Schlagwort: AfD


  • Gilt auch für Unternehmen: Haltung zeigen gegen Rechts

    Wenn es darum geht, sich dem Rechtsradikalismus entgegenzustellen, reicht es nicht, sich privat zu engagieren. Auch Unternehmen können und müssen Gesicht zeigen.

    Am 1. September kippte etwas. An dem Tag fand in Chemnitz ein sogenannter „Trauermarsch“ statt, doch von Trauer und Andenken an den eine Woche zuvor am gleichen Ort erstochenen Daniel H. blieb nicht viel übrig. Zu den Alt-Nazis, Pegida und den anderen rechtsradikalen Gruppen gesellte sich die von Wahlerfolg zu Wahlerfolg eilende AfD, die lange Zeit noch euphemistisch „rechtspopulistisch“ genannt wurde.

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  • Warum die AFD schlimmer ist als die NPD

    tl;dr: Ich habe die Programme von NPD und AFD nachgelesen und verglichen. Die AFD steht noch weiter rechts als die NPD. Das ist kein Witz.

    softeis

    Es gibt bereits eine Reihe von Vergleichen zwischen der AFD und der gerade wieder von einem Parteiverbot bedrohten NPD – zum Beispiel dieses nette, wenn auch etwas ältere Klickspiel der Jungen Piraten. Während es leicht ist, im typischen NPD-Anhänger den tumben Nazi zu sehen, geräte man in Konfrontation mit einem AFD-Anhänger leicht in die Bedrouille. Die geben sich nämlich gerne betont bieder und harmlos und zeigen sich geradezu beleidigt, wenn man sie als rechtsradikal bezeichnet.

    Deshalb an dieser Stelle eine stichprobenartige Gegenüberstellung von NPD- und AFD-Positionen. Sie stammen von der Webseite der NPD, die ich hier nicht verlinken möchte, sowie aus dem Programmentwurf der AFD, der kürzlich von correctiv.org geleaked wurde. Alle Angaben, die ich hier mache, können also jederzeit im Web nachgelesen werden.

    In der Bildungspolitik wendet sich die NPD gegen „flächendeckende Umsetzung von Inklusionsprogrammen“ und „bekennt sich zum Leistungsprinzip und zur Förderung von Leistungsträgern.“ Die AFD befürwortet „uneingeschränkt das Leistungsprinzip“ und findet: „Die ideologisch motivierte Inklusion „um jeden Preis“ verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in
    ihrem Lernerfolg.“ Unter der Ägide beider Parteien hätte ich also aufgrund meiner Behinderung mein Abitur nicht an einem Regelgymnasium machen können. Weitere Passagen im AFD-Entwurf legen darüber hinaus nahe, mich entgegen meiner Berufwünsche mit einer handwerklichen Ausbildung zu bescheiden.

    Allerdings geht die AFD noch weiter als die NPD und behauptet: „Die Propagierung der Homo- und Transsexualität im Unterricht lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das „Gender Mainstreaming“. Während die NPD sich gegen „die Einführung des obligaten Englischunterrichts bereits in der Grundschule“ wendet, fordert die AFD: „Deutsch soll als Lehrsprache erhalten werden.“ Ein feiner Unterschied findet sich dann doch. Die NPD findet „Studiengebühren für das Erststudium (…) sozial ungerecht“ und möchte Studienplätze für Biodeutsche reservieren, während sich im AFD-Programm nichts über die Ablehnung von Studiengebühren findet. Verschiedene Untergliederungen der Partei haben diesbezüglich widersprüchliches gefordert.

    Die Bildungspolitik ist ein prototypisches Schlachtfeld für die Denke beider Parteien und ganz ähnlich sieht es in der Familienpolitik aus. Die NPD schreibt: „Die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau ist zugleich die einzige Familienform, die Förderung und besonderen staatlichen Schutz verdient, denn nur in ihr können Kinder geboren werden.“ Das deckt sich mit dem Passus bei der AFD: „Die Familie aus Vater, Mutter und Kind als Keimzelle der Gesellschaft zu verstehen und den Bedürfnissen der Kinder und Eltern gerecht zu werden, muss wieder Mittelpunkt der Familienpolitik werden.“ Der zunehmende Anteil Alleinerziehender ist nicht nur Ausdruck zunehmender gesellschaftlicher Verwerfungen (…) und partnerschaftlicher Beliebigkeiten, sondern auch Ausdruck von Bindungsunfähigkeit infolge eigener unsicherer Bindungen im Kindesalter.“ Sie möchte deshalb die klassische Familie stärker fördern. Die AFD ist hier ein Stück radikaler und lehnt „eine staatliche Finanzierung des selbstgewählten Lebensmodells „Alleinerziehend“ (…) ab“.

