Schlagwort: NPD


  • Warum die AFD schlimmer ist als die NPD

    tl;dr: Ich habe die Programme von NPD und AFD nachgelesen und verglichen. Die AFD steht noch weiter rechts als die NPD. Das ist kein Witz.

    softeis

    Es gibt bereits eine Reihe von Vergleichen zwischen der AFD und der gerade wieder von einem Parteiverbot bedrohten NPD – zum Beispiel dieses nette, wenn auch etwas ältere Klickspiel der Jungen Piraten. Während es leicht ist, im typischen NPD-Anhänger den tumben Nazi zu sehen, geräte man in Konfrontation mit einem AFD-Anhänger leicht in die Bedrouille. Die geben sich nämlich gerne betont bieder und harmlos und zeigen sich geradezu beleidigt, wenn man sie als rechtsradikal bezeichnet.

    Deshalb an dieser Stelle eine stichprobenartige Gegenüberstellung von NPD- und AFD-Positionen. Sie stammen von der Webseite der NPD, die ich hier nicht verlinken möchte, sowie aus dem Programmentwurf der AFD, der kürzlich von correctiv.org geleaked wurde. Alle Angaben, die ich hier mache, können also jederzeit im Web nachgelesen werden.

    In der Bildungspolitik wendet sich die NPD gegen „flächendeckende Umsetzung von Inklusionsprogrammen“ und „bekennt sich zum Leistungsprinzip und zur Förderung von Leistungsträgern.“ Die AFD befürwortet „uneingeschränkt das Leistungsprinzip“ und findet: „Die ideologisch motivierte Inklusion „um jeden Preis“ verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in
    ihrem Lernerfolg.“ Unter der Ägide beider Parteien hätte ich also aufgrund meiner Behinderung mein Abitur nicht an einem Regelgymnasium machen können. Weitere Passagen im AFD-Entwurf legen darüber hinaus nahe, mich entgegen meiner Berufwünsche mit einer handwerklichen Ausbildung zu bescheiden.

    Allerdings geht die AFD noch weiter als die NPD und behauptet: „Die Propagierung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das „Gender Mainstreaming“. Während die NPD sich gegen „die Einführung des obligaten Englischunterrichts bereits in der Grundschule“ wendet, fordert die AFD: „Deutsch soll als Lehrsprache erhalten werden.“ Ein feiner Unterschied findet sich dann doch. Die NPD findet „Studiengebühren für das Erststudium (…) sozial ungerecht“ und möchte Studienplätze für Biodeutsche reservieren, während sich im AFD-Programm nichts über die Ablehnung von Studiengebühren findet. Verschiedene Untergliederungen der Partei haben diesbezüglich widersprüchliches gefordert.

    Die Bildungspolitik ist ein prototypisches Schlachtfeld für die Denke beider Parteien und ganz ähnlich sieht es in der Familienpolitik aus. Die NPD schreibt: „Die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist zugleich die einzige Familienform, die Förderung und besonderen staatlichen Schutz verdient, denn nur in ihr können Kinder geboren werden.“ Das deckt sich mit dem Passus bei der AFD: „Die Familie aus Vater, Mutter und Kind als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden.“ Der zunehmende Anteil Alleinerziehender ist nicht nur Ausdruck zunehmender gesellschaftlicher Verwerfungen (…) und partnerschaftlicher Beliebigkeiten, sondern auch Ausdruck von Bindungsunfähigkeit infolge eigener unsicherer Bindungen im Kindesalter.“ Sie möchte deshalb die klassische Familie stärker fördern. Die AFD ist hier ein Stück radikaler und lehnt „eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells „Alleinerziehend“ (…) ab“.

