Die Wurfprämie

Bis in die 60er Jahre bekam man Kinder und brachte sie irgendwie durch. Dann kam die Pille und Kinderkriegen geriet ein wenig aus der Mode. Auf das bequeme Argument der 70er und 80er Jahre, wie man es denn noch verantworten könne, Kinder in diese verdorbene Welt zu setzen, folgte in den 90ern die demographische Debatte darüber, dass wir zu wenig Kinder kriegen. Das ganze zog sich weit in die Nullerjahre und ging einher mit der Debatte um Einwanderung und Parallelgesellschaften und kurz darauf wurde das Wort „Unterschicht“ salonfähig. Schnell verschob sich die Diskussion in der „Zeit“ und beim „Spiegel“ in die Richtung, dass vor allem gebildete Menschen zu wenig Kinder bekämen. Der ewig saufend und rauchend vor dem TV sitzenden Unterschichtler, so der Zeitgeist, kümmere sich eh nicht ordentlich um seinen Nachwuchs und solle am besten nur Gutscheine erhalten. Gleichzeitig wurde beklagt, dass speziell Karrierefrauen und Akademikerinnen einen Karriereknick und Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, sobald sie Kinder bekommen.

Um die Lasten der ersten Wochen und Monate abzumildern, wurde bis 2005 als sozialpolitisches Instrument das Erziehungsgeld gezahlt. Eltern bekamen 24 Monate lang bis zu 300 Euro und unter Umständen nach 6 Monaten weniger, wenn sie gut verdienten. Dieses Erziehungsgeld wurde abgeschafft und durch das Elterngeld ersetzt. Für Geringverdiener und Alleinerziehende bedeutete das Elterngeld bereits 2006 eine eine Einbuße von bis zu 50%, wurden doch die genannten 300 Euro nur noch für 12-14 Monate gezahlt.

Gleichzeitig subventioniert das Elterngeld Besserverdienende, die mindestens 300 Euro erhalten, aber bis zur Grenze von 1800 Euro 67% des letzten Nettogehaltes. Das Elterngeld war von Anfang an nicht dafür gedacht, soziale Not zu lindern, sondern Familien, die im Berufsleben stehen, zum Kinderkriegen zu animieren. Das Elterngeld war nie etwas anderes als eine eine Subvention, eine klassistische Wurfprämie für Mittel- und Oberschicht. Wenn das Elterngeld die Elternschaft Berufstätiger fördern soll, bedeuten im Umkehrschluss die Abschaffung des Erziehungsgeldes und die aktuellen Kürzungen beim Elterngeld bei Hartv IV und Minijobbern auch, dass Elternschaft bei sozial benachteiligten Menschen politisch nicht erwünscht ist.

Leider hatte das Elterngeld bisher keinerlei Auswirkung auf die Geburtenrate – egal was Ursula von der Leyen sich so hinbiegt. Schlimmer noch: Man kam mit der Zeit auf den Trichter, dass Akademikerinnen sehr wohl auch Kinder bekommen – nur später. Bevölkerungspolitisch war das Elterngeld ein Schuss in den Ofen. Sozialpolitisch war es eine Umverteilung von unten nach oben. An der Situation vieler berufstätiger Frauen, nach der Babypause ihre Karriere nicht fortsetzen zu können und/oder keine vernünftigen Teilzeitstellen trotz ihrer Qualifikation angeboten zu bekommen, hat es ebenfalls nichts geändert, während die Kommunen bis heute nicht wissen, wie sie all die Krippenplätze bezahlen sollen, die ihnen vom Bund verordnet wurden. Die einzig positive Wirkung des Elterngeldes war es, dass es jetzt (auch in Unternehmen) weitgehend sozial akzeptiert ist, wenn Väter 2 Monate für ihre Kinder pausieren.

All diejenigen, die sich jetzt die Augen reiben, weil es nun Minijobbern und Hartz-IV-Empfängern gestrichen werden soll (dazu zählen übrigens auch alle Menschen, die von ihrem niedrigen Gehalt nicht leben können) hätten schon 2006 das Elterngeld gar nicht erst verfechten dürfen. Vor allem ist das Elterngeld für die Eltern gedacht und nicht für Kinder. Es ging niemals darum, Kinder zu fördern oder gar Kinderarmut zu mildern. Ebenso wenig ging es darum, Elternschaft allgemein zu fördern, sondern nur besserverdienende Elternschaft. Das Verdienst Kristina Schröders besteht vor allem darin, das ehrlich und unumwunden zuzugeben – und damit auch wie unchristlich, asozial und von Standesdünkel durchdrungen die Politik der CDU ist. Elterngeld für Arme – das ist in ihren Augen eben nicht gerecht gegenüber denen, die Geld verdienen.