Wie uns die Utopie des Internets abhandengekommen ist

Bevor über Bezahlmodelle im Netz diskutiert wurde, war das Internet ein Raum der Informationsfreiheit. Damals dachte noch niemand daran, dass man einmal Zeitungen ins Netz stellen würde. Austausch unter Wissenschaftlern bestimmte den Anfang dieser revolutionären Kommunikationsplattform. Heute steht vor allem noch Wikipedia für diese Utopie des frei zugänglichen Wissens. Doch immer wieder wird versucht, das Internet zu regulieren und zu monopolisieren. Enno Park ist selbst Blogger und schreibt zu Themen wie Digitalisierung und Technikkultur. MDR KULTUR hat mit ihm über Bezahlung im Netz gesprochen.

Das Ende des Internets, wie wir es kennen

Wann immer ein neues Medium in die Welt trat und für Umwälzungen sorgte, gab es eine anarchistische Frühphase, in der dieses Medium völlig unreguliert genutzt wurde und damit die Macht der Herrschenden herausforderte. Von der Erfindung des Buchdruckes bis zum Index verbotener Bücher der katholischen Kirche dauerte es rund 100 Jahre. Rund 50 Jahre lang war das Telefon weitgehend unreguliert. In den USA zogen Farmer einfach ihre eigenen Strippen bis AT&T es 1899 schaffte, eine Monopolstellung zu erlangen und Nutzung und Weiterentwicklung des Telefons zu kontrollieren.

Die Geschichte wiederholte sich mit dem Radio, dem Studiosystem der amerikanischen Filmindustrie und schließlich dem Kabelfernsehen. Immer wurden diese Medien euphorisch als Beginn einer neuen Zeit gefeiert, die der Menschheit mehr Demokratie und Verständigung bringen sollte. Und immer wurden diese Medien reguliert und zentralisiert, wenn technische Vereinheitlichung, wirtschaftliche Interessen angehender Monopolisten und die Forderung nach Zensur unerwünschter Inhalte Hand in Hand gingen.

Es ist nicht bekannt, wann das erste mal ein deutscher Politiker sagte, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein.

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ennomane labert Teil 3: Zeitbombe Internet

„Zeitbombe Internet“ von den Zeit-Journalisten Thomas Fischermann und Götz Hamann ist ein Buch, das mir zwecks Rezension im Sommer in die Hand gedrückt wurde. Erst mochte ich es nicht lesen, dann kam ich wegen des Wahlkampfes und der unerwarteten Folgen des Wahlerfolges in Berlin nicht dazu, drüber zu schreiben. Ein wenig habe ich das auch prokrastiniert. Die Unlust rührt daher, dass die Autoren zwar in den meisten Sachfragen rechthaben, das ganze aber zu einem tendenziösen Brei verrühren. Da steht genau das drin, was der Titel erwarten lässt. Ein Buch für die internetkritische Großelteria – scheint es doch die Vorurteile mancher Offliner mit Fakten zu untermauern. Eigentlich wollte ich es nur kurz in der geplanten Esoterik-Folge von „ennomane labert“ abhandeln, nun ist aber doch eine eigene Laberei draus geworden und die Esoterik auf demnächst verschoben. Viel Spaß.

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@Wilddueck mit Untertiteln

Der vielleicht wichtigste Vortrag auf der Re:publica 11 war die Rede von Gunter Dueck über das „Internet als Betriebssystem für die Gesellschaft“ und den Folgen des digitalen Wandels, der Dienstleistungen rationalisiert und alle Berufe, die auf Wissensvorsprung basieren, obsolet macht. Wer – wie ich – Mühe hatte, dem Vortrag zu folgen: Julia hat eine untertitelte Version des Videos ausgebuddelt. Leider funktioniert das Einbetten nicht so richtig, also muss man sie sich auf universalsubtitles.org ansehen.

Ein Herz für Kunden (Update)

Der Palm Pré ist längst wieder weg, hat mir aber eine böse Überraschung hinterlassen: Mehr als 100 € soll ich für UMTS-Traffic zahlen. WTF? Ich habe doch dieses „Internet-Pack M“ von O2, das nach 200 MB drosselt? Ich ärgerte mich nicht nur über die unerwartet hohe Abbuchung von meinem Konto sondern auch darüber, mich damit auseinander setzen zu müssen. Wer mich kennt und weiß, wie „gut“ ich höre, ahnt, vor welche Probleme mich ein simples Hotline-Telefonat stellt.