    Wo immer man im Programm beider Parteien nachliest, finden sich ähnliche Parallelen. In der Geldpolitik fordert die NPD eine Volksabstimmung über den Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark. Exakt dasselbe fordert die AFD. Während die NPD die „Macht der Banken brechen“ möchte, fordert die AFD aber eine – heute bereits existierende – Einlagensicherung. Gesundheitspolitisch sieht die NPD in der Krankenversorgung ein Grundrecht, das sie freilich nur Biodeutschen gewähren will. Im Programmentwurf der AFD fehlt ein Passus zur Gesundheitspolitik, allerdings wird mehrfach erwähnt, dass Zuwanderung unsere Gesundheitssysteme angeblich überlasten würden.

    Das Militär soll nach Wunsch der NPD „den Schutz deutschen Territoriums und die Rückerlangung der nationalen Verteidigungsfähigkeit vor Augen haben.“ „Internationale Verflechtungen“ werden abgelehnt, was nach einem verklausulierten „raus aus der NATO“ klingt. Da sollten sich NPD und AFD ebenfalls schnell einig werden, fordert doch die AFD eine Erhöhung des Wehretats und die Wiedereinführung der Wehrpflicht (einschließlich einem Dienst für Frauen), da sie die Bundeswehr als „Eckpfeiler deutscher Souveränität“ sieht und – ganz wie die NPD – „internationale Verflechtungen“ ablehnt.

    Ich verzichte auf weitere Stichproben im Programm. Das Muster setzt sich durch alle Politikbereiche fort und gipfelt im Begriff der Identität. Bei der NPD ist das überschrieben mit „Überfremdung stoppen“. Der NPD geht es um „Überleben und Fortbestand des deutschen Volkes in seinem angestammten mitteleuropäischen Lebensraum.“ Sie schwadroniert über die „hohe Geburtenrate vor allem außereuropäischer Bevölkerungsgruppen“ (AFD-Reproduktionsstratege Höcke lässt schön grüßen) und sieht „das sichtbarste Zeichen der ungebremsten Überfremdung“ in der „expansive Ausbreitung des Islam“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Islam“ gleich 42 mal vor. Die formuliert nur etwas subtiler, dass der Islam „im Spannungsverhältnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung“ stehe.  Das braune Wort von der „Überfremdung“ ersetzt die AFD durch „Leitkultur“, die sie durch Masseneinwanderung bedroht sieht. Das ganze steht unter der Überschrift „Demographieproblem“ in einem Passus, in dem die AFD genau wie die NPD die höhere Geburtenrate von Einwanderern beklagt. Beide sind also rassistisch, versuchen aber, diesen Rassismus durch Verwendung von Begriffen wie „Kultur“ und „Identität“ zu verschleiern.

    Was die AFD besonders gefährlich macht, ist die Vermeidung bestimmter brauner Signalwörter wie „Überfremdung“ und insgesamt wesentlich subtilere und oft auch schwammigere Formulierungen. Die AFD tarnt sich hinter einer bieder-bürgerlichen Fassade, die freilich schnell aufbricht, wenn Björn Höcke über „Reproduktionsstrategien von Afrikanern“ referiert oder Schießbefehl-Trixi zurückrudert, dass es doch nicht OK gehe, an den EU-Grenzen auf Kinder zu schießen, sondern halt nur auf deren Eltern.

    Sind AFD und NPD also weitgehend dasselbe? Nicht ganz. In einigen entscheidenden Punkten gibt es fundamentale Unterschiede, nämlich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wirtschaftspolitisch ist die NPD sehr schmal aufgestellt: Sie ist gegen Globalisierung und fordert eine im Programm nicht allzu genau definierte „raumorientierte Volkswirtschaft“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Wirtschaft“ gleich 132 mal in etlichen Bezügen vor. Universitäten sollen der Wirtschaft dienen, Einwanderer würden die Wirtschaft überfordern, intakte Familien sind eine Basis für die Wirtschaft usw. Das Programm changiert zwischen sozialer Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard und Forderungen nach mehr freiem Markt und Subventionsabbau.