    Wo immer man im Programm beider Parteien nachliest, finden sich ähnliche Parallelen. In der Geldpolitik fordert die NPD eine Volksabstimmung über den Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark. Exakt dasselbe fordert die AFD. Während die NPD die „Macht der Banken brechen“ möchte, fordert die AFD aber eine – heute bereits existierende – Einlagensicherung. Gesundheitspolitisch sieht die NPD in der Krankenversorgung ein Grundrecht, das sie freilich nur Biodeutschen gewähren will. Im Programmentwurf der AFD fehlt ein Passus zur Gesundheitspolitik, allerdings wird mehrfach erwähnt, dass Zuwanderung unsere Gesundheitssysteme angeblich überlasten würden.

    Das Militär soll nach Wunsch der NPD „den Schutz deutschen Territoriums und die Rückerlangung der nationalen Verteidigungsfähigkeit vor Augen haben.“ „Internationale Verflechtungen“ werden abgelehnt, was nach einem verklausulierten „raus aus der NATO“ klingt. Da sollten sich NPD und AFD ebenfalls schnell einig werden, fordert doch die AFD eine Erhöhung des Wehretats und die Wiedereinführung der Wehrpflicht (einschließlich einem Dienst für Frauen), da sie die Bundeswehr als „Eckpfeiler deutscher Souveränität“ sieht und – ganz wie die NPD – „internationale Verflechtungen“ ablehnt.

    Ich verzichte auf weitere Stichproben im Programm. Das Muster setzt sich durch alle Politikbereiche fort und gipfelt im Begriff der Identität. Bei der NPD ist das überschrieben mit „Überfremdung stoppen“. Der NPD geht es um „Überleben und Fortbestand des deutschen Volkes in seinem angestammten mitteleuropäischen Lebensraum.“ Sie schwadroniert über die „hohe Geburtenrate vor allem außereuropäischer Bevölkerungsgruppen“ (AFD-Reproduktionsstratege Höcke lässt schön grüßen) und sieht „das sichtbarste Zeichen der ungebremsten Überfremdung“ in der „expansive Ausbreitung des Islam“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Islam“ gleich 42 mal vor. Die formuliert nur etwas subtiler, dass der Islam „im Spannungsverhältnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Werteordnung“ stehe.  Das braune Wort von der „Überfremdung“ ersetzt die AFD durch „Leitkultur“, die sie durch Masseneinwanderung bedroht sieht. Das ganze steht unter der Überschrift „Demographieproblem“ in einem Passus, in dem die AFD genau wie die NPD die höhere Geburtenrate von Einwanderern beklagt. Beide sind also rassistisch, versuchen aber, diesen Rassismus durch Verwendung von Begriffen wie „Kultur“ und „Identität“ zu verschleiern.

    Was die AFD besonders gefährlich macht, ist die Vermeidung bestimmter brauner Signalwörter wie „Überfremdung“ und insgesamt wesentlich subtilere und oft auch schwammigere Formulierungen. Die AFD tarnt sich hinter einer bieder-bürgerlichen Fassade, die freilich schnell aufbricht, wenn Björn Höcke über „Reproduktionsstrategien von Afrikanern“ referiert oder Schießbefehl-Trixi zurückrudert, dass es doch nicht OK gehe, an den EU-Grenzen auf Kinder zu schießen, sondern halt nur auf deren Eltern.

    Sind AFD und NPD also weitgehend dasselbe? Nicht ganz. In einigen entscheidenden Punkten gibt es fundamentale Unterschiede, nämlich in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Wirtschaftspolitisch ist die NPD sehr schmal aufgestellt: Sie ist gegen Globalisierung und fordert eine im Programm nicht allzu genau definierte „raumorientierte Volkswirtschaft“. Im Programmentwurf der AFD kommt das Wort „Wirtschaft“ gleich 132 mal in etlichen Bezügen vor. Universitäten sollen der Wirtschaft dienen, Einwanderer würden die Wirtschaft überfordern, intakte Familien sind eine Basis für die Wirtschaft usw. Das Programm changiert zwischen sozialer Marktwirtschaft nach Ludwig Erhard und Forderungen nach mehr freiem Markt und Subventionsabbau.

