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  • Nur heute: 100 App.Net-Invites zu vergeben

    tl;dr: Ich habe 100 App.net-Invites zu vergeben: https://join.app.net/from/ennomane

    adn

    App.net hat einige Blogger angeschrieben und stellt ihnen einen Link zur Verfügung. Mit diesem Link können sich bis zu 100 Leute bei App.net anmelden und den Dienst gratis nutzen. Ein Invite-Code ist nicht nötig. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das einfach eine Marketing-Idee ist oder eine Krisenerscheinung: Bei App.net hat sich ja trotz der vielen positiven Wörter, die darüber verloren wurden, immer noch keine kritische Masse eingestellt.

    Wer’s nicht kennt: Oberflächlich sieht App.net (oder auch ADN) aus wie Twitter und bietet ziemlich genau den gleichen Funktionsumfang mit kleinen Unterschieden: So darf ein Post 256 Zeichen lang sein. Was App.net von Twitter abhebt: Twitter ist darauf angewiesen, die anfallenden Daten irgendwie zu Geld zu machen. Deshalb ist Twitter längst nicht mehr so offen wie letztes Jahrzehnt, sondern verhält sich zunehmend wie ein Datensilo (wenn auch längst nicht so schlimm wie Facebook oder Google+) und sperrt gerne mal andere Dienste aus, die die Twitter-API-Nutzen, was das Ökosystem Twitter und den freien Datenausstausch erschwert.

    App.net will offen bleiben, die Finanzierung erfolgt durch die User: Der Dienst kostet glaubich $5 im Monat. App.net will auch kein Twitter-Klon sein: Das ist nur die erste Anwendung. Vielmehr lädt App.net dazu ein, auf die Infrastruktur viele Dienste und Ideen aufzusetzen, damit ein Ökosystem aus Apps und Anwendungen existiert. An sich finde ich $5 einen okayen Deal, aber das Henne-Ei-Problem ist verschärft: Zu wenig Leute sind auf App.net, und die, die da sind, sind auch immer schon auf anderen Kanälen. App.net bietet also nur unmittelbar nur einen geringen Mehrwert, während ich dort bei weitem noch nicht meine Filterbubble zusammen bekomme, was natürlich die Motivation enorm schmälert, für App.net Geld auszugeben. Trotzdem ist die Idee gut, also bitte give it a try.

    Ich bin schon länger als @ennomane dort zu finden, poste aber nur meine „Essentials“, also die subjektiv wirklich wichtigen Dinge. Zumindest vorläufig. Keine Dialoge (mangels Dialogpartner), kein Katzencontent, keine dummen Witze. Das liegt vor allem daran, dass es mir zuviel wird, noch einen Dienst regelmäßig zu bespaßen und zu monitoren, ich habe ja noch Facebook (da sind die, mit denen ich zur Schule gegangen bin), Twitter (da sind die, mit denen ich gerne zur Schule gegangen wäre), Google+ (fast nur Seriösliches) und Soup.io (Spaß, Nerdzeugs, Meme und Katzenbilder). Wer also genervt ist von meinem Twitterverhalten, aber mir trotzdem folgt, weil ich ein guter Hub in der Filterbubble bin, sollte mir auf App.net folgen.

  • Links der Woche

    • Biologismus 101:

      “Da den Genderprofessorinnen ja immer und immer wieder von Leuten wie Martenstein “Unwissenschaftlichkeit” vorgeworfen wird, muss man sich schon fragen, wie dem wissenschaftlich so hervorragenden Martenstein die simpelsten Grundlagen psychologischen Experimentierens entfallen konnten, die man auf den ersten 20 Seiten einer Einführung für Erstsemester nachlesen kann. Es gibt nämlich ein paar einfache wissenschaftlich-methodische Fakten, die man sich beim Lesen solcher immer wieder erscheinender Artikel klarmachen kann und sollte.”

    • Valin über Rechtschreibnazis:

      “Die Opposition gegen den Deppenapostroph, den sogenannten, ist nur die Spitze des Spazierstocks. Wieviele Sorgen sich die Leute über Rechtschreibung in der Lage zu machen sind! Mit der Selbstverliebtheit des ZEIT-Feuilletons und einem pochernden Humorverständnis wird sich über Kommafehler in YouTube-Kommentaren mokiert, mehr als zwei Tippfehler in einem Artikel lösen regelmäßig Diskussionen über den IQ des Autoren aus, und sobald die Orthographiekompetenz des Kontrahenten unter SpOn-Niveau sinkt, wird in spitzen Bemerkungen dessen gesamte Integrität in Frage gestellt.”