Die erste angenehme Überraschung: Kein Anruf nötig. Auf der Webseite von O2 kann ich mit dem Kundendienst chatten(!). Das Gespräch ergab, dass ich zwar das Internet-Pack M hätte, aber eine alte Version davon. Bei mir würde nicht gedrosselt, sondern der zusätzliche Traffic nach Volumen berechnet. Mir war das nicht klar. Der wirklich freundliche Sachbearbeiter entschuldigte sich dafür, dass er rückwirkend nichts daran ändern könne, stellte aber meinen Tarif auf das „richtige“ Internet-Pack um und sorgte dafür, dass ich eine Gutschrift mit der nächsten Rechnung bekäme. Zitat aus dem Chat-Protokoll:

XXXXX: Habe mir erlaubt ein wenig aufzurunden:)

Das ist mehr als korrekt, er hätte mich schließlich auch einfach abbügeln können. Natürlich muss ich jetzt erst einmal die nächste Rechnung abwarten, aber wenn ich ehrlich bin, freut mich die Möglichkeit, auf diese Weise mit einem menschlichen Ansprechpartner unkompliziert und nicht telefonisch etwas klären zu können, fast schon mehr als die Gutschrift selbst. Ich möchte O2 und anderen Anbietern sagen: So muss das! Einen Anbieterwechsel, nur um ein paar Kröten zu sparen, hatte ich zwar sowieso nicht vor, kommt jetzt aber erst recht nicht mehr in Frage.

Update: O2 hat Wort gehalten. Die letzte Rechnung enthielt eine Gutschrift in mehr als voller Höhe. Vielen Dank!

Websperren: Warum es sehr wohl um Zensur geht

Am 18. Juni verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Inhalte im Web. Dazu ein Text vor allem für Menschen, die sich mit dem Internet nicht so auskennen. Ausdrucken und weitergeben in jeder Hinsicht erwünscht.

Worum geht es bei den Internetsperren?

Das Abrufen von Webseiten, die Kinderpornographie enthalten, wird auf ein Stoppschild umgeleitet. Hierfür soll eine geheime Liste vom BKA geführt und regelmäßig an die Internet-Provider weitergegeben werden.

Das klingt doch gut, warum seid Ihr dagegen?

Weil das Gesetz wirkungslos ist, aber viel Schaden anrichten wird. Wir haben Angst, dass es zu allgemeiner Zensur im Internet führt. Deshalb wurde eine Petition beim Bundestag gestartet. Sie fand 134.014 Unterzeichner, mehr als jede andere Petition zuvor. Leider wird sie von CDU und SPD ignoriert. Die wollen das Gesetz noch schnell vor der Sommerpause und der Bundestagswahl durchbringen.

Viele Politiker sagen, das Internet dürfe kein rechtsfreier Raum sein.

Ist es auch nicht. Anhand der IP-Adresse kann festgestellt werden, wer dort was getan hat. In den letzten Jahren gab es z.B. zehntausende von Abmahnungen wegen unerlaubter Kopien von Musik usw. Das zeigt deutlich, wie gut die Strafverfolgung auch im Internet funktioniert. Wer selber Texte und Bilder im Netz veröffentlicht, kann ziemlich schnell dingfest gemacht werden.

Aber Ursula von der Leyen schildert eindringlich das Leid der Kinder.

Ursula von der Leyen malt dazu ein Bild übelster Gräueltaten an die Wand, das so nicht der Realität entspricht. Kinderpornographie ist zumindest im WWW (um das es hier geht) eine äußerst seltene Randerscheinung. Das Familienministerium redet von einer Zunahme der Fälle und versucht, reine Verdachtsfälle, in denen niemand verurteilt wurde, mit in die Statistik zu mogeln. In Wirklichkeit werden die Fälle weniger.

Aber die Bilder sind doch im Netz? Man könnte sogar zufällig welche finden?

Dass jemand zufällig im Netz über solche Bilder stolpert, ist äußerst unwahrscheinlich. Eher haben Sie 6 Richtige im Lotto. Solche Webseiten sind sehr, sehr selten. Weil Kindesmissbrauch fast überall auf der Welt illegal ist, werden die Bilder unter Hand getauscht, z.B. auf CDs per Post aber fast gar nicht im WWW. Wir öffnen doch auch nicht sämtliche Briefe bei der Post, weil da Kinderpornographie drin sein könnte.

