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  • Warum Refind derzeit noch unbrauchbar ist

    tl;dr: Refind ist in der derzeitigen Form nicht für professionelles Recherchieren, Sammeln und Archivieren von Texten im Netz geeignet.

    Symbolbild: Käseauswahl

    Bei meinen Studien und Recherchen begegnen mir bergeweise Links zu Artikeln, Blogposts, Videos oder interessanten Webseiten, die ich irgendwie verwalten muss. Das mache ich bisher mit Pocket (früher bekannt als „Read it Later“) das nebenbei auch noch wie ein soziales Netz funktioniert. Ich hatte meine Leser, Freunde und Bekannten schonmal dazu aufgefordert, sich über Pocket mit mir zu vernetzen.

    Das next big Thing in dieser Richtung ist Refind, eine App zur teilautomatisierten Verwaltung von Links und Bookmarks, die viele Funktionen mitbringt, die Pocket nicht kennt. Auf den ersten Blick sieht Refind sehr interessant aus, weshalb ich es einige Zeit intensiv (Web und iOS-App, jedoch noch nicht Android) getestet habe. Ergebnis: Für meine Zwecke ist Refind in der jetzigen Form unbrauchbar. Das hängt natürlich vom jeweiligen Use Case ab. Meiner ist so:

    Startpunkt meines Workflows ist, dass ich alle Links, die via RSS-Feed, in Mails, auf Webseiten, Twitter usw. mein Interesse wecken, auf meinem Telefon oder in meinem Desktop-Browser zu Pocket hinzufüge und regelmäßig die so gesammelten Artikel lese, oftmals abends im Bett. Pocket verwöhnt mich hier mit einer Lese-Ansicht, die das Drumherum der jeweiligen Webseite samt Werbung weglässt, einen augenfreundlich invertierten Nachtmodus hat und auch offline funktioniert. Ich habe auch im Funkloch oder wenn mein Telefon im Flugmodus ist, immer etwas zu lesen.

    Einen Text lesen in Pocket
    Einen Text lesen in Pocket
    ...und in Refind
    …und in Refind

    All das funktioniert in Refind nicht. Per Default öffnet Refind die Artikel im Browser mitsamt Werbung, Grafiken und typografischen Sünden, die üblicherweise verhindern, dass man eine Webseite auch liest. Refind kennt zwar einen Offline-Modus, aber in diesen gelange ich nur, wenn ich manuell über die Settings umschalte. Solange ich mich in diesem Modus befinde, bekomme ich zwar tatsächlich eine lesefreundliche Ansicht eines Teils der gesammelten Texte, aber es ist es nicht möglich, Artikel zu taggen oder zu sharen. Gefühlte 80% der Funktionalität von Refind liegen im Offline-Modus brach, während sich Pocket ganz normal weiternutzen lässt und sich synchronisiert, sobald es wieder online ist. Einen Nachtmodus gibt es in Refind auch nicht: Im Bett möchte man diese App nicht nutzen. Außerdem ist das Ablegen in Refind unpraktischer. Wo bei Pocket ein Tap/Klick reicht, brauche ich bei Refind immer zwei, weil ich mich entscheiden soll, ob ich den jeweiligen Link erstmal nur der „Read“-Liste hinzufügen will oder mit „Save“ öffentlich teilen möchte, was nicht nur unpraktisch ist sondern auch unintuitiv. Klingt nach Meckerei, aber es sind solche Kleinigkeiten, die mit darüber entscheiden, wie gerne ich eine bestimmte App nutze.

    Teil zwei meines Workflows: Taggen. Die meisten Texte lösche ich direkt nach dem (an)Lesen, einige poste ich auf Twitter und Facebook oder empfehle sie meinen Pocket-Followern. Wichtige Links tagge ich allerdings, um sie für Recherchen zu sammeln. Das können thematische Tags für längerfristige Studien sein oder für Artikel oder Radiobeiträge, die ich demnächst schreibe. Wenn ich mich dann dransetze, einen Text zu Thema XY zu schreiben, kann ich mir in Pocket alle Links mit dem Tag „XY“ anzeigen lassen. Zugleich dient mir das als Archiv. Ich habe mittlerweile eine große Sammlung von Texten zu bestimmten Themen, die mich interessieren und die ich leicht auffinden kann. Oder ich setze Tags wie „TODO“, weil es auf der Webseite etwas gibt, das ich erledigen möchte, z.B. ein Video auf dem großen Bildschirm und mit Ton ansehen. All das funktioniert in Refind nicht. Ich kann Tags setzen. Wenn ich anschließend in der iOS-App nach dem betreffenden Tag suche, bekomme ich eine leere Liste. In der Web-Version findet Refind zwar den Begriff in allen möglichen Webseiten, jedoch nicht das von mir selbst gesetzte Tag. Ich vermute, dass es sich um einen Bug handelt bzw. die App hier einfach noch nicht zuende programmiert wurde.

