Schlagwort: Ursula von der Leyen


  • Von der Leyen wird sich durchsetzen

    Die Diskussion um Web-Sperren ist längst in eine üble PR-Schlacht ausgeartet. Ich wage mal eine kleine Prognose, wie es weitergeht:

    1. Akt

    Das Gesetz wird im Bundestag zur Abstimmung gebracht, noch bevor die Petenten angehört werden. Und es wird selbstverständlich mit den Stimmen der großen Koalition angenommen werden. Ich rechne damit, dass es aus den Reihen der CDU/CSU und SPD keine Gegenstimme geben wird. Die Handvoll Abgeordnete, die da Bauchschmerzen haben, werden sich enthalten oder der Abstimmung einfach fern bleiben. Einzelne Abgeordnete der Opposition werden entgegen ihrer Parteilinie mit Ja stimmen.

    Die Bevölkerung wird nichts dagegen haben. Selbst wenn wir jetzt fordern, dass effektiver gegen Kindesmissbrauch vorgegangen wird, wird die ganz große Mehrheit nicht einsehen, warum man nicht auch sperren sollte (vor allem, wenn es um ausländische Webserver geht). Eine solche Forderung hätte ganz am Anfang stehen müssen und selbst dann wenig Aussicht auf Erfolg. Das Argument, dass hier eine internationale Zusammenarbeit und diplomatischer Druck nötig sind, wird vermutlich sogar noch in ein Argument für Sperren verkehrt werden, da man ja wenigstens schonmal filtern könne, solange noch Inhalte im Netz sind.

    2. Akt

    Noch dieses Jahr wird es zu einer Verfassungsbeschwerde kommen. Das Verfassungsgericht wird die Sperren vermutlich aussetzen und nächstes Jahr endgültig entscheiden. Dabei wird es zu dem Schluss kommen, dass die Sperre an sich mit dem GG vereinbar ist, so lange es nur darum geht, strafrechtlich relevante Inhalte zu filtern. Es wird dem Gesetzgeber Auflagen machen, dass es eine bessere Kontrolle der zu sperrenden Inhalte geben soll und die Einhaltung der Gewaltenteilung anmahnen.

    Allerdings wird das Gesetz als verfassungswidrig abgelehnt werden, weil polizeiliche und Mediengesetzgebung Ländersache sind.

    3. Akt

    Sofort nach dem Urteil werden einige Bundesländer entsprechende Landesgesetze erlassen, die die Provider zwingen werden, in den jeweiligen Bundesländern zu filtern. In Deutschland wird ein rechtlicher Flickenteppich entstehen. Als Resultat werden vermutlich die meisten Provider in ganz Deutschland einheitlich filtern, weil eine eigene Infrastruktur mit verschiedenen Listen für jedes einzelne Bundesland für die Provider viel zu umständlich sein wird. Unterm Strich dürfte also beispielsweise Bayern dem Rest der Republik vorschreiben, was wir im Netz sehen dürfen und was nicht.

    Risiken und Nebenwirkungen

    Während des ganzen Prozesses wird die Zensur von der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht als schädlicher Eingriff wahrgenommen werden. Es wird jenseits von „Netzgemeinde“ und Bürgerrechtlern keinen nennenswerten Widerstand geben. Den kleinen Parteien wird das Thema nicht wichtig genug sein, um das Scheitern einer Koalitition zu riskieren.

    Ich erwarte, dass immer wieder Webseiten zu Unrecht auf die Giftliste gesetzt werden. Wenn das passiert, wird es allenfalls ein folgenloses Skandälchen mit anschließendem „Oh sorry, me culpa, kommt nicht wieder vor“ seitens der Behörden geben.

    Freiheit und Grundrechte sind in Deutschland kein Thema, schon gar nicht im Wahlkampf. Und es wird erst eines werden, wenn echter Leidensdruck in der Gesellschaft entsteht. Ernsthaften Widerstand gegen die Sperren wird es erst geben, wenn sie längerfristig und im großen Stil für politische o.ä. Zensur missbraucht werden. Und das auch erst, wenn wirklich die ganz große Mehrheit der Bürger im Netz lebt. Ich fürchte, Proteste und PR bringen uns nicht weiter. Nur Taten. Und das wird sehr sehr zäh werden…


  • Frau von der Leyen, Herr Guttenberg und die Demokratie

    In der vergangenen Nacht wurde eine magische Zahl erreicht: Nach nur 4 Tagen fanden sich die mindestens nötigen 50.000 Unterzeichner einer Petition gegen Sperren im Internet. Geht man von stetig fallender Teilnehmerzahl aus, müssten hochgerechnet über 300.000 Stimmen zusammen kommen.

