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  • Merkeldämmerung

    Nachdem Horst Köhler mangelnden Respekt vor dem Amt des Bundespräsditen zeigte, indem er  als letzterer zurücktrat mit der Begründung, man erbringe selbigem nicht den nötigen Respekt, ging das Geschacher los. Ich dachte ja kurzzeitig, durch die Wahl in Nordrhein-Westfalen hätten sich die Gewichte in der Bundesversammlung verschoben, und befürchtete einen weiteren Anlauf von Gesine Schwan, musste aber auch spontan an Margot Käßmann denken.

    Hat nicht sein sollen: CDU/CSU und FDP verfügen über eine klare Mehrheit und dürfen den  nächsten Präsidenten unter sich ausmachen. Sofort wurden mögliche oder eher unmögliche Kandidaten gehandelt. Von Seiten der CDU/CSU Wolfgang Schäuble, Norbert Lammert, Jürgen Rüttgers, Christian Wulff, Ursula von der Leyen oder Annette Schavan – ein einziges Gruselkabinet. Schnell fingen die Medien an, Ursula von der Leyen nach Bellevue zu schreiben, von der ich mir sofort sagte:

    Fällt mir schwer, mir eine Präsidentin vorzustellen, die von so vielen gehasst wird.less than a minute ago via TweetMe for Palm

    Natürlich zeugt das wieder von der Blase, in der ich mich samt Blogosphäre befinde, auch wenn es wir Blogger gewesen sein sollen, die Köhler „gestürzt“ haben. Für „die da draußen“ ist Ursula von der Leyen eine der beliebtesten Politikerinnen überhaupt. Unsereins sieht das eher wie Jens Berger bei Telepolis:

    Ein Fehler der deutschen Verfassung ist es jedoch, dass die Person, die der Tagespolitik geistige Leitplanken aufstellen soll, von eben diesen Politikern nominiert werden muss. Wer den Sumpf trocken legen will, sollte natürlich nicht die Frösche fragen. Fragt er sie doch, darf es auch nicht verwundern, wenn die oberste Unke statt der Trockenlegung die künstliche Bewässerung empfiehlt. Ursula von der Leyen, die sich stets als opportunistische Karrieristin hervorgetan hat, ist kein geistiger Leuchtturm für die Republik, sondern bestenfalls ein Teelicht.

    Dabei gibt es sehr gute Argumente für VDL als Präsdidentin , auch wenn ich so zynisch nicht denken mag. Egal, sie wird es nicht, sondern Christian Wulff wurde nominiert. Schwiegermutters Liebling. Der Richard Claydermann der Politik. Ein paar Leute regen sich auf, weil das Blog Esowatch den Katholiken (!) als Evangelikalen bezeichnet und ihm vorwirft, die christliche Propaganda-Organisation „ProChrist“ zu unterstützen – reine Windmacherei gegen einen, über den man im guten wie im schlechten kaum etwas sagen kann. Oder wofür steht Christian Wulff? Welche Debatte hat er je angestoßen? Vor allem dürfte man dann auch Joachim Gauck nicht unterstützen, der immerhin mal Pfarrer war.

    Nach den Abgängen von Öttinger, Jung, Rüttgers und Koch der letzte wichtige Kopf des Andenpaktes, Merkels letzter Konkurrent, der nicht schon am Kabinettstisch sitzt. Ausgerechnet ihn ins Präsidentenamt zu hieven, fühlt sich arg nach „Wegloben“ an. Das Bild von Angela Merkel als Schwarze Witwe im Kanzleramt hat sich sowieso schon gefestigt. Nachdem die Union gerade erst Koch verloren hat, würde Wulffs Abschied aus der Tagespolitik das Vakuum nochmal verstärken. Gestern beim Küchentischgespräch waren wir uns einig: Dass sie den Wulff nominiert hat, wird der Merkel nochmal auf die Füße fallen.

