Who the F*ck is Alice oder: Die hübscheste Servicehölle (Update)

Ich bin so eine Art Webworker. Momentan arbeite ich z.B. an einem Referat, für das es kaum Literatur in Buchform, aber viel im Web zu lesen gibt; ich programmiere eine Anwendung im Microsoft-Umfeld, wofür ich permanent Zugriff auf die MSDN Knowledge Base benötige, und arbeite seit Jahren an einer größeren Client-Server-Anwendung mit. Wobei der Server nicht bei mir steht. Wenn das Internet bei mir nicht funktioniert, kann ich nicht arbeiten und habe Wegezeiten von 3 Stunden täglich in die Uni oder ins Büro. Soviel nur vorweg.

Mitwoch, 15.10.

Mein Internet-Zugang spinnt. Ich kann nur ca. 50% aller Webseiten aufrufen. Alle meine E-Mail-Accounts mit ausnahme des Uni-Accounts sind nicht erreichbar. Prinzipiell ist die Leitung da, ich bekomme aber überall nach langer Wartezeit Timeouts und leere oder halbvolle Browserfenster. Spinnen tut mein DSL öfter mal. Das bin ich von der hübschen Alice bereits seit einem halben Jahr gewohnt. Deshalb unternehme ich erstmal nichts, weil sich so etwas meist von alleine regelt. Außerdem habe ich herausbekommen, dass außer mir noch zwei Bekannte in Hamburg Probleme mit ihrem Anschluss bei Alice haben.

Donnerstag 16.10.

Bei meinen Bekannten geht es wieder, bei mir nach wie vor nicht. Natürlich möchte ich sichergehen, dass der Fehler nicht bei mir liegt, und überprüfe sämtliche Einstellungen und Verkabelungen. Über Twitter organisiere ich einen alten DSL-Router. Und ich rufe das erste mal den Support an. Der Mitarbeiter ist eher unfreundlich und behauptet einfach mal, dass alles in Ordnung sei. Meine Frage gegen Ende des Gespräches: „Dann haben Sie keine Idee, was los sein könnte?“ — Seine Antwort: „Genau.“ Ein neues Modem oder einen Techniker will er mir nicht schicken. Das Telefonat wird ergebnislos beendet.

Mir wird nicht geholfen und dafür darf ich 14 ct pro Minute zahlen. Gegen Abend studiere ich mit meiner Liebsten die Angebote der Konkurrenz, die praktischerweise gerade in der c’t stehen. Allerdings scheint Alice zumindest vom Preis und einigen Konditionen her immer noch das beste Angebot zu sein. Von allzu vielen Konkurrenten habe ich zu viel negatives gehört. Internet ist heute wie Strom: Es muss funktionieren, ohne darüber nachzudenken.

Freitag 17.10.

Ich habe mittlerweile den Urzustand hergestellt. Das war ein Vorschlag des Support-Mitarbeiters. Originalkabel, Modem direkt an der Dose im Wohnzimmer, Zugang nur über die Alice-CD. Das ist dieses komische Programm, das immer ein Passwort von einem verlangt, wo eigentlich keines nötig wäre, und das dann meckert, wenn man nicht mindest 6 mal Leerzeichen oder „ö“ reinhackt. Die Probleme sind damit nicht behoben. Also wieder bei der Hotline anrufen. Meine Leitung wird gedrosselt, von 16 auf 12 MBit, Was nicht hilft. Man will irgendwas „ausprobieren“. Ich solle das testen und ggf. wieder anrufen. Ein neues Modem oder einen Techniker will er mir nicht schicken. Ich muss los. Am Abend funktioniert es genauso wenig wie zuvor. Übers Wochenende fahren wir weg.

Montag 20.10. (Teil 1)

Ich rufe um 9.00 das dritte mal den Support an. Erneut muss ich alle Einzelheiten schildern. Der Mitarbeiter ist dieses mal höflich, weiß aber auch keinen Rat. Als c’t-Leser weiß ich, dass mehrere DSL-Leitungen in einem Kabelbaum in großen Mehrfamilienhäusern unter Übersprechungen leiden können und die Fehlerquote steigt. Via Google findet sich ein Passwort für mein Siemens-Modem, mit dem man allerlei interessante Optionen des Gerätes erreichen kann. Der dort aufrufbare DSL-Test misst mehrere 100 Bitfehler in 20 Sekunden. Normal sind (laut diversen Webseiten und Foren) offenbar eine Handvoll pro Tag. Der Supportmitarbeiter nimmt meine Angaben kaum zur Kenntnis. Er weigert sich, meine Leitung mal testweise auf ein Minimum von z.B. 4 MBit zu stellen. 12 MBit seien bei Alice garantierte Bandbreite, das könne er nicht einfach so umstellen. Ein neues Modem oder einen Techniker will er mir nicht schicken. Man will sich melden. Ich fahre derweil ins Büro.