    • Hörgeschädigte Kinder mit Cochlea-Implantat: durch Irrlehren zusätzlich belastet:

      “Kleinkinder müssen frühzeitig sprechen lernen. Diese Fähigkeit ist Voraussetzung für jede geistige und emotionale Entwicklung. Ist das Kind hörgeschädigt und kann es trotz Cochlea-Implantats nicht genügend hören, muss es als Alternative oder zusätzlich Gebärdensprache lernen, empfiehlt Professorin Dr. Gisela Szagun in ihrem neuen “Ratgeber zum Spracherwerb bei Kindern mit Cochleaimplantat”. “Der Aufbau eines funktionsfähigen Symbolsystems ist unabhängig davon, ob es lautlich oder gebärdet gelingt.”“

    • Der Dings:

      “Als Norddeutscher lernt man normalerweise nicht dauernd neue Menschen kennen. … Es sei denn, wir kriegen tatsächlich Kinder. Dann wird alles anders, dann lernt man eine Hundertschaft neuer Leute kennen, nämlich die anderen Eltern.”

    • Integrationsverweigerer:

      “Zum Erlernen der Integrationsregeln werden außerdem Integrationskurse gefordert – wieder nur für Einwanderer. Denn von Fremden haben wir doch nichts zu lernen; das wäre ja noch schöner! Moment mal: Ist nicht Lernen definitionsgemäß das Aneignen von Fremdem? Und ist da nicht im eigentlichen Wortsinn von Integration die ganze Gesellschaft gefordert?”

    • Von der Polizei zuerst geschlagen und anschließend ausgeforscht:

      “Der Fall der Teresa Z. dürfte das Vertrauen vieler Menschen in die Polizei tief erschüttert haben. Auf einer Münchener Polizeiwache wird der gefesselten 23-jährigen Frau von einem Polizisten derart heftig ins Gesicht geschlagen, dass es zu einem Bruch von Nase und Augenhöhle kommt. Der Polizeipräsident verteidigt das Vorgehen zunächst, der Polizeibeamte besitzt gar die Chuzpe, sich auf Notwehr zu berufen. Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft München I allerdings Anklage gegen den Beamten erhoben, weil ein Gutachten der Rechtsmedizin eine Notwehrlage nicht für gegeben ansieht.”

    • EsoterikerInnen bei den Grünen – Von der größten Schwäche einer kleinen Partei:

      “Schon nach wenigen Wochen merkt man, dass es zwei Sorten von Grünen gibt: Die, die Mitglied werden weil sie der Kampf für Homöopathie und oft auch gegen Impfungen ähnlich wichtig finden wie die Senkung der CO2-Emissionen. Auf der anderen Seite die, die trotz der in ihrer Omnipräsenz oft nur schwer erträglichen EsoterikfanatikerInnen bei den Grünen sind, weil ihnen all die anderen Themen zu wichtig sind und sie über das bisschen Esoterik schon irgendwie hinwegsehen können.”

  • Ehegattensplitting abschaffen

    tl;dr: Das Ehegattensplitting muss komplett abgeschafft und durch zeitgemäße Modelle ersetzt werden.

    kanne

    Karlsruhe hat entschieden, dass auch eingetragenen Partnerschaften Ehegattensplitting zusteht. Das ist für sich genommen großartig, war doch nicht einzusehen, warum heterosexuelle Partnerschaften gegenüber gleichgeschlechtlichen privilegiert werden. Es dürften ein paar Sektkorken knallen und das freut mich sehr.

    Trotzdem kann dies nur der erste Schritt sein. Ich verstehe nach langem Nachdenken nicht, warum Lebensgemeinschaften überhaupt subventioniert werden müssen, besonders in der Form des Ehegattensplitting, das den Konstruktionsfehler hat, sich dann am meisten zu lohnen, wenn es ein starkes Lohngefälle zwischen zwei Lebenspartnern gibt – es bringt potenziell den finanziell schwächeren Partner dazu, auf Erwerbstätigkeit zu verzichten und den Herd zu hüten und wurde dafür konstruiert, sexistische Strukturen zu stützen. Außerdem dienen Splitting-Modelle der Steuerersparnis. Viel Steuern spart, wer viel zahlen kann. Viel zahlt, wer viel verdient und diese Form der Subvention eher weniger nötig hat. Mit Familienförderung haben Splittingmodelle eigentlich nichts zu tun.