    Die NPD fordert eine Mindestrente, angemessene Löhne, und eine gerechte Steuerpolitik. Sie findet das Alg2 unsozial und klingt ansonsten sehr wie die Linkspartei mit der klitzekleinen Einschränkung, dass all die sozialen Hilfen eben keinen Ausländern zugute kommen sollen. Die AFD hingegen fordert eine Flat Tax und faktisch die Abschaffung der flächendeckenden Arbeitslosenversicherung. Das Alg2 soll mit zunehmendem eigenen Einkommen sinken, was exakt der momentanen Regelung entspricht. Während in ihren neuen Programmentwurf die Beibehaltung des Mindestlohnes reingeschrieben wurde, lehnt die AFD den Mindestlohn in ihrem Europa-Programm von 2014 ab. Anders als die NPD möchte die AFD eine Einwanderungsregelung nach Qualifikation und verlangt von der Bundesagentur für Arbeit Transparenz, wieviele Migranten Alg2 erhalten – ohne näher zu sagen, wieviel sie dann diesen Migranten gerne kürzen würde.

    Der wesentliche Unterschied zwischen den Parteien ist also nicht, dass die AFD nennenswert weniger rechtsradikal wäre, sondern lässt sich so auf einen Nenner bringen: Während die NPD ihren Sozialdarwinismus weitgehend nur an Migranten und Behinderten auslässt, wendet sich das AFD-Programm gegen alle Menschen, die im Kapitalismus nicht mithalten können. Die AFD will systematisch die ohnehin Starken fördern. Sie kombiniert autoritäre und rassistische Ideen, die direkt aus der NPD stammen könnten, mit wirtschafts- und sozialpolitischem Neoliberalismus und kann somit als eine Art Turbo-NPD betrachtet werden. Anders gesagt: Im klassischen Parteiensystem steht die AFD noch weiter rechts als die NPD. Selbst wenn die AFD wegen der geforderten nach Qualifikation regulierten Einwanderung etwas weniger rassistisch und kulturchauvinistisch wirkt, könnte man der NPD noch irgendwie zugute halten, das Wohlergehen „des kleinen Mannes“ im Blick zu haben, solange es halt ein biodeutscher kleiner Mann ist.

    Diese Mischung aus neoliberalen bis libertären Ideen einerseits und autoritären Vorstellungen andererseits wirkt nur so lange seltsam, bis man sich klar macht, dass die AFD diese autoritären Vorstellungen sehr stringent nutzen möchte, um ihre libertären Ideen gegen sozial niedriger stehende umso rücksichtsloser durchzusetzen. Das ist der rote Faden in ihrem Programm. Nur scheinbar erwecken Widersprüche im AFD-Programm den Eindruck, sie wisse selber nicht so genau, was sie will. So schreibt sie beispielsweise: „Die Freiheit von Forschung und Lehre sind unabdingbare Grundvoraussetzungen für wissenschaftlichen Fortschritt. Deshalb müssen die Hochschulen über Art und Umfang ihres Studienangebotes frei entscheiden können.“ nur um wenige Sätze später das Gegenteil zu fordern, nämlich: „Die Gender-Ideologie erfüllt nicht den Anspruch, der an seriöse Forschung gestellt werden muss. (…) Sie darf deshalb nicht weiter gefördert werden, und ist abzuschaffen.“

    Die AFD kommt also immer doppelbödig daher, behauptet zunächst etwas konsensfähiges, nur um es später wieder einzuschränken oder in sein Gegenteil zu verkehren. Genau diese Doppelbödigkeit erlaubt der AFD ihr scheinbar bürgerliches Auftreten, das sie so gefährlich macht. Ich habe tatsächlich den Eindruck, dass etlichen AFD-Wählern wirklich nicht klar ist, wen sie da eigentlich gewählt haben. Was es nicht besser macht. Im Gegenteil.