    Bei den beiden wichtigsten Aufgaben, die eine Link-/Bookmark-Verwaltung meiner Meinung nach haben sollte, versagt Refind also völlig. Bleibt die Funktion als soziales Netzwerk: In Pocket kann man sich gegenseitig folgen. Dabei bekommt man aber nicht alle Bookmarks der Freunde und Bekannten zu sehen, sondern nur diejenigen, bei denen jemand explizit auf „empfehlen“ geklickt hat. Das Durchsehen dieser Empfehlungen ist in der Pocket-App leider ziemlich schlecht gelöst. Das Handling ist bei Refind tatsächlich wesentlich praktischer, allerdings bekomme ich keine handverlesene Auswahl explizit empfohlener Texte, sondern eine Flut von Links, die per Algorithmus zusammenstellt wurden. Eine Link-Empfehlung einer bestimmten Person, die sich nicht groß im Netz verbreitet hat, für mich aber sehr relevant sein kann, geht in Refind völlig unter. Zum Austauschen von wirklich relevanten Links im kleinen Kreis taugt Refind deshalb nicht. Wer die Empfehlungsfunktion nicht mag, aber sich für gut kuratierte Links interessiert, sollte sich statt Refind besser mal piq.de ansehen. Dafür stellt Refind ein sehr gutes Summary dessen zusammen, was in meiner Filterblase die letzten Stunden so an Links auf Twitter & Co. gepostet wurde. Dafür hatte ich bisher Nuzzel benutzt, aber die Ergebnisse von Refind sind tatsächlich besser. Es ist die einzige Funktion von Refind, die ähnlichen Diensten nicht unterlegen ist.

    Kommen wir zur namensgebenden Funktion: Nur bedingt  brauchbar ist Refind, wenn es darum geht, einen Link wiederzufinden, den man neulich auf Twitter o.ä. gesehen hatte aber nicht nicht mehr finden kann. Manchmal funktioniert das in Refind sehr ordentlich, oftmals jedoch nicht und dann führt eine Suche auf Twitter, Facebook oder einfach nur Google schneller ans Ziel. Egal ob Tags oder frei gewählte Suchbegriffe: Selbst seine namensgebende Funktion erfüllt Refind nur unvollkommen.

    Allerdings hat Refind zwei echte Alleinstellungsmerkmale. Das eine ist die Newsletter-Funktion. Refind versendet täglich oder wöchentlich ein Summary der eigenen in sozialen Medien geposteten Links per E-Mail an Leute, die das als Newsletter abonnieren möchten. Wer Newsletter mag, findet das praktisch. Wer selbst Newsletter redaktionell betreut, wird jedoch die Möglichkeit vermissen, den Newsletter um eine Einleitung oder Kommentare zu ergänzen. Also auch wieder nicht für die professionelle Nutzung geeignet.

    Das zweite Alleinstellungsmerkmal ist Reward-Funktion. Wer bei Refind aktiv ist, wird mit „Coins“ belohnt, die man irgendwann mal in eine Cryptowährung umtauschen können soll. Die meisten Coins gibt es dafür, neue Nutzer anzuwerben. Das ist mir eher unangenehm. Ich gehe nicht davon aus, dass diese Coins irgendwann mal einen signifikanten Wert haben. Das Belohnungssystem droht aber, Masse statt Klasse zu fördern. Ich brauche keine monetäre Belohnung für die Teilnahme an einem solchen sozialen Netz. Die Funktionalität von Pocket und die Links, die ich über dessen Empfehlungsfunktion reinbekomme sind meine eigentliche Belohnung. Ich möchte nicht, dass Leute anfangen, einen Dienst zu fluten, weil sie irgendwelche Coins dafür bekommen. Ich möchte Leuten folgen, die etwas posten, weil sie es relevant finden und dazu was zu sagen haben.

    Der Vollständigkeit halber: Pocket hat auch noch eine algorithmische Empfehlungsfunktion dessen, was weltweit auf Pocket gerade besonders beliebt ist. Den Bereiche meide ich, weil darüber fast nur Unsinn der Sorte „Was die Manager der größten IT-Konzerne zum Frühstück essen“ verbreitet wird. Hier ist der Algorithmus von Refind besser. Wer also eine Art automatisch zusammengestellte Zeitung möchte und mit den Ergebnissen von Instapaper oder Flipboard nicht so recht zufrieden war, sollte sich Refind ansehen. Eine weitere Stärke von Refind ist, dass dort im deutschsprachigen Raum derzeit wesentlich mehr Leute aktiv sind als auf Pocket.