Selbst wenn es nur sehr wenige Bilder sind: Missbrauchsopfer wollen doch sicher, dass die Bilder aus dem Netz verschwinden. Sind die Euch etwa egal?

Nein, die sind uns gar nicht egal, im Gegenteil. Wir wollen, dass solche Inhalte gelöscht werden und die Urheber verfolgt werden. Das ist sogar relativ einfach. Beim Sperren werden die Bilder aber nicht gelöscht, sondern es wird nur ein Stoppschild davorgestellt. Nach Frau von der Leyens Gesetz bleiben die Bilder also im Netz.

Wenn die Server im Ausland stehen, dauert das Löschen vielleicht eine Weile. Sollte man nicht wenigstens dann so lange sperren?

Das ist keine gute Idee. Wer einen solchen Server betreibt, bekommt recht schnell mit, dass er gesperrt wird, und kann sich aus dem Staub machen. Netzsperren schützen also Kinderschänder vor Strafverfolgung.

Und warum sind die Sperren wirkungslos?

Weil jeder sie äußerst einfach umgehen kann.

Im Gesetz steht nichts zur Technik. Vielleicht erfindet jemand Sperren, die nicht umgangen werden können?

Sowas gibt es schon. Dafür müssten die Internet-Provider aber permanent alles überwachen, was wir im Internet tun. Jeden einzelnen Text den wir lesen, jedes einzelne Bild, das wir uns ansehen. Möchten Sie, dass ständig überwacht wird, welche Filme Sie ansehen und welche Bücher Sie lesen?

Aber die SPD hat doch in einem Kompromiss das schlimmste verhindert?

Nein, das war eigentlich nur Kosmetik. Einige Mitglieder wollten, dass der Parteitag über die Sperren abstimmt, wurden dort aber mundtot gemacht. Stattdessen hat SPD mit der CDU im Hinterzimmer nur leichte Änderungen ausgeklüngelt: Es wird ein Spezialgesetz wirklich ausschließlich gegen Kinderpornographie sein. Außerdem soll ein Kontrollgremium geschaffen werden, das die Listen überwacht.

Ist doch prima, warum jammert Ihr dann noch?

Weil das Gesetz mit oder ohne Kontrollgremium immer noch die Gewaltenteilung aushebelt. Eigentlich müsste in jedem Fall ein Richter über die Sperre entscheiden. Außerdem gehen viele Juristen davon aus, dass ein solches Gesetz gar nicht vom Bund, sondern nur von den Ländern erlassen werden darf. Das Gesetz ist ziemlich sicher grundgesetzwidrig.

Na gut, aber Kinder sind wichtiger als juristische Spitzfindigkeiten. Immerhin gibt es ein Kontrollgremium.

So ein Kontrollgremium kann vielleicht verhindern, dass Webseiten „aus Versehen“ auf die Sperrliste geraten. Es verhindert nicht, dass an sich zensiert wird.

Aber man kann doch nicht von Zensur reden, wenn es um Kinderpornographie geht?

Stimmt. Vorläufig geht es um Kinderpornographie. Haben wir aber erstmal diese Sperren, dann ist die Hemmschwelle für weitere zukünftig niedriger. Etliche Politiker von CDU und SPD fordern bereits jetzt, weitere Inhalte zu sperren, und zwar längst nicht nur illegale.

Außerdem werden laut Gesetz auch Seiten gesperrt, die keine Kinderpornographie enthalten, aber Links zu solchen Seiten. Wenn jemand auf eine Seite verlinkt, auf der dann später ohne sein Wissen Kinderpornographie veröffentlicht wird, wird er auch gesperrt, ohne etwas damit zu tun zu haben.

Im Gesetz steht aber klar drin, dass nur Kinderpornographie gesperrt wird. Die Demokratie wird schon verhindern, dass weitere Inhalte ins Gesetz geschrieben werden.

Glauben wir nicht. Aber selbst wenn das Gesetz in alle Ewigkeit auf Kinderpornographie beschränkt bleibt und verlinkende Seiten außen vor bleiben, werden garantiert auch Seiten gesperrt werden, die damit gar nichts zu tun haben.

Wie soll das passieren?

