Schlagwort: Merklen


  • Die WahlWettlokale sind eröffnet

    Noch ein gutes halbes Jahr bis zur Bundestagswahl. Vier Jahre ist es bald her, dass Schröder sich in der Elefantenrunde daneben benommen hat und Merkel/Münte zur großen Koalition kamen wie die Jungfrauen zum Kind.

    In Deutschland pflegen wir, dem Zeitgeist rund 10 Jahre hinterher zu wählen. Rot-Grün war schon in den 90ern gesellschaftlicher Common Sense, kam aber erst 1998 an die Macht. Zu der Zeit wäre eine große Koalition durchaus sinnvoll gewesen (Stichwort Reformstau). Die Politik, die Schröder und Fischer dann betrieben haben, war durchaus nicht die, die man sich 16 Kohl-Jahre lang von Rot-Grün erhofft hätte. De facto regierte ein seltsamer Hybrid aus Rot-Grün und Großer Koalition (via Bundesrat) und schenkte uns so schöne Gesetze wie Hartz IV.

    Mit den Nullerjahren kam der Flashback: 20jährige schämten sich nicht mehr, beim Kiffen bereitwillig zu erzählen, dass sie die CDU wählen, und niemand hätte sie dafür noch aus der WG schmeißen wollen. 2002 und 2005 wäre eigentlich eine CDU-FDP-Koalition an der Reihe gewesen. Es scheiterte zunächst an Stoibers Unbebeliebtheit und dann an Merkels Schwäche. Ihr Wahlergebnis blieb weit hinter den Umfragen zurück, nachdem die CDU in den Ländern jahrelang und reihenweise Siege einfuhr.

    Heute ist wohl genügend Zeit vergangen, dass sich dieser schon fast verwehte neokonservative Zeitgeist auch im Wahlergebnis niederschlagen müsste, aber die CDU ist schwächer denn je. Nachdem die SPD ihre Quittung für ihre asozialdemokratische Politik bekommen hat, ist es jetzt die CDU, die dafür bestraft wird, in der Großen Koalition nicht mehr von der SPD unterscheidbar zu sein. Beiden ist gemein, dass sie weiterhin neoliberale Politik betreiben, gerne mal die Bürgerrechte beschneiden, den Umweltschutz angesichts der Krise hinten an stellen und knurrig vor sich hin reformieren, wenn sie nicht gerade Opposition in der Regierung spielen und sich gegenseitig die Köppe einschlagen. Zuschauen ist da schon schmerzhaft. Klar, dass das die Bürger zu den kleinen Parteien treibt.

    Als da wären:

    • Die Linke. Die einzige Partei, deren Politik man noch als „sozial“ bezeichnen kann. Dass sie trotz des sozialen Kahlschlags kaum über die 10% Hürde kommen wird, liegt an der SED-Vergangenheit, am Gottseibeiuns-Lafontaine, der kommunistischen Plattform, am dilettantisch wirkenden Personal und nicht zuletzt daran, dass sie von den großen Medien einhellig und permanent verteufelt wird.
    • Weiterhin die FDP, die massenhaft Zulauf von enttäuschten bürgerlichen Wählern hat und besoffen ist von den derzeitigen 15%, ohne zu kapieren, dass der Neoliberalismus vollkommen am Ende ist.
    • Und natürlich die Grünen: Einerseits sind sie weiterhin attraktiv für linksliberale Wähler, andererseits verlieren sie Stammwähler, die wegen Schwarz-Grün in Hamburg und der Schröder-Fischer-Politik enttäuscht sind. Ungefähr ein Nullsummenspiel: Die Grünen verlieren nicht dramatisch, gewinnen aber auch nicht hinzu.
    • (Und die NPD zerlegt sich gerade selbst so nachhaltig, dass sie weiterhin brav unter der 5%-Hürde bleiben wird. Die Piratenpartei und alle anderen werden vom breiten Wahlvolk nicht ernst genommen werden. Wie gehabt.)

    Die Sonntagsfrage spuckt derzeit eine wackelige Mehrheit für Schwarz-Gelb aus. Ich glaube nicht, dass sie es schaffen. Die CDU wird weiterhin schwächeln, während die FDP ein immer noch sehr gutes Ergebnis einfahren wird, das aber hinter den derzeitigen 15% zurück bleibt.  Unterm Strich wird es auf ein Patt zwischen Schwarz-Gelb auf der einen und Rot-Rot-Grün auf der anderen Seite hinauslaufen. Da die SPD weiterhin nicht mit der Linken koalieren will und die Ampel von der FDP abgelehnt wird, bliebe noch die Große Koalition, die nun wirklich niemand mehr will.

    Ich glaube, die Grünen werden sich einen Ruck geben und es wird zu einer Jamaika-Koalition kommen. Dafür spricht, dass Schwarz-Grün in Hamburg existiert und die Grünen momentan in Richtung FDP sondieren. Wohl wissend, dass es weder zu einer Ampel noch einer Rot-Rot-Grünen Koalition kommen wird, wäre es ihre einzige Machtperspektive. Neuerdings spielen argumentativ ja auch programmatische und weltanschauliche Schnittmengen zwischen den Parteien keine Rolle mehr, sondern wie sie sich gegenseitig ergänzen. Diese Idee ist zugleich dumm und bestechend. Man darf nicht vergessen: Grüne sind traditionell liberal (solange es nicht der Umwelt schadet), der Umweltschutz ist ein wertkonservatives Anliegen und ein großer Teil der grünen Klientel stammt aus bügerlichen und akademischen Kreisen.

    Die Grünen sind von CDU und FDP nicht so weit entfernt, wie es scheinen mag. Natürlich stehen sich SPD und Linke näher, können aber bis auf weiteres nicht unvoreingenommen miteinander umgehen.

    Was wäre von der Schwampel zu erwarten?

    • Keine nennenswerte Sozialpolitik. Hartz IV bleibt erhalten, die Daumenschrauben werden aber je nach Kassenlage weiter angezogen.
    • Neoliberale Politik wie gehabt. Sobald die Krise einigermaßen gemeistert ist, wird die nächste Privatisierungswelle rollen.
    • Eine große Steuerreform mit einer drastischen Vereinfachung des Systems. Spitzensteuersätze werden sinken, gleichzeitig bekommen die Grünen ein ökologisches Korrektiv (z.B. weiterer Anstieg der Mineralölsteuer gegen Abschaffung der Kfz-Steuer.)
    • Der Gesundheitsfonds wird zu einer Kopfpauschale umgebaut.
    • Schäuble könnte weiter Innenminister bleiben, wird sich aber gegen starke FDP- und Grünen-Flanken nicht mehr damit durchsetzen können, die Bürgerrechte weiter zu beschneiden.
    • Das Bürgergeld ist ein in links- wie rechtsliberalen Kreisen beliebtes Modell, wenn auch nicht zwingend bedingungslos und schon gar nicht in der Höhe, wie es von der Linken und einigen Bürgerrechtlern gefordert wird. Trotzdem könnte ein Einstieg in ein solches Modell kommen. Dazu reicht aber die Parteienkonstellation alleine nicht aus: Es muss erst wieder mehr Druck auf den Sozialausgaben lasten. Die Krise könnte dafür sorgen, dass uns Bafög,  Renten, Unterstützung für Arbeitslose und selbst Hartz IV wieder als unbezahlbar verkauft werden.

    Das wäre mein kleiner Ausblick auf die Bundestagswahl und die Jahre 2009-2013. Die Wettlokale sind eröffnet. Einzige noch offene Frage: Was nur, was soll man da noch wählen?