  • Zwei Parteien

    tl;dr: Jede Tragödie wiederholt sich als Farce.

    zweiparteien

    Die eine kam scheinbar aus dem Nichts, wollte die gesellschaftlichen Umwälzungen des Internet in Politik umsetzen und bündelte die Unzufriedenheit in linksliberale Forderungen. Die andere wurde von Professoren und Wirtschaftsvertretern gegründet, um eine Politik rechts von der CxU und gegen den Euro zu betreiben.

    Die eine schaffte es in vier Landesparlamente, bis der Hype vorüber war und sie in internen Streitigkeiten versank, von denen sich die Wähler mit grausen abwendeten. Die Mitglieder der anderen haben offenbar auch keine Kinderstube – macht aber nichts, ihre Wähler nämlich auch nicht.

    Die eine wurde u.a. gegen staatliche Überwachung im Internet gegründet, spielt aber seit Beginn der Snowden-Enthüllungen politisch keine Rolle. Die andere wurde gegen Euro und Währungsunion gegründet, wahr aber ausgerechnet während der Griechenland-Krise nicht wahrzunehmen.

    In der einen Partei zahlen viele Mitglieder keine Beiträge. In der anderen auch nicht, aber sie bekommt umfassende Kredite von bekannten Wirtschaftsvertretern und verkauft zwischendurch auch mal Gold.

    Die eine führte einen außerordentlichen Parteitag in Halle an der Saale durch, weil viele Mitglieder es offenbar nicht ertragen konnten, dass andere Mitglieder sich gegen Rechtsradikale engagieren. Die andere hatte letztes Wochenende ihren Parteitag in Essen.

    Auf dem einen Parteitag steht es Zweidrittel gegen Eindrittel. Die Lager stehen sich weitgehend unversöhnlich gegenüber und wählen einen viel geschmähten Bundesvorstand ab, für den sie so ungefähr alle denkbaren Schimpfwörter und Verschwörungstheorien parat haben. Auf dem anderen Parteitag auch.

    Auf dem einen Parteitag wird ein Vorsitzender gewählt, der für die Minderheit nicht erträglich ist. Auf dem anderen Parteitag eine Vorsitzende.

    Auf dem einen Parteitag hält ein bis heute in der der Öffentlichkeit sehr bekannter damaliger Landesvorsitzender eine Rede, in der er kein Blatt vor den Mund nimmt, was den Zustand der Partei betrifft. Er wird ausgebuht und zeitweilig wird ihm das Mikrofon abgestellt. Auf dem anderen Parteitag passiert dasselbe mit den scheidenden Bundesvorsitzenden.

    Die eine Partei erlebte auf ihrem Parteitag einen Rechtsruck. Die andere auch.

    In einer Partei wurde vor dem Parteitag ein Verein namens „Weckruf“ gegründet, um das moderate Drittel zu sammeln. Parteiabspaltung nicht ausgeschlossen. Auf dem anderen Parteitag gründete sich eine Gruppe namens „Progressive Plattform“, um einen Flügel zu bilden. Parteiabspaltung nicht ausgeschlossen, aber aus Desinteresse bisher nicht umgesetzt.

    Aus der einen Partei tritt der ehemalige Vorsitzende aus. Aus der anderen Partei tritt der oben erwähnte Landeschef zurück und aus.

    Die eine Partei verliert draufhin in weniger als einer Woche 10% ihrer Mitglieder und nennt das „Befreiungsschlag“. Die andere Partei verliert in einem Jahr rund die Hälfte ihrer Mitglieder und nennt das „Konsolidierung“.

    Einige Leute in der eigenen Partei finden, sie seien der politische Arm von Pegida. In der anderen Partei gibt ein Landesvorsitzender sehr gerne Interviews bei „RT Deutsch“.

    Die eine Partei will sich jetzt auf ihre Kernthemen konzentrieren, das heißt in erster Linie Ausländer scheiße finden. Die andere Partei konzentriert sich auf ihr Kernthema Snowden-Verehrung und es ist ihr egal, wenn ihre Mitglieder nebenbei ein wenig Ausländer scheiße finden, solange sie nicht auf die Idee kommen, sich gegen Rechts zu engagieren.

    Die eine Partei hat keinerlei politische Forderung, die für Masse der Bevölkerung von Relevanz ist. Die andere Partei auch nicht, aber hey: Ausländer scheiße finden zieht immer!

    Eigentlich ist es egal, welche Partei welche ist. Man sollte sich nur bewusst sein, dass die Piratenpartei auch keine Alternative für Deutschland ist.