Beißreflexe (Update)

Heute wandte sich das BildBlog wegen einer Abmahnung an die Öffentlichkeit. Das Blog habe falsch über die Reaktion von „Welt Online“ auf eine Rüge des Presserates berichtet und soll nun Anwaltskosten in Höhe von 2407,36 Euro zahlen. Vorweg: Stefan Niggemeier und Lukas Heinser haben meine volle Sympathie. Nicht nur für ihre Arbeit, sondern auch weil sie offensiv damit umgehen, wenn sie selber Fehler machen. Trotzdem stören mich die klassischen Beißreflexe auf Twitter.

Zunächst einmal ist die „Welt“ von ihrer Abmahnung zurückgetreten, wie BildBlog selbst schreibt. Aufforderungen auf Twitter, Springer solle doch bitte seine „Haie zurückpfeifen“ gehen also schonmal an den Tatsachen vorbei. Die „Welt“ findet allerdings weiterhin, dass ihr ein Schaden durch die ganze Angelegenheit entstanden sei und will die Anwaltskosten erstattet haben.

Diese Forderung wäre nichtig, wenn eine Klage keine Aussicht auf Erfolg hätte – hat sie aber, wie das BildBlog wiederum selbst zugibt. Und zwar weil das Blog eine Gegendarstellung verweigert hat. Da denke ich spontan: WTF?! Ausgerechnet BildBlog, das so sehr für sauberen Journalismus arbeitet, verweigert das? Sorry, aber das kann ich einfach nicht nachvollziehen. Entweder, die „Welt“ würde Recht haben mit dem, was sie in eine Gegendarstellung schreibt, oder sie würde sich durch die Abstrusität der Gegendarstellung selbst entlarven.

BildBlog hatte also zunächst alles richtig gemacht – Fehler korrigiert, offensiv damit umgegangen – aber nur bis zu diesem Punkt, und sich damit den juristischen Ausweg verbaut. Springer könnte jetzt wirklich „die Haie loslassen“ und das Blog in Grund und Boden klagen. Landet das ganze vor Gericht dürfte es sehr viel teurer werden. Da ist die obige Forderung mit etwas Zynismus schon fast als Kulanz zu begreifen.

Korrektur: ich bin hier einem Lesefehler aufgesessen. Im BildBlog steht wörtlich: „Auch die geforderte Gegendarstellung hätte Springer nach Ansicht unseres Anwalts gerichtlich vermutlich nicht durchsetzen können.“ Das „nicht“ hatte ich überlesen. Wolf Schneider würde jetzt wohl argumentieren, dass der Artikel wegen der Unverständlichkeit bzw. Fehleranfälligkeit der Verneinung schlecht geschrieben sei. ;) Ich frage dann aber: Warum verweigert BildBlog dann nicht einfach die Zahlung und sieht einer Klage gelassen entgegen (soweit das menschlich geht)? – Weiter im Text:

Ein Vorteil hat die ganze Angelegenheit ja: Aufmerksamkeit für alle Seiten. Vielleicht schafft das BildBlog ja sogar, einen Teil der Kosten durch erhöhten Traffic wieder einzuspielen. Erhöhte Aufmerksamkeit genießt aber auch „Welt online“. Wüste Beleidigungen auf Twitter sind hier so fehl am Platz wie Entfollow-Aufrufe. Wie wär’s stattdessen mit einem breiten Aufruf an die „Welt“, doch bitteschön die Anwaltskosten selbst zu tragen, wenn sie schon ihre Abmahnung zurückgezogen haben?

Ehrlich gesagt verstehe ich aber auch die Leitung der „Welt“ nicht. Auch wenn sie juristisch jetzt der Smartass sind, ist doch BildBlog eigentlich auf der Ebene des Guerilla- und Ironie-Marketing etwas sehr willkommenes für den Springer-Verlag. Vielleicht denke ich zu zynisch; jedenfalls vermute ich insgeheim, dass Döpfner und Diekmann das ebenso insgeheim so sehen. Zu den ganzen Ironie-Kampagnen rund um die „taz“ und Promi-Plakate passt BildBlog im Grunde sehr gut. Stefan Niggemeier findet das bestimmt nicht lustig. Ich auch nicht.

P.S.: Das gesamte Abmahn(un)wesen ist eine juristische Fehlkonstruktion und sollte endlich und dringend durch Ombudsmänner und Schiedsgerichte ersetzt werden, die den eigentlichen Gerichten vorgeschaltet würden. Bleibt nur, Stefan Niggemeier und seinen Mitstreitern Glück zu wünschen und dem Spendenaufruf nachzukommen.

P.P.S.: Korrigiert mich, wenn ich etwas grundlegendes übersehen habe.

Meine zwei Cent zur Zukunft des Journalismus

Vor einigen Wochen fragte mich Thomas Maier, wie ich über die Zukunft des Journalismus denke. Die Frage wälze ich nun über den Jahreswechsel im Kopf herum. Ist dazu nicht schon alles gesagt? Print ist tot, Bezahlcontent im Web nicht durchsetzbar, und wovon der Journalist der Zukunft eigentlich lebt, nicht absehbar. „If the news is that important, it will find me.“ war der Satz des Jahres 2008. Im Grunde läuft er auf die Behauptung hinaus, der Journalist sei in Zukunft überflüssig geworden. Der menschliche Filter „Presse“ hat ausgedient und wird durch maschinelle Filter des Web mit seinen Mashups ersetzt. Tatsächlich: Die nackte Nachricht hat kaum noch einen Wert. Eine Nachricht befindet sich quasi sofort in allen Medien und lässt sich auch nicht geheim halten. Verlangt ein Medium Geld für das Bereitstellen dieser Nachricht, so wird sie trotzdem innerhalb kürzester Zeit auch auf kostenlosen Medien präsent sein. Das ist übrigens gar nichts neues und war auch schon vor der Erfindung des Web nicht anders sondern nur langsamer…

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