Vor Kindern Karnickel schlachten

Nicht nur Vegetarismus kommt immer mehr in Mode. Ich beobachte zunehmend, dass Menschen keinerlei Bezug mehr zu dem haben, was sie essen. Fleisch wird als ekelig empfunden, wenn man das Tier noch erkennen kann oder noch Knochen, Sehnen oder gar Adern darin sind. Ansonsten wird Fleisch aber weiterhin mit Genuss verzehrt, solange es in pürierter Form zu Chicken-Nuggets oder Burgern verarbeitet wurde. Aus dieser Fraktion scheinen einige Eltern und Kinder zu kommen, die gerade einen Bohei um einen toten Karnickel machen.

Im Rahmen einer Projektwoche hatte ein Vater das Tier von seinem Hof mitgebracht und vor den Kindern einer fünften Klasse geschlachtet. Später wurde es dann gegrillt und gemeinsam verzehrt. Das ist offenbar dem einen oder anderen Kind nicht gut bekommen: Es wurde von Blässe um die Nase, Schlafstörungen und Ohnmacht berichtet. Heftiger reagierten allerdings einige Eltern, die das ganze „pervers“ fanden. Wer Lehrer in seinem Freundes- und Bekanntenkreis hat, kennt 1000 Geschichten über diesen Typus „hysterische Mutter“.

Nein, liebe bionade-biedermeierlichen Hysteriker, so eine Aktion ist in keiner Weise pervers sondern meiner Meinung nach das beste, was man tun kann, um Kindern in aller Deutlichkeit zu zeigen, dass wir Tiere töten, um sie zu essen. Wenn das die Kinder schockiert und sie dadurch zu Vegetariern werden: nicht die schlechteste Idee. Wenn nicht, haben sie deutlichst gelernt, wo das Fleisch auf ihrem Teller herkommt. Und das ist mir allemal lieber als dieser Ekel vor richtigem Fleisch in Verbindung mit Appetit auf Industrie-Food.

Pervers ist vielmehr, dass wir darüber streiten, ob wir es aus Rücksicht auf Aberglauben muslimischen Mitbürgern erlauben sollten, Tiere qualvoll zu schächten, dass aber auf der anderen Seite unsere Kinder bloß nicht mit der Realität einer Karnickelschlachtung behelligt werden sollen. Beides gleichermaßen Auswuchs einer seltsamen Political Correctness aus der gleichen schwarzgrünen Ecke.

Natürlich bin ich kein Pädagoge, empfinde aber 10 Jahre als durchaus passendes Alter für eine solche Aktion. Sollten Kinder psychisch labil sein und die Schlachtung eines Tieres nicht verkraften, ist es falsch, die Schlachtung pervers zu nennen. Vielmehr sollten wir nach den Ursachen dieser gesteigerten Sensibilität suchen und für eine psychologische Betreuung derart labiler Kinder und ggf. ihrer Eltern sorgen. Ich frage mich eher, warum vergleichbarer Projektunterricht vor allem in urbanen Gegenden nicht längst Bestandteil des Pflichtunterrichts ist.

Jamie Oliver macht das übrigens richtig klasse in folgendem Video. Leider reagieren die Kinder nicht ganz wie erwartet…

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=S9B7im8aQjo[/youtube]

Update: Vergaß, schon der gute alte Douglas Adams hatte sich ja erschöpfend mit dem Thema befasst:

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=C1nxaQhsaaw[/youtube]