Montag 20.10. (Teil 2)

Gegen 14.00 kommt eine SMS: Ich solle mich bitte bei Alice melden. Leider habe ich den Bluetooth-Adapter für meine Hörgeräte nicht dabei und kann mit dem vorhandenen Telefon nicht telefonieren. Das erledigt meine Kollegin für mich. Der Support ist nett und nimmt sogar den Sachverhalt, dass ich schlecht höre, in die Kundendatenbank auf. Bei späteren Telefonaten scheint aber jeder diesen Eintrag zu übersehen. Außerdem hatte ich diese Angabe schon dreimal gemacht. Wir werden weitergeschaltet und der Mitarbeiter will noch einmal die ganze Geschichte von A-Z hören und stellt fragen, die ich schon ein- bis dreimal beantwortet habe. Und das obwohl ich eine Störungsnummer haben und per SMS aufgefordert wurde, anzurufen. Alice aber hat keine Neuigkeiten für uns. Warum haben die mir eine SMS geschickt? Der Mitarbeiter ratlos und „will es weitergeben“. Man will sich melden.

Montag 20.10. (Teil 3)

Am späten Nachmittag erhalte ich eine weitere SMS. Wieder telefoniert meine Kollegin für mich. Erneut sind allerlei Diskussionen nötig, bis wir zum Techniker durchgestellt werden obwohl wir eine Störungsnummer haben. Spitze Bemerkung von ihm an Rande: Ich sei ja telefonisch nicht zu erreichen. Natürlich bin ich das nicht. Ich hatte schließlich schon zuvor groß und breit erklärt, dass ich schlecht höre und die mir eine SMS schicken oder auf die Box sprechen sollen. An dem Nachmittag hatte ich übrigens drei Anrufe, jeweils mit unterdrückter Absendernummer und immer ohne auf die Box zu sprechen.

Der Techniker hat eine Neuigkeit: Die haben „irgendwas umgestellt“, ich solle mal bitte probieren, ob es jetzt geht. Kann ich nicht, weil ich nicht zuhause bin. Ich soll mich wieder melden.

Montag 20.10. (Teil 4)

Mittlerweile ist meine Liebste zuhause und teilt mir per SMS mit: Es geht weiterhin nicht. Da ich das mitteilen soll, ruft meine Kollegin das dritte mal für mich an. Bei diesem Versuch weigert sich der Call-Center-Agent, mit meiner Kollegin zu sprechen, bis ich selber der Höhrer nehme und ihn dazu auffordere. Außerdem weigert er sich, uns zu einem Techniker durchzuschalten, und will nicht verstehen, dass wir auf Aufforderung hin anrufen, um mitzuteilen, dass die letzte Umstellung nichts gebracht hat. Er hört uns auch nicht zu, sondern schneidet uns das Wort ab und beendet das Gespräch einfach so mit der Aussage: „Das hat so keinen Sinn“. Die hübsche Alice ist halt eine launische Diva.

Mittwoch 22.10.

Nach einer Woche ist der Spuk vorbei. Mein DSL funktioniert wieder ganz normal. Ich habe nichts geändert. Was die gemacht haben, weiß ich nicht, aber es war wohl wirklich deren Fehler. Schließlich konnten sie ihn beheben.

Update:

Es wurde nicht nur eine Leistung nicht erbracht, sondern ein konkreter Schaden verursacht: Mehrere Stunden Zeitverlust bei mir. Und mehr als 30 € Kosten für die Hotline. Natürlich unverschuldet. Ich muss ja schließlich dort anrufen. Spaßeshalber habe ich per Mail von Alice eine Gutschrift dieser 30 € gefordert. Das haben die natürlich abgelehnt, mit dem Hinweis, dass ich sie ja über ihr Webformlar hätte kontaktieren können. Sehr hilfreich, wenn es am Internet-Zugang hapert… Das ist vermutlich die einzige Branche, in der man Geld damit verdienen kann, Leistungen nicht zu erbringen.

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