    Familienmininisterin von der Leyen und Wirtschaftsminister Guttenberg geht es nach eigenen Angaben darum, Zugriffe auf Kinderpornographie im Web zu erschweren. Die 50.000 Unterzeichner hingegen sind der Meinung: Dieses Gesetz hilft nicht gegen Kindesmissbrauch, noch nicht einmal gegen die Verbreitung von Kinderpornographie, schränkt aber unsere Freiheit in unerträglichem Maße ein. Ich habe das in dem Artikel „Zensursula oder: Der Missbrauch der Missbrauchten“ bereits einmal zusammengefasst.

    Wie kommt es zu dieser Diskrepanz? Nahezu jeder Experte ist der Meinung, dass dieser Gesetzentwurf nicht nur unsinnig sondern schädlich ist. Aber: Es handelt sich auch um eine Frage, die nur Menschen mit gewissem Hintergrundwissen beantworten können. Selbst Menschen, die regelmäßig das Internet benutzen, haben dieses Wissen meistens nicht. Man kann ihnen nicht einmal übel nehmen, wenn es sie gar nicht interessiert. Und das in einer Zeit, in der sich die Bürger massenhaft von „denen da oben“ längst nicht mehr vertreten fühlen.

    Es gibt nur zwei Dinge, die Politiker nicht ignorieren können (auch wenn sie es immer wieder versuchen): Die breite Masse und Urteile des Verfassungsgerichts. Wenn wir etwas ändern wollen, ist auf die Politik kein Verlass mehr. Wir müssen es selber machen und auf die Menschen zugehen.

    Natürlich bin ich nicht so naiv zu glauben, Frau von der Leyen würde von Ihren Plänen ablassen, wenn man ihr einfach nur genügend Internet-Nachhilfe verpassen würde. Sie (wie auch Herr Guttenberg und viele andere) benehmen sich wie stockkonservative Samurai, denen bei Gesichtsverlust nur noch Harakiri bleibt. Klein Beigeben ist nicht.

    Die Petitionen selber, aber auch zahllose Artikel und Blogpostings sind mit dem ausdrücklichen Hinweis versehen, dass Kinderpornographie nicht tolerabel ist. Niemand will die Verfolgung und Bestrafung von Kindesmissbrauch verhindern oder erschweren.

    Wer schonmal eine Petition oder Volksbegehren verfolgt oder Unterschriften gesammelt hat, der weiß, dass man diese 50.000 nicht bloß der Zahl der Gesamtbevölkerung gegenüberstellen darf. Schon gar nicht bei einem schwierigen und schwer vermittelbaren Thema, das mit Tabus belastet ist. Im Gegenteil: Die Petition hat ein enormes Gewicht und ist ein Aufruf an die Politik, mit dem Bürger in Dialog zu treten. Frau von der Leyen und Herr Guttenberg tun das Gegenteil. Zitat Guttenberg:

    Das macht mich schon sehr betroffen, wenn pauschal der Eindruck entstehen sollte, dass es Menschen gibt, die sich gegen die Sperrung von kinderpornographischen Inhalten sträuben. Das ist nun wirklich einer der wichtigsten Vorhaben in vielerlei Hinsicht.(Quelle: Tagesschau)

    Und von der Leyen:

    Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann…
    Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder. (Quelle: Tagesspiegel)

    Herr Guttenberg, Frau von der Leyen, als Abgeordnete unterliegen sie nur ihrem Gewissen. Selbstverständlich können und sollen Sie eine andere Meinung haben dürfen als wir. Das Gesetz setzen Sie aber gegen den Rat Ihrer eigenen Experten durch. Sie ignorieren diesen Ruf aus der Bevölkerung. Wider besseren Wissens verdrehen Sie die Aussage der Petition. Sie handeln nicht wie Demokraten, sondern wie Demagogen. Egal, ob Sie andere Ziele verfolgen oder einfach nur aus Inkompetenz so handeln: Ihr Verhalten ist eines Ministers und Abgeordneten nicht würdig.

    Demokratie geht anders.

    Unterzeichnen kann man weiterhin auf epetitionen.bundestag.de. Jede Stimme zählt.


  • Petition gegen Zensur im Internet

    Seit gestern läuft diese „Antizensursula-Petition“ beim Bundestag und hat zur Stunde 15.600 Unterzeichner gefunden. 50.000 werden benötigt: Jede Stimme zählt!

    Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die „Sperrlisten“ weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.
    Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.

    Dass wir kein „Netz von Kinderschändern“ sind und welche handfesten Argumente es gegen dieses Gesetz gibt, kann man weiter unten nachlesen.