Warum eine Kirche zur Anbetung künstlicher Intelligenz eine super Idee ist

Am Ende erwacht das ganze Universum zu einem erleuchteten Wesen, durchdrungen von Intelligenz. So steht es in Ray Kurzweils Buch „Menscheit 2.0“ von 2005 (Untertitel „Die Singularität ist nah“). Was Kurzweil, Chefentwickler bei Google, als das unausweichliche Schicksal des Universums sieht, ist der Endpunkt einer explosionsartigen Entwicklung, die wir gerade mit unseren Computern und der Entwicklung künstlicher Intelligenz in Gang setzen.

Anbeten lässt sich diese neue Gottheit schon heute. Dafür hat Anthony Levandowski eine neue Kirche gegründet. Levandowski ist kein Unbekannter: Unter anderem leitete er bei der Google-Tochter Waymo die Entwicklung autonomer Fahrzeuge. Wahrscheinlich denkt er schon lange darüber nach, wohin sich künstliche Intelligenz wohl entwickeln mag. Jedenfalls meldete er bereits vor mehr als zwei Jahren „Way of the Future“ als Non-Profit-Unternehmen zum Aufbau von Religionsgemeinschaft in Kalifornien an. Das Ziel: Eine künstliche Intelligenz erschaffen, diese dann als Gottheit anbeten und für Akzeptanz werben.

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Kirche will Künstliche Intelligenz als Gott verehren

„Way of the Future“ heißt eine neue Kirche, in der eine künstliche Intelligenz (KI) die Gottheit sein soll. Ihr Gründer Anthony Levandowski entwickelte unter anderem bei Google selbstlenkende Autos, kennt sich also mit künstlicher Intelligenz aus. Er ist davon überzeugt, dass sich schon in naher Zukunft eine solche KI so weit entwickeln wird, dass sie als gottgleich anzusehen ist. Das zentrale Nervensystem dieser neuen Gottheit wird das Internet, als Sinnesorgane dienen die Sensoren und Smartphones dieser Welt. Dieser Gott hört den Menschen immer zu. Das sind in etwa die Kernaussagen der Kirche „Way of the Future“.

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Es hat einen Grund

ostereier

Ich habe heute einen großartigen Text des Postillon zum Karfreitag verbreitet. Ich fand ihn vor allem deswegen so gut, weil er sprachlich exzellent simuliert, wie ein Boulevard-Blatt christliche Riten beschreiben würde, wenn es sich wirklich nur um eine obskure Sekte handelte. Zwar kennt meine Leserschaft mich mittlerweile und lässt sich durch so etwas nicht mehr trollen, aber trotzdem haben sich natürlich ein paar Christen darüber beschwert, ob es denn nötig sei, derlei Geschmacklosigkeiten ausgerechnet am Karfreitag zu veröffentlichen und ob man da nicht etwas mehr Respekt zeigen könne.

Kurze Antwort: Ja, es ist nötig. Und: Nein, das Christentum verdient hier keinen Respekt. Bei antiklerikalen Witzen und Texten am besten direkt zu den höchsten Feiertagen handelt es sich um weitaus mehr als um Klingelstreiche aus Spaß am Trollen. Vielmehr entstehen diese Texte aus reiner Notwehr heraus. Der Kaiser „Religion“ ist nackt, das kleine Kind hat’s längst gerufen, aber viele Menschen wollen das einfach nicht sehen. Das ist nicht schlimm. Aber sie verlangen immer noch, ein jeder möge ihrem nackten Kaiser die Ehre erweisen. Das ist schlimm. Da hilft dann nur noch: Auslachen.

Glaubensfreiheit ist die Freiheit, auch an absurde Dinge glauben zu dürfen. Meinungsfreiheit ist die Freiheit, diese Dinge trotzdem absurd zu nennen. In diesem Sinne: Schöne Ostertage!

Glauben und glauben lassen

Gezänk um die Homöopathie wieder.  Ich habe mich auch dazu hinreißen lassen und schrieb schon: Homöopathie ist empirisch nicht belegt und also reine Glaubenssache. Ich habe nichts gegen Homöopathie-Gläubige. Wirklich nicht. Es ist wie mit Religion: Alles spricht für Atheismus, trotzdem bin ich kein Atheist, sondern habe mir mein irrelevantes Weltbild zurecht gelegt, das einen Glauben einschließt, auch wenn ich keiner Glaubensgemeinschaft angehöre. Glauben ist nämlich etwas, das wir brauchen. Wir können nicht alles wissen und selber empirisch überprüfen. Wir sind ständig darauf angewiesen, Menschen und Institutionen zu glauben. Wir übernehmen, was uns plausibel erscheint, sofern wir demjenigen vertrauen, der es propagiert. Wirklich wissen tun wir individuell nur sehr wenig, oder hat hier irgend jemand einen Teilchenbeschleuniger im Keller?