    Heute ist es schon so weit. SPD und Grüne haben Joachim Gauck aufs Schild gehoben. Das ist ein äußerst respektabler und angesehener Kandidat, der zudem noch überparteilich höchstes Ansehen genießt. Gauck hat sich durch seine Rolle bei der Wiedervereinigung, als Aufarbeiter kommunistischen Unrechts und als Leiter der zeitweilig nach ihm benannten Behörde zur Verwaltung der Stasi-Akten wirklich Meriten erworben.

    Ausgerechnet nach dem Abgang des oft als farblos empfundenen Köhlers einen noch farbloseren Wulff nach Bellevue zu schicken, wo man doch ein intellektuelles Kaliber wie Gauck dort haben könnte, schmeckt auch vielen in der Union und vor allem beim Koalitionspartner nicht. Besonders in der FDP werden Stimmen laut, die sich für Gauck aussprechen. Das ist nicht einfach nur ein Streit sondern zeigt den Autoritätsverlust von Angela Merkel – und zeigt ihr Unvermögen, zumindest einen für die eigenen Leute 100%ig respektablen Präsidenten aus dem Hut zu zaubern. Die Nominierung von Wulff ist gerade zu symptomatisch für den Zustand von Schwarzgelb.

    Als sei das nicht genug, springen die Medien, allen voran der SPIEGEL auf den Gauck-Zug auf, der titelt: „Joachim Gauck: Der bessere Präsident“. Merkel ist in eine klassische Lose-Lose-Situation geraten. Wenn Union und FDP zähneknirschen doch den weniger beliebten Wulff wählen, wird das den Unmut in der Bevölkerung gegenüber Merkel und ihrer Regierung noch einmal steigern, obwohl die Umfragewerte sowieso schon im Keller sind. Sollte sich wider erwarten tatsächlich Gauck durchsetzen, geht Angela Merkel als Verliererin mit Autoritätsverlust aus der Sache hervor. Rotgrün ist es mit der Nominierung von Gauck gelungen, Schwarzgelb zu spalten, auch wenn der Wahlsieger der Bundesversammlung am Ende doch Wulff heißen wird.

    Michael Seemann hat völlig recht, wenn er schreibt:

    gut, in der spiegelredaktion hält man merkel anscheinend für angezählt. so fing das bei schröder damals auch an…less than a minute ago via Echofon

    Dabei macht die Nominierung Gaucks auch Probleme am anderen Ende des Spektrums sichtbar: Die Linkspartei kann Gauck gar nicht wählen. Heute sitzen noch viele Leute in der Partei, die 1990 alles unternommen haben, um möglichst viele Stasi-Akten zu vernichten oder durch Entzug der internen Hauptkartei unbrauchbar zu machen, wie z.B. Wolf Biermann in „Über das Geld und andere Herzensdinge“ unmissverständlich klarmacht. Gauck war jahrelang der natürliche Feind von Dunkelrot und die Linkspartei ist im Osten bis heute von Altkadern durchsetzt. Joachim Gauck steht also auch dafür, dass eine rotgrünrote Koalition auf Bundesebene nur um den Preis einer Lebenslüge möglich wäre. Und auch das ist gut so.

    In dieser Situation bliebe für alle beteiligten noch der Ausweg, sich auf einen Kompromisskandidaten aus einer ganz anderen Ecke zu einigen. ;)

  • Freitagstexter: Siegerehrung

    Und wieder ist eine Woche rum und fast hätte ich vergessen, den Sieger zu küren, aber zum Glück nur fast. Das Foto der Skulptur der wohlgeformten Dame stammt übrigens vom Flughafen Palma de Mallorca. Aber auf den Punkt, ich muss los: Der Gewinner dieses Freitagstexters ist…

    freitagtexter

    … Markus Trapp – manchen vielleicht besser bekannt mit „Text und Blog“ – mit einem hübschen kleinen Ferkelgedicht. Herzlichen Glückwunsch!

    Update: Und hier geht es jetzt weiter.

