch-nationalistischer Ideologeme im hegemonialen Diskurs…Dort propagiert er die Nation als ‘Schutz- und Schicksalsgemeinschaft’. Die Thesen Schäubles unterscheiden sich nicht von dem, was zum Beispiel die NPD in ihrem Programm zu demselben Thema sagt.”
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Die Niemandsregierung:Hannah Arendt nannte die Herrschaft der Bürokratie eine «Niemandsregierung» und sagte dazu: «Das ist nicht notwendigerweise eine Nichtregierung. Unter gewissen Umständen kann daraus sogar eine der grausamsten und tyrannischsten Varianten einer Regierung hervorgehen.» Weshalb? Ganz einfach weil «wir niemanden dafür verantwortlich machen können. Es gibt keinen echten Urheber der Handlungen und Ereignisse. Sie überwältigen uns einfach.»
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Oligarchie der Finanz: Der Krieg der Banken gegen das Volk:Wenn der Euro kollabiert, dann deswegen, weil verschuldete Staaten der Eurozone Geld bezahlen müssen, das sie sich borgen müssen und nicht durch die Notenbank beschaffen können. Im Gegensatz zur amerikanischen und britischen Zentralbank, die Geld drucken und das Land vor der Insolvenz bewahren können, hat die EZB diese Möglichkeit nicht – dafür sorgen die deutsche Verfassung und der Vertrag von Lissabon.
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Hören nach Zahlen
Wie misst man eigentlich Schwerhörigkeit? Indem man Menschen tiefe, mittlere und hohe Töne vorspielt und so lange lauter macht, bis sie sie hören. Das ergibt dann so ein Audiogramm wie oben. Es zeigt mein rechtes Ohr vor der Operation. Das Hörgerät musste also früher alles um 75-95 dB verstärken, damit ich etwas höre.
Dezibel ist eine logarithmische Skala: alle zehn Dezibel verdoppelt sich die Lautstärke. 85 dB entspricht ungefähr dem Krach an einer Hauptverkehrsstraße. Ein Fernseher auf Zimmerlautstärke ist etwa 60 dB laut und ein in 100 m Entfernung vorbeifliegendes Kampfflugzeug 110-140 dB. Hier liegt auch in etwa die Schmerzschwelle und die Schwelle, ab der auch nach kurzer Einwirkung bleibende Hörschäden zu erwarten sind. Bei 120 dB spricht man auch von Taubheitsschwelle. Ab wo man von „gehörlos“ sprechen kann, ist umstritten. In letzter Zeit wird die Bezeichnung eher pragmatisch benutzt, sodass ich mich mit obigem Audiogramm als gehörlos bezeichne, weil ich ohne Hörgeräte oder CI eben Stille um mich habe, wenn gerade kein Kampfjet vorbeifliegt. Medizinisch gesehen spricht man eher von an Gehörlosigkeit grenzende Schwerhörigkeit.
Es gibt aber noch eine andere wichtige Messgröße: Das Sprachverständnis. Dazu gibt es viele verschiedene Tests. Der einfachste und zugleich für den Probanden schwierigste ist der Freiburger Sprachverständnistest. Dabei werden eine Reihe von einsilbigen Wörtern wie „Schnee“, „Mund“ und „Klotz“ vom Band vorgespielt, die nachgesprochen werden müssen. Ein gut hörender Mensch sollte hier 100% schaffen. Auch ein normal hörender Mensch wird hier eventuell mal ein Wort nicht verstehen.
Diesen Test habe ich heute zum wiederholten Male durchgeführt. Im Frühjahr 2011 hatte ich mit (wirklich sehr guten) Hörgeräten ein Sprachverständnis von 25%. Heute mit Cochlea-Implantat schaffe ich auf dem rechten Ohr 75%, auf dem linken Ohr 85% und mit beiden Ohren gemeinsam 90%. (Ja, das linke Ohr, obwohl erst im Oktober operiert, hat mein rechtes überholt. Der Audiologe staunt auch.)
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No sleep till #Offenbings
Was macht man, wenn man zum Parteitag will und keine Kohle hat? Man besorgt sich eine Schlafgelegenheit bei @InsideX und @nad_no_ennas und fährt da mit der Regionalbahn auf Behi-Ausweis hin. Seit dem 1. Oktober 2011 geht das auch offiziell – die 50-km-Beschränkung ist abgeschafft. Für die die 550 km braucht man mit der Regionalbahn 10 Stunden und steigt fünf mal um. Was wie eine Qual klingt, ist eigentlich ganz gemütlich, jedenfalls wesentlich angenehmer als eine Bus- oder Autofahrt.
Die 10 Stunden waren auch nicht verplempert: Ich habe halt das Antragsbuch (PDF) durchgearbeitet. Wichtigste Frage: Gibt es ein Leben ohne ICE und Steckdose am Platz? Am Ende hatte mein Minilaptop/Riesennetbook (Acer Aspire 1810TZ) noch 34% Akku nach ca 7 Stunden Nutzung netto. Es muss also nicht immer Apple sein. Das iPhone hatte zwar auch noch 30%, war aber außerhalb von Bahnhöfen im Flugzeugmodus.
