Schlagwort: Mario Sixtus


  • Mario Sixtus: Warum an die Zukunft denken?

    Vergangenheit: Kalter Kaffee, Gegenwart: die Finger an der Serviette putzen für – die Zukunft, in diesem Fall ein Buch von Sixtus lesen

    Eigentlich haut der Titel nicht ganz hin. Der rund 130seitige Essay von Mario Sixtus sollte „Wie wir an die Zukunft denken“ heißen. Denn genau darum geht es hier, jedenfalls in den ersten vier Fünfteln des Buches. Es hält sich kaum damit auf, mögliche und vergangene Zukünfte zu beschreiben – etwas das Mario Sixtus als Journalist und Filmemacher in seinen anderen Arbeiten wie dem Film „Operation Naked“ sehr häufig getan hat – sondern geht der Frage nach, was das eigentlich ist, diese Zukunft. Vielmehr: Wie Menschen sie begreifen.

    Mit einer historischen Einordnung beginnend legt er Schicht für Schicht frei, wie Menschen über Zukunft dachten und denken; dass Zukunft im Mittelalter etwas anderes war als zu Zeiten der Aufklärung oder in der Postmoderne. Dabei schillert sein Nachdenken zwischen gesellschaftlichen und psychologischen Ebenen (wobei es erstaunlich selten um seine Lieblingsthemen Digitalisierung und neue Technologien geht) und entreißt all die kurz gestreiften Konzepte und Ismen über Mensch, Gesellschaft und Zukunft den Sphären der Theorie und heftet sie an das ganz konkrete, kleine, individuelle, subjektive Leben und Erleben an. Aufrichtigerweise nimmt er damit sich selbst als Beispiel (und nicht Vorbild!), denn wessen Erleben sollte er sonst schildern?

    „Warum an die Zukunft denken“ ist also kein Buch, das Theoriegebäude konstruiert, erklärt und diese debattiert. Vielmehr ist es ein „stream of consciousness“, ein Nachdenken, fast schon eine Meditation. Und hier darf der an Watzlawik erinnernde Plauderton nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieses Buch dicht und eigentlich äußerst knapp gehalten ist. Sein Verdienst ist, die Leserïn freundlich bei Fehlschlüssen über Zukunft, den Zustand der Welt und das eigene Leben zu ertappen. Freundlich, weil er immer auch sich selbst mit ertappt und einen versöhnlichen Ton anschlägt. Selbst wo es beispielhaft um die Tricks geht, mit denen Raucherïnnen ihre Sucht rationalisieren, oder der Widerwille zur Steuererklärung als roten Faden verwendet wird, erhebt Mario Sixtus nie den Zeigefinger.

    Frappierend ist das letzte Fünftel. Spoiler: Hier geht es plötzlich um Identität und wie wir diese zurechtzimmern, wobei Konzepte von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eine entscheidende Rolle spielen. Das ist höchst relevant in Zeiten, in denen sich zahllose Probleme von Faschismus bis Erderwärmung auf identitäre Verhaltensweisen runterbrechen lassen. Dieser letzte Teil ist viel zu kurz: Ein wenig liest sich der Essay deshalb wie ein langes erstes Kapitel eines Buches über Identität. Aber dies ist keinesfalls ein enttäuschtes Fazit von mir sondern im Gegenteil ein Hoffen auf den nächsten Band: Bitte weitermachen und mehr davon!

    Mario Sixtus: Warum an die Zukunft denken, 2019, Dudenverlag

    Disclaimer: Ich bin mit dem Autor befreundet.


  • Operation Naked

    tl;dr: Wir haben einen Film gemacht. Und eine Doku dazu. Und jetzt möchten wir eure Meinung lesen.

    opnposter

    Vor ziemlich genau einem Jahr verwandelte sich unser Blinkenlichten-Büro, wo wir sonst unter anderem den „Elektrischen Reporter“ produzieren, in einen Ameisenhaufen. Menschen wuselten durcheinander, deren Bezeichnungen das ist, was sonst in langen Filmabspännen zu lesen ist. Da fühlte sich erstmals richtig real an, was bisher nur abstrakte Planung war: Wir drehen einen Spielfilm nach einem Buch von Mario Sixtus.