    Die NPD fordert eine Mindestrente, angemessene Löhne, und eine gerechte Steuerpolitik. Sie findet das Alg2 unsozial und klingt ansonsten sehr wie die Linkspartei mit der klitzekleinen Einschränkung, dass all die sozialen Hilfen eben keinen Ausländern zugute kommen sollen. Die AFD hingegen fordert eine Flat Tax und faktisch die Abschaffung der flächendeckenden Arbeitslosenversicherung. Das Alg2 soll mit zunehmendem eigenen Einkommen sinken, was exakt der momentanen Regelung entspricht. Während in ihren neuen Programmentwurf die Beibehaltung des Mindestlohnes reingeschrieben wurde, lehnt die AFD den Mindestlohn in ihrem Europa-Programm von 2014 ab. Anders als die NPD möchte die AFD eine Einwanderungsregelung nach Qualifikation und verlangt von der Bundesagentur für Arbeit Transparenz, wieviele Migranten Alg2 erhalten – ohne näher zu sagen, wieviel sie dann diesen Migranten gerne kürzen würde.

    Der wesentliche Unterschied zwischen den Parteien ist also nicht, dass die AFD nennenswert weniger rechtsradikal wäre, sondern lässt sich so auf einen Nenner bringen: Während die NPD ihren Sozialdarwinismus weitgehend nur an Migranten und Behinderten auslässt, wendet sich das AFD-Programm gegen alle Menschen, die im Kapitalismus nicht mithalten können. Die AFD will systematisch die ohnehin Starken fördern. Sie kombiniert autoritäre und rassistische Ideen, die direkt aus der NPD stammen könnten, mit wirtschafts- und sozialpolitischem Neoliberalismus und kann somit als eine Art Turbo-NPD betrachtet werden. Anders gesagt: Im klassischen Parteiensystem steht die AFD noch weiter rechts als die NPD. Selbst wenn die AFD wegen der geforderten nach Qualifikation regulierten Einwanderung etwas weniger rassistisch und kulturchauvinistisch wirkt, könnte man der NPD noch irgendwie zugute halten, das Wohlergehen „des kleinen Mannes“ im Blick zu haben, solange es halt ein biodeutscher kleiner Mann ist.

    Diese Mischung aus neoliberalen bis libertären Ideen einerseits und autoritären Vorstellungen andererseits wirkt nur so lange seltsam, bis man sich klar macht, dass die AFD diese autoritären Vorstellungen sehr stringent nutzen möchte, um ihre libertären Ideen gegen sozial niedriger stehende umso rücksichtsloser durchzusetzen. Das ist der rote Faden in ihrem Programm. Nur scheinbar erwecken Widersprüche im AFD-Programm den Eindruck, sie wisse selber nicht so genau, was sie will. So schreibt sie beispielsweise: „Die Freiheit von Forschung und Lehre sind unabdingbare Grundvoraussetzungen für wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb müssen die Hochschulen über Art und Umfang ihres Studienangebotes frei entscheiden können.“ nur um wenige Sätze später das Gegenteil zu fordern, nämlich: „Die Gender-Ideologie erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. (…) Sie darf deshalb nicht weiter gefördert werden, und ist abzuschaffen.“

    Die AFD kommt also immer doppelbödig daher, behauptet zunächst etwas konsensfähiges, nur um es später wieder einzuschränken oder in sein Gegenteil zu verkehren. Genau diese Doppelbödigkeit erlaubt der AFD ihr scheinbar bürgerliches Auftreten, das sie so gefährlich macht. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass etlichen AFD-Wählern wirklich nicht klar ist, wen sie da eigentlich gewählt haben. Was es nicht besser macht. Im Gegenteil.


  • Dresden nazifrei (Update)

    Am 13. Februar wird es einen großen Nazi-Aufmarsch in Dresden geben. Der Bürgerbewegung „Dresden nazifrei“ wird verboten, zur Blockade der Demo aufzurufen. Das verstoße gegen das Versammlungsrecht und sei Aufruf zu einer Straftat. Soweit so bekannt.