Akustisch war der Parteitag die Feuerprobe: Jawoll, ich bin wieder in der Welt der Hörenden angekommen. Ich konnte mühelos der Versammlungsleitung und den Redebeiträgen folgen, auch ohne hinzusehen, und wenn ich etwas nicht mitbekommen habe, dann weil ich schlicht und ergreifend abgelenkt war oder meine Aufmerksamkeit nachließ. Das einzige Problem: halblaute Gespräche, während Reden gehalten werden. Dafür bitte ich dann doch noch vor die Tür. War aber die zwei Tage eigentlich nur einmal nötig.
Mehrmals bin ich gefragt worden, was ich da am Kopf habe. Manche tippten auf Handy, andere auf Hörgerät. Einer wollte mir nicht glauben, dass es sich um ein Implantat handelt, das Signale auf meinen Hörnerv gibt. Dem sagte ich dann, in Wahrheit sei das auch das iPhone 5, was aber noch streng geheim sei, was die Person aber auch nicht zufrieden stellte.
Ansonsten war es einfach nur großartig. Viele Leute wieder gesehen oder endlich überhaupt mal getroffen, unzählige Hände geschüttelt, irgendwann die Fähigkeit verloren, Gesichter zuordnen zu können. Lang wurde es mir eigentlich nie: Anträge und Debatten waren spannend, manchmal kam Stadion-Laune auf und selbst dem GO-Anträge-Foo konnten wir oft noch viel Spaß abgewinnen.
[youtube]hXgaWAsCLAU[/youtube]Dazu kommt, dass der Parteitag fast alle Einzelpunkte so abgestimmt hat, wie ich selber. Das war dann schon mein Weihnachten – was sonst soll ich mir wünschen?
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Links der Woche
- Leitfaden für Lauscher:
Auch beim Verdacht auf “normale” Straftaten meinen die Münchner Fahnder, ohne besondere Genehmigung Fahrzeuge über die bordeigenen Systeme tracken zu dürfen. Begründet wird dies damit, dass es ausreicht wenn eine “Einverständniserklärung” des Herstellers und des Fahrzeugeigentümers vorliegt. Fahrzeugeigentümer kann ja auch ein Dritter sein, z.B. Autovermietung, Arbeitgeber oder Leasingfirma.
- Die Welt lässt sich nicht berechnen:
Die neoklassische Lehre vom Markt etwa wird fälschlicherweise vom Gütermarkt auf andere Märkte übertragen. Der Gütermarkt wird über Angebot und Nachfrage beschrieben. Angebot ist eine monoton wachsende Funktion des Preises und Nachfrage eine monoton fallende Funktion des Preises. Diese beiden Linien kreuzen sich irgendwo, und da entsteht das Gleichgewicht, auf das sich der Markt einstellt. Der Anschaulichkeit halber wird das mit dem berühmten Bild eines Marktplatzes beschrieben, auf dem sich Anbieter und Nachfrager treffen und die Preise aushandeln. So fangen alle VWL-Lehrbücher an, die sich kreuzenden Linien der Funktionen aus Angebot und Nachfrage bilden das sogenannte Marshall-Kreuz, das jeder VWL-Student kennt. Und dann der Fehler: Dieses Modell wird auf Teufel komm raus auf alle möglichen Situationen angewandt, etwa den Arbeitsmarkt. (…) Im Niedriglohnbereich ist die Annahme einer monoton wachsenden Angebotsfunktion nicht korrekt. Wenn ich die Löhne senke, muss jemand, der davon leben will, mehr arbeiten, um auf dieselbe Summe zu kommen. Die Modellannahme geht aber davon aus, dieser Jemand würde dann weniger arbeiten, weil der Einsatz seiner Arbeitskraft für ihn nicht attraktiv ist. Das geht an der Wirklichkeit vollkommen vorbei, wird aber einfach so behauptet und als Argument gegen Tarif-oder Mindestlöhne herangezogen.
- Leitfaden für Lauscher:
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Bezirksbeauftragter, Partei-Foo und Dementi
schrieb ich gestern auf Twitter und Facebook, was neben Gratulationen (Vielen Dank!) offenbar von vielen missverstanden wurde. Daher ein kurzes Dementi: Das ganze war „no big deal“. Es gab fünf Kandidaten und die Versammlung beschloss, die Zahl der Beauftragten ebenfalls auf fünf zu erhöhen, was ich gut finde, weil letztes mal einer der drei Beauftragten zurückgetreten ist und die Arbeit an nur zwei Leuten hängen blieb. Es gab also keinerlei dramatische Kampfabstimmung, es musste lediglich jeder der fünf Kandidaten mehr als die Hälfte der Anwesenden von sich überzeugen. Es gibt keine feste Aufgabenverteilung unter den fünf Bezirksbeauftragten, aber de facto werde ich mich um die Öffentlichkeitsarbeit kümmern und unter anderem das Blog und den Twitter-Account pflegen. Was genau alles ansteht, kann dort mitgelesen werden.