    Das Ehegattensplitting sollte daher komplett abgeschafft werden. Das eingesparte Geld können wir entweder in Betreuungsangebote von Kitas bis Universitäten stecken – noch besser allerdings wäre, wir bauen das Kindergeld zu einer Vorform des BGE aus und/oder erhöhen das Elterngeld massiv für niedrige Einkommensgruppen. Das wäre zwar noch nicht „bedingungslos“, käme aber unterschiedlos allen zugute, die Kinder in die Welt setzen oder adoptieren und dadurch Verantwortung übernehmen. Kinder dürfen kein Armutsrisiko mehr sein und sie sind es vor allem für Geringverdiener, deren Gehälter heute kaum noch reichen, um eine Familie zu ernähren.

    Deshalb bitte: Abschaffen!

    P.S.: Mit Homophobie hat das nichts zu tun.

    P.P.S.: Wann kommt endlich das uneingeschränkte Adoptionsrecht für Homosexuelle?

  • Lasst sie einfach leben!

    tl;dr: Sollen sie doch Kebab essen.

    grafitti

    Berlin ist eine ziemlich große Stadt. Ich habe keine Zahlen, wieviele Migranten sich illegal in der Stadt aufhalten. Ich habe auch keine Zahlen, wieviele „geduldete“ Ausländer es in der Stadt gibt. Jeder kennt einen, der einen kennt, der hier legal nicht arbeiten darf und deshalb Drogen im Kotti vertickt, auf den Strich geht oder  sich auf andere mehr oder weniger kriminelle Weise verdingt, weil das die einzige Art ist, an ein paar Kröten zu gelangen, wenn die Ämter nur ab und zu Lebensmittelgutscheine rausrücken. Wenn überhaupt.

    Kriminalität hat gar nichts mit Nationalität zu tun, wenig mit dem Charakter und viel mit der Lebenssituation. Leider sind es nicht nur Rechtsradikale, die das trotzdem glauben. Wir kennen alle Rassisten oder wenigstens welche, die welche kennen, aber wir selber sind ja nicht so. Wir wollen Integration – meinen aber Assimilation. Natürlich sollen Ausländer unsere Gebräuche und Sprache lernen, aber wir finden nicht, dass sie uns etwas zu sagen hätten, außer es geht um exotische Küche. Von Fremden haben wir nichts zu lernen, schließlich sind wir im Besitz der Leitkultur. Offen sagen das nur die Rechten, aber wenn man genau hinsieht, zieht sich dieses Denken bis weit in „linke“ Kreise hinein. Erschrocken lesen wir beim Latte Macchiato einen Artikel über Parallelgesellschaften in der „Zeit“ und lehnen uns dann beruhigt zurück, weil die Gentrifizierung für uns arbeitet und der Prenzlauer Berg durch das Schaufenster unseres Cafés so sauber, idyllisch und homogen aussieht wie eine national befreite Zone.

    Neukölln ist nicht überall sonder ganz weit weg. Auch dort gibt es angenehmere Beschäftigungen als Drogen zu verticken, so immer in Angst vor den Bullen und anderen Dealer-Gangs, zu fünft in einer winzigen Hinterhofwohnung und ohne Krankenversicherung aber mit einer kleinen Schwester, die aus Gründen der Ehre geschlagen wird, weil sie in einem ranzigen Puff anschaffen geht, aber das Geld natürlich trotzdem zu Hause abgibt. Man ist ja drauf angewiesen. Lasst sie leben! Gebt ihnen Luft zum Atmen! Gebt ihnen Freiheit. Sie werden schon irgendwas sinnvolles tun. Wir müssen ihnen nicht einmal Jobs geben – das schaffen sie ganz von alleine. Es gibt immer ein paar Menschen, die nichts auf die Reihe kriegen, es gibt immer ein paar Menschen, die kriminell werden, aber fast allen ist irgend etwas wichtig. Fast alle wollen sich um irgendwas kümmern. Und das reicht schon, damit der Laden am Ende läuft. Wir müssen sie einfach nur lassen.