  • Kein Respekt vor dem Amt

    Man sieht es deutlich: Vor Entrüstung und Wut innerlich bebend verlas Köhler seine äußerst kurze Rede – und gab seinen sofortigen Rücktritt bekannt.

    https://www.youtube.com/watch?v=Pd_YgwdFhsU

    Er begründet seinen Rücktritt mit mangelndem Respekt vor dem Amt. Bei aller Liebe: Ich habe vor Ämtern keinen Respekt, hatte nie welchen und werde nie welchen haben. Wenn ich Respekt zolle, dann den Menschen, die Ämter ausfüllen. Das Amt des Bundespräsidenten ist auch ein politisches. Auch wenn nur äußerst selten davon Gebrauch gemacht wurde, kann der Präsident Gesetze durch Verweigern der Unterschrift blockieren. Vom Präsidenten wird Moderation erwartet und dass er den Laden durch sinnstiftende Reden zusammenhält, die breit konsensfähig sind. Dass ein Präsident in der Regel die Sphäre der Parteipolitik verlässt, bedeutet nicht, dass er apolitisch wird. Ein apolitischer Präsident wäre tatsächlich nur ein Grüßonkel – ein Zustand, dem sämtliche bisherigen Bundespräsidenten schon immer gefährlich nahe gekommen sind.

    Horst Köhler ist vom Volk gewählt worden. Mit dem Amt übernahm er nicht nur Rechte, sondern auch die Pflicht, das Amt nach bestem Vermögen auszufüllen. Dazu gehört auch, sich der Kritik an seiner Amtsführung zu stellen. Sicherlich, die Worte, die er zum Thema Krieg und Bundeswehr sprach, waren äußerst bedenklich, decken sich allerdings im großen und ganzen mit der deutschen Militärdoktrin. Wenn Horst Köhler also etwas vorzuwerfen wäre, dann dass er eine unangenehme Wahrheit ausgesprochen hat. Leider ist er dann zurückgerudert und meinte, er sei missverstanden worden. Schade, denn Horst Köhler hätte für diese Debatte auch in die Geschichtsbücher eingehen können, wäre er bereit, sie zu führen bzw. in der Gesellschaft zu moderieren. Diese Kriegsdebatte ist nämlich dringend nötig in einem Land, in dem die Kanzlerin auf der Trauerrede für getötete Soldaten laut darüber nachdenkt, ob man den Krieg nun so nennen darf.

    Horst Köhler findet also, man dürfe ihn nicht kritisieren, sonst habe man keinen Respekt vor dem Amt. Hält er sich für den Papst? Und wo ist sein Respekt vor dem Wähler, der ihn indirekt über die Bundesversammlung in dieses Amt gebracht hat? Oder hat Horst Köhler am Ende sich selbst gemeint, als er vom mangelnden Respekt vor dem Amt sprach?

  • Links der Woche

    Brainfuck

    https://www.youtube.com/watch?v=rw_ZQkFeh28

  • ennomane live on stage

    Die Dächer spatzen es schon länger von den Pfeifen: Ich gehe mit ennomane.de auf Lesereise. Hier mal die Tourdaten meiner Sommertournee:

    • 9. Juni – Berlin
    • 9. Juni – Berlin
    • 9. Juni – Berlin
    • 9. Juni – Berlin
    • 9. Juni – Berlin

    Die Eröffnungslesung, der Abschlussvortrag sowie alle Gigs dazwischen finden statt im Rahmen der 6. Jour Fitz des Herrn Taubenvergrämer im HBC Berlin, Karl-Liebknecht-Str. 9.

    Nähere Informationen gibt’s bei Facebook.

  • Und mal wieder: Freitagstexter

    freitagstexter2

    Exakt 11 Monate nach dem letzten mal habe ich dank dem Stilhäschen wieder die Ehre, den Freitagstexter auszurichten.