    Der Film heißt „Operation Naked“ und zeigt, wie die Gesellschaft darauf reagieren könnte, wenn alle plötzlich eine Datenbrille à la „Google Glass“ haben – aber so richtig mit Gesichtserkennung und der Möglichkeit alles über alle zu erfahren. Und weil in diesem Szenario das spannendste eher weniger die Figuren als Öffentlichkeit ist, greift Mario zu einem Kniff und erzählt die Geschichte durchgehend in Schnipseln aus verschiedenen Fernsehsendungen. Für deren Realisierung tingelten unsere Teams durch die Studios von „heute journal“ über Lanz bis „Neo Magazin Royal“.

    Ein Jahr später ist der Film fertig. Eine wahnsinnig spannende Zeit, in der ich sehr viel über das Filmemachen und dessen Organisation gelernt habe, was nochmal ganz anders funktioniert als die Produktion von TV-Magazinen. Meine Trophäe: Eine Nennung auf dem Plakat als Teil der Produktionsleitung und ein winziges Cameo, das mir diebische Freude bereitet. Überhaupt diebische Freude: Operation Naked steckt voller kleiner Anspielungen auf die Netz- und Bloggerszene. Einige Details fallen da erst beim zweiten Sehen auf.

    Ansonsten halte ich mich aus Gründen der Befangenheit lieber zurück mit dem Besprechen des Filmes. Die ersten Kritiken stehen ja im Netz. Nur eines möchte ich erwähnen, was ich wirklich sehr mag: Science-Fiction-Filme haben den Hang, eine Geschichte komplett utopisch oder ganz und gar dystopisch zu erzählen. Operation Naked hingegen zeigt die Auswirkung einer Technologie mit ihren positiven und ihren Schattenseiten zugleich, ist also ein heterotopischer Film.

    Moment, Science Fiction? Ist die Prämisse unseres Filmes, die allsehende Datenbrille eigentlich realistisch? Ist mit Eintreten dieser Vision zu rechnen? Und was ist eigentlich der richtige Denkansatz – Postprivacy oder Datenschutz? Unser Film wirft etliche Fragen auf. Deshalb haben wir gleich anschließend eine Dokumentation gedreht. Sie heißt „Ich weiß, wer du bist„. In ihr schicken wir Mario auf die Reise zu einer Reihe von Menschen, die Datenbrillen bauen, Gesichtserkennung programmieren oder Profile von Menschen im Internet auswerten. Von ihnen wollen wir erfahren, wie realistisch unser Szenario eigentlich ist und welche Auswirkungen auf die Gesellschaft eine solche Datenbrille hätte. Die Antwort wird dich überraschen… oder so.

    Der Spielfilm Operation Naked ist bereits in der ZDF-Mediathek zu sehen und läuft zu folgenden Zeiten im Fernsehen:

    • ZDF: 22.02.2016, 23.55 Uhr
    • ZDFkultur: 26.02.2016, 20:15 Uhr
    • ZDFkultur: 26.02.2016, 23:50 Uhr
    • ZDFinfo: 01.03.2016, 03:30 Uhr
    • ZDFinfo: 02.03.2016, 12:45 Uhr

    Die Dokumentation „Ich weiß, wer du bist“ ist noch nicht online verfügbar und läuft:

    • ARTE: 16.02.2016, 22.10 Uhr
    • ARTE: 26.02.2016, 09.50 Uhr
    • ZDFinfo: 19.02.2016, 19:30 Uhr
    • ZDFinfo: 01.03.2016, 02:45 Uhr
    • ZDFinfo: 02.03.2016, 12:00 Uhr

    Was wir uns jetzt am meisten wünschen, ist eine ernsthafte Diskussion über das Thema. Schließlich ist die Datenbrille, komme sie so oder anders, nur eine Metapher für das Internet und die Technisierung unseres Alltages. Wie wollen wir damit umgehen? Bitte sagt es uns eure Meinung auf Facebook.

    Teaser „Operation Naked“:

    Teaser „Ich weiß, wer du bist“