    Tun wir aber nicht. Wir werfen einen russischen Verleger aus dem Land, weil er nur 8 statt der ursprünglich versprochen 19 Arbeitsplätze geschaffen hat. Dass die Tochter in Deutschland geboren ist, hier zur Schule geht und nichts anderes kennt, interessiert uns nicht. Ließen wir sie einfach machen, müssten die Omma im Park weniger Angst um ihre Handtasche haben, aber kaum ein Politiker will das ernsthaft ändern. Die Omma nämlich wählt aus Angst um ihre Handtasche und ihre Knochen und weil beim Adolf ja nicht alles schlecht war diejenigen, die versprechen, hart gegen „kriminelle Ausländer“ vorzugehen und sie aus dem Land zu jagen. Mit dem Resultat, dass Illegalität und Kriminalität konserviert bleiben. Deshalb nennt man sie ja auch Konservative. Lieber die vertraute Scheiße konservieren, als irgendwas ändern. Es könnte ja besser werden. Und die Omma hat weiter Angst um ihre Handtasche und ihre Knochen und findet weiterhin, dass Adolf nicht ganz unrecht hatte, und wählt deshalb diejenigen, die daran genau nichts ändern werden.

    Deutschland hat 1,5 Millionen Einwohner weniger, als gedacht und sieht darin ein Milliardenloch, statt aus vermeintlicher Not eine Tugend zu machen. Berlin will Weltstadt sein? Dann braucht Berlin eine vollkommen andere, radikal offene Integrations- und Einwanderungspolitik. Eine Politik, die die Menschen einfach in Ruhe ihr Leben leben lässt. Das verstößt gegen irgendwelche Bundesgesetze? EU-Richtlinien gar? Verklagt uns doch. Ist doch egal, Berlin ist doch eh pleite. Aber dafür bräuchte es Poltiker mit Eiern, die was ändern wollen, doch diejenigen Politiker, die etwas zu sagen haben, sind Teil des Problems. Hauptsache Omma hat weiter Angst um ihre Handtasche und der künstlich geschaffene Bodensatz darf weiterhin nicht wählen. Das sichert die Diät. Nachhaltig.

    P.S.: Kaum veröffentlicht ist dieses Flugblatt aufgetaucht. Wahrscheinlich grüße ich solche Leute nichtsahnend beim Bäcker.

  • Links der Woche

    • Europe’s Record Youth Unemployment: The Scariest Graph in the World Just Got Scarier:

      “The EU unemployment rate set a new all-time high of 12.2 percent, according to today’s estimates. But it’s the youth unemployment crisis that’s truly terrifying. In Spain, unemployment surged past 56 percent, and Greece now leads the rich world with an astonishing 62.5 percent of its youth workforce out of a job.”

    • Why Does Hollywood Hate The Future?:

      “My initial thought is simply that dystopia sells. It’s the same reason why the mainstream media covering technology tends to harp on the downsides of new tech, sometimes to the point of fear mongering. They are tracking you! They want to know your location! They want to record you going to the bathroom! (…) The difference is that we now live in a society where advanced technology permeates all of our lives. Nearly everyone now walks around with computers in their pockets that are far more powerful than the computers that filled up rooms just a few decades ago. Nearly the entirety of human knowledge is now just a few clicks or swipes away at any given moment. The vast majority of our recent technological breakthroughs, I think everyone would agree, have been overwhelmingly good for society.”

    • Valin über Orwell:

      “Einmal die Woche mindestens. Einmal die Woche begegnet mir George Orwell, immer geht es um irgendwelche Daten, die irgendwer von irgendwem bekommt. Jetzt sogar auf netzwertig, wo mir zu meiner Beruhigung mitgeteilt wird, dass der Orwellsche Staat auch dieses Mal nicht kommen wird. Und das, obwohl Shazam und Xbox Daten abgreifen. Wäre er endlich mal gekommen, der Orwellsche Staat, ich hätte ihm ein Bier ausgegeben!”

  • Mein Cochlea-Implantat wird zwei

    tl;dr: Leider geil.

    Bildschirmfoto 2013-05-28 um 00.10.26

    Vor fast exakt 2 Jahren wurde bei mir das rechte Cochlea-Implantat eingeschaltet. Damals bewegte ich mich zunächst akustisch in einer wabernden Wolke. Das hat sich geändert. Um das Ergebnis zu kontrollieren, wurde ich von einer Doktorandin eingeladen, mein Sprachverständnis messen zu lassen. Zunächst auf meinen Wunsch kurz beide Ohren mit dem klassischen Freiburger Wörtertest. Das Ergebnis war wie gehabt 95%. Normal hörende Menschen schaffen hier in der Regel 95% – 100%. Vor meiner Operation war ich bei 25% – mit Hörgeräten!