    Und nochmal die Spielregeln. Ihr denkt euch zum obigen Foto eine möglichst treffende, abstruse, lustige oder sonstwie bestechende Bildunterschrift aus und schreibt sie hier als Kommentar rein. Ich bin „dictator for a week“ und entscheide selbstherrlich wie eigenmächtig, wessen Idee mir am besten gefällt. Einsendeschluss ist Mittwoch, 2. Juni, um 23:59 Uhr. Der Gewinner bekommt ein iPad einen Pixel-Pokal und das Recht, den Wettbewerb nächsten Freitag in seinem/ihren Blog auszurichten. Eigenes Blog ist also zur Teilnahme nötig, außer ihr kennt jemanden, der euch ggf. gastbloggen lässt.

  • Tauss verurteilt: …und alle Fragen offen (Update)

    Jörg Tauss ist wegen des Besitzes von Kinderpornographie zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Die schriftliche Urteilsbegründung steht noch aus und sollte von juristisch besser bewanderten Bloggern analysiert werden. Ich würde mich nicht wundern, wenn Tauss in Berufung geht. Jörg Tauss will in Berufung gehen.

    Wie schon vorher erwartet, klärt das Urteil eigentlich nichts. Es ging nicht um die Frage, ob er das „Material“ besessen hat – das stand schon vorher fest. Juristisch ging es um die Frage, ob er es als Abgeordneter des Bundestages in Ausübung seines Mandats besitzen durfte. Das hat das Gericht mit diesem Urteil verneint. Eigentlich ging es aber um etwas noch anderes, etwas juristisch kaum greifbares: Zu welchem Zweck er das Zeug besessen hat.

    Da gibt es Indizien, die für einen „privaten Konsum“ sprechen wie zum Beispiel Tatsache, dass er nach Ende seiner Recherchen weder mit dem Ergebnis an die Öffentlichkeit ging, noch das Material vernichtete. Es gibt Indizien, die dagegen sprechen, wie die mittlerweile so häufig zitierte „szeneuntypische Menge“ und es gibt Scheinindizien wie die Unterbringung im Schlafzimmer, die nichts zur Sache tut, da ihm in seiner Dienst-WG sowieso nur ein Zimmer zur Verfügung stand.

    Es ist egal, ob es bei diesem Urteilsspruch bleibt oder Jörg Tauss in Berufung gehen wird; klären kann man allenfalls, ob er doch durfte, was er tat. Nie klären können wir, ob er es aus unlauteren oder ehrenhaften Beweggründen tat. Jetzt wird nochmal deutlicher, was schon vorher klar war: Der „Fall Tauss“ ist eine Glaubensfrage, die letztlich über das tabubehaftete Thema und persönliche Sympathie oder Antipathie entschieden wird. Freilich: Die Öffentlichkeit wird nicht so stark differenzieren. Sie stellt lediglich die Worte „Tauss“, „Kinderpornographie“ und „verurteilt“ in eine Reihe.

    Verliert er seine Mitgliedschaft in der Piratenpartei automatisch? Nach §5(1) der Bundessatzung passiert das bei Aberkennung der Wählbarkeit oder des Wahlrechts. Nach §45(1) StGB verliert jemand, der zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde, der für ein Verbrechen verurteilt wurde, auf das eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr steht, das passive Wahlrecht für fünf Jahre. Das ist hier der Fall, also müsste seine Parteimitgliedschaft eigentlich automatisch erlöschen, sobald das Urteil rechtskräftig wird. Das ist hier nicht der Fall, weil es sich nicht um ein Verbrechen sondern um ein Vergehen handelt; also gibt es auch keinen automatischen Parteiauschluss. (Dank an Jan Scheijbal für die nähere Erläuterung.)

    Juristisch ist die Sache also (vorerst) geklärt. Politisch wird es keine Alternative zum Parteiausschluss geben, es sei denn, man ändert die Satzung oder Jörg Tauss wird in höherer Instanz doch noch freigesprochen. Menschlich bleibt alles eine Glaubensfrage, und da sollte nach wie vor „in dubio pro reo“ gelten – oder einfach die Anerkenntnis, dass er bereits bestraft wurde.