So gut wie alles, was wir zu wissen glauben, stammt aus Schulbüchern, von Lehrern, Professoren, Zeitungen und anderen Menschen – von Autoritäten. Wir versuchen, so viele Sicherungen wie möglich einzubauen, die diesen Mittlern eine Art objektive Glaubwürdigkeit verleihen – aber schon wenn wir ein paar Länder weiter reisen und uns mit der dortigen Kultur auseinandersetzen, werden wir feststellen, wie anders man die Dinge sehen kann und dass auch Wissen reine Interpretationssache sein kann, ohne deshalb gleich die Gravitation zu leugnen oder die Sonne um die Erde kreisen zu lassen.

Glaube ist verwandt mit Schubladendenken, Bauchgefühl und Intuition, die uns hilft, Entscheidungen zu treffen, ohne die volle Faktenlage zu analysieren, und das sogar sehr erfolgreich. Wir alle – auch die härtesten Rationalisten – tun wirklich sehr viele seltsame Sachen, nur weil wir mal die Erfahrung gemacht haben, dass sie scheinbar funktionieren. Daraus entstehen Rituale und diese Rituale helfen uns sehr häufig, uns in die mentale Stimmung zu versetzen, ähnliche Situationen zu überstehen. Wollten wir permanent und in allen Lebenslagen rational reagieren, wir wären nur noch mit der Analyse von Fakten beschäftigt. Also tun wir viele Dinge intuitiv, was bei positiven Resultaten auch zu positiver Rückkopplung führt. Auch in der heutigen Zeit funktioniert ein ganz großer Teil unseres Lebens so.

Ob jemand Traubenzucker oder Heilsteine während einer Prüfung dabei hat, ist nahezu irrelevant. (OK, der Zucker liefert Energie und hat eine messbare Wirkung, während der Heilstein Hokuspokus ist – in beiden Fällen behaupte ich aber mal, dass der Effekt ganz überwiegend ein psychologischer ist.) Ich glaube, die meisten von uns haben schon die Erfahrung gemacht, dass Rituale seelische Auswirkungen haben. (Seele ist ist hier als Psyche oder Geist gemeint, nicht als religiöses Konstrukt.) Auch die Empirie zeigt uns zum Beispiel im Placebo-Effekt und in der gesamten Psychosomatik, die nichts aber auch gar nichts mit eingebildeter Krankheit zu tun hat, dass der Mensch Effekten unterliegt, denen man mit Empirie nicht oder nur höchst mühsam beikommen kann.

Das wirklich gefährliche am Glauben ist, dass er zur Machtausübung missbraucht werden kann – weil wir die Glaubhaftigkeit von Informationen eben auch anhand der Autorität des Absenders bewerten, und Autorität wiederum etwas ist, das unseren Glauben und unser Vertrauen voraussetzt. Missbrauche ich meine Autorität, dann habe ich das Vertrauen von Menschen verletzt. Der Mullah, der eine untreue Ehefrau zur Steinigung verurteilt, verdient ebenso wenig Toleranz wie eine Schulbehörde, die kreationismuskritische Texte in Schulbüchern zensiert. Glaube ist etwas privates, das im öffentlichen Raum über einen Diskurs hinaus nichts zu suchen hat. Nicht an Schulen, nicht im Gesundheitssystem usw.

Es fällt uns aber sehr schwer, Glauben als Privatsache zu behandeln und Andersgläubigen gegenüber tolerant zu sein. Das Problem ist, dass beide Seiten sehr schnell glauben, sie seien die „Guten“, die die Wahrheit gepachtet hätten. Der Esoteriker, der einen Rationalisten als „spirituell unterentwickelt“ bezeichnet, ist genauso arrogant wie der Atheist, der einen Christen auslacht.

Man könnte auch sagen:

  • Jeder von uns hat das Recht, zu glauben, was er will, egal wie abgefahren es ist. Dabei ist es völlig unerheblich, ob es sich um komplette Religionen oder den kleinen Aberglauben für zwischendurch handelt.
  • Niemand von uns hat das Recht, einen Mitmenschen aufgrund seines Glaubens, und erscheine dieser noch so absurd, herabzuwürdigen. Zu sagen, wegen seines Glaubens „gehöre jemand therapiert„, ist selbstgerecht und anmaßend.
  • Aber umgekehrt gilt genauso: Ein Glaubender hat niemals das Recht, seinen Glauben für allgemein verbindlich zu erklären oder ihn anderen Menschen zu oktroyieren. Übrigens soweit das möglich ist auch nicht seinen Kindern.

Nein, liebe Glaubenden, das ist kein Text, der eure Weltsicht untermauert, sondern nur ein Plädoyer für Toleranz ganz allgemeiner Art, die schnell enden kann, sobald ein Homöopathie-Gläubiger andere als sich selbst mit seinen Mittelchen traktiert, ein Zeuge Jehovas seinen Kindern die Blutspende verweigert, ein Moslem von Frauen verlangt, die Burka zu tragen oder ein esoterisch angehauchter Chef seine Bewerber nach Sternzeichen und graphologischen Gutachten sortiert.