Für Nicht-Berliner und Nicht-Piraten: Vergleichbar ist das ganze mit einem Kreisvorstand. Es handelt sich um ein Ehrenamt, das ich in meiner Freizeit ausübe, und nicht um eine bezahlte Stelle und hat schonmal gar nichts mit den Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus oder den Bezirksverordnetenversammlungen zu tun. Im Gegenteil: Parteiarbeit darf nicht aus Fraktionsgeldern bezahlt werden und in der Piratenpartei gibt es (fast) keine vergüteten Stellen. Meine Jobsuche ist also noch nicht vorüber und ich freue mich weiterhin über Angebote.
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S21: Was wir aus der Volksabstimmung lernen können
Die Menschen in Baden-Württemberg haben beim Volksentscheid für den Weiterbau des neuen Bahnhofs in Stuttgart gestimmt. Die Enttäuschung der Aktivisten und Demonstranten, die bis aufs Augenlicht gegen den Umbau gekämpft haben, ist riesig. Das gibt den Zynikern, die sich über die Proteste echauffieren, noch lange nicht recht. Selbstverständlich darf man gegen einen Bahnhof demonstrieren, obwohl es scheinbar wichtigere Dinge gibt. Der Widerstand gegen Stuttgart 21 war ein Erfolg – nämlich weil er dieses Plebiszit überhaupt herbeiführte.
Und das ist zugleich der Haken an der Sache: Nur weil eine Gruppe laut trommelt und in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, sie habe die Meinungsführerschaft oder vertrete gar die schweigende Mehrheit, heißt das noch lange nicht, dass das auch stimmt. Die geringe Wahlbeteiligung und die Mehrheit für den Weiterbau haben gezeigt, dass die S21-Gegner sich verkalkuliert haben. Das Ergebnis sagt nichts darüber aus, ob der Umbau des Bahnhofs nun richtig oder falsch ist, es sagt aber aus, dass die Mehrheit der Abstimmenden keine Bahnhofsnostalgiker und keine Parkschützer sind und der Mehrheit der Wahlberechtigten insgesamt die ganze Sache sogar egal ist. Wer Bäume oder Bahnhöfe retten will, muss das bitter finden.
Anhänger von Volksabstimmungen und direkter Demokratie sind jetzt hoffentlich ein wenig ernüchtert: Der größte Feind des Plebiszits ist noch immer die Ignoranz. Direkte Demokratie bedeutet, dass zwei Wölfe und ein Schaf darüber abstimmen, was es zum Essen gibt. Bestimmte Fragen (wie zum Beispiel die über die Einführung/Abschaffung der Todesstrafe) möchte ich lieber nicht ungefiltert dem Volk überlassen. Demokratie sollte eben nicht die Herrschaft der Mehrheit sondern die Herrschaft des Volkes an sich bedeuten, wozu das Abwägen von Kompromissen gehört. Egal wie groß der Ekel vor dem Politikbetrieb ist, etwas besseres als die derzeitige parlamentarische Demokratie haben wir eben weiterhin nicht – außer vielleicht Liquid Democracy.
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Links der Woche
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Facebook-Revolution revisited:Es wäre aber auch genauso verkehrt, das Internet mit seinen vielfältigen Möglichkeiten als Vehikel gesellschaftlicher Transformationsprozesse zu unterschätzen. Im Moment sorgt die ägyptische Studentin Aliaa Magda Elmahdy für Furore. Per Selbstauslöser hatte sie eine Serie von Nacktbildern aufgenommen und zunächst bei Facebook hochgeladen. Nachdem Facebook die Bilder aus ihrem Profil entfernte, fragte ein Freund, ob er die Serie per Twitter veröffentlichen soll, und mit ihrer Zustimmung brachte Elmady den Stein richtig ins Rollen. Mit den Nacktbildern wolle sie „gegen Gewalt, Rassismus, sexuelle Belästigung und Heuchelei” in der ägyptischen Gesellschaft protestieren.
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Das qualitätsjournalistische Reality Distortion Field:So dreist hab ich noch nie jemanden lügen sehen. Jeder, der einen Internetanschluss besitzt, kann sich innerhalb von 5 Minuten vom Gegenteil überzeugen. Guttenberg sitzt auf einem riesen Berg aus Scheiße und behauptet, er rieche nichts.
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Ein Spielfilm „im Netz“ (Pornorama):Fast begann der Film schon eine Wim-Wenders-hafte Langeweile auszustrahlen, da trat urplötzlich und unmotiviert ein drahtiger Jüngling zur Tür herein. Es entspann sich ein belangloser, später etwas anzüglicher Wortwechsel, der, seis aus kognitiven Beschränktheiten, seis aus dramaturgischen Gründen, die Handlung zunächst nicht wesentlich vorantrieb. Aber der Dame wurde offenbar dennoch warm von der Konversation. Knopf auf Knopf öffnete sie ihr Kleid und verschaffte sich Kühlung, dabei unversehens und gewiss unbeabsichtigt gewisse Reize enthüllend.
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