    Was ein kleinerer Provinzstreit sein könnte, wird zum Politikum, wenn die Polizei einschreitet, Hausdurchsungen bei Antifaschisten durchführt und dort Computer und Plakate beschlagnahmt. Die Piratenpartei wollte sich zunächst an den Gegendemonstrationen beteiligen, hat aber zurückgerudert: Gegendemos, Mahnwachen usw. ja – strafbare Handlungen wie Blockaden: nein.

    Tatsächlich ist es so: Auch der dümmste Nazi genießt das Grundrecht auf Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit. Es darf ihm nicht genommen werden, und jede Partei, einschließlich der Piratenpartei muss für diese Rechte auch dann eintreten, wenn Nazis sie wahrnehmen wollen.  Klingt schlüssig, aber halt:

    Die Gegendemonstrationen in Dresden sind die Proteste von Bürgern gegen eine menschenverachtende Ideologie. Die NPD mit ihren Freizeitnazis und Hinterhofbeführwortern steht gegen so ziemlich alles, was den Piraten und allen anderen demokratischen Parteien heilig ist. Hier geht es nicht darum, ob man den Nazis eine Demo verbietet (denn sie ist ihnen nicht verboten worden), sondern darum, ob wir als Bürger den Nazis klar und deutlich sagen dürfen, was wir von ihnen halten. (Wozu uns übrigens sogar unser Staatsoberhaupt auffordert.) Genau das versucht das Land Sachsen den Dresdnern aber zu verbieten. Wenn das kein Thema für eine Bürgerrechtspartei ist, was bitte dann?

    Da bin ich ziemlich enttäuscht, dass sich die Piratenpartei nicht traut, wie die Grünen und die Linkspartei ein wenig Arsch in der Hose zu zeigen und Schönwetter-Poltik macht. Was ist von all den pfiffigen Aktionen im Wahlkampf geblieben? Wo sind die Piraten, die sagen „Hört mal, Blockade ist zu heiß, da kriegen wir ein Problem, aber lasst und mal die und die Aktionen in Dresden durchziehen…“

    In meiner Erfahrung ist die Piratenpartei immer noch linksliberal. Es mag sein, dass sich die Partei schlichtweg nicht für das Thema Antifaschismus interessiert. Trotzdem haben die Mitpiraten in Sachsen die Rückdeckung ihrer Partei verdient. Spätestens seit gestern, als das LKA Sachsen die Webseite der Bürgerbewegung hat zensieren lassen, hätte ein Aufschrei durch die Piratenpartei gehen müssen. Wo bleibt die Netzguerilla? Ach so, die ist unterwegs. Leider ohne Piraten. Schade.

    Update: In den Kommentaren bei Spreeblick hat ein gewisser Jan ein wunderschönes Monty-Python-Zitat gepostet, das ich Euch ans Herz legen möchte:

    “Sie haben Brian verhaftet! Ich habe gehört, dass er gekreuzigt wird!”

    “Was? Männer, das erfordert eine sofortige Diskussion!”
    “Neuer Antrag?”
    “Vollkommen neuer Antrag. Äh, folgender, das, äh, das muss eine sofortige Aktion geben.”
    “…wenn der Antrag angenommen wird.”
    “Ja selbstverständlich, wenn er angenommen wird, man kann ja nicht einfach so… Also, im Lichte neuer Informationen von Geschwister Judith…”

    “Reg, um Himmels Willen, es ist eine ganz einfache Sache: alles, was Ihr tun müsst, ist, durch diese Tür hinaus zu gehen, und zwar jetzt, und zu versuchen, die Römer daran zu hindern, ihn zu kreuzigen! Es wird passieren, Reg, kannst du nicht begreifen, dass es passieren wird?? Raaah!” (stürmt raus)

    “Hui, hal-lo, ein kleiner Ego-Trip von den Feministinnen? Oh sorry, würdest du also unsere Punkte bitte nochmal wiederholen?”