    Dann ging’s nur mit dem rechten Ohr weiter, das Jubiläum hat: Wir machten wir den OLSA. Der Test ist in der Auswertung kompliziert. Gemessen wird, bei wieviel Störschall gerade so 50% verstanden wird. Normalhörende erreichen hier einen Wert von -5 und niedriger, das heißt, der Störschall darf sogar ein wenig lauter sein als der Sprecher. Ich habe einen Wert von  -1,2 erreicht, das heißt, dasselbe gilt auch im geringeren Maße für mich. Menschen mit Hörgeräten und CI erzielen in aller Regel einen positiven Wert, bei dem der Störschall also ein gutes Stück leiser sein muss.

    Zuletzt haben wir noch den HSM Satztest gemacht, bei dem zufällig zusammengewürfelte, meist unsinnige Sätze nachgesprochen werden müssen. Der produziert ein handliches Ergebnis mit Prozentwerten. Ich kam auf 98,1%. Mit Störschall noch 78,3% (15 dB Rauschabstand). Das sind Werte, von denen ich als fast tauber Hörgeräteträger nur träumen konnte und das erreicht leider auch längst nicht jeder CI-Träger.

    Das alles betrifft jetzt allein das Hören mit dem rechten Ohr. Zusammen mit dem linken wird alles nochmal viel besser und wenn man als Normalhörender einohrig durch die Welt geht, wird man auch hier und da Schwierigkeiten bekommen – besonders unter Störschall. Wie ist es nun, 2 Jahre danach? Ich telefoniere, gehe in Clubs und Konzerte, unterhalte mich da auch, nehme an Versammlungen teil, höre Musik, schaue Filme ohne Untertitel, höre Podcasts und all das auch gerne auf Englisch, gehe regelmäßig auf Lesebühnen, war im Landesvorstand der Piratenpartei, arbeite für eine TV-Produktionsfirma und schreibe hier und da Texte für verschiedene Medien. Ohne CI wäre ich wohl heute nicht, wo ich bin und das meiste davon wäre in meinem früheren Leben undenkbar gewesen. Allein Telefonieren: Das hatte ich die letzten 10 Jahre gar nicht mehr gemacht, weil es mir zu stressig war.

    Natürlich habe ich weiterhin Nachteile, z.B. höre ich nichts, wenn das CI ausfällt, was meistens an leeren Batterien liegt, für die ich keinen Ersatz dabei habe. Der wohl wichtigste Nachteil: Im Sprachprozessor des Cochlea-Implantates ist zu einem guten Teil klassische Hörgeräte-Technik verbaut und bringt die üblichen Nachteile mit sich: Das Mikrofon liegt nicht in der Ohrmuschel sondern oberhalb des Ohres. Wenn Wind über das Gehäuse streicht, ist ganz schnell Ende mit Hören. Dann habe ich nur noch Krach, der klingt, als ob jemand auf ein Mikrofon pustet. Fernsehleute kleiden ihr Mikrofon für sowas ja in Pelze. Vielleicht sollte ich das auch machen, aber wie das wieder aussieht. Und manchmal aber selten, verstehe ich doch nicht so gut, wie ich sollte, was sich aber durch einfaches Nachfragen erledigt. Kommunikationskatastrophen wie früher gibt es eigentlich nicht mehr.

    Ich glaube mittlerweile, dass das Mikrofon und seine Qualität ein wesentlicher Engpass ist, ohne es durch übermäßiges technisches Wissen belegen zu können. Ich telefoniere nicht gerne mit dem Hörer am Ohr sondern verbinde das CI lieber direkt per Kabel mit dem Telefon. Dasselbe gilt beim Musikhören und Filmegucken. Etwas über einen Lautsprecher abzuspielen, damit es bei mir wieder von einem Mikrofon aufgenommen wird, sorgt für Qualitätsverlust. Ein wenig wie bei Luftaufnahmen – ältere Leser kennen das vielleicht noch. Ich vermute, dass der kleine Rest, der mir noch zum „Normalhören“ fehlt, ein wenig auch von diesen Mikros abhängt. Verkabelt habe ich mittlerweile das Gefühl, richtig gut zu hören. Auch und gerade bei Musik kommen dann ungeahnte Nuancen. Unmerklich hat sich das auch noch die letzten Monate weiter entwickelt. Und seit ich nun auch über 1 Jahr lang zwei CI trage, ist der Klang in jeder Beziehung für mich normal und natürlich geworden. Ich nehme keinerlei Künstlichkeit mehr wahr.