    Allen, die tiefer in das Thema einsteigen möchten, empfehle ich sehr die Prozessbeobachtungen bei bruchsal.org.

  • Die Nachrufe auf Roland Koch

    Man soll nichts schlechtes über Tote sagen. Roland Koch ist zwar quicklebendig, aber was „SPON“, „Zeit“ & Co. da zum Rücktritt des brutalst möglichen Aufklärers verbreiten, liest sich, als sei er mausetot. Es klingt wie die Nachrufe, die Redaktionen für den Fall des Ablebens von Prominenten vorgefertigt in der Schublade liegen haben. Ein paar Beispiele:

    Spiegel Online sorgt sich um das Vakuum, das Koch hinterlässt: „Kochs Rückzug löst Kursdebatte in der CDU aus„. Die Redakteure versteigern sich in machterotische Anflüge, wenn sie unter „Abschied des Angreifers“ seine brillante Rhetorik und sein taktisches Geschick loben. Selbst in „Adé Bösewicht“ geht es kaum um Kochs Sündenregister sondern darum, dass der CDU nun ein konservatives Schwergewicht fehlt – mit Formulierungen wie „Er hat sich viele Feinde gemacht. Und doch muss gesagt werden…“. Und in „Auf der anderen Seite der Barrikade“ wird Koch als Gegenmodell zum linksliberalen Alt-68er gefeiert.

    Vielleicht sitzen ausgerechnet bei SPON die ganzen Koch-Fans? Aber bei der „Zeit“ sieht es nicht viel anders aus. „CDU sucht neue konservative Galionsfigur„, „Ein Rückschlag für die Konservativen in der CDU“ und „Kochs letzter Coup“ zeichnen genauso das Bild des testosterontriefenden Polit-Alphatiers, während der Artikel „Kochs trübe Bilanz“ gerade zu beschönigend wirkt, weil er die allermeisten von Kochs Durchstechereien ausspart. Auf Twitter wurde ich immerhin auf den Zeit-Artikel „Bouffier, der politische Zwilling“ hingewiesen. Darin steht zwar wirklich mal Tacheles, aber eben über Bouffier und nicht Koch.

    Ich glaube, diese Beispiele sollten reichen. Soweit ich sehen konnte, sieht es in anderen Blätter nicht viel anders aus, und selbst wenn hier und da mal wirklich eine schonungslose Bilanz der Amtszeit Kochs gezogen wird, bleibt der allgemeine Ton der Medien: Ein Streiter für die (ge)rechte Sache geht von Bord. Ja, Koch war ein neuer FJ Strauß. Ja, er hinterlässt ein Vakuum im rechtskonservativen Flügel der CDU. Ja, der Mann war eine durchsetzungsstarke Machtmaschine. Ja, das sind Aspekte, die in den Medien berücksichtigt werden müssen.

    Aber: Dürfen die Medien wirklich so unverhohlen den Machttrieb eines Politikers bewundern, der völlig skrupellos Wahlkampf mit Ausländerhetze führt? Geht das OK, die kriminellen Machenschaften des Hessenberlusconi allenfalls in Nebensätzen zu erwähnen? Kann man beim Abtritt eines Politikers, der daran beteiligt war, lästig gewordene Steuerfahnder zu psychiatrisieren, ernsthaft das entstandene Vakuum betrauern?

    Wäre nicht gerade Kochs Abtritt Anlass für wenigstens einen größeren Artikel dazu? Wo bleibt die zwanzigteilige Klickstrecke „Kochs schönste Affairen“? Wo der Artikel, der die kriminelle und korrupte Seite des System Koch beleuchtet (und nicht schon vor x Jahren erschien)? Ach so, den gibt’s wohl, aber nicht bei den großen, sondern beim Spiegelfechter. (Und ich empfehle sehr, den Artikel ganz zu lesen.)

    Warum also diese Beißhemmung? Koch ist nicht tot.