    Update 2: Ich habe die Überschrift dieses Artikels geändert. Auch wenn die Piratenpartei sich weiterhin offiziell nichts mit einer Blockade zu tun haben wird, sind gerade sehr viele Piraten auf dem Weg nach Dresden, um gemeinsam mit anderen Gruppen, Parteien, Verbänden und der Bevölkerung gegen die Nazis zu demonstrieren.


  • Twitternde Nazis

    Das Auftauchen der NPD hat heute auf Twitter viel Aufregung verursacht. Sofort machten Aufrufe die Runde, den Account zu blocken. (Wenn das genügend Twitterer tun, geht Twitter davon aus, dass es sich um Spam handelt und sperrt den Account). Gleichzeitig wurden Rufe laut, das sei Zensur und Diskriminierung. Eigentlich hat German Psycho das ganze schon sehr schön zusammengefasst. Wegen einiger Nachfragen muss ich das aber mal ergänzen:

    Wenn ich eine Kneipe betreibe, habe ich Hausrecht und darf Leute, die mir nicht passen, hinauswerfen. Genauso darf ein Blogger unerwünschte Kommentare löschen, darf ein Verleger entscheiden, welche Artikel in seinen Zeitungen erscheinen – und genauso darf Twitter auch Nutzer von der Plattform ausschließen. Das  hat mit Zensur nichts zu tun. Zensur ist die staatliche Unterdrückung unerwünschter Inhalte (unabhängig davon, ob sie angemessen ist oder nicht). So etwas wie private Zensur gibt es nicht. Wenn auf Twitter eine Anti-NPD-Bewegung entsteht, so ist das das Online-Pendant zur Gegendemonstration in der Offline-Welt.

    (Update 10.10.2011: Meine Meinung in Bezug auf das Hausrecht habe ich inzwischen geändert. Twitter, Google+ und Facebook sind heute öffentliche Räume, die Regeln darf nicht mehr nur noch das betreibende Unternehmen aufstellen, sondern müssen von den Nutzern mitbestimmt werden. An meiner Haltung zu NPD-Anhängern ändert das freilich nichts.)

    Die Meinungs- und Redefreiheit jedenfalls bleibt gewahrt. Die Nazis haben weiterhin das Recht, Ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild zu verbreiten. Sie können weiterhin im Rahmen der Gesetze Aufmärsche organisieren, Wahlwerbespots ausstrahlen lassen, Flyer unters Volk bringen, ihre Zeitungen verlegen und Webseiten online stellen soviel sie wollen. Sie können mich aber nicht zwingen, ihren Kram zu tolerieren. Selbstverständlich kann jeder Anwender die NPD auf Twitter blocken, wenn er sich von ihr belästigt fühlt. Und Twitter ist zwar ein öffentlicher Raum, zugleich aber ein privates Unternehmen. Die Spielregeln, die dort gelten, werden von niemand anderem festgelegt als vonTwitter selbst. Wenn sie eine Regel aufstellen, einen Account bei zu vielen Blockings zu sperren, und die NPD zu oft geblockt wird, dann hat letztere schlicht und ergreifend Pech gehabt. Das Recht auf Meinungsfreiheit gilt nämlich nicht nur für die NPD sondern ist auch mein Recht, öffentlich zu sagen, was ich von ihr halte.

    Ja, selbstverständlich ist das Diskriminierung. Das macht aber nichts. Diskriminieren ist etwas, das wir alle ständig tun. Wir haben nunmal nicht alle Menschen gleichermaßen lieb und niemand kann uns zwingen, zu allen gleich freundlich zu sein. Es ist unser Recht, Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeit abzulehnen. Jeder von uns darf selbst entscheiden, mit wem er nichts zu tun haben will. Ein Arschloch ist, wer Menschen nicht anhand Ihrer Worte und Taten ablehnt, sondern sie aus Gründen wie Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Religion diskriminiert. Und über genau solche Leute reden wir, wenn wir über die NPD reden.