    Ohne zu übertreiben, kann ich sagen, dass das CI hat mein Leben verändert und mir etwas zurückgegeben hat, das über 20 Jahre lang verloren war. Ohne das CI wäre ich heute nicht da, wo ich bin, und hätte überhaupt viel weniger Spaß. Ich bin wohl weiterhin „leicht schwerhörig“, wobei ich aber mit meinem heutigen Gehör gar keine Hörgeräte bekäme. Dafür habe ich ein paar zusätzliche Fähigkeiten: Ich kann absolute Stille herbeiführen, an schlechten Tagen allenfalls von einem Tinnitus unterbrochen. Ich kann die Lautstärke frei regeln und Programme wechseln. Ich kann Höhen hören, die Menschen in meinem Alter üblicherweise nicht mehr wahrnehmen können. (Das war ein Trugschluss.) Ich kann verschiedene Filter verwenden, die dazu dienen, Sprache in ruhiger oder lauter Umgebung besser zu verstehen und kann Musik völlig ungefiltert hereinlassen, indem ich einfach das Programm wechsele.

    Ich könnte mich nur ärgern, dass ich diese Operation nicht schon viel eher gemacht habe. Mach ich aber nicht.

  • Links der Woche

    • Pinkifizierung und Sexismus in den Medien:

      “Ich bin Dozentin für Gender-Forschung und habe im letzten Jahr das Seminar „Gender, Populärkultur und Essstörungen“ gegeben. Die Deutsche Gesellschaft für Psychoanalytische Medizin (DGPM) hatte damals eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) in München kommentiert. Aus dieser groß angelegten Studie ging ganz klar hervor, dass die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ das Körperbild von Kindern schädigt. Die DGPM wies darauf hin, dass öffentliche Diskurse über die Sendung sehr wichtig wären, weil Essstörungen stark zunehmen. Das ist es, was ich so wichtig finde: Medien mit Essstörungen zusammenzubringen.”

    • An Open Letter to Facebook:

      “Specifically, we are referring to groups, pages and images that explicitly condone or encourage rape or domestic violence or suggest that they are something to laugh or boast about. Pages currently appearing on Facebook include Fly Kicking Sluts in the Uterus, Kicking your Girlfriend in the Fanny because she won’t make you a Sandwich, Violently Raping Your Friend Just for Laughs, Raping your Girlfriend and many, many more. (…) These pages and images are approved by your moderators, while you regularly remove content such as pictures of women breastfeeding, women post-mastectomy and artistic representations of women’s bodies.”

  • Call for Cyborgs

    tl;dr: Booting the German Cyborg Society

    klinke

    Ich glaube, es war Not Quite Like Beethoven, der sich wegen seiner Cochlea-Implante scherzhaft einen Cyborg nannte. Das ist alles andere als abwegig. Wir CI-Träger sind fest mit einem Stück Technik verbunden, das unser Nervensystem elektronisch stimuliert, und welches das menschliche Gehör zwar nicht perfekt ersetzen kann, aber durchaus ansatzweise Sinne und Fähigkeiten gegenüber dem natürlichen Gehör erweitert. Seitdem ich 2011 selbst Cochlea-Implantate bekam, fasziniert mich der Gedanke. Es ist ein weiteres Beispiel, dass wir an der Schwelle eines Zeitalters stehen, in der vieles aus der Science Fiction zur Realität und zum Alltag wird.

    Nachdem ich 2012 wegen eines Übermaßes an politischer Aktivität das Thema in den Hinterkopf verbannte, nahm ich zum Jahreswechsel 2013 den Faden wieder auf. Was zunächst als mögliches Buchprojekt geplant war, wurde bei meinen Recherchen immer größer und größer. Es gibt bereits viele Cyborgs auf der Welt und nicht alle sind Behinderte, die mit Prothesen versorgt werden. In den USA existiert der Ansatz einer Hacker-Szene. Mit der Technologie zu spielen, ist so naheliegend wie schwierig. Und viel einfacher, wenn irgend eine Form von Organisation existiert.