Dazu muss ich etwas weiter ausholen, weil das juristisch ein wenig komplizierter ist. Nach deutschen Recht gibt es eine so genannte „Störerhaftung“. Danach kann ein Internet-Provider als „Mitstörer“ angesehen werden, auch wenn er für Inhalte einer Webseite gar nicht verantwortlich ist. In der Vergangenheit haben Leute immer wieder Internet-Provider darauf verklagt, als „Mit-Störer“ Webseiten zu sperren. Bisher haben Gerichte immer gegen das Sperren entschieden, allerdings nur, weil der technische Aufwand für den Provider unzumutbar sei. Mit dem neuen Gesetz müssen die Internet-Provider die Technik sowieso bereitstellen. Sie können also künftig vor Gericht gezwungen werden, auch Webseiten zu sperren, die absolut ganz und gar nichts mit Kinderpornographie zu tun haben, obwohl das nicht in dem Gesetz steht. Das ist so, als würden Sie Ihren Briefträger wegen des Inhalts Ihrer Post verklagen.

Aber das ist doch vor Gericht und nach Recht und Gesetz?

Nur formell. Nehmen wir an, ich verkaufe Waren über meine Webseite. Ein Konkurrent verklagt mich wegen irgend etwas und erwirkt eine einstweilige Verfügung. Meine Webseite wird also gesperrt, ich kann erstmal nichts verkaufen und der Prozess zieht sich über Monate hin. Selbst wenn ich unschuldig bin und den Prozess gewinne, bin ich zwischenzeitlich pleite gegangen und der Konkurrent hat gewonnen, selbst wenn er den Prozess selbst verliert.

Sobald Netzsperren also etabliert sind, kann jeder jedem zumindest zeitweise einen Maulkorb verpassen. Vor allem Leute mit viel Geld und teuren Anwälten anderen Leuten mit wenig Geld und schlechten Anwälten. Die Folge wäre so etwas wie ein allgemeines Zensur-Chaos. Deshalb haben wir Angst vor dem Zensurmechanismus, auch wenn die Politiker hoch und heilig versprechen, dass nur Kinderpornographie gesperrt wird.

Ach wissen Sie: Ich bin sowieso nicht im Internet. Eigentlich ist mir das alles egal.

Das Internet darf Ihnen persönlich gerne egal sein, aber denken Sie an Ihre Kinder. Die wachsen mit dem Internet auf. Für Ihre Kinder ist ein freies, unzensiertes Internet genauso wichtig, wie für Sie, dass keine Bücher, Zeitschriften, Filme oder Briefe zensiert werden dürfen. Und auch wenn Sie das im Alltag nicht so richtig merken: Das Internet ist längst zum Rückgrat unserer Wirtschaft (und bei den Jüngeren der Gesellschaft an sich) geworden.

Fazit: Das Gesetz richtet gar nichts gegen Kindesmissbrauch aus, gefährdet aber den Rechtsstaat, den Rechtsfrieden, die Internetwirtschaft und die Freiheit in Deutschland.

Diesen Text als PDF oder für OpenOffice herunterladen.

Angst essen Internet auf

Wir erleben mit Schrecken, wie die Berliner Politik laienhaft ins Web hineinregiert, schreien Zensur! Überwachung! 1984! Und da draußen sitzen die Menschen, die nie im Internet waren oder allenfalls im Büro Mails beantworten: Die halten uns für einen durchgeknallten Haufen hysterischer Spinner, die ihr Privatleben gegen den Computer eingetauscht haben.

lese auf ubahn-infoscreens, dass 50.000 leute gegen "das gesetz gegen kinderpornografie" votiert hätten. versetze mich in die mitreisenden.

Das Internet spaltet die Gesellschaft: Diejenigen, die nicht drin sind, können das Unbekannte nicht einschätzen und lesen in den Medien dauernd nur was von Viren, Zahlungsbetrug und Kinderpornos. Und als sei das nicht genug, vernichtet das Internet auch noch massenhaft klassische Jobs:

  • Die Musik-Umsätze sind stark eingebrochen, da man einen Song nicht mehr auf CD kaufen muss, den man auch (im zweifel umsonst und illegal) im Netz herunterladen kann.
  • Bei den unter 30-jährigen ist das Web längst zum Leitmedium avanciert. Die absoluten Zuschauerzahlen von Fernsehsendungen und damit auch deren Werbeerlöse gehen zurück.
  • Dasselbe passiert in viel stärkerem Ausmaß im Journalismus: In den USA sterben Tageszeitungen wie die Fliegen, da das Web eine Zeitung aus Papier vollkommen überflüssig gemacht hat. Mit dem Handy kann ich sie sogar in der U-Bahn lesen…
  • Viele von uns verzichten mittlerweile auf Auto, Reisen und Hotelübernachtungen, da wir einfach von Zuhause aus mit Freunden Kontakt halten und sogar unsere Arbeit erledigen können. Selbst im Außendienst nimmt die Reisetätigkeit ab.
  • Homebanking macht (wie zuvor schon der Geldautomat) viele „kleine“ Bankmitarbeiter überflüssig.
  • Die E-Mail hat das Postaufkommen stark verringert. Die Post versucht, mit Entlassungen und Arbeitszeitverlängerungen die Lohnkosten in den Griff zu bekommen.
  • Webservices automatisieren den Einkauf zwischen Firmen: Was früher ein Einkäufer per Brief und Telefon erledigt hat, regeln heute Computersysteme vollautmatisch, die direkt mit den Produktionsstraßen und Lagerstätten gekoppelt sind.

Das sind nur wenige Beispiele, wie das Internet die Wirtschaft rationalisiert. Hat im letzten Jahrhundert vor allem die Maschine den klassischen Arbeiter verdrängt, so verdrängen heute vernetzte Anwendungen den klassischen Büroangestellten. Und das Rad lässt sich nicht zurückdrehen, sonst würden wir wie die Amish leben und am Taxistand stünden immer noch Postkutschen. All das passiert auch noch gleichzeitig mit der Globalisierung, Wohlstandsverlusten, höherem Lohngefälle… Das spüren die Bürger und entwickeln ein sehr ungutes Gefühl im Bauch: Angst vor einer Technik, die sie nicht verstehen und kontrollieren können, die aber ihr Leben  und die Gesellschaft verändert. Abwehrhaltung gegenüber einer Technik, die unsere Kultur verändert.

Denn ja, einen Computer zu bedienen und sich im Web zu bewegen ist längst zu einer unverzichtbaren Kulturtechnik geworden. Der Offliner des Jahres 2009 entspricht einem Arbeiter des Jahres 1909, der nicht vernünftig lesen und schreiben konnte und nur entsprechende Knochenjobs fand.

Wir Onliner tanzen auf dem Vulkan, wenn wir frivol die neue Kultur feiern und die Offliner als „Internet-Ausdrucker“ abwerten. Wir müssen ein Gefühl dafür bewahren, wie weit wir uns von denen da draußen entfernen. Es ist tatsächlich, wie noch in jeder Umwälzung in der Geschichte, eine Frage von Bildung und Aufklärung.

Petitionen und  Piratenpartei schön und gut, sie helfen nur bedingt, die breite Masse zu erreichen. Wir können uns die Finger wund bloggen, und werden nichts erreichen, so lange wir nicht auf die Menschen zugehen, und ihnen dabei helfen, ihre Probleme zu lösen. Wenn immobile Menschen lernen, über das Web einzukaufen, Arbeitslose im Netz nach Jobs suchen, Hartz-IV-Empfänger in den Foren Tipps zum Umgang mit den Behörden diskutieren, Obdachlose im Netz mit anderen Menschen unbefangen chatten können, Rentner ihre Enkel auf Facebook entdecken, Eltern über das Web Betreuungszirkel für ihre Kinder organisieren, Schulkinder sich gezielt untereinander Nachhilfe geben, Arbeitnehmer ohne Versammlung einen Streik organisieren und Stadtteile Nachbarschaftshilfe – erst dann ist das Web wirklich in der Gesellschaft angekommen. Stellen wir uns vor, welchen politischen Gegenwind Schäuble, von der Leyen & Co. dann wohl hätten…

P.S.: Als ich den Artikel „Hier läuft was falsch! (Für einen neuen Ansatz in der Politik)“ online stellte, hätte ich im Traum nicht erwartet, wieviel Resonanz er hervorrufen würde. Viele Leute haben sich bei mir gemeldet und wollen „mitmachen“, dabei gibt es keinerlei Organisation – nur die Idee. Ich werde alle, die sich gemeldet haben, in der nächsten Zeit anschreiben, damit wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen können.