    Auf Twitter schrieb ich

    Es kotzt mich sowas von an, dass so viele themen kampflos der npd überlassen werden u man bräunlich wirkt, wenn man bestimmte ansichten hat

    und wurde gefragt, was ich meine. Obligatorisches Dementi: Ich bin nicht ausländerfeindlich, nicht rassistisch, nicht homophob, fühle mich nicht überfremdet, träume nicht von den Grenzen von 1937, glaube nicht an eine polnische Kriegsschuld, erwarte von Frauen kein Gebärmaschinendasein am Herd, will auch die D-Mark nicht wiederhaben usw. usw. usw.

    Viele Menschen fühlen sich in einer kalten Gesellschaft zurückgelassen. Besonders in Ostdeutschland wird einem verloren gegangenen Zusammenhalt nachgetrauert. Hartz IV wird als Entsolidarisierung und Repressalie wahrgenommen. Antikapitalismus ist längst wieder salonfähig geworden. Die Globalisierung macht vielen Leuten Angst. Und sehr viele Menschen haben das Gefühl, die Politiker leben in einer Parallelwelt und machen da ihr eigenes Ding.

    Würde man Umfragen machen: Die obigen Aussagen bekämen sehr hohe Zustimmungswerte. Die NPD nutz genau dies aus. Sie kümmert sich nicht nur scheinbar um die Sorgen und Nöte dieser kleinen Leute sondern organisiert sogar vor Ort Einkaufshilfen, Lagerfeuer usw. Das erregt Sympathie und stille Zustimmung bei Leuten, die sich selbst nicht als Nazi sehen würden. Und wenn diese Leute sich zu oft von „denen da oben“ angelogen gefühlt haben, dann werden sie irgendwann anfangen, den rechtsradikalen Verschwörungstheorien derjenigen zu glauben, die sonst im Alltag was nettes auf die Beine stellen. Ganz leicht wird die USA zum Besatzer, der Holocaust zur Lüge, der Nazi zum netten Kumpel.

    Bis vor kurzem hatte ich eine sehr tolerante Haltung der NPD gegenüber: Sie sollten uneingeschränkte Meinungsfreiheit genießen. Nachdem ich mich heute wieder mit ihr beschäftigt habe, fange ich an, meine Haltung zu liberal zu finden. Ich habe einfach dermaßen viele widerwärtige Verdrehungen, Hetzereien und Lügen gefunden, dass ich diese Partei am liebsten verbieten würde. (Nein, ich verlinke den Dreck hier nicht.) Nur noch wenige Argumente lassen mich die NPD tolerieren: Immer noch besser, sie betreiben ihren Mist offen als im Untergrund. Und Verbote könnten das „Gedankengut“ für manche noch attraktiver machen.

    Ich denke, die meisten Wähler der NPD sind nicht wirklich rechtsradikal, sondern haben aus Protest gewählt. Ich denke, hier wird eine Zustimmung in der Bevölkerung konstruiert, die so nicht existiert. Diese Menschen wollen vor allem keinen Rechtsradikalismus, sondern dass jemand sich ihrer konkreten Probleme annimmt. Vermutlich würden sie gerne eine Linkspartei ohne SED-Vergangenheit oder eine SPD ohne Hartz IV wählen. Das ist ein Feld, das man verdammt nochmal nicht den Nazis überlassen darf. Ist die NPD weiterhin erfolgreich, sind CDU/CSU, FDP, Grüne, Linke und SPD mit schuldig daran.

    P.S.: Kann man NPD-Mitglieder eigentlich Nazis nennen? Die NPD ist ja nicht nur nationalistisch, sondern wendet sich (wie oben dargelegt) an „den kleinen Mann“. Programm und Propaganda enthalten viele antikapitalistische und sozialistische Züge, bestehen aber vor allem aus Deutschtümelei, Reaktion, Revanchismus und – ja! – Antisemitismus. Zwischen NPD und NSDAP besteht nur ein gradueller Unterschied. Menschen, die vollkommen hinter diesem Gedankengut stehen, sind nicht „irgendwie bräunlich“ sondern schlicht Neonazis, die ihre Hakenkreuze verstecken, weil sie sie nicht zeigen dürfen.