    Zugleich stellen sich mit dem Cyborgism viele ethische und gesellschaftliche Fragen, die bisher nur in Form von Science-Fiction-Romanen spekulativ behandelt wurden. Spätestens mit Google Glass wird es eine breite Debatte über das Thema geben. Und die darf nicht nur von den üblichen Cassandren geführt werden. Technik ist Teil meines Körpers und verbessert mein Leben. Sie ist zu einem Teil von mir geworden. Diese zugegeben strange klingende Erfahrung werden noch viele Menschen machen.

    Ich habe die letzten Wochen und Monate mit vielen Menschen gesprochen und mich immer weiter vernetzt. Auf der re-publica 2013 sprach ich erstmals einen größeren Kreis von Menschen an. (Am Rande der Veranstaltung, nicht als Session.) Heute, am Towelday 2013, beginnt die Reise. Ich habe eine kleine Webseite mit dem vorläufigen Titel german-cyborg-society.de aufgesetzt. Da steht noch nicht viel. Kommt aber bald. Es gibt unheimlich viel zu tun und selbstverständlich soll es um weit mehr als nur das Cochlea-Implantat gehen. Wer dabei sein will, meldet sich bitte unter hello(ät)german-cyborg-society.de. Und wer eine schönere Grafik hat als die auf der Webseite, bitte auch. Aber nichts mit chromglänzenden Killermaschinen. Cyborgs sind Menschen.

  • Fick dich, Facebook

    tl;dr: Die Community-Guidelines von Facebook sind sexistisch, rassistisch und noch mehr istisch oder werden so gehandhabt.

    facebook

    Auf Facebook bin ich vor ein paar Wochen auf eine Gruppe gestoßen, die den schönen Namen trägt: „Mein Humor ist so schwarz, er könnte bei mir als Sklave arbeiten“. Ok, ein paar der Witze waren wirklich gut, aber in der Gruppe wird jede Menge widerwärtiger Dreck gepostet. Das geht dann so:

    • Ein arabischer aussehender Mann schreit vor Trauer und reckt die Hände gen Himmel, in mitten von Ruß, Trümmern und Leichenteilen. Ein echtes Foto aus einem Krisengebiet. Bildunterschrift: „And IIIIIIIII will always love youuuuuuuuu.“ 900 Personen gefällt das.
    • Ein Foto von weiblichen siamesischen Zwillingen. Eigentlich handelt es sich um eine Frau mit zwei Köpfen. Dazu der Text: „Blowjobs. Buy one, get one for free.“ 1027 Personen gefällt das.
    • Ein farbiges, offensichtlich behindertes Kind sitzt in einem Rollstuhl. Bildunterschrift: „I don’t see what’s wrong with him other than he stole a wheelchair.“ 441 Personen gefällt das.
    • Eine Frau legt freundlich die Hand auf die Schulter eines Mannes und sagt zu ihm: „This Meme is very offensive to women.“ Im nächsten Bild schlägt der Mann zu mit den Worten „Your face is very offensive to me.“ Blut spritzt ihr aus Mund und Nase. 374 Personen gefällt das.
    • Eine europäisch aussehende Frau geht in leichter Sommerbekleidung eine Straße entlang, an der auch fünf junge Männer in Hiphop-Klamotten rumstehen. Text dazu: „Gang Rape. 5 out of 6 people enjoy it.“ 655 Personen gefällt das.
    • Pedobear fragt in einem Comic ein kleines Mädchen, ob er ein Kondom dabei tragen soll. Das Mädchen sagt: „Hell no, you freak!“ Pedobear freut sich: „Perfect!“ und legt los. 1045 Personen gefällt das.
    • Beliebt auch „Witze“ mit entstellten Menschen. Jede Menge davon, zum Beispiel eine Fotomontage einer Frau, die mit einem Außerirdischen schläft. „9 Monate später…“ dazu ein Foto von einem Kind mit Progerie.

    Ok, ich weiß, das Internet ist wie das Leben: In manchen Ecken gibt es Dreck. Das Zeug stammt wohl fast komplett aus 4chan, wo 14jährige Jungs ihrem pubertärem Humor nachgehen, wie 14jährige Jungs das eben tun. Das Zeug verschwindet da immer gleich wieder und wird durch neues ersetzt und ab und zu gebärt 4chan wirklich großartige Meme.