    Fazit: Refind hat eine Fülle von Funktionen, kann sehr viel, aber fast nichts davon gut. Für bestimmte Use Cases mag Refind sehr nützlich sein, wer aber professionell Links und Texte zu Recherche- und Studienzwecken sammelt, kommt weiterhin um Pocket nicht herum. Refind ist hierfür in der derzeitigen Form ungeeignet. Wer Nuzzel nutzt, findet in Refind einen besseren Ersatz. Ob das auch für Instapaper oder Flipboard gilt, ist Geschmacksache.

    P.S.: Mein Refind wird nur automatisiert vor sich hintuckern und Links aus Tweets einsammeln, während ich Pocket weiterhin aktiv nutzen und darin auch Links empfehlen werde. Ich freue mich immer sehr über Leute mit interessanten Links, die sich auf Pocket mit mir vernetzen möchten.


  • Kommt alle zu Pocket!

    tl;dr: Pocket könnte mich (und euch) glücklich machen.

    pocket

    Ich bin so ein hoffnungslos gestriger Mensch, der sich nicht einfach darauf verlassen mag, was Twitter reinspült, während ich zufällig gerade gucke, oder was der Facebook-Algorithmus so vorkaut. Deshalb benutze ich einen RSS-Reader, in dem ich die für mich relevanten Nachrichtenquellen abonniert habe. Vor ungefähr 5 Jahren gab es eine Zeit, in der ich quasi glücklich war. Meine Feeds hatte ich über den Google Reader abonniert und der hatte ein ganz großartiges Feature: Ich konnte Link-Empfehlungen anderer Menschen abonnieren und selber Links Leuten empfehlen, die mich abonniert hatten. Dazu musste ich nur auf ein Sternchen am Artikel klicken. Daraus bildete sich lose Netzwerke von Leuten, die sich gegenseitig höchst interessante Links zuschoben, die nicht in Echtzeit gelesen werden mussten sondern immer dann, wenn man gerade Lust und Zeit hatte.

    Der Google Reader verschwand und wurde bei mir durch Feedly ersetzt, aber eine vergleichbare Linkschleuder vermisse ich seitdem schmerzlich. Und die hat sich neulich Pocket in die Apps für iOS, Android und zuletzt auch in den Webclient eingebaut. Pocket war für mich längere Zeit uninteressant, weil „Read it later“ in meinem Falle regelmäßig „Read it never“ bedeutete – bis ich anfing, es für den redaktionellen Alltag und meine Arbeit zu nutzen. Aber richtig viel Spaß macht, dass Pocket-Nutzer sich seit einiger Zeit gegenseitig „folgen“ und ausgewählte Artikel ihren Followern empfehlen können. Das machen in meinem Umkreis bisher nur sehr wenige und trotzdem liebe ich die „Empfehlungen“-Spalte meiner Pocket-App jetzt schon sehr. Sie enthält die Empehlungen der ersten Netzbekanntschaften, die ich dort finden konnte, den auf Pocket meist gelesenen Artikeln und wenn gerade wenig los ist, noch einem algorithmisch zusammengestellten Bodensatz aus Dingen, die mich interessieren könnten. Das ist mir in den letzten Wochen quasi Tageszeitung geworden. Insbesondere in einer Zeit, in der das freie Web langsam zu Gunsten großer Plattformen stirbt, bildet Pocket eine Plattform, die das freie Web eher stützt und den guten alten Link hochhält. Über Pocket entdecke ich in Tagen Artikel und ganze Blogs wie sonst auf Twitter und Facebook in Monaten nicht.

    Deshalb meine Bitte: Kommt rüber zu Pocket. Empfiehlt dort, lass euch empfehlen, abonniert mich, ich abonniere euch. Mein Profil findet ihr hier. Schnittstelle zum Verbreiten auf Twitter und Facebook sind genauso eingebaut wie die Möglichkeit, ausgewählte Links statt der Allgemeinheit nur bestimmten Leuten zukommen zu lassen. Und welche eurer Bekannten schon auf Pocket sind, die ihr abonnieren könntet, findet ihr heraus, indem ihr Pocket eure Facebook-Friendings und Twitter-Followings durchsuchen lasst. Und natürlich lässt sich Pocket wunderbar mit Feedly und anderen Diensten kombinieren.

    P.S.: Ich habe nichts mit Pocket zu tun und bekomme kein Geld für diesen Blogpost. Ich bin nur das erste mal seit gefühlt 2011 oder so von einem Feature in einem Social Dingsi begeistert.

    P.P.S.: Ein weiterer spannender Aggregator ist übrigens Nuzzel, der zusammenfasst, welche Links eure Twitter-Followees am letzten Tag so verbreitet haben. Max Buddenbohm erklärt, wie’s geht.