Süßes, Saures und zwei Martini

Das Martini-Singen war immer am 10. November – als kleiner Katholik mit meiner Mond-Laterne samt Elektrobirnchen („Feuer ist viel zu gefährlich“) konnte ich am gleichen Tag losziehen wie die Nachbarskinder, denn im evangelischen Ostfriesland ist man da pragmatisch. Es gab damals schon so etwas wie Political Correctness; die hieß bloß noch nicht so und ihr Resultat waren überkonfessionelle Lieder wie „Ich geh mit meiner Laterne und meine Laterne mit mir…“. Dieser kleinste gemeinsame Nenner reichte aber meist nur für ein kleines Milky Way. Um die Ernte zu optimieren, musste man sein Publikum zufrieden stellen können.

Ich wusste, wo die Evangelen wohnen, klingelte und sang: „Martinus Luther war ein Christ, ein glaubensstarker Mann. Weil heute sein Geburtstag ist, zünd ich ein Lichtlein an…“.

Und ich wusste wo die Katholen wohnen, klingelte und sang: „Sankt Maaartin, Sahankt Maaaartin, Sankt Martin war ein guter Mann, der uns als Beispiel gelten kann…“.

Beide Martins gingen mir mit geteiltem Mantel und Reformation so ziemlich am Arsch vorbei. Interessant war die Beute. Willkommen war besonders Schokolade aller Art, während ich mit der Zeit genau wusste, wo es nur Mandarinen oder Nüsse gab und ich mir die Sangesmühe sparen konnte. Ansonsten war das Martinssingen Kinderkacke, mit der ich, wie alle anderen auch, gegen Ende der Grundschule aufhörte. „Wir sind noch als 15jährige losgezogen und haben mehrstimmig unsere Kanons intoniert.“ klagten uns manche Erwachsene vorwurfsvoll ihr Leid am Untergang des Abendlandes.

Halloween gab es nur im Film. Wenn ich mir heute das Treiben und die schaurigen Verkleidungen so ansehe, dann denke ich, damals ein Bisschen weniger christliche Verlogenheit und Singen für Süßkram und ein Bisschen mehr schwarzer angelsächsischer Humor – das hätte uns gar nicht mal so schlecht getan. Anders gesagt: Ich finde Halloween eigentlich ziemlich OK. Gerade für Kinder.