    Auch in der genannten Facebook-Gruppe gibt es ein paar sehr gelungene Witze, die auf schwärzeste Weise damit umgehen, wie kaputt unsere Welt ist. Vielleicht sind sogar einige meiner oben genannten Beispiele nicht so gemeint, wie ich sie auffasse. Ich habe wirklich viel Verständnis dafür, dass Facebook als globales Unternehmen vor dem großen Dilemma steht, dass in einem Land Dinge als vollkommen harmlos gelten, die in einem anderen Land soziale Ächtung oder eine Steinigung nach sich ziehen. Ich möchte bis auf krasse Ausnahmen keine Zensur, sondern Netzneutralität.

    Wirklich sauer werde ich aber, wenn ich mir ansehe, was Facebook alles so sperrt:

    These pages and images are approved by your moderators, while you regularly remove content such as pictures of women breastfeeding, women post-mastectomy and artistic representations of women’s bodies.  In addition, women’s political speech, involving the use of their bodies in non-sexualized ways for protest, is regularly banned as pornographic, while pornographic content – prohibited by your own guidelines – remains.  It appears that Facebook considers violence against women to be less offensive than non-violent images of women’s bodies, and that the only acceptable representation of women’s nudity are those in which women appear as sex objects or the victims of abuse.  Your common practice of allowing this content by appending a [humor] disclaimer to said content literally treats violence targeting women as a joke.

    Den Finger hatte ich (nicht zum ersten mal) schon auf dem Abmelde-Button, obwohl ich Facebook eigentlich beruflich brauche. Aber ich poste lieber das hier. Vielleicht ist das sinnvoller.

  • Links der Woche

    • „Das ist nicht mein Problem“ – die irrsinnige Rezeptpflicht für die Pille danach:

      “Sie beginnt vor Wut zu weinen. Geht zurück ins Hospital zum Heiligen Geist, will dort mit der diensthabenden Ärztin sprechen. Sie ist immer noch aufgelöst, wird vom Pfleger ignoriert. Sie fragt ihn, seit wann das so sei, dass man einen Ultraschall machen müsse, fragt ihn nach der gesetzlichen Grundlage. Er sagt, er wisse das nicht, aber das sei so, er habe da nichts zu entscheiden und könne nichts für sie tun. Sie weiß von einer befreundeten Krankenschwester, dass ein transvaginaler Ultraschall für ein Rezept für die Pille danach keine Pflicht sei, er höhnt, dass die sie ihr dann geben solle. Er bittet sie zu gehen oder es sich zu überlegen, sie will erst mit einer Ärztin sprechen. Da droht er ihr, die Polizei zu rufen, wenn sie jetzt nicht ginge.”

    • Hysterical Literature – The Orgasm as Art:

      “In his latest project, Hysterical Literature, photographer Clayton Cubitt takes a beautiful woman, places her at a table in front of a black backdrop and gets her to read from her favorite book while an unseen accomplice below the table attempts to bring the woman to orgasm with a vibrator. The results are an intimate, sexy experience that captures a beauty rarely found in most modern pornography.”

    • Plenty that needs to be done – Alan Turing und warum wir ihn kennen sollten:

      “Das änderte sich allerdings, als ihm 1952 von einem Geliebten ein Hemd, einige Fischmesser, eine Hose, ein Kompaß und ein Rasierapparat gestohlen wurden. Er ging zur Polizei und berichtete dort ehrlich über die Beziehung, die er zum Verdächtigten hatte. Statt des Diebstahls verfolgte die Polizei daraufhin Turings “Gross Indecency”, seine “grobe Sittenlosigkeit”. Ein Brief, mit dem Turing eigentlich für seine Rechte streiten wollte, wurde ihm als Geständnis ausgelegt. Verurteilt für seine homosexuelle Beziehung stellte man ihn vor die Wahl zwischen zwei Jahren Gefängnis oder der “chemischen Kastration”.”

    • Hartz IV: Herzstillstand nach Arbeitszwang:

      “Herr M. ist zu 100 Prozent schwerbehindert und hatte bereits zwei Herzinfarkte. Im Jobcenter-Essen-Nord wurde ihm dennoch ein Jobangebot unter Androhungen von Sanktionen unterbreitet.”

    • Die Piratenpartei vor dem K.O.:

      astefanowitsch:

      Reden wir sie nicht unnötig klein: Die Piratenpartei Deutschland hat Erstaunliches geleistet. Sie hat gezeigt, dass es möglich ist, Menschen allein durch das Versprechen gesellschaftlicher Mitgestaltung dazu zu motivieren, Zeit, Energie und Herzblut in politische Arbeit zu investieren. Sie hat…