  • Links der Woche

    Zum Schluss: Wer erinnert sich nicht an La Linea, das kleine Strichmännchen aus Italien?

  • Facebook öffne dich

    Facebook nervt und stinkt. Ständig ändern sie die Privatsphäre-Einstellungen, was in eine wüste Klickerei und nervige Sucherei ausartet. Sie geben meinen Social Graph über den Like-Button an x-beliebige Webseiten weiter, sie erlauben Anwendungen, die Freunde von Freunden benutzen, meine Daten auszulesen, sie geben meine Daten ungefragt an externe Partner wie GMX weiter. Es reicht. Das finden nicht nur wir ach so betulichen Deutschen, auch in den USA rumort es. Am 31. Mai ist QuitFacebookDay.

    Ich gehe nicht. Aus zwei Gründen: Ich bin hörgeschädigt und mein Sozialleben findet zu großen Teilen schriftlich im Netz statt. Das Web, die Blogosphäre, Twitter und auch Facebook haben mir unheimlich viel von dem wiedergegeben, was ich mit meinem Gehör zusammen verloren habe. Ich liebe es, über Facebook und Twitter von Veranstaltungen zu erfahren und Einladungen zu erhalten. Außerdem gehören im Büro nicht nur die Firmenblogs zu meinen Aufgaben sondern auch „Social Media“. Da kann ich es mir gar nicht erlauben, keinen Facebook-Account zu haben.

    Vor ein paar Monaten habe ich eine strikte Policy eingeführt: Ich habe alle Menschen „entfreundet“, die ich nicht persönlich kenne – bzw. auch fast alle Kollegen, weil ich finde, dass meine privaten Aktivitäten nichts im Büro zu suchen haben. Jeder einzelne hat eine Mail erhalten, in der ich diesen Schritt freundlich erklärt habe. Ich habe alle meine Einstellungen auf so privat wie möglich gesetzt. Diese Privatheit ist aber eine Illusion. Privat ist nur mein Wohnzimmer und mein E-Mail-Postfach (das richtige, nicht das bei Google). Im Grunde habe ich mir die Mühe gemacht, mein Profil, meinen Social Graph, noch besser herauszuarbeiten, auf dass Facebook mehr Kapital daraus schlage.

    Also mache ich es jetzt genau umgekehrt. Ich habe nahezu alle Einstellungen auf Facebook vollkommen freigegeben. Mein Profil kann jetzt auch von Nicht-Mitgliedern besucht werden. Ab sofort kann jede Person auf Facebook wieder mein „Freund“ werden, egal ob ich sie persönlich, nur aus dem Netz oder gar nicht kenne . Aber: Ich habe aber auch bis auf irrelevanten Kleinkram alles private gelöscht. Es ist doch so: Ich habe mein kleines Stück Netzöffentlichkeit mit einigen 1000 Lesern auf mehreren Blogs sowie 2700 Followers auf Twitter (das ich schon lange als Öffentlichkeit behandele). Facebook reduziere ich auf einen weiteren Kanal für diese Mikroöffentlichkeit. Dadurch geht ein wenig Spaß und Unbefangenheit verloren, was ich aber nicht ändern kann. Entweder ich füttere Facebook gar nicht, oder mit einem irrelevant gewordenen Social Graph.

    Google CEO Eric Schmidt meint: “Hast du etwas, das keiner wissen sollte, solltest du es vor allem gar nicht erst tun.” Ich wandele mal ab in: „…solltest du es vor allem gar nicht erst schreiben.“ Was es auf Facebook also nicht mehr geben wird, ist der private Enno, auch wenn der bei allem, was sich schreibe, natürlich immer zwischen den Zeilen hockt. Den gibts weiterhin in der Margarethe F. und auf der Jour Fitz, per Mail und vielleicht irgendwann mal in der Diaspora oder wo auch immer das Private Web eines Tages Wirklichkeit wird. Bedankt euch bei Zuckerberg.